Im Making Of, welches ich nach dem Ende des Abspannes, der selbst immer noch fesselnd war, geschaut habe, hat Regisseur Winding Refn gemeint, dies wäre ein Science-Fiction-Film. Weil sich die Wikinger in Amerika wie auf dem Mond hätten fühlen müssen. Ich hatte den Film so nun überhaupt nicht empfunden. Auf dem Mond war der Zuschauer gewiss - aber schon ab dem ersten Bild dieses vollkommen entrückten Films. Wahrscheinlich sollten die kargen Landschaften Grönland darstellen.* Denn von dort aus unternahmen die Wikinger ab ca. 1000 n. Chr. ihre historisch verbrieften Vinlandreisen nach Nordamerika. Aber der Film markiert nichts. Historisch - das heißt zeitlich und geographisch - schweigt er. Seine kargen Eingangszeilen mögen eine grobe Einordnung zur Zeit der Christianisierung zulassen: "In the beginning there was only man and nature. Men came bearing crosses and drove the heathen** to the fringes of the earth." Gleichzeitig wird das Thema angedeutet: Natur und Mensch trennen sich. Die Christen entfernen sich von ihr, während sich die Heiden - am Rande der Erde - ihre Kreatürlichkeit erhalten. Eine solche Kreatur durch und durch ist One-Eye (Mads Mikkelsen), ein stummer Krieger, gehalten als Kampfsklave in unzugänglicher karger Landschaft. Er befreit sich, nicht ohne brutalst Rache zu nehmen, und wird von dem Jungen, der sich während seiner Gefangenschaft um ihn kümmerte, begleitet. Die Beiden schließen sich christianisierten Wikingern an, die nach Jerusalem ziehen wollen. Stattdessen verschlägt es sie mit ihrem Boot in einen unheimlichen Nebel, der sie nach Amerika führt. Dort fallen sie sich entweder gegenseitig oder den Indianern zum Opfer. Der Junge überlebt als einziger, weil sich One-Eye opfert. (Distanzierter als hier kann man eine solch eigentlich typische Freunschaftsgeschichte zwischen Mann und Junge kaum erzählen.)
Der Plot wird nur angerissen, wortkarg und selten von den Figuren des Films angetrieben. Die haben andere Dinge zu tun: Sie müssen sich durch die Natur fortbewegen - wunderschön und bedrohlich zugleich. Und stets wirkend auf Körper und Geist: Dreck & Visionen, so lassen sich One-Eye und der Film summieren. Denn selten hat man einen dreckigeren Film visionärer umgesetzt sehen können. Die Landschaften und die Dinge um die Figuren herum, ja selbst nur der Nebel, hinterlassen profunde Spuren in den Figuren, die sich weit in sie hineinfressen. Das Ganze erreicht sicherlich seinen Höhepunkt in dem als "Hell" betitelten Kapitel V des Films, in dem die Figuren in Zeitlupe nur noch zu vollkommen verwirrter Handlung fähig sind. Vereinsamt geben sie sich dem Wahnsinn des Hungers, der Angst und der fremden Umgebung hin. Das nimmt psychodelische Ausmaße an. Dass diese so entrückt auf einen wirken, hat auch seinen Grund in einer radikalen visuellen Inszenierung: Nicht nur hat Refn vollkommen entlegene Natur für seine Aufnahmen gesucht - er diese dann stellenweise durch digital grading vollkommen ihrer Natürlichkeit beraubt. (Da kann Peter Jackson mit seiner digitalen Farbtunkerei einpacken!)
Interessanterweise ist so ein Film entstanden, der einiges über die Erfahrungswelt in der Vergangenheit aussagt und sich damit vielleicht an eine historische Wahrheit annähert, wenn es eine solche geben sollte. Jedenfalls bringt VALHALLA RISING einen die Auseinandersetzung mit der Natur auf eine Art und Weise zum Bewusstsein, wie man sich das heute kaum mehr vorstellen kann. Vielleicht also doch ein Science-Fiction-Film? Einmalig jedenfalls und der Erfahrung durch den Zuschauer würdig.
* Stimmt nicht, ich erinnere mich gerade, dass zu Anfang kurz der Name Sutherland fällt - ein Gebiet Schottlands, wo der Film übrigens auch gedreht wurde. Das bestärkt den Film natürlich in seiner Abgedrehtheit. Von England segelnd in einen Nebel zu kommen und zufällig in Amerika anzulanden, das ist vollkommen unmöglich. Aber das schert ja zum Glück den Film nicht.
** Die Heiden.
Der Plot wird nur angerissen, wortkarg und selten von den Figuren des Films angetrieben. Die haben andere Dinge zu tun: Sie müssen sich durch die Natur fortbewegen - wunderschön und bedrohlich zugleich. Und stets wirkend auf Körper und Geist: Dreck & Visionen, so lassen sich One-Eye und der Film summieren. Denn selten hat man einen dreckigeren Film visionärer umgesetzt sehen können. Die Landschaften und die Dinge um die Figuren herum, ja selbst nur der Nebel, hinterlassen profunde Spuren in den Figuren, die sich weit in sie hineinfressen. Das Ganze erreicht sicherlich seinen Höhepunkt in dem als "Hell" betitelten Kapitel V des Films, in dem die Figuren in Zeitlupe nur noch zu vollkommen verwirrter Handlung fähig sind. Vereinsamt geben sie sich dem Wahnsinn des Hungers, der Angst und der fremden Umgebung hin. Das nimmt psychodelische Ausmaße an. Dass diese so entrückt auf einen wirken, hat auch seinen Grund in einer radikalen visuellen Inszenierung: Nicht nur hat Refn vollkommen entlegene Natur für seine Aufnahmen gesucht - er diese dann stellenweise durch digital grading vollkommen ihrer Natürlichkeit beraubt. (Da kann Peter Jackson mit seiner digitalen Farbtunkerei einpacken!)
Interessanterweise ist so ein Film entstanden, der einiges über die Erfahrungswelt in der Vergangenheit aussagt und sich damit vielleicht an eine historische Wahrheit annähert, wenn es eine solche geben sollte. Jedenfalls bringt VALHALLA RISING einen die Auseinandersetzung mit der Natur auf eine Art und Weise zum Bewusstsein, wie man sich das heute kaum mehr vorstellen kann. Vielleicht also doch ein Science-Fiction-Film? Einmalig jedenfalls und der Erfahrung durch den Zuschauer würdig.
* Stimmt nicht, ich erinnere mich gerade, dass zu Anfang kurz der Name Sutherland fällt - ein Gebiet Schottlands, wo der Film übrigens auch gedreht wurde. Das bestärkt den Film natürlich in seiner Abgedrehtheit. Von England segelnd in einen Nebel zu kommen und zufällig in Amerika anzulanden, das ist vollkommen unmöglich. Aber das schert ja zum Glück den Film nicht.
** Die Heiden.