Ich habe mir gestern einmal den Pre-Code-Film THE CHEAT (George Abbott, USA 1931), versuchend, mir seiner Pre-Code-Haftigkeit bewusst zu werden. Nun ja, trotz bloß einstündiger Laufzeit starrte ich manchmal gedankenverlorren mit leerem Blick und Stand-by-Aufmerksamkeit auf die Schwarz-Weiß-Bilder. Jedoch gab es trotzdem einiges zu bemerken, z.B. die kühl-erotische Tallulah Bankhead, die mit rauchiger Stimme und ohne Büstenhalter die femme fatale gibt. Allzu fatal ist sie am Ende dann doch wieder nicht, aber bis dahin leistet sie sich doch einiges: Elsa Carlyle verliert $10.000 beim Glücksspiel, die sie erst einmal nur mit einem Schuldschein begleichen kann. Denn ihre Ausgaben zahlt ihr Mann Jeffrey (Harvey Stephens), der sie zwar abgöttisch liebt, doch gerade knapp bei Kasse ist. Er ist das, was man heute "Börsianer" nennen würde. Und den ging es nach 1929 nicht allzu rosig. Elsa verrät ihm nichts von ihrem Pechspiel. Aber er hat gerade ein goßes Geschäft am Laufen, dessen Abschluss das Ende der finaziellen Probleme verheißt. Das nützt Elsa aber kaum, das Casino drängt sie ihre Schulden zu begleichen. Also steckt sie das Geld von einer Spendenaktion, die sie mit ihren High-Society-Miezen ausrichtete, in irgendein Wertpapier, welches angeblich bald seinen Wert verdoppeln soll. Erster moralischer Fingerzeig: Ätschi-Bätsch, nix gelernt aus dem schwarzen Donnerstag! Das Geld ist futsch. In ihrer argen Bedrängnis wendet sie sich an Hardy Livingstone (Irving Pichel), seines Zeichens reicher Fuzzi mit Exoten-Bonus, ist er doch gerade von einer Asien-Reise zurückgekehrt und trägt angeblich irgendwo an seinem Körper die Narbe eines Löwen-Angriffs. Der gibt ihr das Geld unter der Bedingung, über ihren Körper zu verfügen. Wie es der "Zufall" so will, wird Jeffrey kurz darauf mit einem Handel reich. Elsa trotzt ihm das Geld, welches sie Hardy schuldet, unter Vortäuschung falscher Tatsachen vor. Als sie sich von diesem freikaufen will, reagiert dieser äußerst ungehalten und verpasst ihr ein Branding sines persönlichen Wappens auf die Brust. Darauf reagiert sie dann wiederum sehr ungehalten, schießt ihn nieder, trifft ihn aber nicht lebensgefährlich und flieht. Jeffrey, der ihr gefolgt ist, nimmt die Schuld für die Tat auf sich, um sein Liebchen zu schützen. In der Gerichtsverhandlung kann Elsa ihre Schuld nicht mehr ertragen und verrät die Wahrheit, ihr chices Branding dem kompletten Saal zeigend. Das erregt ganz schön viel Tumult, die Masse will offenbar den angeschossenen Brandingkünstler lynchen. Zweiter moralischer Fingerzeig: Stehe zu deinen Verfehlungen!
Puh, erst beim Nacherzählen des Story ist mir aufgefallen, dass der Film gar nicht so simpel gestrickt ist. In der einen Stunde wird einiges an Handlungsmaterial dicht aneinandergereiht. Das gilt besonders für die zahlreichen Geldzahlungen, Schulden und die Mitwisserschaft der verschiedenen Figuren von diesen. Wenn man THE CHEAT als Krisenfilm versteht, dann ist er vielleicht und gerade sogar heute noch ganz interessant. Das Pre-Code-Hafte hat einen nun nicht angesprungen: Trotz exploitativer Momente (das Brandmarken! - sehen wir allerdings nur als Schattenspiel) geht das sehr gediegen-kleinbürgerlich aus, denn am Ende ist alles gut; die Ehe gerettet, die femme fatal geläutert. Wirklich erwähnenswert ist wohl nur dieser kurze Moment, als das Scheusal Livingstone in die Kamera schaut:
Diesem Blick wirft er dem Zuschauer(raum) zu, kurz bevor er Elsa das Geld gibt. Zu sagen scheint er: "Die Alte kaufe ich mir jetzt!" Dass er für sein verwerfliches Unterfangen mit dem Zuschauer gemeinsame Sache macht, ist ja eigentlich schon obszön genug. Aus einer formalen Perspektive verwundert diese Einstellung jedoch ebenfalls: Dieser konspirative Blick ist eigentlich ein deutliches Kennzeichen des frühen Films, für die sich Tom Gunnings Bezeichnung "Kino der Attraktionen" durchgesetzt hat. Das Theaterhafte, in der der Zuschauer noch als ein anzusprechendes Kollektiv verstanden wurde, dessen Aufmerksamkeit sich der Film erkämpfen muss, wich dem klassischen Erzählkino, dass sich zusammen mit der Hollywood-Industrie ausbildete und den Zuschauer auf subjektiv-vereinzelte Betrachtung einer Traumwelt abrichtete. (Nachzulesen z.B. in diesem Text von Thomas Elsaesser.) Dass es also in den 1930ern, der Blütezeit des klassischen Films, noch zu solch einem konspirativen Blick kommt, weist die Pre-Code-Ära eben als eigentliches Krisenphänomen aus: Jedes Mittel war recht, um die Leute trotz der miesen wirtschaftlichen Lage ins Kino zu locken und dort ebenfalls zu halten. Dies weist THE CHEAT nun als doppelten Krisenfilm aus...
Puh, erst beim Nacherzählen des Story ist mir aufgefallen, dass der Film gar nicht so simpel gestrickt ist. In der einen Stunde wird einiges an Handlungsmaterial dicht aneinandergereiht. Das gilt besonders für die zahlreichen Geldzahlungen, Schulden und die Mitwisserschaft der verschiedenen Figuren von diesen. Wenn man THE CHEAT als Krisenfilm versteht, dann ist er vielleicht und gerade sogar heute noch ganz interessant. Das Pre-Code-Hafte hat einen nun nicht angesprungen: Trotz exploitativer Momente (das Brandmarken! - sehen wir allerdings nur als Schattenspiel) geht das sehr gediegen-kleinbürgerlich aus, denn am Ende ist alles gut; die Ehe gerettet, die femme fatal geläutert. Wirklich erwähnenswert ist wohl nur dieser kurze Moment, als das Scheusal Livingstone in die Kamera schaut:
Diesem Blick wirft er dem Zuschauer(raum) zu, kurz bevor er Elsa das Geld gibt. Zu sagen scheint er: "Die Alte kaufe ich mir jetzt!" Dass er für sein verwerfliches Unterfangen mit dem Zuschauer gemeinsame Sache macht, ist ja eigentlich schon obszön genug. Aus einer formalen Perspektive verwundert diese Einstellung jedoch ebenfalls: Dieser konspirative Blick ist eigentlich ein deutliches Kennzeichen des frühen Films, für die sich Tom Gunnings Bezeichnung "Kino der Attraktionen" durchgesetzt hat. Das Theaterhafte, in der der Zuschauer noch als ein anzusprechendes Kollektiv verstanden wurde, dessen Aufmerksamkeit sich der Film erkämpfen muss, wich dem klassischen Erzählkino, dass sich zusammen mit der Hollywood-Industrie ausbildete und den Zuschauer auf subjektiv-vereinzelte Betrachtung einer Traumwelt abrichtete. (Nachzulesen z.B. in diesem Text von Thomas Elsaesser.) Dass es also in den 1930ern, der Blütezeit des klassischen Films, noch zu solch einem konspirativen Blick kommt, weist die Pre-Code-Ära eben als eigentliches Krisenphänomen aus: Jedes Mittel war recht, um die Leute trotz der miesen wirtschaftlichen Lage ins Kino zu locken und dort ebenfalls zu halten. Dies weist THE CHEAT nun als doppelten Krisenfilm aus...