Sofia Coppolas SOMEWHERE ist fast jeder Dramaturgie beraubt. Was man als Sinnlosigkeit bezeichnen kann, sollte wohl zuerst und ganz formal als Handlungs- und Sukzessionslosigkeit anerkannt werden. Aber so ganz stimmt das nicht, denn der Film wird von einer auffälligen symbolischen Klammer gerahmt:
Er beginnt mit einem statischen Bild, durch das alle 5 oder 10 Sekunden ein schwarzer Ferrari fährt. Er dreht sich im Kreis. Nach ein paar Runden bleibt er im Bild stehen. Ein Mann steigt aus, geht ein paar Schritte, stoppt. Stillstand.
SOMEWHERE endet mit einer Verfolgungsfahrt, welche denselben Wagen aus einer erhöhten, ja erhebenden Position zeigt, wie er über die Autobahnen L.A.s rauscht und irgendwo auf dem Land anhält. Wieder steigt dieser Mann aus, aber diesmal bleibt er nicht stehen. Diesmal läugt er einfach weiter die Straße entlang. Bewegung.
Diese etwas platten Sinnbilder am Anfang und am Ende dürfen wohl als Indiz dafür erhalten, dass sich dieser Mann - es handelt sich um einen zweitklassigen, halb-abgehalfterter, herumhurenden Hollywood-Schauspieler (Stephen Dorff) - grundlegend verändert hat. Ihm und mit ihm dem Zuschauer ist der Alltag begegnet. Statt sich durch die weiblichen Gäste seines Hotels, in welches er sich dauer-einquartiert hat, zu bohren, ist er durch Armbruch und Besuch seiner Tochter Cleo (Elle Fanning) dazu gezwungen, die einfachen und unwichtigen Begebenheiten des Lebens ohne Betäubung und Orgasmus zu erfahren... und würdigen zu lernen. Veränderung tritt bei Sofia Coppola paradoxerweise durch ihr Gegenteil ein: Alltäglichkeit. Sie arbeitet ja nun schon seit LOST IN TRANSLATION an diesem Projekt, aber mir scheint es hier noch einmal eine Ecke kantiger und sperriger - und deswegen auch präziser - rüberzukommen. Die Figuren hier (und gleichfalls in ihren sonstigen Filmen) tun größtenteil nichts, was dreierlei bedeuten kann:
(1) Sie tun im wörtlichen Sinne nichts - dazu zählen "Tätigkeiten" wie Rumsitzen, Rumliegen, Rumlungern, Rumlaufen etc.
(2) Sie tun nichts, das von einer hochgradig kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Relevanz wäre. Was gehört zu diesem Nichts? Z. B. Guitar Hero und Wii spielen, sich vollkommen unaufgeregt(!) über die Handlung von Stephenie Meyers TWILIGHT-Buchreihe unterhalten oder Spaghetti in den Mund stecken und den noch heraushängenden Teil einfach abbeißen und somit wieder auf den Teller fallen lassen.
(3) Und die Figuren tun nichts, was eine sonderlich strikte Handlung, also eine Girlande von Ereignissen, die sich gegenseitig auslösen, etabliert.
Für alle drei Fälle von Nichts kann man wohl sagen, dass sie den Großteil des menschlichen Seins und Handelns bestimmen. Der Film benutzt die Erzeugung von Alltäglichkeit hier als wirkungsvollen Effekt, der jedenfalls in mir durchaus eine beachtliche Resonanz fand. Denn Coppola weiß die Schönheit und den Genuß, welche man solchen Situationen abgewinnen kann, in spröden und distanzierten Bildern einzufangen. SOMEWHERE steht noch stiller als die vorherigen Filme der Regisseurin. Und außerdem ist ihr mit JACKASS-Darsteller Chris Pontius ein besonderer Besetzungscoup gelungen - er gibt in seinem unaufhörlichen Redeschwall und derb-scherzenden Duktus dem Dialog jene Unwichtigkeit zurück, den er eben manchmal benötigt, damit das Leben erträglicher wird.
Ein großartiger Film über die Kraft des Nichts - und darüber, dass man Langeweile nicht mit Alltag verwechseln sollte.
Er beginnt mit einem statischen Bild, durch das alle 5 oder 10 Sekunden ein schwarzer Ferrari fährt. Er dreht sich im Kreis. Nach ein paar Runden bleibt er im Bild stehen. Ein Mann steigt aus, geht ein paar Schritte, stoppt. Stillstand.
SOMEWHERE endet mit einer Verfolgungsfahrt, welche denselben Wagen aus einer erhöhten, ja erhebenden Position zeigt, wie er über die Autobahnen L.A.s rauscht und irgendwo auf dem Land anhält. Wieder steigt dieser Mann aus, aber diesmal bleibt er nicht stehen. Diesmal läugt er einfach weiter die Straße entlang. Bewegung.
Diese etwas platten Sinnbilder am Anfang und am Ende dürfen wohl als Indiz dafür erhalten, dass sich dieser Mann - es handelt sich um einen zweitklassigen, halb-abgehalfterter, herumhurenden Hollywood-Schauspieler (Stephen Dorff) - grundlegend verändert hat. Ihm und mit ihm dem Zuschauer ist der Alltag begegnet. Statt sich durch die weiblichen Gäste seines Hotels, in welches er sich dauer-einquartiert hat, zu bohren, ist er durch Armbruch und Besuch seiner Tochter Cleo (Elle Fanning) dazu gezwungen, die einfachen und unwichtigen Begebenheiten des Lebens ohne Betäubung und Orgasmus zu erfahren... und würdigen zu lernen. Veränderung tritt bei Sofia Coppola paradoxerweise durch ihr Gegenteil ein: Alltäglichkeit. Sie arbeitet ja nun schon seit LOST IN TRANSLATION an diesem Projekt, aber mir scheint es hier noch einmal eine Ecke kantiger und sperriger - und deswegen auch präziser - rüberzukommen. Die Figuren hier (und gleichfalls in ihren sonstigen Filmen) tun größtenteil nichts, was dreierlei bedeuten kann:
(1) Sie tun im wörtlichen Sinne nichts - dazu zählen "Tätigkeiten" wie Rumsitzen, Rumliegen, Rumlungern, Rumlaufen etc.
(2) Sie tun nichts, das von einer hochgradig kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Relevanz wäre. Was gehört zu diesem Nichts? Z. B. Guitar Hero und Wii spielen, sich vollkommen unaufgeregt(!) über die Handlung von Stephenie Meyers TWILIGHT-Buchreihe unterhalten oder Spaghetti in den Mund stecken und den noch heraushängenden Teil einfach abbeißen und somit wieder auf den Teller fallen lassen.
(3) Und die Figuren tun nichts, was eine sonderlich strikte Handlung, also eine Girlande von Ereignissen, die sich gegenseitig auslösen, etabliert.
Für alle drei Fälle von Nichts kann man wohl sagen, dass sie den Großteil des menschlichen Seins und Handelns bestimmen. Der Film benutzt die Erzeugung von Alltäglichkeit hier als wirkungsvollen Effekt, der jedenfalls in mir durchaus eine beachtliche Resonanz fand. Denn Coppola weiß die Schönheit und den Genuß, welche man solchen Situationen abgewinnen kann, in spröden und distanzierten Bildern einzufangen. SOMEWHERE steht noch stiller als die vorherigen Filme der Regisseurin. Und außerdem ist ihr mit JACKASS-Darsteller Chris Pontius ein besonderer Besetzungscoup gelungen - er gibt in seinem unaufhörlichen Redeschwall und derb-scherzenden Duktus dem Dialog jene Unwichtigkeit zurück, den er eben manchmal benötigt, damit das Leben erträglicher wird.
Ein großartiger Film über die Kraft des Nichts - und darüber, dass man Langeweile nicht mit Alltag verwechseln sollte.