THE JAZZ SINGER
(dt. Titel: DER JAZZSÄNGER)
USA, 1927
Warner Bros. Pictures
Regie: Alan Crosland
Buch: Alfred A. Cohn, nach dem Musical The Jazz Singer von Samson Raphaelson
Kamera: Hal Mohr
Schnitt: Harold McCord
Musik: Louis Silvers
Darsteller: Al Jolson (Jake Rabinowitz / Jack Robin), May MacAvoy (Mary Dale), Warner Oland (Kantor Rabinowitz), Eugenie Besserer (Sara Rabinowitz), Otto Lederer (Moisha Yudelson), Robert Gordon (Jake Rabinowitz mit 13), Richard Tucker (Harry Lee), Kantor Joseff Rosenblatt (himself), Jane Arden, Ernest Belcher (Choreograph), Violet Bird, Nat Carr (Levi), Claire Delmar, William Demarest (Steve Martin), Neely Edwards (Tanzregisseur), Audrey Ferris (Chormädchen), Joseph Green, Ena Gregory, Roscoe Karns (Agent), Myrna Loy (Chormädchen), Margaret Oliver, Anders Randolf (Dillings), Carolynne Snowden (Mädchen), Marie Stapleton, Will Walling (Arzt)
Erstaufführuung: 06. Oktober 1927
Filmszene
Inhalt: Schon seit seiner Kindheit träumt Jake Rabinowitz (Al Jolson) von einer Karriere als Ragtime-Sänger. Sehr zum Leidwesen seines Vater, Kantor Rabinowitz (Warner Oland), der lieber sähe, dass sein Sohn der alten Familientradition folgt und in seine Fußstapfen tritt. Es folgt der unvermeidliche Bruch zwischen den Beiden. Jahre später, als seine Karriere so richtig in Fahrt in kommt, sucht Jake das Gespräch mit seinem Vater. Doch der zeigt sich weiterhin unversöhnlich.
Trotz aller redlicher Bemühungen diverser Tüftler in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende den Film sprechen zu lassen, behielt der Stummfilm eine unumstößliche Vormachtstellung. Puristen malten schwarz und befürchteten den Tod des Films als Kunsftform und den unwiderbringlichen Verlust der Bildsprache. Auch das zahlende Publikum konnte der Vorstellung von tönenden Filmen nichts abgewinnen und zeigten Desinteresse. Demzufolge rüstete auch kein Kinobetreiber für teures Geld auf Tonfilm um, zumal auch gar kein einheitlich genormtes Verfahren zu Aufnahme und Wiedergabe verfügbar war, auf das man setzen konnte. Das Kellum-System, bei dem der Film mit einem Phonographen gekoppelt wird, der den Ton automatisch zum Bild synchronisiert, verschreckte mehr als das es faszinierte. D.W. Griffith setzte Kellum 1921 bei seinem von ihm selbst finanzierten DREAM STREET ein und ging damit fürchterlich baden.
Erst die Perfektionierun des Lichttonspurverfahrens durch Lee de Forest und Thodore Willard Case brachte den entscheidenden Durchbruch. Ab 1922 produzierte de Forest unzählige Kurzfilme, die seine Innovation bekannt machen sollten. Forests Verfahren wurde allgemein positiv aufgenommen, für eine kommerzielle Auswertung fehlte es allerdings an Kapital und Unterstützung.
1925 waren es die vier Warner-Brüder, die ihr Unternehmen zu einem der größten US-Filmstudios aufgebaut haben, die von der Lichttonspur überzeugt, einen massiven Versuch starteten, den Tonfilm endgültig zu etablieren. So waren es auch die Warner Brothers, die das Radio in die Wohnzimmer der Nation brachten, was dem Wunsch des Publikums nach akustischer Sprache und Musik Futter gab. Die Warner gingen ein Risiko ein, wenn auch ein kalkulierbares. Sie verfügten über eigene Kinos, was ein großer Vorteil sein sollte. Zwischen 1925 und 1927 drehten sie Tonkurzfilme, sogenannte „Talkies“, mit vornehmlich experimentellen oder dokumentarischen Charakter. Erster abendfüllende Achtungserfolg war der nachträglich zum Tonfilm modifizierte Stummfilm DON JUAN von 1926. Es war jedoch der Erfolg der Kurzfilme, der aufzeigte, was das Erfolgsrezept der frühen Tonära werden sollte – die Musik.
Einer der erfolgreichsten dieser Kurzfilme war 1926 A PLANTATION ACT mit Al Jolson, zu der Zeit schlicht der größte Gesangsstar der Welt. Er war es auch der sofort zusagte, als dem zunächst für die Hauptrolle vorgesehenene George Jessel wegen zu hoher Gagenforderungen für das neueste Warner Bros.-Projekt THE JAZZ SINGER eine Abfuhr erteilt wurde. Sowohl für die WB als auch für Al Jolson eine glückliche Fügung.
Erfolgreicher Werbefeldzug
Am 06. Oktober 1927, einem Tag nach dem Sam Warner nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 40 Jahren starb, feierte THE JAZZ SINGER seine triumphale Premiere im Tower Theater in Los Angeles. Die Story um den jungen Menschen, der den tradiotionellen Zwängen seiner Familie entkommt, um seiner wahren Bestimmung zu folgen ist so banal wie uralt. Was das Publikum faszinierte war der Ton respektive die Musik. In THE JAZZ SINGER waren bis auf wenige gesprochene Sätze ausschießlich die musikalischen Einlagen vertont. Die Dialoge wurden weiterhin stumm mit Zwischentiteln vorgetragen. Das hatte keine dramaturgischen Gründe, sondern beruhte einfach darauf, dass man sich nicht traute so radikal mit den etablierten Regeln des Stummfilms zu brechen. Doch die Revolution hatte begonnen.
Konnte sich der Stummfilm nach THE JAZZ SINGER noch eine zeitlang behaupten, wurden Tonfilme irgendwann inflationär hergestellt. Das Publikum wollte nur noch „Talkies“ sehen bzw. hören, so schlecht sie auch sein mochten. Zumeist wurde dabei die Story um die Musik gebaut – der Musicalfilm war geboren und beherrschte die Szene. Der erste Film, der komplett auf akustische Dialoge setzte war LIGHTS OF NEW YORK (1928). Stummfilme wurden nachträglich zu Tonfilmen umgearbeitet und neue Probleme tauchten auf.
Erst einmal erwies sich die Innovation als Disaster für viele Stummfilmstars. So war beispielsweise die Karriere von John Gilbert, einem der bestbezahltesten Stars Hollywoods über Nacht ruiniert. Der charismatische Darsteller litt unter dem Gerücht, eine unerträgliche Fistelstimme zu haben. Obwohl faktisch das Gegenteil der Fall war, verweigerte sich ihm das Publikum. Auch Mary Pickford sah man wohl lieber in Stumm- als in Tonfilmen. Da konnte auch ein Oscar für ihre erste Sprechrolle in Coquette (1929) nichts dran ändern.
Ein weitere Haken war die Tatsache, dass Filme nun nicht mehr international vermarktet werden konnte. Die Möglichkeit einen Film zu synchronisieren war noch nicht gegeben. So behalf man sich teilweise damit, den selben Film in mehrsprachigen Fassungen mit muttersprachlichen Darstellern zu drehen. Waren international bekannte Stars am Werk wie etwa Buster Keaton oder Laurel & Hardy am Werk, ließ man sie selber in der Fremdsprache reden, was zumeist zu merkwürdigen Resultaten führte. Dennoch sollte der Tonfilm den Stummfilm in fünf Jahren komplett abgelöst haben.
Al Jolsons Filmsatz „Wait a minute, wait a minute. You ain't heard nothing yet“, den er während der Gesangsaufnahmen improvisierte erwies sich als prophetisch. Bei der ersten Verleihung der Academy Awards bekam THE JAZZ SINGER den Honoray Award für seine Pionierleistung. Alfred A. Cohns nominiertes Drehbuch ging leer aus. 1996 wurde der Film ins National Film Registry aufgenommen.
Es entstanden zwei Remakes (1952 und 1980), die freilich neben dem Original völlig bedeutungs- und sinnlos erscheinen.