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"All is full of Love..."

bekays Filmtagebuch

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Brechreizend


Der Tag war schon anstrengend und reizüberflutet. Müde und wie gerädert aufgewacht. Kopfschmerzen und eine verschnupfte Nase. Der erste richtige Frühlingstag - zwar schön, aber eine Umstellung. Die Sonne brannte mir schon wieder fast zu intensiv ( - könnte es so nicht den ganzen Sommer über bleiben?)... Die Austellung Farbwelten ("Von Monet bis Yves Klein") besucht und mich von der klassischen Moderne zudröhnen lassen. Dann ins Restaurant, Geburtstag meines Bruders begießen. Die ganze Zeit gegähnt: Fressen und Saufen macht den Müden noch müder. Und mir für den Abend vorgenommen, Rob Zombies HALLOWEEN II (DC) zu schauen. 22:00 Uhr kam ich dann endlich dazu, meinem geschundenen Wahrnehmungsapparat den Todesstoß zu versetzen. Schnell wurde mir klar, dass mich dieser Film an meine derzeit etwas dünnen Grenzen bringen würde. Das Gefühl, mich übergeben zu müssen, stellte sich bei Zombies perfiden Mordsequenzen sofort ein. Die verspürte Intensivität würde ich auf eine Gewalt-Dreifaltigkeit zurückführen: (1) Die subtil eingestreute Explizität der blutigen Details. (2) Die pure körperliche Brachialität von Myers Angriffen. (3) Die absolut hingebungsvollen und bis ins Unerträgliche leidenden Opfer. Beim letzten Punkt ist besonders die Laurie Strode spielende Scout Taylor-Compton herauszuheben, die ihre Opferrolle weniger spielt als vielmehr lebt. Scream-Queen war gestern, Martyr-Queen ist heute. Zombie fickt dabei nicht nur den Zuschauer, sondern gleichfalls die Regeln der Horror-Fortsetzung. Was Laurie in Zombies ersten Teil erlebt hat, weicht nicht etwa einer Idylle, die dann im zweiten Teil wiederum zerstört werden kann. Nein, die Figuren sind von Anfang an - auch ohne Myers erneutes Auftauchen - psychisch und körperlich gezeichnet. Das schöne Teenie-Gesicht schon vor dem Slash, dem Höhepunkt des Slashers, durch Narben: entstellt & kaputt. Selten jedenfalls gelang es einem Film, sich so sehr meines körperlichen Zustandes zu bemächtigen und mich zu vergewaltigen. Danke, Rob Zombie - ich verehre Sie nun!

Was mögliche Kritikpunkte angeht, bin ich nicht imstande, mich zu äußern. Ich kenne von der alten Reihe nur den heiß geliebten Einser von Carpenter selbst und habe hier und da TV-seitig in einige Fortsetzungen reingeschaut. Ob Zombie der Figur Michael Myers (Wie wäre die überhaupt zu beschreiben?) treu geblieben ist, weiß ich nicht so genau. Was sich jedoch sofort bemerkbar macht, ist, das HALLOWEEN II unerschütterlich seinen inhaltlichen und visuellen Prämissen folgt - mir jedenfalls verlangt das Respekt ab. Besonders angenehm dabei anzuschauen ist, wie Zombie sich von seiner ästhetisch zirkushaften und musikalisch verspielten Seite hinfortbewegt zu trüben, minimalistischen und damit eher unironischen, bitteren Tönen - einen emotionalen Ausweg gibt es nicht mehr! Weder für mich, noch die Figuren...


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1947... The camera acts!


Zitat

1926... The screen talked!
1947... The camera acts!
A revolutionary Innovation in Film Technique!
M-G-M presents a startling and daring new Method of story telling...
A Milestone in Movie-Making...
Mysteriously starring Robert Montgomery and...
YOU!
Geil! Geil! Geil! Krasser und experimenteller wird man Hollywood wohl niemals erleben als in LADY IN THE LAKE (Robert Montgomery, USA 1947). Was für ein Film! Ich habe zu viele Weingläser intus, um mich hier noch klar zu äußern. Aber trotzdem habe ich gemerkt, auf was für eine radikale Reise dieser Film mich mitgenommen hat. Kaliforniens liebstes Private Eye, Phillip Marlowe (Robert Montgomery), wird zum Auge des Zuschauers. Der Film ist im Grunde genommen ein einziger Point of View. Fast die komplette Spielzeit über - vier Szenen, die den sprechenden Marlowe in der Frontale in seinem Büro zum Zuschauer sprechend zeigen, ausgeschlossen - wird man mit POVs bombardiert. Die Kamera nimmt fast immer die Perspektive Marlowes ein. Somit können ständig die Regeln der Hollywood-Ästhetik unterlaufen werden: Die Figuren schauen fortwährend auf die "vierte Wand" (sie reden mit Marlowe), Rauch steigt vor der Kamera auf (Marlowe hat sich eine Zigarette angezündet) und es gibt massig Plansequenzen, da die menschliche Wahrnehmung kein Schuss-Gegenschuss kennt. Eigentlich kenne ich nur noch einen Film, der die POV-Einstellung ähnlich konventionserschütternd einsetzt und das ist ebenfalls eine Detektiv-Geschichte: POIROT: FIVE LITTLE PIGS. Wieso gibt es nicht mehr von diesem Ego-Filmen? Denn: Es funktioniert! LADY IN THE LAKE ist die Hardboiled-Verfilmung, die dem einsamen und hartgesottenen Detektiv formal gerecht wird. Ich bin total baff... (Besonders hingerissen hat mich die atmosphärische Filmmusik David Snells, die fast nur auf einen Chor zurückgreift, um die flächigen Melodien zu ooooohn!)

Gucken!




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King gone


Ich habe gerade zum ersten Mal den alten KING KONG (Cooper/Schoedsack, USA 1933) geschaut und bin einigermaßen schockiert - von Peter Jackson. Sein ganzer Film erweist sich retrospektiv, neben dem Original, als geradezu sklavische und sadomasochistische Wiederholungstat. Keines seiner Remake-Bilder ist originär, seine Visualität ein Abklatsch Szene für Szene. Optisch aber auch inhaltlich vermochte der Neuseeländer kaum neue Akzente zu setzen und sein Traumprojekt wirkt wie eine Fußnote zu diesem erschreckend beeindruckenden Schwarz/Weiß-Film, die in etwas lautet: "So könnte es mit Computer-Effekten aussehen." Die Fußnote wäre nicht nötig gewesen ob dieses Films, der mich gerade von den Socken gehauen hat. Was ist der modern, brutal, spannend... die ganze Zeit fragte ich mich, ob ich gerade wirklich ein Film aus dem Jahr 1933 sehe. Und genau dieses Gefühl, welches sich in mir aufzeigte, nahm Jacksons Remake brutal die Daseinsberechtigung. (Auch wenn ich den Tanz auf dem Eis äußerst toll fand - wohl die einzig originelle Szene des Films. Doch das ist eine andere Geschichte.)

Daran zeigt sich einmal mehr, dass Realismus mehr als eine Frage der Nachahmung unserers Wahrnehmungsvorgangs ist. Es ist ebenfalls eine Frage der (inneren) Einstellung und verschiedener Ebenen des Films. Klar, das ruppige Stop-Motion-Verfahren vermag keinen filmischen Fotorealismus entstehen zu lassen. Umso mehr habe ich geschluckt über die gar scheußlichen Brutalitäten, die der Film so offen zur Schau stellt. Ich weiß nicht wie, aber ihre wahrgenommene "Effektheit" hat zur ihrer Grausamkeit um einiges beigetragen. Vergessen darf man auch nicht, dass Max Steiner einen Score zauberte, der kongenial die Bilder untermalt und vielen Bewegungen erst ihre eindrucksvolle Bedeutung schenkt.

Ich ziehe meinen Hut - ganz großer Film!


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Battlestar Confusica


So, habe die Serie BATTLESTAR GALACTICA (2004-2009) nun zu Ende geschaut und komme zum Schluss, dass hier zwei große Projekte verfolgt werden: Einmal wird mit viel Schweiß an einer neuen Art des Erzählens gearbeitet - der "sloppy narration". Ganze Figuren und Handlungsstränge werden über viele Folgen hinweg verschluckt, nicht weiterentwickelt, Entwicklungen führen zu nichts. Ja, einige zentrale Handlungselemente werden einfach in den "Was bisher geschah?"-Zusammenfassungen nachgereicht! In den ersten Staffeln ist dies noch nicht ins Auge gefallen, denn dort lenkte man mit Anspielungen auf gegenwärtige weltpolitische Phänomene und spannend-düsteren Inhalten von diesem avantgardistischen Erzählen ab. Erst in den letzten Folgen kommt dieses voll zur Geltung. Das zweite, wichtigere Projekt ist das der Christianisierung. Zum Glück hat der Vatikan die Serie finanziell unterstützt (deswegen auch die verdammt guten Effekte), denn die Botschaft von Gottes Plan muss gehört werden! Ach, was sage ich da? Der finale Zweiteiler ist so gläubig, der zaubert gleich mehrer Götter aus einer Menge Maschinen - das passt natürlich kongenial zur "sloppy narration"!

...jetzt mal im Ernst: Wie kann eine Serie, die so unglaublich gut anfing, nur so banal enden? Ich bin nicht sauer, eher schockiert. Angedeutet hat sich das eigentlich schon immer, aber man hoffte auf eine Auflösung, die den vielen frischen Ansätzen der Serie - z.B. ihre desillusionierte Darstellung von religiösem Fanatismus und politischer Macht-Schacherei - gerecht wird. Mit einer christlichen Illusion kann das selbstverständlich nichts werden.


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Pre-Code-Branding


Ich habe mir gestern einmal den Pre-Code-Film THE CHEAT (George Abbott, USA 1931), versuchend, mir seiner Pre-Code-Haftigkeit bewusst zu werden. Nun ja, trotz bloß einstündiger Laufzeit starrte ich manchmal gedankenverlorren mit leerem Blick und Stand-by-Aufmerksamkeit auf die Schwarz-Weiß-Bilder. Jedoch gab es trotzdem einiges zu bemerken, z.B. die kühl-erotische Tallulah Bankhead, die mit rauchiger Stimme und ohne Büstenhalter die femme fatale gibt. Allzu fatal ist sie am Ende dann doch wieder nicht, aber bis dahin leistet sie sich doch einiges: Elsa Carlyle verliert $10.000 beim Glücksspiel, die sie erst einmal nur mit einem Schuldschein begleichen kann. Denn ihre Ausgaben zahlt ihr Mann Jeffrey (Harvey Stephens), der sie zwar abgöttisch liebt, doch gerade knapp bei Kasse ist. Er ist das, was man heute "Börsianer" nennen würde. Und den ging es nach 1929 nicht allzu rosig. Elsa verrät ihm nichts von ihrem Pechspiel. Aber er hat gerade ein goßes Geschäft am Laufen, dessen Abschluss das Ende der finaziellen Probleme verheißt. Das nützt Elsa aber kaum, das Casino drängt sie ihre Schulden zu begleichen. Also steckt sie das Geld von einer Spendenaktion, die sie mit ihren High-Society-Miezen ausrichtete, in irgendein Wertpapier, welches angeblich bald seinen Wert verdoppeln soll. Erster moralischer Fingerzeig: Ätschi-Bätsch, nix gelernt aus dem schwarzen Donnerstag! Das Geld ist futsch. In ihrer argen Bedrängnis wendet sie sich an Hardy Livingstone (Irving Pichel), seines Zeichens reicher Fuzzi mit Exoten-Bonus, ist er doch gerade von einer Asien-Reise zurückgekehrt und trägt angeblich irgendwo an seinem Körper die Narbe eines Löwen-Angriffs. Der gibt ihr das Geld unter der Bedingung, über ihren Körper zu verfügen. Wie es der "Zufall" so will, wird Jeffrey kurz darauf mit einem Handel reich. Elsa trotzt ihm das Geld, welches sie Hardy schuldet, unter Vortäuschung falscher Tatsachen vor. Als sie sich von diesem freikaufen will, reagiert dieser äußerst ungehalten und verpasst ihr ein Branding sines persönlichen Wappens auf die Brust. Darauf reagiert sie dann wiederum sehr ungehalten, schießt ihn nieder, trifft ihn aber nicht lebensgefährlich und flieht. Jeffrey, der ihr gefolgt ist, nimmt die Schuld für die Tat auf sich, um sein Liebchen zu schützen. In der Gerichtsverhandlung kann Elsa ihre Schuld nicht mehr ertragen und verrät die Wahrheit, ihr chices Branding dem kompletten Saal zeigend. Das erregt ganz schön viel Tumult, die Masse will offenbar den angeschossenen Brandingkünstler lynchen. Zweiter moralischer Fingerzeig: Stehe zu deinen Verfehlungen!

Puh, erst beim Nacherzählen des Story ist mir aufgefallen, dass der Film gar nicht so simpel gestrickt ist. In der einen Stunde wird einiges an Handlungsmaterial dicht aneinandergereiht. Das gilt besonders für die zahlreichen Geldzahlungen, Schulden und die Mitwisserschaft der verschiedenen Figuren von diesen. Wenn man THE CHEAT als Krisenfilm versteht, dann ist er vielleicht und gerade sogar heute noch ganz interessant. Das Pre-Code-Hafte hat einen nun nicht angesprungen: Trotz exploitativer Momente (das Brandmarken! - sehen wir allerdings nur als Schattenspiel) geht das sehr gediegen-kleinbürgerlich aus, denn am Ende ist alles gut; die Ehe gerettet, die femme fatal geläutert. Wirklich erwähnenswert ist wohl nur dieser kurze Moment, als das Scheusal Livingstone in die Kamera schaut:

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Diesem Blick wirft er dem Zuschauer(raum) zu, kurz bevor er Elsa das Geld gibt. Zu sagen scheint er: "Die Alte kaufe ich mir jetzt!" Dass er für sein verwerfliches Unterfangen mit dem Zuschauer gemeinsame Sache macht, ist ja eigentlich schon obszön genug. Aus einer formalen Perspektive verwundert diese Einstellung jedoch ebenfalls: Dieser konspirative Blick ist eigentlich ein deutliches Kennzeichen des frühen Films, für die sich Tom Gunnings Bezeichnung "Kino der Attraktionen" durchgesetzt hat. Das Theaterhafte, in der der Zuschauer noch als ein anzusprechendes Kollektiv verstanden wurde, dessen Aufmerksamkeit sich der Film erkämpfen muss, wich dem klassischen Erzählkino, dass sich zusammen mit der Hollywood-Industrie ausbildete und den Zuschauer auf subjektiv-vereinzelte Betrachtung einer Traumwelt abrichtete. (Nachzulesen z.B. in diesem Text von Thomas Elsaesser.) Dass es also in den 1930ern, der Blütezeit des klassischen Films, noch zu solch einem konspirativen Blick kommt, weist die Pre-Code-Ära eben als eigentliches Krisenphänomen aus: Jedes Mittel war recht, um die Leute trotz der miesen wirtschaftlichen Lage ins Kino zu locken und dort ebenfalls zu halten. Dies weist THE CHEAT nun als doppelten Krisenfilm aus...


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Das Gekichere aus dem Jenseits


Ich war mal wieder im Kino. Also in diesem dunklen Raum, in dem Menschen im Schutze der Dunkelheit meinen, ihre Mitmenschen belästigen zu können. Am Film konnte es nicht gelegen haben: Es war Peters Jacksons "Neuer". THE LOVELY BONES. Oder zu deutsch - da sich der morbide Titel wohl als unübersetzbar erwies - IN MEINEM HIMMEL. Auch wenn dieser gewisse Längen aufwies (jedoch keineswegs langweilig war), zeigte Herr Jackson geradezu beängstigenden inszenatorischen Perfektionismus, der keinen Grund bot, ihn anzukichern. Aber diese zwei Damen eine Reihe hinter mir kicherten und quatschten dummes Zeug vor sich hin. Dass sie während der Produktionslogos erst richtig loslegten, deutete bereits an, dass sie die ungeschriebenen Regeln des Kino offen missachteten. Als Jackson anfing, die Bedrohlichkeit des Serienkillers zwischen den Bildern zu inszenieren (die vorzüglichsten Szenen des Films, zwar klar überinszeniert, aber ausnehmend bedrohlich nichtsdestotrotz), kicherten sie und meinten gleichzeitig, dass dies ja "voll Psycho" sei. Da bestand schon eine gewisse Diskrepanz zwischen belustigender Reaktion und der Psycho-Aussage... oder war es ihre Bewältigungsstrategie für die spannenden Szenen? Dies vermag ich nicht zu beantworten. Jedenfalls ging das Geschnattere den ganzen Film über weiter, mal leiser, mal lauter. Ich sagte nichts. Ich schwieg, das Gekichere aus dem Jenseits mal ausblendend, mal bewusst nachvollziehend - obwohl: im Ausblenden-Part bin ich nicht gut. Natürlich legte ich mir Aufforderungen zur Ruhe zurecht, diese im Geiste bittend, aggressiv oder auch frech vortragend. Mir war bewusst, dass es jedoch keinen Sinn machen würde, sie in den echten Kinosaal zu werfen. Stellenweise befanden sich die Damen in der Zone des "Point of no Return". Den kennen wir wahrscheinlich alle: Die Unangebrachtheit unseres Verhaltens in einer gewissen Situation feuert dieses unangebrachte Verhalten nur noch mehr an. Lach-Flash etc. Würde ich den Beiden von der Reihe hinter mir also klar machen, dass sie sich der Kinosituation unentsprechend verhalten, könnte dies Öl ins Feuer sein. Klar, wenn man seinen Wunsch mit einem gewissen gewaltätigen Potential vorträgt, kann dies Früchte tragen. Nun sollte man wissen, dass ich keine Angst einflöße. Weder will ich das, noch bin ich dazu geeignet. Doch meine rationalen Erwägungen, die ich hier rekonstruiere, hatten ihre Grenzen. Sie waren bei der letzten Suspense-Szene erreicht, in der die Spannung parallel mit dem Gekicher ins kaum Erträgliche stieg. Meine Herz raste jetzt, ich drehte mich um und fragte neugierig (etwas, dass ich vorher nicht im Kopf durchspielt hatte): "Wollt ihr gehen?" Verduzte Gesichter. Ich darauf: "Gut, dann könnt ihr ja leise sein." Das wäre bestimmt viel eleganter gegangen. Aber ich mache sowas zu selten. Jedenfalls zeitigte es Wirkung. Nach einigem Geflüster im asozialen "Wat-will-der-denn?"-Duktus wurde es endlich ruhig. Denn auch wenn ich Jacksons Strauß Buntes letztlich für etwas naiv, reichlich kitschig und wahllos zusammengewürfelt hielt, so verdiente er es trotzdem, in aller Ruhe geschaut zu werden...


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Das Amateurwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit


BloodRayne
Uwe Boll, USA/Deutschland 2005
DVD, OmU

So muss die Hölle aussehen. Jedenfalls für Menschen, die das Filme-Schauen lieben. Sie würde aus Filme-Machern bestehen, die Filme-Machen nur spielen. So wie Uwe Boll. Er macht nicht etwa Filme, sondern er tut nur so, als ob er Filme machen würde. BLOODRAYNE ist also gar kein Film, sondern spielt nur, Film zu sein. Unter anderen Umständen nennt man sowas auch Amateur-Produktion. Aber Boll hat diesen Begriff schon lange hinter sich gelassen, denn seine Produktionen üben offenbar eine unnachahmliche Aura des Amateurhaften aus. Wie sonst kriegt er Schauspieler, die man durchaus schätzen kann, dazu, Schauspieler zu spielen? Figuren spielen ist out - viel interessanter ist es, zu spielen, dass man eine Figur spielt. Aber dieses Argument lässt sich auf alle Aspekte des Films ausdehnen: Der Kostümbildnerin hat allen saubere und ebenmäßige Kleider geschneidert, damit die Schulinszenierung des 18. Jahrhunderts nicht etwa durch Impulse des Authentischen gestört wird. Der Kameramann und sein Beleuchter haben mit Hochdruck einen einmaligen Videolook kreiert, um keinesfalls den Eindruck des Filmischen aufkommen zu lassen. Und der Hubschrauber-Pilot ist mit viel Schmackes über die ungarischen Landschaften geflogen - er sollte möglichst so tun wie der Pilot der LORD OF THE RINGS Filme. Der Cutter hat dann die entstandenen Luftaufnahmen von jeweils einem und zwei Reitern vollkommen diffus zusammengeschnitten, damit niemand auf die Idee kommt, dass diese zusammenhängen könnten. Alle haben mitgemacht, um der Amateur-Aura ein schonungsloses Denkmal zu setzen. Z.B. Michelle Rodríguez, die sich wie eine Schlampe kleidet und gleichzeitig versucht gespreizt-adelig wirkendes Englisch von sich zu geben. Oder Michael Madsen, der mit fetter Trägheit den grazilen und weisen Anführer einer ehrenvollen Widerstandsbewegung vortäuscht. Alle Beteiligten spielen Epik, so wie Kleinerkinder Mann und Frau spielen. Vollkommen konzeptlos werden Spielereien von Splatter, Softporno und anderen Genres ins Bild kopiert.

Für Filme-Schauer ist das nichts, denn filmisch hat diese Film-Kopie keinen Wert. Boll weiß nicht, wie man Bildern Bedeutung schenkt - außer eben durch das Nachstellen von bekannten Szenen. Ab und zu sagen die Figuren etwas, damit wir wissen, wo wir und sie gerade in der Handlung sind. Denn die Bilder schweigen. Oder etwa nicht? Warum macht Boll noch Filme, woher kriegt er das Geld und die Schauspieler und alle anderen, die an einem solchen Film mitwirken? Vielleicht ist es ja seine Aura... Vielleicht beteiligten sich alle am Film im guten Wissen um seine Amateurhaftigkeit. BLOODRAYNE ist so etwas, was ich meinen Freunden oder meiner Familie zeigen würde, wenn ich daran mitgewirkt hätte. "Schau, wir haben Filme-Machen gespielt", würde ich sagen. Der Film würde von der Erinnerung meiner Mitwirkung leben, aber nicht von selbst. "Wir haben gar nicht wirklich einen Film gemacht, es war gar nicht ernst, es ging um nichts. Es hat einfach Spaß gemacht." Vielleicht ist es ein Film für Filme-Macher. Ein Film, den sich die Lokken, der Zane und der Kinglsey ohne Druck mal zusammen auf der Couch angucken würden. Ja, das ist es! Boll - das ist derjenige, der Filme-Macher und Schauspieler den kindlichen, den amateurhaften Spaß am Filme-Machen zurückgibt. Und solange sie diesen filmischen Sondermüll untereinander austauschen und anschauen würden, wäre die Welt auch noch in Ordnung...


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Aktionskunst, Reaktionskunst oder gar keine Kunst?


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Meine im Januar stattgefundene Shyamalan-Retrospektive (hier noch einmal nachzuverfolgen) hatte zwei Lücken: Einmal THE VILLAGE. Das hatte den Grund, dass ich in der Vergangengenheit schon zu viele Worte (oder eben: keine Worte) zum Film verloren hatte. Ein ander Mal THE HAPPENING. Das wiederum hatte den Grund, dass ich vom wissenschaftlichen Projekt postapocalypse.de eingeladen wurde, mich in einem Filmgespräch mit Christian Hoffstadt, Judith Schossböck & Jochen Werner zum Film zu äußern. Dieses Gespräch ist nun online. Und es ist sehr schön geworden, wie ich finde. Auch wenn ich in ihm zu einem Medienwissenschaftler wurde... :D


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Ausnahmezustand auf der Galactica


Battlestar Galactica - Staffel 3
Ronald D. Moore, USA 2006-2007
DVD, OmU

Für die 20 Folgen dieser dritten Staffel habe ich drei Abende gebraucht - was zugegebenermaßen äußerst extrem ist. Aber diese Serie vermag mich zu packen wie es nur eine andere geschafft hat: ungewöhnlicherweise auch eine Sci-Fi-Serie, BABYLON 5. Es mag zwar richtig sein, dass es einige Füllerepisoden gab, aber das störte mich bei dem Sog, in die mich die Serie stürzte, herzlich wenig.

Nun sage ich bestimmt nichts unglaublich Innovatives und Schlaues, wenn ich behaupte, dass BATTLESTAR GALACTICA (=BSG) vom Ausnahmezustand handelt. Ein Begriff, der in letzter Zeit seine ganz eigene Prägung in der poltischen und Rechtsphilosphie durch Giorgio Agamben erfuhr. Als Möglichkeit der Ausweitung der Regierungsmacht während eines Belagerungszustandes, welche während der französischen Revolutionszeit entstand, sei der Ausnahmezustand - besonders durch die zwei Weltkriege vermittelt - in den westlichen Demokratien zur herrschenden Regierungstechnik geworden. Eine Folge davon sei die Aushöhlung der demokratischen Legislative und der Bürger- und Menschenrechte. Von der extremen Einschätzung der aktuellen politischen Lage mag man halten, was man will - aber Gesetze wie der USA PATRIOT Act sind beispiellose Kontradiktionen von allem, was ich als demokratische Grundsätze verstehe. Der amerikanische War on Terror ist zweifellos eine der Hauptquellen für die Serie. Ihre Grundsituation allerdings verschärft das islamistische Bedrohungspotential um ein Vielfaches: Die Serie beginnt mit einem Genozid an der Menschenheit durch die Cylons - vom Menschen selbst geschaffene Maschinen. Ihre Emanzipation ist eine paradoxe: Sie sind mittlerweile soweit in die Genetik vorgedrungen, dass ihre "besten Maschinen" menschliche Klone sind. Sie sind dem Menschen also unglaublich ähnlich - mit dem einzigen Unterschied, dass ihre Erfahrungen nach dem Tod in einen neuen Klon geladen werden. Sie haben sogar die Religiösität von den Menschen übernommen: Nur dass die Cylons an den einen Gott glauben und die Menschenheit einem von der griechischen Mythologie inspirierten Polytheismus frönen. (Wer hier nicht die Parabel auf den Gegensatz Christentum/Islam sieht, ist selber Schuld...)

Nun, die Menschheit ist jedenfalls ausgelöscht - die 40.000 Überlebenden befinden auf der Flucht durch die Galaxie. Eine verwundbare Raumflotte geschützt durch das Kriegsschiff Galactica. Dass es sich um eine tatsächliche Ausnahmesituation handelt - was man beim War on Terror gerne anzweifeln mag - ist wohl klar. Irgendwie versucht man demokratisch organisierte Strukturen zu erhalten - es gibt Wahlen, es gibt Präsidentin Roslin (eine bezaubernde Mary McDonnell) usf. Aber ohne das Militär in Form von Commander Adama (ein wunderbar knarzender Edward James Olmos) und dessen Schutz geht gar nichts. Somit wird die Flotte, die einem wandernden Quasi-Staat gleicht, von einer Doppelspitze geführt. Agamben würde sagen, dass eine "geschützte Demokratie" keine mehr ist. BSG hingegen ist dabei, ich will nicht sagen konservativer, aber weitaus ambivalenter, wenn sie uns den Grenzgang des Ausnahmezustandes vorführt. BSG macht jedoch keine Gefangenen (selbstverständlich auch im wörtlichen Sinne), das muss man anmerken: Selbstmordattentäter, geheime Hinrichtungstribunale jenseits der Justiz, Sklavenarbeit. Die Serie porträtiert schonungslos, wie massiv die geschützte und sich bedroht fühlende Demokratie abrutschen kann. Und auch wenn der Zweck die Mittel heiligen mag, hinterlassen die Mittel Narben in den Köpfen und auf den Körpern der Figuren...

Und: Lucy XENA Lawless spielt auch mit - als Cylon! :doc: Obwohl mir das Gesicht die ganze Staffel über unglaublich bekannt vorkam, erkannte ich sie nicht mit der blonden Mähne. Das und der politische Kontext entschädigt zehntausendmal für die verquaste Spiritualität der Serie, in der jede Folge ein erneuter Gottes/Götter-Beweis erbracht wird. Aber das hat Showrunner Ronald D. Moore schon bei DEEP SPACE NINE, einer TREK-Serie, die er entscheidend mitprägte, reichlich versemmelt.





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bekay

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