Zum Inhalt wechseln


"All is full of Love..."

bekays Filmtagebuch




Foto

Ausnahmezustand auf der Galactica



Battlestar Galactica - Staffel 3
Ronald D. Moore, USA 2006-2007
DVD, OmU

Für die 20 Folgen dieser dritten Staffel habe ich drei Abende gebraucht - was zugegebenermaßen äußerst extrem ist. Aber diese Serie vermag mich zu packen wie es nur eine andere geschafft hat: ungewöhnlicherweise auch eine Sci-Fi-Serie, BABYLON 5. Es mag zwar richtig sein, dass es einige Füllerepisoden gab, aber das störte mich bei dem Sog, in die mich die Serie stürzte, herzlich wenig.

Nun sage ich bestimmt nichts unglaublich Innovatives und Schlaues, wenn ich behaupte, dass BATTLESTAR GALACTICA (=BSG) vom Ausnahmezustand handelt. Ein Begriff, der in letzter Zeit seine ganz eigene Prägung in der poltischen und Rechtsphilosphie durch Giorgio Agamben erfuhr. Als Möglichkeit der Ausweitung der Regierungsmacht während eines Belagerungszustandes, welche während der französischen Revolutionszeit entstand, sei der Ausnahmezustand - besonders durch die zwei Weltkriege vermittelt - in den westlichen Demokratien zur herrschenden Regierungstechnik geworden. Eine Folge davon sei die Aushöhlung der demokratischen Legislative und der Bürger- und Menschenrechte. Von der extremen Einschätzung der aktuellen politischen Lage mag man halten, was man will - aber Gesetze wie der USA PATRIOT Act sind beispiellose Kontradiktionen von allem, was ich als demokratische Grundsätze verstehe. Der amerikanische War on Terror ist zweifellos eine der Hauptquellen für die Serie. Ihre Grundsituation allerdings verschärft das islamistische Bedrohungspotential um ein Vielfaches: Die Serie beginnt mit einem Genozid an der Menschenheit durch die Cylons - vom Menschen selbst geschaffene Maschinen. Ihre Emanzipation ist eine paradoxe: Sie sind mittlerweile soweit in die Genetik vorgedrungen, dass ihre "besten Maschinen" menschliche Klone sind. Sie sind dem Menschen also unglaublich ähnlich - mit dem einzigen Unterschied, dass ihre Erfahrungen nach dem Tod in einen neuen Klon geladen werden. Sie haben sogar die Religiösität von den Menschen übernommen: Nur dass die Cylons an den einen Gott glauben und die Menschenheit einem von der griechischen Mythologie inspirierten Polytheismus frönen. (Wer hier nicht die Parabel auf den Gegensatz Christentum/Islam sieht, ist selber Schuld...)

Nun, die Menschheit ist jedenfalls ausgelöscht - die 40.000 Überlebenden befinden auf der Flucht durch die Galaxie. Eine verwundbare Raumflotte geschützt durch das Kriegsschiff Galactica. Dass es sich um eine tatsächliche Ausnahmesituation handelt - was man beim War on Terror gerne anzweifeln mag - ist wohl klar. Irgendwie versucht man demokratisch organisierte Strukturen zu erhalten - es gibt Wahlen, es gibt Präsidentin Roslin (eine bezaubernde Mary McDonnell) usf. Aber ohne das Militär in Form von Commander Adama (ein wunderbar knarzender Edward James Olmos) und dessen Schutz geht gar nichts. Somit wird die Flotte, die einem wandernden Quasi-Staat gleicht, von einer Doppelspitze geführt. Agamben würde sagen, dass eine "geschützte Demokratie" keine mehr ist. BSG hingegen ist dabei, ich will nicht sagen konservativer, aber weitaus ambivalenter, wenn sie uns den Grenzgang des Ausnahmezustandes vorführt. BSG macht jedoch keine Gefangenen (selbstverständlich auch im wörtlichen Sinne), das muss man anmerken: Selbstmordattentäter, geheime Hinrichtungstribunale jenseits der Justiz, Sklavenarbeit. Die Serie porträtiert schonungslos, wie massiv die geschützte und sich bedroht fühlende Demokratie abrutschen kann. Und auch wenn der Zweck die Mittel heiligen mag, hinterlassen die Mittel Narben in den Köpfen und auf den Körpern der Figuren...

Und: Lucy XENA Lawless spielt auch mit - als Cylon! :doc: Obwohl mir das Gesicht die ganze Staffel über unglaublich bekannt vorkam, erkannte ich sie nicht mit der blonden Mähne. Das und der politische Kontext entschädigt zehntausendmal für die verquaste Spiritualität der Serie, in der jede Folge ein erneuter Gottes/Götter-Beweis erbracht wird. Aber das hat Showrunner Ronald D. Moore schon bei DEEP SPACE NINE, einer TREK-Serie, die er entscheidend mitprägte, reichlich versemmelt.




Wenn du in der dritten Staffel schon empfindlich auf die "verquaste Spiritualität" reagierst, dann empfehle ich dir, bei der Sichtung der 4. Staffel auf die letzten 40 Minuten der finalen Episode zu verzichten. Dieses Ende zertrümmert Sinn und Zweck der gesamten Serie und verleidet einem (zumindest mir) die Lust, nochmal in die Serie reinzugucken. Moore ist kein Idiot, dafür kann er viel zu gute Skripte schreiben. Er ist einfach ein Arsch :mad:
  • Melden
:))

Ich lass mich überraschen! Schon das DS9-Ende hat es sich mit seinem Spiritismus bei mir ganz schön versaut und ich spüre, dass BSG ähnliche Wege gehen wird. Aber das hat die Serie ja schon immer angedeutet bzw. vehandelt, insofern werde ich hoffentlich nicht ganz so erbost reagieren. Schließlich gab es davor viele starke Folgen. "Der Weg ist das Ziel, der Weg ist das Ziel..."
  • Melden
DS9 habe ich das Spirituelle nie übel genommen. Es war dramaturgisch sauber und hat der Geschichte ne angenehme Düsternis gegeben. Darüber hinaus ist der gesamte Star Trek-Kosmos angenehm götterfrei. Sie haben alles auf mehr oder weniger säkulare und evolutive Betrachtungen und Erklärungen runtergebrochen. Wie das BSG-Original im übrigen auch. Aber du wirst selbstverständlich die Serie komplett sehen und ich warte auf das folgende Heulen und Zähneklappern :kork:
  • Melden
Ich bin ja vorgewarnt - das Ende scheint kontrovers angekommen zu sein, habe ich nicht das erste Mal gelesen...

Aber noch zu DS9: Eigentlich ist es schnurz, ob es nun um Götter geht oder gott-ähnliche Außerirdische, das Ergebnis ist das Gleiche - sie werden angebetet, in dem Fall eben von den Bajoranern. Und Sisko ist Halb-Alien, also Halb-Gott, also Messias, also Jesus. Und das haben sie am Ende wirklich durchgezogen, diese Stilisierung zum Messias. Schicksals- und Vorhersehungsquatsch. Sowas geht mir auf die Nüsse. Ich fände es mal gut, wenn sich ein Messias am Arsch kratzt, Bier säuft, Chips frisst und sich nicht immer so wichtig nimmt.
  • Melden

Filmtagebuch von...

bekay

    will in die High Society

  • Administrator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.231 Beiträge

Neuste Kommentare

Neuste Einträge

Aktuelle Besucher

Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0

Filmtagebuch durchsuchen