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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch




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Polizeiknüppeldick



MR 73 (DVD)

Kommissar Louis Schneider (Daniel Auteil) hatte mal eine Familie. Dann war die Familie weg. Seine Frau liegt behindert im Krankenhaus. Alles, was er hat, ist sein Beruf. Und da sieht er Leichen, Leichen und Schmerzen. Einige seiner Vorgesetzten decken ihn, obwohl sein Leben aus dem Leim geht. Aber es gibt auch richtige Arschlochbullen, die ihn fertigmachen wollen. Und je mehr er sich gegen sein Geschick wehrt, umso mehr zieht es ihn mit sich...

Regisseur Olivier Marchal war früher selbst Polizist. Sein vielbeachteter 36 mit Auteuil und Depardieu war bereits eine reife Leistung. Bei MR 73 ist wirklich ganz Feierabend. Mit der Einfachheit und ästhetischen Präzision des klassischen französischen Kriminalkinos schildert er die Tragödie eines einfachen Polizisten, der in seinem Beruf verloren geht. Sein eigenes Privatleben ist vor die Hunde gegangen, und so klammert er sich verzweifelt an das Privatleben anderer, macht die Verletzungen der Opfer zu seinen eigenen, vertraut auf eine Gerechtigkeit, von der er intuitiv weiß, daß sie schwerer zu greifen ist als ein Strohhalm im Wirbelsturm. Anders als in der klassischen Tragödie erscheint das Schicksal hier nicht als ein von Göttern produziertes Schauspiel, in das die Menschen hineingezwungen sind. Die Menschen erschaffen sich ihr Schicksal selbst, sind aufgrund ihrer Natur entsprechend vorgeprägt, tun das, was sie eben tun müssen. Zu Beginn des Filmes entführt ein komplett betrunkener Kommissar einen Linienbus und wird vom Überfallkommando hoppgenommen. Da Schneider auf große Erfolge zurückblicken kann, wird ihm seine Familienkatastrophe angerechnet. Er kommt mit einem blauen Auge davon. Doch ist er von nun an auf der Abschußliste. Auteuil spielt den zerbrechenden Mann grandios, und wäre das Material in anderen Händen vielleicht zu einem Selbstjustizspektakel geworden, konzentriert sich Marchal auf die Verletzungen, die bei allen Menschen vorliegen. Was soll man machen, wenn selbst die Ärzte krank sind? Was soll man machen, wenn Gott nicht zu finden ist? Man macht Dienst nach Vorschrift und versucht, sein Leiden und das der anderen zu lindern. MR 73 ist ein existentialistischer Polizistenfilm, der eine unglaubliche Intensität entwickelt. Ein Vergleich mit den Meisterwerken Jean-Pierre Melvilles liegt nahe und ist in diesem Fall sogar angemessen. Neben Auteuil gibt es noch andere exzellente Schauspieler, darunter Marchals Ehefrau Catherine (als Polizeipsychologin) und Philippe Nahon (der Fleischer aus MENSCHENFEIND) als Gewalttäter, der zum lieben Gott gefunden hat. MR 73 ist ein waschechtes Meisterwerk, das von Anfang bis Ende den richtigen Ton trifft. Mein lieber Herr Gesangverein, bin ich durchgerüttelt...




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