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"All is full of Love..."

bekays Filmtagebuch

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THE LAST AIRBENDER (2010)


Der Beweis dafür, dass die amerikanischen Kritiker abgrundtief dumm und egomanisch sind und dass man trotz gehetzter Erzählweise einen Film machen kann, der interessanter und vielschichtiger ist als vieles, was da so aus Hollywood rüberschwappt. Dass Shyamalan ein Blick für die Bilder hat, muss nicht extra erwähnt werden und zeigt sich auch hier wieder. Der Film ist eine visuelle Wonne und seine leider etwas sparsam eingesetzten Action-Sequenzen halte ich für wegweisend. Auf wie vielen Ebenen dort Aktionen passieren, wie genüsslich die Kamera die Distanz, nicht die Nähe zum Kampf sucht und wie wenig Schnitte den Überblick verderben, das ist schon atemberaubend. Richtig ist, dass die Dynamik manchmal zu sehr abgebremst wird und es zu komischen Verschleppungen zwischen den Tiefen-Ebenen kommt (einer steht rum und wartet, dass er ins Geschehen eingebunden wird etc.) - nichts, was sich nicht ausbessern ließe. Ich will mehr von dieser Action sehen!

Soweit ich das überblicke, lassen sich die meisten Kritikpunkte auf diese schrecklicke Komprimierung der Handlung zurückführen. HARRY-POTTER-Verfilmung war gestern, nun wird gehetzt, dass nicht mal mehr Zeit fürs Schauspielen ist. Das, was ich hier von den Darstellern gesehen habe, war eigentlich nicht zu bekritteln. Wer aber ständig Erklärungssätze abgeben muss, die Hintergundinfos liefern, spielt eben keine Figur, sondern einen Handlungsberater. Da lässt sich wenig glänzen.

Und als Liebhaber der Vorlage kann ich auch nur sagen, dass Shyamalan die Aspekte, die er sich ausgewählt hat (die spirituelle Welt und der Respekt vor ihr, Aangs Angst vor der Verantwortung & Prinz Zukos zorniger Kampf um seine Ehre), großartig umsetzt, dunkel und verflochten neuinterpretiert. Die Zeichentrick-Fans hingegen legen eine mir absolut unverständliche Hysterie bei der Kritik dieser Umsetzung an den Tag. In einem Punkt schließe ich mich an: Leider geht die Größe und der Reichtum der Welt, die die Zeichentrick-Serie in ihren vielen Folgen entwickelt, hier im Ort-Hopping verloren. Auch hier wieder: Lauflänge zu kurz! Dass die Struktur der Serie sich für solcherlei "Welt-Skizze" viel eher eignet, ist keine Entschuldigung. Hier hätte vielleicht schon das Einblenden von Kartenmaterial und der eingeschlagenen Wege darauf gereicht, um eine Systematik hineinzubringen, die dem Film leider fehlt. Sonst wird hier ja auch nicht mit liebevoll gestalteten Schriftrollen gegeizt.

Letztendlich fehlt dem Film die Muße - und dieses Manko strahlt leider in viele Aspekte aus. Kann man darüber hinwegensehen, wird man meines Erachtens belohnt. Kann man es nicht, ist das schon ein seltsamer Film. Und als Nicht-Kenner der Serie fällt dieses Darüberhinwegsehen gewiss nicht leicht…


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Leiden wie Jesus


AN AMERICAN CRIME (2007) ist ausgesprochener Sozialkitsch. Das grausame Verbrechen an Sylvia Likens wird in dieser Fiktionalisierung auch ständig rationalisiert. Ohne Unterlass mahlen die Zahnräder der Sozioökonomie, Psychologie und der unglücklichen Umstände, die unserer Macht entzogen sind, um die Folter des Mädchens zu er-gründen. Alles muss verständlich und in eine Logik von Aktion und Reaktion eingespannt sein. Leider wird dadurch der irreduzible Rest einer Natur des Menschen, die dem aufgeklärten Weltbild zuwider läuft, die grausam, unersättlich und vollkommen egoistisch ist, nicht dargestellt. Der Film ist für sein Sujet leider nicht pessimistisch und kompromisslos genug. Was bleibt, ist eine unglaubliche Ellen Page, die hier eine weibliche Christus-Figur mimt und der Passionsgeschichte ein neues, ungewohntes Gesicht gibt. Sie ist es dann doch, die das Enigmatische in den Film holt. Sie ist die Nemesis und ihre Leidensfähigkeit und Demut stellt den Zuschauer vor Rätsel…


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December Boys (2007)


Klar, ein typisches Coming-of-Age-Drama um vier Waisen, welche im Dezember, ihrem Geburtstagsmonat, das Waisenhaus im australischen Outback gegen den bildhübschen Urlaubsstrand austauschen dürfen. Denkt man zuerst. Und eigentlich läuft auch alles nach Schema COA ab: Das Voice-Over von einem alten Mann, einmal einer der Jungs, begleitet uns durch die Geschichte. Die Konflikte sind alle bekannt, die Dynamiken der Gruppe werden durchexerziert, die Darstellung der sich entwickelnden Sexualität bietet auch nichts neues und der Blick durch den Türspalt ist sowieso immer schockierend (hier in Form einer Mastektomie). Solide gekocht nach Genre-Rezept, könnte man also meinen. Aber irgendwer hat hier ein paar exotische Gewürze reingehauen. Mit der Erinnerungsstruktur des Films wird ernst gemacht: Das Geschehen erhält einen magischen Charakter. Sehr leicht und luftig. Vielleicht könnte man sagen: Burton light. Eine Surrealität, der noch in der Natürlichkeit verankert ist und nicht mit ihrer Auffälligkeit kokettiert. Es gibt in der Bucht einen riesigen Fisch names Henry, ein fischendes Pferd namens Socrates und frische Visionen. Coming-of-Age-Geschichten müssen sowieso nur stereotyp sein, damit ich mein Herz an sie verliere. Doch wenn sie auch noch so unauffälig in die Irrealität abgleiten . . .


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Konception


Christopher Nolans INCEPTION ist ein Film der Superlativen. Einigen will ich mich hier kurz nähern.

Unendlich kalt: Ungefähr so, als ob man einem Gletscher beim Nicht-Schmelzen zuschaut, fühlte sich der Film für mich an. Nolan hat nun wirklich den Höhepunkt seines emotional distanzierenden Kinos erreicht. Worauf ich nicht nicht so ganz meinen Finger legen kann, ist, woran das eigentlich liegt. Jedenfalls, es fröstelte, auch wenn es weinte, lachte, Schuld eingestand etc.

Unendlich lang: Gefesselt und gebannt war ich - was aber nicht heißt, dass ich mir nicht wünschte, dass es endlich aufhören sollte.

Unendlich architektonisch: Überall riesige Gebäude, modernes Beton, steife Linien - das ist Rationalität, die in etwa die Qualität von Irrationalität in Träumen besitzt. Problem eben nur, dass diese Architektur Traumarchitektur sein soll.

Unendlich theoretisch: Weder finde ich verwerflich, dass es Traumregeln gibt, noch, dass diese von den Figuren mündlich erklärt werden. Aber es sind derer einfach viel zu viele, aus denen Systembauer Nolan sein labyrinthisches Kartenhaus zusammenbaut. Das leitet auch die Gespräche über den Film an: Details erinnern, ordnen, zum "gemeinten" System rekonstruieren. Darüber kann man ganz trefflich diskutieren, denn die Regeln sind zahlreich, mal unscheinbar, mal implizit, mal explizit, etc. Dabei passiert etwas, das Nolans Werk massiv prägt und sich leider auch auf die Zuschauer überträgt: Denken in Drehbüchern, welches Denken in/mit Bildern abtötet.

Das führt dann dahin, dass das letzte Bild vor dem Abspann als Aufforderung verstanden wird, sich entscheiden zu müssen. Von Konzeptionen das Gehirn vernebelt, muss der Inhalt immer eine "sinnige" Biegung erfahren. So merkt dann kaum jemand mehr, dass es die Form ist, die einen entscheiden lässt. Sich entscheiden zu können, ist eben etwas grundsätzlich anderes, als sich entscheiden zu müssen. Doch durch den Film ruft es immer wieder, zweitere Entscheidungsmodalität stark machend: Wollt ihr die totale Logik?

Nein, ich jedenfalls nicht.


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Die heutige Tatort-Folge HAUCH DES TODES hat mich bewogen, einen unvollständigen Eintrag, den ich vor Monaten einfach als Entwurf liegen ließ, nun doch zu veröffentlichen. Also nicht wundern, wenn der in der Mitte abbricht. Die Folge heute hat mich nur wieder daran erinnert, wie fieberhaft das deutsche Fernsehen den Anschluss an die amerikanischen TV-Formate sucht. Für Frau Odenthals 50. Jubiläum hat man sich offenbar zu viele CRIMINAL-MINDS-Folgen reingezogen - und m.A. gar nicht so schlecht nachgestellt. Spannend und grimmig ganz gewiss. Nun aber mein Geschreibsel von anno dunnemals:

Seit mittlerweile einem oder etwas weniger als einem Jahr gehört mein Sonntag der deutschen Krimikost. Namentlich TATORT und POLIZEIRUF 110. Für einem an amerikanischen Serienverhältnissen Geschulten gibt es ein erstes Hindernis: die Unordnung der Episoden. Hat eine Serie in Amerika ein festes Nummerierungsformat - eingeteilt in Staffel und Episode der Staffel - ist es hier schon allein falsch, von TATORT und POLIZEIRUF 110 als einer Serie zu sprechen. Das hat bekanntlich mit der Struktur des öffentlichen Fernsehens Deutschlands zu tun, das ja gar nicht als überregionale Einheit existiert - die ARD ist nicht, es sind nur die Landesrundfunkanstalten. Und diese sind jeweils für ihre eigenen Ermittlerteams verantwortlich. Da den Überblick zu behalten, fällt manchmal schwer. Besonders, da es nun einmal so ist, dass die Folgen der selben Ermittlerteams trotz ihrer starken Fall-Lösungsstruktur durchaus aufeinander aufbauende Handlungselemente enthalten. Gerade was die emotionale Dynamik der Figuren angeht, spielt man mit einem Vorwissen der Zuschauer. Damit wären wir eigentlich auch schon beim Knackpunkt und auch Anstoß dieses Textes: Dem forschen Drängen nach Modernisierung, welches wohl das stabilste Element aller von mir bisher gesehenen Folgen ist. Modernisierung heißt in diesem Fall: Orientierung an der Formalästhetik und Mise-en-scène der amerikanischen Serie. Diese hat es ja in den letzten Jahren geschafft, Düsternis und dunkle Stimmung als starke Authentizitätseffekte zu etablieren. (Mit anderen Worten: Wer sagt, eine Serie sei "realistisch", der versteht ihre Härte und Dunkelheit als Zeichen von Authentizität.) Gleichzeitig sind die Landesrundfunkanstalten immer auch ihrem Lokalkolorit verpflichtet. Die Versöhnung von regionaler Varietät mit amerikanischer Authentizität ist ein delikates Unterfangen, das ich anhand der zwei neusten POLIZEIRUF-Folgen etwas genauer betrachten will.

DIE LÜCKE, DIE DER TEUFEL LÄSST ist dabei ein gänzlich misslungener Versuch. In diesem bayerischen POLIZEIRUF stimmt so gar nichts. Auf der Höhe der Zeit will man gerade thematisch sein, indem man sich einem brisanten finanzpolitischen Thema zuwendet: der Vollstreckung aus Grundschuld nach Kreditverkauf. Äh? Ja, genau, das Thema ist nicht gerade einfach. Und das einzig Gute an diesem Film ist, dass dieser sich um eine einfache, mit Hilfe von Würstchen veranschaulichte (sic!) Aufklärung dieser sozialen Sauerei bemüht. Das Problem: Wer ein Haus bauen will, muss meist einen Kredit aufnehmen. Als Kreditsicherheit lässt sich die Bank oft die Grundschuld übereignen - das ist das Recht, bei Nicht­rückzah­lung des Kre­di­ts das Grund­stück zwangsweise zu versteigern. Nun hat die wuchernde Finanzwirtschaft auch den Verkauf der Grundschuld für sich entdeckt und das unabhängig vom eigentlichen Kreditvertrag, mit dem diese ja eigentlich ursächlich zusammenhing. So kann es durch eine Gesetzeslücke im deutschen Recht passieren, dass ein Finanzinstitut die von der Bank erworbene Grunschuld eintreiben kann, unabhängig davon, ob nun der Darlehen getilgt wird oder nicht. Die Häuslebauer müssen plötzlich nicht nur den Kredit zurückzahlen, sondern sollen auch die Grundschuld begleichen - ansonsten droht Zwangsversteigerung. Ein lukratives Gschäft für die Heuschrecken. Und eines, welches soziales Leid gebiert, welches wiederum Verbrechen entfacht. Aus dieser vielversprechenden Grundprämisse wird recht wenig gemacht. Zuerst einmal - aber dafür kann dieser POLIZEIRUF recht wenig - kommt die Botschaft zu spät. Dass schon 2008 ein Risikobegrenzungsgesetz auf den Weg gebracht wurde, dass diese Gesetzeslücke schloss, ist dabei nicht das Problem, denn das Gesetz wurde nicht rückwirkend, also auf vor 2008 geschlossene Darlehensverträge angewandt. So konnte die Sauerei weitergehen bis vor drei Wochen der Bundesgerichtshof auch hier eine Riegel vorschob. Ein Film kann demnach Opfer seiner eigenen Aktualität werden und nur noch als Fußnote den Diskurs bereichern. Aber sieht man davon ab, so stößt auch der selbstverschuldete Kitsch dieser Sozial-Parabel auf: Hunde namens Obama, Kinder namens Hope und Glory, Schuldner namens John F. - der Zuschauer kriegt die (angeblich) amerikanische Herkunft der Krise in die Fresse gekloppt.


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Silent Running (1972)


Was soll man zu einem Film sagen, der mit dem Bild eines durch das All fliegenden Glasdoms endet, in dem ein Roboter Pflanzen gießt? Während Joan Baez eine Öko-Ballade trällert? Genau: beeindruckend! SILENT RUNNING gehört offensichtlich zur Sorte der progressiven Science-Fiction-Filme, vier Jahre nach Kubricks 2001 und wohl auch in dessen Fahrwasser entstanden. Verantwortlich zeichnet sich dementsprechend auch Douglas Trumbull, "special photographic effects supervisor" von Kubricks Weltraum-Meditation. Der Film trägt seine Öko-Botschaft zwar etwas auffällig vor sich her, aber setzt doch Hingucker-Akzente: Denn die Natur wurde outgesourct. Sie existiert nur noch in riesigen Glaskuppeln, die an Raumschiffen befestigt nahe des Saturns ihre Runden drehen. Wie die Erde ganz ohne Grün aussieht, wird dem Zuschauer verweigert. Es gibt nur Andeutungen in Gesprächen - positive wie negative. Die gesellschaftliche Frage stellt der Film also nicht. Eher die ganz persönliche. Denn als entschieden wird, diesen letzten Garten Eden zu sprengen (offenbar wird er nicht mehr benötigt), verliert Astronaut Freeman Lowell (Bruce Dern) die Kontrolle über sich und tötet die drei anderen Besatzungsmitglieder. Die Zerstörung des Naturreservats irgendwo in der Kälte des Alls kann er nicht zulassen: Er ernährt sich von ihr (was die restliche Crew schon fast als anstößig empfand) und hat eine enge Verbindung zu Pflanzen und Tieren dort aufgebaut. Nun vollkommen allein, leisten ihm nur noch zwei Wartungsroboter Gesellschaft. (Ganz toll übrigens: die armen Teufel, die sich da reinzwängen mussten, werden in den Schluß-Credits gleich als erstes erwähnt.) Also doch nicht ganz allein. Wie der Film die Isolation aber der Mitte der Laufzeit und Lowells Versuche, die Roboter zu vermenschlichen, schildert, hat einen schon fast unheimlichen Zug. Geplagt von Schuldgefühlen, angriffslustig durch kurze Blenden in die Vergangenheit angezeigt, werden ihm die Roboter zu Gefährten. Ob das, was diese erwidern, "authentisch" oder nur Teil einer Programmierung ist, wird nur sparsam angedeutet. Eindeutig ist nichts in dieser merkwürdigen Atmosphäre, die durch einige erstklassige Effektaufnahmen des Raumschiffes im Weltraum unterstrichen wird. Am Ende ist es dann doch ein dialektisches Verhältnis, dass der Film zur Ökologie aufbaut. Man könnte solche Aussagen aus ihm herauslesen, wie: Der Natur ist es egal, ob sie nun von einem Menschen oder Roboter gepflegt wird. Oder: Was nützt einem die Schönheit der Natur, wenn man einsam ist? Dass Lowell zum Schluß nicht weiß, dass es das fehlende Licht ist, welches der Biosphäre zu schaffen macht, mag eines dieser "Logiklöcher" sein. Oder aber der Hinweis, dass er eigentlich keine Ahnung von Pflanzen hat, dass auch ihm diese total fremd geworden sind und er aus rein egoisitischen Impulsen seine Crew umbrachte - nicht als Öko-Krieger handelte. Ja, vielleicht ist dies das unerhört Beeindruckende: Goodbye, Nature? (Das hätte Joan Baez singen sollen...)


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Valhalla Rising (2009)


Im Making Of, welches ich nach dem Ende des Abspannes, der selbst immer noch fesselnd war, geschaut habe, hat Regisseur Winding Refn gemeint, dies wäre ein Science-Fiction-Film. Weil sich die Wikinger in Amerika wie auf dem Mond hätten fühlen müssen. Ich hatte den Film so nun überhaupt nicht empfunden. Auf dem Mond war der Zuschauer gewiss - aber schon ab dem ersten Bild dieses vollkommen entrückten Films. Wahrscheinlich sollten die kargen Landschaften Grönland darstellen.* Denn von dort aus unternahmen die Wikinger ab ca. 1000 n. Chr. ihre historisch verbrieften Vinlandreisen nach Nordamerika. Aber der Film markiert nichts. Historisch - das heißt zeitlich und geographisch - schweigt er. Seine kargen Eingangszeilen mögen eine grobe Einordnung zur Zeit der Christianisierung zulassen: "In the beginning there was only man and nature. Men came bearing crosses and drove the heathen** to the fringes of the earth." Gleichzeitig wird das Thema angedeutet: Natur und Mensch trennen sich. Die Christen entfernen sich von ihr, während sich die Heiden - am Rande der Erde - ihre Kreatürlichkeit erhalten. Eine solche Kreatur durch und durch ist One-Eye (Mads Mikkelsen), ein stummer Krieger, gehalten als Kampfsklave in unzugänglicher karger Landschaft. Er befreit sich, nicht ohne brutalst Rache zu nehmen, und wird von dem Jungen, der sich während seiner Gefangenschaft um ihn kümmerte, begleitet. Die Beiden schließen sich christianisierten Wikingern an, die nach Jerusalem ziehen wollen. Stattdessen verschlägt es sie mit ihrem Boot in einen unheimlichen Nebel, der sie nach Amerika führt. Dort fallen sie sich entweder gegenseitig oder den Indianern zum Opfer. Der Junge überlebt als einziger, weil sich One-Eye opfert. (Distanzierter als hier kann man eine solch eigentlich typische Freunschaftsgeschichte zwischen Mann und Junge kaum erzählen.)

Der Plot wird nur angerissen, wortkarg und selten von den Figuren des Films angetrieben. Die haben andere Dinge zu tun: Sie müssen sich durch die Natur fortbewegen - wunderschön und bedrohlich zugleich. Und stets wirkend auf Körper und Geist: Dreck & Visionen, so lassen sich One-Eye und der Film summieren. Denn selten hat man einen dreckigeren Film visionärer umgesetzt sehen können. Die Landschaften und die Dinge um die Figuren herum, ja selbst nur der Nebel, hinterlassen profunde Spuren in den Figuren, die sich weit in sie hineinfressen. Das Ganze erreicht sicherlich seinen Höhepunkt in dem als "Hell" betitelten Kapitel V des Films, in dem die Figuren in Zeitlupe nur noch zu vollkommen verwirrter Handlung fähig sind. Vereinsamt geben sie sich dem Wahnsinn des Hungers, der Angst und der fremden Umgebung hin. Das nimmt psychodelische Ausmaße an. Dass diese so entrückt auf einen wirken, hat auch seinen Grund in einer radikalen visuellen Inszenierung: Nicht nur hat Refn vollkommen entlegene Natur für seine Aufnahmen gesucht - er diese dann stellenweise durch digital grading vollkommen ihrer Natürlichkeit beraubt. (Da kann Peter Jackson mit seiner digitalen Farbtunkerei einpacken!)

Interessanterweise ist so ein Film entstanden, der einiges über die Erfahrungswelt in der Vergangenheit aussagt und sich damit vielleicht an eine historische Wahrheit annähert, wenn es eine solche geben sollte. Jedenfalls bringt VALHALLA RISING einen die Auseinandersetzung mit der Natur auf eine Art und Weise zum Bewusstsein, wie man sich das heute kaum mehr vorstellen kann. Vielleicht also doch ein Science-Fiction-Film? Einmalig jedenfalls und der Erfahrung durch den Zuschauer würdig.

* Stimmt nicht, ich erinnere mich gerade, dass zu Anfang kurz der Name Sutherland fällt - ein Gebiet Schottlands, wo der Film übrigens auch gedreht wurde. Das bestärkt den Film natürlich in seiner Abgedrehtheit. Von England segelnd in einen Nebel zu kommen und zufällig in Amerika anzulanden, das ist vollkommen unmöglich. Aber das schert ja zum Glück den Film nicht.

** Die Heiden.


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Im Angesicht der Millisekunden-Weißblende


Die zweite und dritte Episode von IM ANGESICHT DES VERBRECHENS zeigen natürlich, wo das Potential der Serie liegt und in welcher Hinsicht sie von den US-Serie gelernt hat: radikale Auflösung der Ein-Fall-pro-Folge-Struktur und ein sich immer weiter ausbreitendes narratives Netz, welches sich mit jeder Episode neu und enger vermascht. Schade allerdings, dass man von formaler Seite eher bei der grellen CSI-Familie abguckt: Hibbelig, blitzend, zoomend - Jump Cuts und Stadt-Draufsichten en masse. Hier hatte ich mir wohl eher eine Herangehensweise á la THE WIRE gewünscht, was wohl auch meine Enttäuschung bedingt. Nur, wer sich brüstet oder auch nur von der Presse dafür gelobt wird, an die us-amerikanische Serien-Qualität anzuschließen, der kommt an David Simons Opus Magnum nicht vorbei. Und dort zeigt sich, wie modernes Erzählen mittlerweile aussieht: ästhetisiert zwar, aber distanziert, ungewöhnlich trocken, vollkommen unaufgeregt und - unterdeterminiert. IM ANGESICHT DES VERBRECHENS hingegen scheint seinen Zuschauer für blöd zu halten, so vereindeutigend und iterativ sind die Flashbacks und Einschübe, die ihm ständig bereits bekannte Informationen unter die Nase reiben. Der unglaubliche Drang und Wille zur Modernisierung ist der Serie zwar stets anzumerken - das jedoch ist noch nichts Außergewöhnliches. Ich gucke mir im Ersten nun schon seit einem Jahr die Sonntagskrimis an und auch da wird hart gearbeitet, an aktuelle Entwicklungen anzuschließen. Vielleicht nicht immer so erfolgreich, aber IM ANGESICHT DES VERBRECHENS als Novum zu feiern, geht einfach nicht an. Vielleicht was die episodenübergreifende und engmaschige Handlungsstruktur betrifft, aber darüberhinaus...


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Im Angesicht der Überambition


Erste Folge IM ANGESICHT DES VERBRECHENS, Dominik Grafs gefeierte und angebliche Rettung der deutschen Serie - das habe ich mir anders, vor allem besser vorgestellt. Die Erzählweise ist in ihrer schwindelerregenden Geschwindgkeit und Lückenhaftigkeit absolut modern und geht schon in Ordnung. Jedoch, die hier und da hervortretene Trashiness beißt sich irgendwie gewaltig mit der authentifizierenden "Milieuisierung", die die Serie ja sichtlich angestrengt betreibt. (Was die überdeterminierte Soundkulisse angeht, etwas zu angestrengt - da wird Authentifizierung zu Tonbrei.) Da weiß man auch nicht recht, wie man das hölzerne Spiel der Darsteller, einen komischen Dreier unterm Fallschirm und eine absolut veraltete Voice-Over-Vorstellung der Hauptfiguren einordnen soll. Aber es gab durchaus ein, zwei tolle Montagen, die einen auf Anhieb packten. Solch formale Virtuosität gab es dann doch noch nicht vom deutschen Fernsehen. Zwiegespalten, aber erwartungsvoll auf die nächste Folge hoffend...


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Anders als die Anderen...


Auch ohne den von SIXTH SENSE inspirierten Plot-Twist ist THE OTHERS eine mustergültige Abhandlung über das Gespenstische. Der Witz am Ende ist jedoch, dass das Gespenstische vom Gespenst abgelöst wird. Denn hier sind es, was wir den Film über ja nicht wissen, die Gespenster selbst, die heimgesucht werden vom Anderen. Wer die "Others" sind, ist somit eine reine Frage der Perspektivierung. Somit lässt sich wohl behaupten, dass Grusel-Filme im Allgemeinen - also jene, die auf das Gespenstische setzen - sich bestimmter und extremer Perspektivierungen bedienen. Jacques Derrida beschreibt deshalb auch als wichtigstes Kennzeichen der Gespenster den Visier-Effekt: "Wir sehen nicht, wer uns erblickt." Kürzer lässt es sich nicht zusammenfassen.

Ein ganz großartiger Film jedenfalls, streng und schnörkellos inszeniert!





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bekay

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