HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS - PART 2
Es wird vielerorts von einem "würdigen Abschluss" geredet. Ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll. Besonders für eine so inhomogene Reihe, welche mit viel Geld und wenig Willen zur gelungenen Verschmelzung von Buchverfilmung und eigenständigem Film entstand. Aber das sollte nicht missverstanden werden, der Film hat mir gefallen. Ich war im Kinositz gefesselt. Und doch kam ich nicht umhin, mich ständig zu fragen, ob er nicht antiklimatisch ist. Nach der gelungenen, ruhigen Partisanen-Atmosphäre von DEATHLY HALLOWS - PART 1 (eine perfekte Umsetzung des ersten Hälfte des Buches), wird hier von Höhepunkt, Enthüllung und Actionpiece zu Höhepunkt, Enthüllung und Actionpiece gehetzt. Das Ganze fühlte sich wie ein einziger Höhepunkt an. Als Buchleser kann ich leider auch nicht mehr klar zwischen dem Wissen, welches ich in die Verfilmung mithineinnehme, und dem Wissen, welches allein der Film vermittelt, unterscheiden. So weiß ich nicht, ob diese eigenartige Struktur, so ganz ohne Leerlauf, nicht eigenartig distanzierend wirken könnte. Ich hatte manchmal jedenfalls diesen entfernten Eindruck. Aber trotzdem: Ich habe den Film genossen. Außer ein paar Dazudichtungen von Action-Szenen wurde sich wie schon bei PART 1 detailgetrau an die Vorlage gehalten. Und das, was von ihr verfilmt wurde, wurde reich, dicht und mit enormen Anspielungsreichtum (an vorherige Filme, an Genres, an menschliche Konzepte) inszeniert. Ich hätte z.B. nie geglaubt, dass man Harrys Reise in Snapes Erinnerungs- unf Gefühlswelt annährend zu gut hinkriegt. Obwohl sie als zentrale klärende als auch emotionale Szene des Buchs und des Films ruhig noch etwas länger und ausführlicher, eben mit mehr Leerstellen und Erholungspausen, hätte ausfallen können. Gut, sklavische Buchtreue hätte spätestens vor dem Epilog halt machen sollen. Aber sei es drum. Gewiss schmunzelt man über die unüberzeugenden Altersprozesse der Figuren, aber: Man schnallt auch, worum es geht, bei diesem Blick in eine heile Zukunft.
Eines ist aber ganz sicher außerordentlich gelungen: Das ganze Gefühl des Erwachsen-Werdens hat sowohl das Schauspieltrio bestehend aus Radcliffe, Grint und Watson als auch der Film selbst in seiner sperrigen Art herübergerbacht.
Wo bei diesen ganzen Aspekten nun genau die Würde steckt, scheint mir doch stark von der Perspektive, die man auf die Filme wählt, abzuhängen.
8/10
MAY
May (Angela Bettis) ist ebenfalls erwachsen. Aber ihr merkt man es nicht an. Sie scheint noch tief im pubertären Unsicherheitssumpf versunken. Ihr träges Auge steht sinnbildlich für den jugendlichen Zweifel am eigenen Körper. Der hat sich bei May nun schon psychologisch manisfestiert in extremer Schüchternheit und Zurückgezogenheit. Eigentlich ist schon früh im Film klar, dass man es hier mit einer Psychopathin zu tun hat. Sie meint zu ihrem Augenarzt, sie hätte ein Date mit einem Typen, der allerdings noch gar nichts von seinem Glück weiß. Die Annäherungsversuche an diesen Adam (Jeremy Sisto), von dessen Händen May schon fast sexuell entzückt ist, haben demnach auch eher Stalking-Charakter. Aber schließlich wird er doch auf sie aufmerksam und da er, Argento-Aficionado und Amateur-Splatter-Regisseur, auf alles Seltsame steht, steht er auch auf May. Nur diese wiederum hat gar kein Konzept von menschlicher Nähe: Als sie klein war, hat ihre Mutter ihr eine alte, selbstgemachte Puppe aufgrund von akutem Freundemangel geschenkt. Diese "Vertreterin" echter menschlicher Bekanntschaften durfte allerdings nicht aus ihrer Glasvitrine, womit May sogar die Nähe zu ihrer Schein-Freundin versagt wurde. Die einzige Nähe, die sie kennt, ist eine extreme körperliche, der sie als chirurgische Assistentin in einer Tierklinik intensiv frönt. Als Adam bemerkt, dass sie da ganz offenbar etwas durcheinander bringt mit diesen beiden Formen von Nähe, bricht er den Kontakt zu May ab. Trost versucht sie bei ihrer lesbischen Kollegin Polly (Anna Faris) zu finden, aber auch ihre Avancen stellen sich als oberflächliches Spiel heraus.
Die tiefe Enttäuschung darüber, dass ihr Sehnen nach Nähe unerfüllt bleibt, lässt May endgültig in ihre eigene, verschlossene Welt abdriften. Sie entscheidet sich, ihren Partner einfach selbst zu machen: eine menschliche Puppe aus den besten und schönsten Körperteilen, die sie sich aus ihren Bekanntschaft besorgt. Die neue May ist resolut. Sie weiß, was sie will und von wem sie es will. Angela Bettis spielt diese Veränderung ganz herausragend. Das Erwachsen-Werden, dieses Finden der eigenen Selbstständigkeit, gelingt May allerdings nur unter vollständigem Verlust ihrer Empathiefähigkeit. Die psychopathischen Spuren, die sich in der ersten Stunde des Film immer nur drohend in einer scheinbar quirligen Coming-of-Age-Geschichte andeuteten, brechen nun hervor. Das letzte Drittel des Films beeindruckt weniger wegen seiner Gewaltspitzen, welche zwar auch unter die Haut gehen, sondern vielmehr aufgrund seiner ästhetischen Assoziationsmontagen, welche Mays krankhaften Geisteszustand widerspiegeln. Zudem gibt es eine wahnsinnige und wahnsinnig tolle Schlussszene, welche dieses erwachsene Teenie-Horror-Kunst-Drama absolut stimmig abrundet.
9/10
Es wird vielerorts von einem "würdigen Abschluss" geredet. Ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll. Besonders für eine so inhomogene Reihe, welche mit viel Geld und wenig Willen zur gelungenen Verschmelzung von Buchverfilmung und eigenständigem Film entstand. Aber das sollte nicht missverstanden werden, der Film hat mir gefallen. Ich war im Kinositz gefesselt. Und doch kam ich nicht umhin, mich ständig zu fragen, ob er nicht antiklimatisch ist. Nach der gelungenen, ruhigen Partisanen-Atmosphäre von DEATHLY HALLOWS - PART 1 (eine perfekte Umsetzung des ersten Hälfte des Buches), wird hier von Höhepunkt, Enthüllung und Actionpiece zu Höhepunkt, Enthüllung und Actionpiece gehetzt. Das Ganze fühlte sich wie ein einziger Höhepunkt an. Als Buchleser kann ich leider auch nicht mehr klar zwischen dem Wissen, welches ich in die Verfilmung mithineinnehme, und dem Wissen, welches allein der Film vermittelt, unterscheiden. So weiß ich nicht, ob diese eigenartige Struktur, so ganz ohne Leerlauf, nicht eigenartig distanzierend wirken könnte. Ich hatte manchmal jedenfalls diesen entfernten Eindruck. Aber trotzdem: Ich habe den Film genossen. Außer ein paar Dazudichtungen von Action-Szenen wurde sich wie schon bei PART 1 detailgetrau an die Vorlage gehalten. Und das, was von ihr verfilmt wurde, wurde reich, dicht und mit enormen Anspielungsreichtum (an vorherige Filme, an Genres, an menschliche Konzepte) inszeniert. Ich hätte z.B. nie geglaubt, dass man Harrys Reise in Snapes Erinnerungs- unf Gefühlswelt annährend zu gut hinkriegt. Obwohl sie als zentrale klärende als auch emotionale Szene des Buchs und des Films ruhig noch etwas länger und ausführlicher, eben mit mehr Leerstellen und Erholungspausen, hätte ausfallen können. Gut, sklavische Buchtreue hätte spätestens vor dem Epilog halt machen sollen. Aber sei es drum. Gewiss schmunzelt man über die unüberzeugenden Altersprozesse der Figuren, aber: Man schnallt auch, worum es geht, bei diesem Blick in eine heile Zukunft.
Eines ist aber ganz sicher außerordentlich gelungen: Das ganze Gefühl des Erwachsen-Werdens hat sowohl das Schauspieltrio bestehend aus Radcliffe, Grint und Watson als auch der Film selbst in seiner sperrigen Art herübergerbacht.
Wo bei diesen ganzen Aspekten nun genau die Würde steckt, scheint mir doch stark von der Perspektive, die man auf die Filme wählt, abzuhängen.
8/10
MAY
May (Angela Bettis) ist ebenfalls erwachsen. Aber ihr merkt man es nicht an. Sie scheint noch tief im pubertären Unsicherheitssumpf versunken. Ihr träges Auge steht sinnbildlich für den jugendlichen Zweifel am eigenen Körper. Der hat sich bei May nun schon psychologisch manisfestiert in extremer Schüchternheit und Zurückgezogenheit. Eigentlich ist schon früh im Film klar, dass man es hier mit einer Psychopathin zu tun hat. Sie meint zu ihrem Augenarzt, sie hätte ein Date mit einem Typen, der allerdings noch gar nichts von seinem Glück weiß. Die Annäherungsversuche an diesen Adam (Jeremy Sisto), von dessen Händen May schon fast sexuell entzückt ist, haben demnach auch eher Stalking-Charakter. Aber schließlich wird er doch auf sie aufmerksam und da er, Argento-Aficionado und Amateur-Splatter-Regisseur, auf alles Seltsame steht, steht er auch auf May. Nur diese wiederum hat gar kein Konzept von menschlicher Nähe: Als sie klein war, hat ihre Mutter ihr eine alte, selbstgemachte Puppe aufgrund von akutem Freundemangel geschenkt. Diese "Vertreterin" echter menschlicher Bekanntschaften durfte allerdings nicht aus ihrer Glasvitrine, womit May sogar die Nähe zu ihrer Schein-Freundin versagt wurde. Die einzige Nähe, die sie kennt, ist eine extreme körperliche, der sie als chirurgische Assistentin in einer Tierklinik intensiv frönt. Als Adam bemerkt, dass sie da ganz offenbar etwas durcheinander bringt mit diesen beiden Formen von Nähe, bricht er den Kontakt zu May ab. Trost versucht sie bei ihrer lesbischen Kollegin Polly (Anna Faris) zu finden, aber auch ihre Avancen stellen sich als oberflächliches Spiel heraus.
Die tiefe Enttäuschung darüber, dass ihr Sehnen nach Nähe unerfüllt bleibt, lässt May endgültig in ihre eigene, verschlossene Welt abdriften. Sie entscheidet sich, ihren Partner einfach selbst zu machen: eine menschliche Puppe aus den besten und schönsten Körperteilen, die sie sich aus ihren Bekanntschaft besorgt. Die neue May ist resolut. Sie weiß, was sie will und von wem sie es will. Angela Bettis spielt diese Veränderung ganz herausragend. Das Erwachsen-Werden, dieses Finden der eigenen Selbstständigkeit, gelingt May allerdings nur unter vollständigem Verlust ihrer Empathiefähigkeit. Die psychopathischen Spuren, die sich in der ersten Stunde des Film immer nur drohend in einer scheinbar quirligen Coming-of-Age-Geschichte andeuteten, brechen nun hervor. Das letzte Drittel des Films beeindruckt weniger wegen seiner Gewaltspitzen, welche zwar auch unter die Haut gehen, sondern vielmehr aufgrund seiner ästhetischen Assoziationsmontagen, welche Mays krankhaften Geisteszustand widerspiegeln. Zudem gibt es eine wahnsinnige und wahnsinnig tolle Schlussszene, welche dieses erwachsene Teenie-Horror-Kunst-Drama absolut stimmig abrundet.
9/10