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"All is full of Love..."

bekays Filmtagebuch




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Fragend kommen wir auf die Welt...



...und fragend werden wir sie verlassen. Dessen jedenfalls ist sich Terrence Malick vollkommen sicher, der seinen fünften Spielfilm THE TREE OF LIFE einmal mehr als Drehbuchautor und Regisseur vollendet hat. Damit trifft er sich ganz trefflich mit mir, denn die einzige menschliche Konstante ist das Fragen. Fragen verbinden auch all seine Filme. Das Stilmittel des Voice-Overs kommt denn auch hier wieder stark zum Tragen. Man kann jenen über die Bilder gehauchten Sprachfetzen immer viel vorwerfen - und vielerorts wird dies gemacht: Sie seien naiv, prätentiös, unverständlich. Ich verstehe sie eigentlich stets als Ausdruck tiefer Verwirrung: Nicht entschlüsseln soll man sie - verstehen aber, dass jene Gedanken der Figuren kaum in der Lage sind, etwas zu verstehen. Es wird also viel gefragt in THE TREE OF LIFE. Insofern sollte man sich wohl damit abfinden, dass Malicks Kino kein Kino der Antworten, sondern eben der Fragen ist. Wer Antworten erwartet - auch nach dem tieferen Sinn des Films selbst - ist fehl am Platz.

Religion

Viele Fragen im Film richten sich an Gott - jede Frage an Gott ist natürlich gleichzeitig Frage nach Gott. Denn eine Antwort bleibt wohl immer aus, womit gleichzeitig die Möglichkeit des Zweifels gegeben ist. Das ist hier nicht anders. Dass Malick christlichen Kitsch produzieren würde, ist ein oft vorgebrachter Vorwurf. Ich finde, nichts könnte Malicks Filmen ferner sein. Zuerst einmal sollte man sich klarmachen, dass die im Film geäußerten Rufe an eine höhere Macht Gedanken von Figuren sind. In diesem Film eben einer christlichen Familie aus den USA der 1950er Jahre: Die Mutter (Jessica Chastain) in einem Nonnenkloster aufgewachsen und eine elfengleiche Gestalt, selbstlos, naturverbunden, zärtlich. Der Vater (Brad Pitt) ein latent gewalttätiger, chauvinistischer Schildbürger, der die menschliche Gesellschaft für ein Haifischbecken hält. Und drei Söhne, wobei der Älteste (Hunter McCracken/Sean Penn) im Mittelpunkt steht: Pubertät und die zwei extremen Elternfiguren zerren an seinem Selbstbild. Alles, was die so denken, für die Mitteilung des Films zu halten, ist reichlich naiv.
Zum anderen kommentieren sich Voice-Over und Bilder ja immer wechselseitig. Womit wird denn die erste extreme Frage-Salve nach Gott beantwortet? Mit Bildern von purer Materialität: Der Entstehung von Sternen und Planeten, Molekülen und Einzellern, DNA und Dinos. Es sind keine Antworten auf diese Fragen. Vielmehr stellen sie neue Fragen: Wie bitte kann der Mensch anhand einer solchen Natur, anhand seines physikalischen Weltbildes tatsächlich an eine gerechte Weltordnung, an eine ordnende Macht glauben? Genau diese Parallelität ist es, für die Malick sich seit THE THIN RED LINE besonders interessiert: Glauben und Materialität.

Der Baum des Lebens

Denn der Mensch, der aus dieser gnadenlosen Natur heraus als Krone des Lebens entstanden ist, hat nun einmal die Fähigkeit zu glauben bzw. zu fragen. In Malicks Filmen ist dies dasselbe. Das Wundern, das Staunen, das Innehalten, das Projezieren von Schönheit und Ordnung nach Außen - dies ist nicht etwa eine Option für den Menschen; es ist die conditio humana. Deswegen ist Brad Pitts Figur auch eine teils überzeichnete Witzfigur: Sein Sozialdarwinismus ist unmenschlich und wird mit jedem wunderschönen Bild des Films Lügen gestraft. THE TREE OF LIFE verteilt seine Sympathien deutlich und lässt den Vater zum Schluss sogar seinen verfehlten Weg einsehen. Malick feiert ganz klar den Glauben - und m.E. nicht den christlichen, sondern die menschliche Fähigkeit per se. (Siehe auch den atemberaubenden Schluss von THE NEW WORLD, in der die Häuptlingstochter Pocahontas befreit feststellt: "Mother, now I know where you live.") Als ausgebildeter Philosoph hat Malick natürlich auch seinen Feuerbach gelesen - und will diesen auch visuell umsetzen: "Gott ist nichts anderes als die Intelligenz, die sich der Mensch wünscht und von der er nicht weiß, dass er sie selber hat."
Wir können da draußen sonst etwas vermuten: Das Draußen interessiert sich nicht für unsere Gedankenakrobatik. Die Natur mahlt teilnahmslos weiter. Aus diesem verschlungenen und choatischen Wurzelwerk des Lebensbaumes ist der Mensch entstanden und dies darf nie vergessen werden. Der Mensch hat es immer mitzudenken. So werden gleich zwei Schlüsse kredenzt: Einmal das Ende unseres Sonnensystems mit einer sich ausbreitenden und die Erde verschlingenden Sonne, die schließlich zu einem weißen Zwerg verkümmert. Die Menschen wird es dann schon lange nicht mehr geben - genausowenig wie Gott. Nur: Solange es sie noch gibt, wird weiter gehofft. Klar, das zweite, andere Ende mit einer Art salbungsvollen, symbolischen Jenseits, in dem sich alle Figuren des Films an einem Strand noch einmal treffen, ist des pastoralen Tons auch für meinen Geschmack ein klein wenig zu viel. Allein, für jedes kitschige Glaubensbekenntnis gibt es in diesem Film ein Gegengewicht: Die kreisende Kamera ist nur peripher am Menschen interessiert. Jeder Schnitt und jede Kamerafahrt schreien einen an: "Da, schau, was jenseits des Menschen liegt! Die Erde, der Baum, der Himmel, der Planet. All das existiert auch ohne dich. Mit dir mag es Schönheit haben, aber ohne dich noch immer Existenz..."

Also: THE TREE OF LIFE ist ein unendlich reicher Film. Meine assoziativen Gedanken kreisten ja nun allein um Malick, den Materialisten. Es gibt noch soviele andere: Den Berührungsfetischisten, den, der Erinnerung und subjektive Erfahrung filmisch erfahrbar machen will, den Erzähler eines großen Familiendramas, den präzisen Chronisten pubertärer Regungen, denjenigen, der pure Poesie im Banalen und Alltäglichen aufspürt und und und ...




Ist jetzt der erste und einzige Text, den ich zum Film gelesen habe. Finde ihn mutig und interessant, allerdings meine ich herauszulesen, dass mir der Film so gar nicht liegen wird. Mir waren ja schon die biblischen Anleihen in Days of Heaven zu viel des Guten. An mir lief auch There Will Be Blood völlig vorbei, der sich ja auch sehr trocken mit Religion beschäftigt. Gut, persönliche Präferenzen nerven, davon wimmelt es ja in Filmforen. Vielleicht ein wenig aus dem Fenster heraus gelehnt: Ist es denn nicht ein wenig unspannend, sich solch existentiellen Themen von dem biederen Posten einer ausformulierten und regelunterworfenen Fraktion zu nähern? Klar, das liegt eng an einer Demographie und Kultur, aber letztendlich scheint sich ja der Film völlig davon abzuheben und in viel breitere Perspektiven zu schweben. Verstehe da als nicht, warum man als Ausgangspunkt beim Scheinheiligen beginnen muss.
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Danke erst einmal. :cheers:

Zum Thema selbst: Biblische Anleihen gibt es wenig. Klar, der Film beginnt mit einem Zitat aus dem Buch Hiob. Aber eines, das auch perfekt zur materialistischen Seite Malicks passt: "Wo warst du, als ich die Erde gründete?" Antwort des Films: Nicht existent - das nimmt dem menschlichen Wichtigtuertum, gerade auch von der orthodoxen Seite, den Wind aus den Segeln. Ansonsten sollte man mich nicht missverstehen - die Relgiösität besonders der Mutter ist zwar eine starke und eine bedingungslose. Aber gleichzeitig alles andere als bieder, regelunterworfen oder scheinheillig. Pantheismus, Naturverbundenheit, Mitgefühl, spielerischer und materieller(!) Umgang mit der Welt - wie schon bei Pocahontas in THE NEW WORLD ist hier in einer Figur eine Unschuld verkörpert, gegen die ich gar nichts habe. Dies merkt man natürlich nur, wenn man von den expliziten Voice-Overs auch mal schaut, wie diese Figur so mit der Welt umgeht. Dabei bleibt sie, wie es so schön heißt, vollkommen auf dem Teppich. Das ist also ein m.E. perfekter Ausgangspunkt, um sich den großen Themen unserer Existenz zuzuwenden.

Ganz toll übrigens auch, wie bereits einem Raub-Dino in der materialistischen Schöpfungssequenz die Fähigkeit zur Empathie verliehen wird. Solche Spitzen in christliche Richtung ("Mitfühlende Urzeitechsen :zora: ") sind einfach nur eine Wonne und zeigen perfekt, dass das, was den Menschen ausmacht, nicht etwa vom Himmel gefallen ist, sondern in einem langen biologischen Entwicklungsprozess entstanden ist. (Eben: Baum des Lebens.)

Auch jenseits des Frage nach der spezifischen Umgangsweise mit religiösen Themen ist der Film ja einfach nur so lohnenswert: Als assoziativer Bilderstrom, der in seinem fragmentarischen Aufbau (noch radikaler als in seinen bisherigen Filmen - unbedarfte Stimmen nennen es auch "fehlerhafter Schnitt" :D ) die Konzentration auf die Momente, auf die "kleinen" menschlichen Erfahrungen legt. Das lässt mir Malicks neuere Filme immer wie im Flug(!) vergehen...
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bekay

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