Premutos - Der gefallene Engel (DVD)
In meiner Twen-Zeit begann die Angelegenheit mit den Amateur-Splatterfilmen. Möglicherweise beeinflußt von der internationalen Zurkenntnisnahme, die Jörg Buttgereits NEKROMANTIK in den 80ern zuteil geworden war, griffen nun Teens und Twens zur Videokamera, plünderten Papis Werkzeugkasten und planschten in Lebensmittelfarbe. Die auf diese Weise erstellten Erzeugnisse waren mehrheitlich für ca. 10 Minuten unterhaltsam. Danach machte sich der Mangel an technischem Können, an Charme, an allem bemerkbar, und unter einer Promillegrenze von sagen wir mal 2,0 waren diese Gurken meistens nicht mehr konsumierbar.
Von diesem „Massaker im Stadtpark“-Einerlei hob sich ein junger Mann aus dem bayerischen Fürstenfeldbruck wohltuend ab. Olaf Ittenbach sein Name. Mittlerweile hat es ihn ja sogar nach Hollywood verschlagen, aber eine kürzliche Privat-Retro mit alten Amateurfilmen führte mir heute seinen PREMUTOS wieder vor Augen. Eine der Eigenschaften, die ich eben nannte, ist Charme. Charme tropft aus den frühen Ittenbach-Sachen für mich wie Frittenfett aus einem Gelsenkirchener Fettbrötchen. Während der Gorebauer aufgrund der für das Budget exzellenten Spezialeffekte sein Auskommen hatte – in THE BURNING MOON z.B. sind zwei, drei Sachen drin, wo ich mir ums Verderben nicht erklären kann, wie die das hinbekommen haben! –, lagen mir jene Elemente der Filme, die niemand sonst so gedreht hätte, sehr am Herzen: die bayrischen Provinzimpressionen. Während MOON noch mit der gräßlichen Jugendkultur der 80er kokettiert (Restaurantszene mit Julia und Keanu Reeves!), zeigt PREMUTOS den ganzen Abgrund der ländlichen Kleinstadt: Matthias (Olaf selber) ist geschlagen mit einer überprotektiven Mama und einem von Waffen und Soldatentum besessenen Papa, der bei der Gartenarbeit die vergrabenen Geheimnisse von Leben und Tod findet (einige kleine Glasflaschen mit gelber Suppe und einen dicken Wälzer mit einem Pentagramm vornedrauf). Beim Fußball bekommt Matthias das Leder direkt in die Nüsse, muß daraufhin am Skrotum operiert werden und schüttet sich versehentlich noch gelbe Suppe über den Dödel. Bald darauf regiert das Grauen. Zuerst aber regiert das Grauen in Form der Geburtstagsparty für den dicken Papi Walter. Walter und seine Frau laden sich gern Gäste ein, und hier wird PREMUTOS zu einer Art Splatter-Version von Faßbinders WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? – man kann sich das teilweise kaum anschauen! Tante Edith ist eine dominante Plaudertasche, die ihren Mann Hugo zu einem erbärmlichen Wurm gemacht hat, den sie ständig drangsaliert. (Gesprochen bzw. gejodelt wird sie von der großartigen Kathrin Ackermann, die bereits als deutsche Stimme von Peggy Bundy demonstrieren durfte, daß sie Tremolos produzieren kann, für die es im Diesseits keinen Namen gibt. Als Erzähler fungiert übrigens Klaus Kindler alias Clint Eastwood!) Als einer der Gäste sich als Schwarzafrikaner namens Christian entpuppte, hatte der Film bei mir natürlich endgültig gewonnen. Irgendwann kommen dann Zombies dazu, Papa Walter packt seine Waffensammlung aus und brüllt: „Ich lasse mir von euch die Party nicht versauen... auch wenn sie scheiße ist!!!“
Einer der Gründe, weswegen ich Olaf Ittenbach eindeutig mag, ist seine Weigerung, sich bei seinen selbstinszenierten Auftritten als verklärte Heldenfigur zu zeichnen. Dicke Eier hat er in PREMUTOS schon, aber aus anderen Gründen. Seine Hoden-OP gehört fraglos zu den ganz großen Momenten des deutschen Nachkriegskinos, aber auch seine nachfolgende Entkleidungsszene, in der er eine Art Männer-Tanga präsentiert, ist wirklich ganz ungeheuerlich. PREMUTOS ist wesentlich komödiantischer angelegt als sein Vorläufer, und der Humor ist gelegentlich so niveaulos, daß die Drehbuchautoren der FLOTTE TEENS-Filme sich auf der Stelle eine Kugel in den Kopf geschossen hätten. Das paßt aber zu dem dramatisch verklemmten Kleinbürgerhaushalt, den uns Ittenbach hier präsentiert. Auch Romantik hat ihren Platz, wenn auch nur in den Wunschfantasien des Pantoffelhelden Hugo, der mit einer Hübschen eine sexuelle Zusammenkunft der sehr kitschigen Art hat. (Hier fühlte ich mich etwas erinnert an meine Lieblingsszene aus THE BURNING MOON, nämlich die Liebescollage mit Keanu Reeves und dem Hund!) Da es sich hier nicht um Faßbinder handelt, sollte erwähnt werden, daß reichlich gesplattert wird, und da Ittenbach auf grundsympathische Weise wahnsinnig zu sein scheint, schenkt er uns in diesem nicht eben üppig budgetierten Werk diverse Mittelalterszenen, schottische Hochländer, Jesus´ Kreuzigung auf dem Kalvarienberg und den Kessel von Stalingrad! Wenn es im ganzen Bereich des Amateur-Splatter-Kinos einen Film gibt, der als Partyfilm ein Muß darstellt, dann ist das PREMUTOS! Was für eine Chuzpe... Ich bedauere es sehr, den Film niemals auf einem Festival gesehen zu haben, denn dort muß er gerockt haben wie zehn Zäpfchen. Das mindestens 15 Minuten andauernde Schlußgemetzel dürfte jeden Splatterfan begeistert haben, und die lustvolle Dekonstruktion des bayrischen Kleinbürgertums hat mich hingerissen. Vielleicht macht Ittenbach ja mal irgendwann eine Splatterversion von Faßbinders großem Film über bayrische Ödnis, KATZELMACHER. Den würde ich dann KOTZELMACHER nennen. Grandioses Partykino, wie es niemand anders hinbekommen hätte. Ich hatte einen Heidenspaß.
In meiner Twen-Zeit begann die Angelegenheit mit den Amateur-Splatterfilmen. Möglicherweise beeinflußt von der internationalen Zurkenntnisnahme, die Jörg Buttgereits NEKROMANTIK in den 80ern zuteil geworden war, griffen nun Teens und Twens zur Videokamera, plünderten Papis Werkzeugkasten und planschten in Lebensmittelfarbe. Die auf diese Weise erstellten Erzeugnisse waren mehrheitlich für ca. 10 Minuten unterhaltsam. Danach machte sich der Mangel an technischem Können, an Charme, an allem bemerkbar, und unter einer Promillegrenze von sagen wir mal 2,0 waren diese Gurken meistens nicht mehr konsumierbar.
Von diesem „Massaker im Stadtpark“-Einerlei hob sich ein junger Mann aus dem bayerischen Fürstenfeldbruck wohltuend ab. Olaf Ittenbach sein Name. Mittlerweile hat es ihn ja sogar nach Hollywood verschlagen, aber eine kürzliche Privat-Retro mit alten Amateurfilmen führte mir heute seinen PREMUTOS wieder vor Augen. Eine der Eigenschaften, die ich eben nannte, ist Charme. Charme tropft aus den frühen Ittenbach-Sachen für mich wie Frittenfett aus einem Gelsenkirchener Fettbrötchen. Während der Gorebauer aufgrund der für das Budget exzellenten Spezialeffekte sein Auskommen hatte – in THE BURNING MOON z.B. sind zwei, drei Sachen drin, wo ich mir ums Verderben nicht erklären kann, wie die das hinbekommen haben! –, lagen mir jene Elemente der Filme, die niemand sonst so gedreht hätte, sehr am Herzen: die bayrischen Provinzimpressionen. Während MOON noch mit der gräßlichen Jugendkultur der 80er kokettiert (Restaurantszene mit Julia und Keanu Reeves!), zeigt PREMUTOS den ganzen Abgrund der ländlichen Kleinstadt: Matthias (Olaf selber) ist geschlagen mit einer überprotektiven Mama und einem von Waffen und Soldatentum besessenen Papa, der bei der Gartenarbeit die vergrabenen Geheimnisse von Leben und Tod findet (einige kleine Glasflaschen mit gelber Suppe und einen dicken Wälzer mit einem Pentagramm vornedrauf). Beim Fußball bekommt Matthias das Leder direkt in die Nüsse, muß daraufhin am Skrotum operiert werden und schüttet sich versehentlich noch gelbe Suppe über den Dödel. Bald darauf regiert das Grauen. Zuerst aber regiert das Grauen in Form der Geburtstagsparty für den dicken Papi Walter. Walter und seine Frau laden sich gern Gäste ein, und hier wird PREMUTOS zu einer Art Splatter-Version von Faßbinders WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? – man kann sich das teilweise kaum anschauen! Tante Edith ist eine dominante Plaudertasche, die ihren Mann Hugo zu einem erbärmlichen Wurm gemacht hat, den sie ständig drangsaliert. (Gesprochen bzw. gejodelt wird sie von der großartigen Kathrin Ackermann, die bereits als deutsche Stimme von Peggy Bundy demonstrieren durfte, daß sie Tremolos produzieren kann, für die es im Diesseits keinen Namen gibt. Als Erzähler fungiert übrigens Klaus Kindler alias Clint Eastwood!) Als einer der Gäste sich als Schwarzafrikaner namens Christian entpuppte, hatte der Film bei mir natürlich endgültig gewonnen. Irgendwann kommen dann Zombies dazu, Papa Walter packt seine Waffensammlung aus und brüllt: „Ich lasse mir von euch die Party nicht versauen... auch wenn sie scheiße ist!!!“
Einer der Gründe, weswegen ich Olaf Ittenbach eindeutig mag, ist seine Weigerung, sich bei seinen selbstinszenierten Auftritten als verklärte Heldenfigur zu zeichnen. Dicke Eier hat er in PREMUTOS schon, aber aus anderen Gründen. Seine Hoden-OP gehört fraglos zu den ganz großen Momenten des deutschen Nachkriegskinos, aber auch seine nachfolgende Entkleidungsszene, in der er eine Art Männer-Tanga präsentiert, ist wirklich ganz ungeheuerlich. PREMUTOS ist wesentlich komödiantischer angelegt als sein Vorläufer, und der Humor ist gelegentlich so niveaulos, daß die Drehbuchautoren der FLOTTE TEENS-Filme sich auf der Stelle eine Kugel in den Kopf geschossen hätten. Das paßt aber zu dem dramatisch verklemmten Kleinbürgerhaushalt, den uns Ittenbach hier präsentiert. Auch Romantik hat ihren Platz, wenn auch nur in den Wunschfantasien des Pantoffelhelden Hugo, der mit einer Hübschen eine sexuelle Zusammenkunft der sehr kitschigen Art hat. (Hier fühlte ich mich etwas erinnert an meine Lieblingsszene aus THE BURNING MOON, nämlich die Liebescollage mit Keanu Reeves und dem Hund!) Da es sich hier nicht um Faßbinder handelt, sollte erwähnt werden, daß reichlich gesplattert wird, und da Ittenbach auf grundsympathische Weise wahnsinnig zu sein scheint, schenkt er uns in diesem nicht eben üppig budgetierten Werk diverse Mittelalterszenen, schottische Hochländer, Jesus´ Kreuzigung auf dem Kalvarienberg und den Kessel von Stalingrad! Wenn es im ganzen Bereich des Amateur-Splatter-Kinos einen Film gibt, der als Partyfilm ein Muß darstellt, dann ist das PREMUTOS! Was für eine Chuzpe... Ich bedauere es sehr, den Film niemals auf einem Festival gesehen zu haben, denn dort muß er gerockt haben wie zehn Zäpfchen. Das mindestens 15 Minuten andauernde Schlußgemetzel dürfte jeden Splatterfan begeistert haben, und die lustvolle Dekonstruktion des bayrischen Kleinbürgertums hat mich hingerissen. Vielleicht macht Ittenbach ja mal irgendwann eine Splatterversion von Faßbinders großem Film über bayrische Ödnis, KATZELMACHER. Den würde ich dann KOTZELMACHER nennen. Grandioses Partykino, wie es niemand anders hinbekommen hätte. Ich hatte einen Heidenspaß.