THE PLEASURE GARDEN
(dt. Titel: IRRGARTEN DER LEIDENSCHAFT)
Großbritannien/Deutschland, 1925
Gainsborough Pictures / Münchner Lichtspielkunst AG (Emelka)
Regie: Alfred Hitchcock
Produktion: Michael Balcon, Erich Pommer
Buch: Eliot Stannard, nach dem Roman The Pleasure Garden von Oliver Sandys
Kamera: Gaetano di Ventimiglia
Musik: Lee Erwin
Darsteller: Virginia Valli (Patsy Brand), Carmetlita Geraghty (Jill Cheyne), Miles Mander (Levett), John Stuart (Hugh Fielding), Ferdinand Martini (Mr. Sidney), Florence Helminger (Mrs. Sidney), Georg H. Schnell (Oscar Hamilton), Karl Falkenberg (Prinz Ivan), Lewis Brody, Nita Naldi (Levets eingeborene Geliebte)
Erstaufführuung: 03. November 1925
Filmszene
Inhalt: Im „Pleasure Garden“, einem der renommiertesten Tanzlokale Londons freunden sich die beiden Tänzerinnen Patsy (Virginia Valli) und Jill (Carmetlita Geraghty) an. Während die Karriere wie am Schnürchen läuft, klappt das mit den Liebesdingen nicht so. Während Jills Verlobter Hugh (John Stuart) auf Geschäftsreise weilt versüßt sie sich die Zeit mit diversen Affären. Patsy heiratet den aufstrebenden Geschäftsmann Levett (Miles Mander), um festzustellen, dass untreu und obendrei ein Arschloch vor dem Herrn ist.
THE PLEASURE GARDEN ist ein aufwühlendes Drama mit spannendem Thrillerelementen, das zum Glück auf allzu melodramatische Nuancen verzichtet. Ein paar inszenatorische Raffinessen hat er zu bieten und ist auch stets unterhaltsam und kurzweilig. Als Stummfilmfan macht man hier nichts falsch. Ob er sich dennoch einen festen Platz in der Filmhistorie ergattern können, wenn er nicht das Debüt einen jungen britischen Filmregisseurs mit dem Namen Alfred Hitchcock darstellen würde, ist fraglich.
Der wurde am 13. August 1899 im nordöstlich von London liegenden Städtchen Leytonstone als Sohn eines Lebensmittelhändlers geboren. Vater William Hitchcock und Mutter Emma Jane Whelan hatten drei Kinder, von denen Alfred Joseph Hitchcock das mit Abstand jüngste war. Gut behütet in seinem katholischen Elternhaus wuchs „Hitch“ an und entdeckte schon als Kind seine Vorliebe für makabre Späßchen. Seinem Vater war es eines Tages zu bunt und schickte Alfred mit einem Zettel auf das örtliche Polizeirevier auf dem Stand, man möge den Jungen doch für ein paar Stunden in eine Zelle sperren, was der mit William Hitchcock befreundeten Polizeichefs dort auch tat. Dieser pädagogische Schock sollte den späteren „Master of Suspense“ tief prägen und seiner Leidenschaft für Kriminalstoffe Futter geben.
Alfred Hitchcock
Sein Film zur Filmkarriere verlief recht gradlinig. Nach einem Studium für Kunstgeschichte an der Londoner Kunstakademie arbeitete er zunächst als Techniker an der W.T. Henley Telegraph Company. Dort entdeckte man sein Talent für graphisches Design und beauftragte mit der Erstellung von Werbeplakaten. Der wichtigste Schritt kam mit dem Wechsel zur Filmcompany Paramount Famous Players-Lesky, wo er mit der Setzung von Zwischentiteln in Stummfilmen beschäftigt war und obendrein auch noch für Ausstattung und Kostüme.
Erstmals mit dem Regiefach kam er in Berührung als er finale Szenen für den Film ALWAYS TELL YOUR WIFE von 1923 drehte, nachdem dessen Regisseur Hugh Croise hochkantig aus dem Studio geworfen wurde. Schon kurz danach sollte er an seinem ersten eigenen Film drehen: NUMBER 13. NUMBER 13 blieb jedoch unvermittelterweise unvollendet, nachdem die P.F.P.-L. In der Zwischenzeit bankrott ging.
Der unabhängige Produzent Michael Balcon, der Hitchcock schon seit diversen Jahren kannte nahm den Glücklosen unter Vertrag. Zunächst arbeitete Hitch als Regieassistent unter Graham Cutts. Unter ihm gewann Alfred an Einfluss, was dessen Filmen sicherlich zugute kam. Das Team führte es auch nach Deutschland, wo für Hitchcocks Karriere die entscheidende Wende kam. Hitch besuchte das Set von DER LETZTE MANN (1924) und sah Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, den er stets bewunderte, über die Schulter. Murnaus Film sollte dem angehenden Regisseur die entscheidenden kreativen Impulse geben und ist wahrscheinlich das Werk, was den jungen Künstler am meisten beeinflussen sollte. Dort trennten sich auch die Wege von Cutts, der seinen mächtiger werdenden Assi nicht bei seinem neuesten Werk THE RAT dabeihaben wollte.
Im Gegenzug ermöglichte Balcon in Deutschland dann Hitchcock seine erste vollendete Regiearbeit – THE PLEASURE GARDEN, coproduziert von der Münchner Lichtspielkunst und in Deutschland mit IRRGARTEN DER LEIDENSCHAFT betitelt, nachdem der Münchner Zensurbehörde der ursprünglich angedachte Titel DER GARTEN DER LUST zu frivol erschien. Am 3. November 1925 feirte der Streifen in München Premiere. Erst im Januar 1927 lief der Film auch in England an, nachdem er zunächst keinen Verleih fand, was sich durch den Kassenerfolg und die hervorragenden Kritiken in Deutschland ändern sollte.
Hitchcock nahm die Anerkennung wohl zur Kenntnis. Wirkliche Zufriedenheit erlangte er mit dem Endprodukt sowie dessen Nachfolger, dem verschollenen THE MOUNTAIN EAGLE, (beides Auftragsarbeiten) jedoch nicht. Erst sein dritter Film, der Thriller THE LODGER von 1927 bekam von ihm das Prädikat „1. echter Hitchcock“ bescheinigt.