METROPOLIS
Deutschland, 1927
Universum Film (UFA)
Regie: Fritz Lang
Produktion: Erich Pommer
Buch: Thea von Harbou, Fritz Lang, nach dem Roman Metropolis von Thea von Harbou
Kamera: Karl Freund, Günther Rittau, Walter Ruttmann
Musik: Gottfried Huppertz
Darsteller: Alfred Abel (Joh Fredersen), Gustav Fröhlich (Freder), Rudolf Klein-Rogge (C.A. Rotwang), Fritz Rasp (der Schmale), Theodor Loos (Josaphat), Erwin Biswanger (11811), Heinrich George (Grot), Brigitte Helm (Maria / der Roboter), Fritz Alberti (der kreative Mensch), Grete Berger (Arbeiterin), Olly Boeheim (Arbeiterin), Max Dietze (Arbeiter), Ellen Frey (Arbeiterin), Beatrice Garga (Frau des Ewigen Gartens), Heinrich Gotho (Zeremonienmeister), Dolly Grey (Arbeiterin), Anny Hintze (Frau des Ewigen Gartens), Georg John (Arbeiter, der die Explosion auslöst), Walter Kuehle (Arbeiter), Margarete Lanner (Dame im Auto), Rose Lichtenstein (Arbeiterin), Hanns Leo Reich (Marinus), Arthur Reinhardt (Arbeiter), Curt Siodmak (Arbeiter), Henrietta Siodmak (Arbeiterin), Olaf Storm (Jan), Erwin Vater (Arbeiter), Rolf von Goth (Sohn im Ewigen Garten), Helen von Münchofen (Frau im Ewigen Garten), Helene Weigel (Arbeiterin), Hilde Woitscheff (Frau im Ewigen Garten)
Erstaufführung: 10. Januar 1927
Filmszene mit Alfred Abel (li.) und Rudolf Klein-Rogge
Inhalt: In Metropolis einer anonymen Großstadt der Neuzeit, zwischen kalten Betonklötzen von Wolkenkratzern und dicht befahrernen Straßen klafft der Abgrund zwischen den in den Kellern der Stadt vegetierenden ausgebeuteten Arbeitermassen und der in paradischen Zuständen schwelgenden Elite. Es rumort in den Gewölben. Aufgewiegelt von der Arbeitertochter Maria (Brigitte Helm) begehrt die Unterschicht auf gegen den Konzernmagnaten Fredersen (Alfred Abel). Dessen Sohn Freder (Gustav Fröhlich), beseelt von dem Anblick Marias, dämmern so langsam die vor sich gehenden Ungerechtigkeiten und mischt sich ein. Fredersen sieht nicht tatenlos zu und schmiedet ausgerechnet mit seinem Erzfeind, dem exzentrischen Erfinder Rotwang (Rudolf Klein-Rogge) einen finsteren Plan, der jeden Widerstand zurückschlagen soll. Eine von Rotwang entwickelte Menschmaschine soll den Platz von Maria einnehmen und die Rebellion beenden.
Das nenne ich mal ein Jahrhundert-Timing. Exakt an dem Tag, an dem der Film METROPOLIS im Rahmen meines Filmtageblogs an der Reihe wäre, feiert die nahezu rekonstruierte Premierenfassung ihre neue Erstaufführung bei den 60. Filmfestspielen von Berlin. Gleichzeitig neben der Berlinale-Aufführung im Friedrichstadt-Palast wird der Film sowohl in Frankfurt in der Alten Oper als auch als Public-Viewing-Event (Tausenden Besuchern) am Brandenburger Tor gezeigt. Gleichzeitig wird diese restaurierte Fassung in HD auf Arte ausgestrahlt. Begleitet von der Livemusik aus Berlin. Welch eine Sensation diese restaurierte Fassung darstellt muss man keinem Cinephilen erklären.
So nahm eine filmische Jahrhundert-Odyssee (vorerst) ein versöhnliches Ende.
Begonnen hat alles 1924 als Thea von Harbou, damalige Ehefrau von Fritz Lang und Autorin der meisten seiner Werke das Drehbuch zu METROPOLIS nach einer Idee Langs fertigstellte. Früh hatte Lang schon genauere Vorstellungen von der Architektur der fiktiven Stadt. Im Wolkenkratzer-Moloch New York Citys holte er sich seine Inspiration – und bewies mit seiner Vision einer futurischtischen Großstadt mehr Weitblick als er sich zu träumen gewagt hätte.
Bereits die Dreharbeiten wuchsen sich zu einer mittleren Katastrophe hinauf. Die Ufa sah in METROPOLIS zwar ihr Prestigeobjekt, das es der teuerste deutsche Stummfilm aller Zeiten werden sollten war so aber auch nicht geplant. Das Budget von knapp 1,3 Millionen Reichsmark reichte schon nach kurzer Zeit nicht mehr. Die Produktion mit etwa 37.000 Statisten hatte immer wieder mit verschiedensten Widrigkeiten zu kämpfen. So soff beispielsweise ein großer Teil der immens aufwendigen Kulissen beim Dreh der Finalszenen ab. Immer wieder musste nachgedreht werden, sogar noch als der Film schon auf dem Schneidetisch lag. Am Ende standen verpulverte 5 Millionen Reichsmark zu Buche, die den Ufa-Verantwortlichen die Haare zu Berge stehen ließen. Als Verantwortlicher dafür wurde Erfolgsproduzent Erich Pommer ausgemacht, der von der Ufa noch vor Ende der Dreharbeiten, die sich vom Mai 1925 bis zum Oktober 1926 hinzogen, gechasst wurde.
Bild vom METROPOLIS-Set mit Brigitte Helm (m.)
Am 10. Januar 1927 feierte METROPOLIS dann im Ufa-Palast am Zoo in Berlin endlich seine Weltpremiere. Aber noch lange nicht sein Happy End. Das 600 Sitzpätze starke Ufa-Kino am Nollendorfplatz war exklusiver Aufführungsort für den mit viel Werberummel angepriesenen Film. Doch die zeitgenössische Kritik war nicht sehr gnädig mit Langs ambitionierter Dystopie. Einmütig gelobt wurde stets zwar Langs visionäre Bildsprache und die bahnbrechenden Spezialeffekte, als Schwachpunkt galt allgemein jedoch Thea von Harbous Drehbuch. Als allzu simpel und naiv wurde die vordergründige Sozialkritik des Filmes abgekanzelt. Auch Fritz Lang selber mochte das fertigstellte Werk nicht sonderlich. Er gab der Kritik recht und empfand das Skript als zu kitschig und den Sinnspruch „Mittler zwischen Hirn und Hand muss das Herz sein“ als zu einfach für die Lösung einer sozialen Frage. Erst sehr viel später sei ihm bewußt geworden wie viel Wahrheit doch in der simplen Formel steckte. Diese Erkenntnis kam jedoch beinahe zu spät. Nachdem der Film in fünf Monaten gerade einmal 15.000 Zuschauer (unter ihnen ein begeisterter Argentinier) zog, wurde er am 13. Mai von der Ufa aus dem Kino genommen. Die nunmehr durch METROPOLIS beinahe ruinierte Produktionsfirma, die nur durch die Mehrheitsübernahme des Investors Alfred Hugenberg im März 1926 vor dem völligen Bankrott bewahrt werden konnte, zielte auf Schadensbegrenzung und versuchte, auch auf Druck der amerikanischen Vertragspartner Paramount Pictures, den ursprünglich 210 langen Film mit einer auf 93 Minuten zusammgestutzten Fassung einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen. Diese Rumpffassung kam dann ab dem 25. August 1927 zum Einsatz in Deutschland, der USA und der Rest der Welt. Doch auch diesmal wurde ihm ein Publikumserfolg verwährt. Noch schlimmer: das aus der Premierenfassung herausgekürzte Material wurde komplett vernichtet, auch um das Silber aus dem kostbaren Filmmaterial zurückzugewinnen.
"Der neue Turm Babel" Zukunftsvision Fritz Langs anno 1927
Doch ein Film wie METROPOLIS ist einfach nicht totzukriegen. Langs Karriere erlitt keinen größeren Schaden. Zunächst musste er sich zwar mit kleinen Budgets begnügen, doch mit SPIONE (1928) und FRAU IM MOND (1929) konnte er wieder bei Kritik und Publikum punkten, bevor er mit seinem ersten Tonfilm M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (1931) überschwänglichen Zuspruch im In- und Ausland gewiss sein konnte. METROPOLIS geisterete als Mythos umher. So ganz war der teure Reinfall noch nicht ganz vergessen. Als sich im folgenden Jahrzehnt sowohl der Faschismus als auch der Sozialismus in Europa breit machten, kam dem Film gar eine prophetische Aufwertung zuteil. Er bot immer mehr Projektionsfläche für eigene Interpretationen und schien doch mehr zu bedeuten, als es selbst die Macher im Sinn hatten. Langs Visionen stellten sich immer mehr als treffende Voraussagungen heraus. Harbous vorher noch abgetane Botschaft schien dem Volk aus der Seele zu sprechen.
In den 60ern und 70ern wurden erstmals in der Sowjetunion und in der DDR Restaurierungsversuche vorgenommen, die Erkenntnisse einbrachte, die späteren Unternehmungen zugute kommen sollten. Spätestens als der Einfluss METROPOLIS' auf das filmische Schaffen folgender Generationen im Allgemeinen und des Science-Fiction-Genres im Speziellen offenbar wurde, bekam er die Aufmerksamkeit, die er verdient hatte. Als George Lucas 1977 mit seiner STAR WARS-Saga das Genrekino revolutionierte und er dabei Langs Film als große Inspirationsquelle würdigte (Lucas' goldiger Protokolldroide C3-PO ist eine deutliche Anlehnung an Rotwangs Menschmaschine) und Ridley Scott in seinem BLADE RUNNER METROPOLIS ausführlich zitierte, erfuhr er eine Neuentdeckung. Eine neue cineastische Generation begann sich für METROPOLIS zu interessieren. Umso schmerzhafter wog der Verlust der Szenen der Originalfassung. Dass METROPOLIS gar zu einem Kultfilm avancierte war auch dem Filmkomponisten Girgio Moroder zu verdanken, der 1984 seine ganz eigene Version erstellte. Zunächst fertigte er eine Restaurierung mit einigen bisher ungekannten Szenen an. Diese schnitt er jedoch noch einmal herunter, dass seine Fassung (mit erhöhter Laufgeschwindigkeit) etwa 87 Minuten dauerte. Er machte jedoch aus METROPOLIS einen monumentalen Videoclip mit bunten Viragierungen, eigenmächtigen Schnittänderungen und streitbaren 80er-Jahre-Synthiepop. Bei Kritik und Puristen steckte er dafür viel Prügel ein, Moroders Score als auch Freddie Mercurys Filmsong Love kills wurden für die Goldene Himbeere nominiert, ermöglichte aber dem Film einen Zugang zu einem ganz neuen Publikum und Einfluss auf die aktuelle Popkultur. Dem Mythos METROPOLIS kam so eine weitere Legende hinzu.
In der Folge begannen dann die ersten ernsthaften Restaurierungsversuche unter dem Enno Patalas, einem der – wenn nicht dem – renomiertesten Filmhistoriker der Bundesrepublik. In jahrelanger Kleinarbeit trug er allerlei zum Teil unbekanntes Filmmaterial zusammen. Schnel wurde klar, dass eine vollständige Rekonstruktion der Originalfassung ein Ding der Unmöglichkeit war. Ziel war es, die bestmögliche Version aus erhaltenem Material zu schaffen. Das Material, welches man seinem Alter ansehen konnte, wieder frisch erscheinen zu lassen, das war die Aufgabe von Restaurator Martin Koerber, dem ein Meisterstück geglückt ist. Die neue Palatas-Fassung sah nun frisch und ungebraucht aus, nunmehr ohne jegliche Artefakte oder Schrammen erscheinen sie in neuem Glanz. Fehlende Filmstücke ersetzen Palatas und Koerber durch Standfotos aus dem Harbou-Nachlass und Szenenbeschreibungen die Originalzensurkarten nachempfunden waren. Diese fast fertige Version mit einer Länge von 147 Minuten wurde am 15. Februar 2001 auf der Berlinale uraufgeführt. Allerdings aus rechtlichen Gründen ohne die von Bernd Heller neueingespielte Originalmusik von Gottfried Huppertz.
Diese war dann auf der 2003 erschienenen DVD von Transitfilm zu hören, die die nun vervollständigte Restauration enthielt, die aber aufgrund der Laufgeschwindigkeitskorrektur von 16 fps auf 24 fps nunmehr nur noch 119 Minuten ging, aber soweit vollständig war. Diese Version galt nun als Studienfassung und zunächst als Ende der langen Reise, die METROPOLIS bis dahin unternahm. Doch weit gefehlt.
Im Sommer 2008 ging eine sensationelle Nachricht durch die Medien. Das fehlende Material von METROPOLIS, immerhin etwa ein Viertel der Gesamtlaufzeit, wurde wiederentdeckt – im fernen Argentinien, wo ihn ein Kinobetreiber, der bei einer der ersten Aufführungen des Films dabei war und begeistert eine Kopie mit in die Heimat nahm. Durch die Jahre arg mitgenommen, verwitter und zerkratzt, gelagert in einer verrosteten Filmdose. Kam durch Zufall während eines Telefongespräch die unglaubliche Neuheit ans Licht. Ungläubig auch Martin Koerber, der nach Jahren vergeblicher Hoffnungsschimmer erst gar kein Interesse an dem Material zeigte, bis ihm tatsächlich klar wurde, dass hier nunmehr das komplette noch fehlende Material vorlag.
So machte sich Koerber wieder an METROPOLIS und digitalisierte das zerschlissene Material. Nur noch wenige Minuten Film sind verschollen und die wiedereingefügten Filmstücke sind als solche aufgrund ihres üblen Zustands als solche sofort erkennbar. Doch das ist so leicht zu verschmerzen angesichts der Tatsache, das wir das sehen dürfen, was Generationen von Filmfreunden vorenthalten war, was vielen zu Lebzeiten gar nicht möglich war – METROPOLIS so zu sehen, wie er von seinem Regisseur gedacht wurde.
Qualitätsbeispiel einer der wiederentdeckten Szenen
Vor wenigen Tagen wurde die Restauration fertigstellt, die nun am 12. Februar 2010 ihre eingangs erwähnte Aufführung feierte. Mit einem Kloß im Hals sehe ich nun mit meinen eigenen Augen, in denen sich so einiges an Pipi der Rührung angesammelt hat, METROPOLIS wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Er ist rund und schlüssig, dramatisch und einige schmerzlich vermisste Handlungsstränge werden nun ausführlich dargebracht anstatt das wir von erklärenden Zwischentiteln aus den Träumen gerissen werden.
Wahrlich ein großer Moment. So nahm das Abenteuer METROPOLIS nach all der Zeit doch noch ein versöhnliche Happy End.
2001 wurde METROPOLIS als bislang einziges filmisches Werk aus Deutschland in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen, an der Seite von Beethovens Symphonie Nr. 9, dem Tagebuch von Anne Frank und der Gutenberg-Bibel.
2005 erzielte ein Originalfilmplakat von METROPOLIS bei einer Auktion in London den Rekorderlös von 398.000 Pfund. Wer das Plakat wurde streng geheim gehalten, jedoch ist es durchaus ein offenes Geheimnis, dass ein berühmter US-Schauspieler mit italienischem Namen und deutscher Abstammung es in seiner Villa hängen hat.