THE LODGER: A STORY OF THE LONDON FOG
(dt. Titel: DER MIETER; THE LODGER)
Großbritannien, 1927
Gainsborough Pictures / Carlyle Blackwell Productions
Regie: Alfred Hitchcock
Produktion: Michael Balcon, Carlyle Blackwell
Buch: Eliot Stannard, Alfred Hitchcock nach dem Roman The Lodger: A Story of the London Fog und dem Theaterstück Who is he? von Marie Belloc Lowndes
Kamera: Gaetano di Ventimiglia, Hal Young
Schnitt: Ivor Montagu
Darsteller: Marie Ault (die Hauswirtin), Arthur Chesney (ihr Ehemann), June (Daisy), Malcolm Keen (Joe), Ivor Novello (der Mieter), Reginald Gardiner, Eve Gray (Mordopfer), Alfred Hitchcock, Alma Reville (Frau)
Erstaufführuung: 24. Februar 1927
Filmszene
Inhalt: London wird erschüttert von einer Mordserie, der immer mehr Blondinen zum Opfer fallen. Unterdessen mietet sich ein mysteriöser Besucher (Ivor Novello) in eine Pension ein, der auffallend großes Interesse an der blonden Daisy (June), der Tochter des Hauses, zeigt.
THE LODGER: Alfred Hitchcocks dritter Film und derjenige, dem der Meister das Prädikat „der erste richtige Hitchcock-Film“ verlieh. In diesem Stummfilm sind alle Ingredenzien zu finden, die einen richtigen Hitchcock ausmachen.
Bis zum Anschlag dreht der „Master of Suspense“ die Spannungsschraube zu. Dabei ist hier schon das Thema des unschuldig Verdächtigten vorzufinden, das Motiv welches sich wie ein roter Faden durch das Werk des Regisseurs zieht. Auf den Stoff aufmerksam ist er geworden, als er in London das Kriminalstück Who is he? von Marie Belloc Lowndes sah, einer Adaption ihres Romanes The Lodger: A Story of the London Fog. „Hitch“ war begeistert und machte sich daran, die Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Dabei übernahm er auch gleich den Hauptdarsteller des Stücks, Ivor Novello, der noch des öfteren für ihn vor der Kamera stehen sollte. Um ihn verpflichten zu können verzichtete Hitchcock gar auf den Plan, den Film mit einem düsteren, ungewissen Ende zu versehen.
Besonderes inszenatorisches Kabinettstückchen war das Filmen von Fußschritten durch eine Glasplatte, um die donnernden Trittgeräusche des Mieters in der Pension zu visualisieren.
Auffällig auch, dass hier nur blonde, junge Frauen dem Serienmörder zum Opfer fallen. Hitchcock hatte ja bekanntlich eine gestörte Obsession zu blonden Frauen, wo einige seiner blondbelockten weiblichen Stars arg drunter zu leiden hatten.
Mit THE LODGER etablierte Hitchcock auch sein Markenzeichen, dem obligatorischen Kurzauftritt seiner selbst in jedem seiner Filme. In THE LODGER gibt es derer gar zwei. Einmal ist „Hitch“ in einer Zeitungsredaktion zu sehen, das andere Mal in der Meute, die den vermeintlichen „Avenger“ stellen will. Für Hitchcock war es hier noch reiner Pragmatismus, der ihn zum Cameo verleitete, später wurde es nach seinem Bekunden Aberglaube und schließlich zum Running Gag seiner Filme.
Zitat
Untypisch für den späteren Hitchcock ist aber, daß wir Zuschauer die Unschuld eben nicht vermuten, sondern ihn nur verdächtigen (sollen - so ganz überzeugend ist das nicht).
Die vom Regisseur auf den Mörder übertragene Obsession ist mir auch gleich aufgefallen. Wußte man natürlich damals nichts davon. Interessant ist übrigens auch wieder die Dreiteilung des Hauses, ähnlich wie bei Psycho später. Zizek deutet das ja als die drei psychologischen Ebenen Es - Ich - ÜberIch. Im Grunde kann man das auch hier wieder anwenden: Unten die Küche, in der Mitte das Wohnzimmer und oben das Gästezimmer (mit der Konnotation Verführung - Schuld - Gewissen).
Highlight ist natürlich der Blick durch den Fußboden. Aber auch die Zwischentitel sind eine Augenweide - wenn mich nicht alles täuscht, wurde dem Film damals vorgeworfen, er würde sich zu sehr an den deutschen Expressionismus werfen. Was für ein ausnehmend blöder Vorwurf.