Der Student von Prag (1935) (TV)
Der Student Balduin ist nicht nur der beste Fechter in der Stadt, sondern auch der Apfel im Auge gleich zweier schöner Frauen: Die schlichte Lydia liebt ihn ebenso wie die gefeierte Opernsängerin Julia. Letztere hat schon ihren früheren Impresario Dr. Carpis in die Verzweiflung getrieben. Als jener auftaucht, macht er ihr grause Andeutungen. Balduin indes bietet er einen Tausch an: sein Spiegelbild gegen Glück und Geld in rauhen Mengen. Halb im Spaß geht Balduin darauf ein, merkt aber, daß der teuflische Doktor das meinte, was er sagte. Und sein Spiegelbild, die Kehrseite vom törichten Träumer, macht sich selbstständig, um Balduin in den Ruin zu treiben...
Die dritte Version dieser Geschichte war auch gleichzeitig die erste mit Ton. Während die ersten 20 Minuten aufgrund der Burschenschaftsgesänge und Operetteneinlagen schweren Seegang bescheren, entwickelt sich der Film zur schönsten Fassung des Stoffes. Auch das „Grauen" des degenerierten Balzverhaltens, das die jungen Männer zu Beginn an den Tag legen, erhält seinen Sinn durch die tragische Doppelgängergeschichte, die dem Film zugrundeliegt und den Protagonisten zugrunderichtet: Das tradierte Rollenverhalten will es so, daß die Männer um die Gunst der Frauen werben. Nicht an den Frauen selbst scheinen sie aber interessiert; vielmehr spiegeln sie sich durch die Augen der Frauen, eitle Gecken, die sie sind. Die Frauen ordnen sich diesem Unfug widerspruchslos unter und definieren sich über die Aufmerksamkeit, die ihnen von den feschen Mannsbildern entgegengebracht wird. Vermutlich ungewollt spiegelt der Film dabei das verheerende Frauenbild des deutschen UFA-Kinos der 30er und 40er Jahre, in dem es vor Heimchen am Herd nur so wimmelte. Gelegentlich gab es den Typen der entrückten Diva Leander'schen Zuschnitts, der eine geeignete Projektionsfläche für die Bewunderungs- und Wutfantasien der Männer darstellte – die Frau als erstrebenswertes, aber niemals ganz erreichbares Idealbild, das letztlich Frust und somit Aggression erzeugt. Die alte „Femme Fatale"-Geschichte, also. Selbstbestimmte Frauen waren in den Filmen dieser Zeit meistens dekadente Kommunisten- und/oder Judenschnepfen, die freie Liebe praktizierten, kurze Haare tragen durften und rauchten. „Böse" Frauen also. Interessant in dieser Hinsicht ist, daß die bildschöne Dorothea Wieck, die die Julia spielt, einige Jahre zuvor in dem wunderbaren MÄDCHEN IN UNIFORM zu sehen war, der während der Nazi-Zeit vermutlich nicht mehr denkbar gewesen wäre.
Was DER STUDENT VON PRAG neben dieser Geschlechterrolle rückwärts noch aufdeckt, ist der angesichts der Greuel der NS-Zeit gerne vergessene Umstand, daß die Deutschen immer große Romantiker waren. Balduin ist nicht nur ein strammes Mannsbild, das wenige Jahre darauf bestimmt zur Legion Condor gegangen wäre, sondern er ist auch ein Träumer, wie er im Märchenbuche steht. Es gehört zum Wesen der Romantik, daß man die Schattenseiten des Daseins, die Pickel des Geschicks, ignoriert. Wenn die Realität ihr garstig Haupt erhebt, verwandelt sich die Schwärmerei häufig in abgrundtiefe Verzweiflung und dröhnendes Selbstmitleid. Balduin treibt seine Spaltung fast in den Wahnsinn. Er wird zum Spielball des grimmigen Dr. Carpis, der in dieser Fassung des Stoffes aber ebenfalls ein Getriebener ist, ein verletzter Mann, war er doch einst selber der Diva verfallen.
Für den Regisseur sollte es der letzte Film seiner Karriere werden: Der Amerikaner Arthur Robison erlebte die Premiere nicht mehr mit. Die meisten seiner Arbeiten schuf er in Deutschland, darunter den geradezu avantgardistischen SCHATTEN, der zu den schönsten Stummfilmen gehört, die ich jemals gesehen habe. DER STUDENT VON PRAG ist visuell sehr eindrucksvoll gestaltet, arbeitet mit all den dekorativen Finessen, die man vom schauerromantischen Stummfilmkino gewöhnt war, kontrastiert lichte Operettenkulissen mit expressionistischer Alptraumdeko. Auch die Spiegel-Geschichte wird ausgesprochen elegant umgesetzt: So bekommt man von Balduins Spiegelbildlosigkeit zunächst kaum etwas mit, da sich jedesmal, wenn er an einem Spiegel vorübergeht, ein Vorhang o.ä. zwischen ihn und sein Spiegelbild schiebt. Die erste Manifestation des bösen Balduin erfolgt als Alptraum, doch der Alptraum wird bald zur Realität. Adolf Wohlbrück ist exzellent besetzt in der Hauptrolle und wesentlich effektiver als der feiste Wegener, der der vermutlich älteste Student Prags gewesen sein dürfte, wie auch Conrad Veidt in der zweiten Fassung, der zwar ein vorzüglicher Schauspieler war, aber zu sehr festgelegt auf exzentrische Rollen, um seine Verwandlung überraschend erscheinen zu lassen. Wohlbrück ist ein echter Strahlemann, der aber genug düstere Anteile und Zerbrechlichkeit mit sich führt, um den Gang in die Dunkelheit glaubhaft zu machen. Er ging bald darauf nach Großbritannien und Richtung Amerika, wo ihm eine hübsche Karriere vergönnt war.
Der Student Balduin ist nicht nur der beste Fechter in der Stadt, sondern auch der Apfel im Auge gleich zweier schöner Frauen: Die schlichte Lydia liebt ihn ebenso wie die gefeierte Opernsängerin Julia. Letztere hat schon ihren früheren Impresario Dr. Carpis in die Verzweiflung getrieben. Als jener auftaucht, macht er ihr grause Andeutungen. Balduin indes bietet er einen Tausch an: sein Spiegelbild gegen Glück und Geld in rauhen Mengen. Halb im Spaß geht Balduin darauf ein, merkt aber, daß der teuflische Doktor das meinte, was er sagte. Und sein Spiegelbild, die Kehrseite vom törichten Träumer, macht sich selbstständig, um Balduin in den Ruin zu treiben...
Die dritte Version dieser Geschichte war auch gleichzeitig die erste mit Ton. Während die ersten 20 Minuten aufgrund der Burschenschaftsgesänge und Operetteneinlagen schweren Seegang bescheren, entwickelt sich der Film zur schönsten Fassung des Stoffes. Auch das „Grauen" des degenerierten Balzverhaltens, das die jungen Männer zu Beginn an den Tag legen, erhält seinen Sinn durch die tragische Doppelgängergeschichte, die dem Film zugrundeliegt und den Protagonisten zugrunderichtet: Das tradierte Rollenverhalten will es so, daß die Männer um die Gunst der Frauen werben. Nicht an den Frauen selbst scheinen sie aber interessiert; vielmehr spiegeln sie sich durch die Augen der Frauen, eitle Gecken, die sie sind. Die Frauen ordnen sich diesem Unfug widerspruchslos unter und definieren sich über die Aufmerksamkeit, die ihnen von den feschen Mannsbildern entgegengebracht wird. Vermutlich ungewollt spiegelt der Film dabei das verheerende Frauenbild des deutschen UFA-Kinos der 30er und 40er Jahre, in dem es vor Heimchen am Herd nur so wimmelte. Gelegentlich gab es den Typen der entrückten Diva Leander'schen Zuschnitts, der eine geeignete Projektionsfläche für die Bewunderungs- und Wutfantasien der Männer darstellte – die Frau als erstrebenswertes, aber niemals ganz erreichbares Idealbild, das letztlich Frust und somit Aggression erzeugt. Die alte „Femme Fatale"-Geschichte, also. Selbstbestimmte Frauen waren in den Filmen dieser Zeit meistens dekadente Kommunisten- und/oder Judenschnepfen, die freie Liebe praktizierten, kurze Haare tragen durften und rauchten. „Böse" Frauen also. Interessant in dieser Hinsicht ist, daß die bildschöne Dorothea Wieck, die die Julia spielt, einige Jahre zuvor in dem wunderbaren MÄDCHEN IN UNIFORM zu sehen war, der während der Nazi-Zeit vermutlich nicht mehr denkbar gewesen wäre.
Was DER STUDENT VON PRAG neben dieser Geschlechterrolle rückwärts noch aufdeckt, ist der angesichts der Greuel der NS-Zeit gerne vergessene Umstand, daß die Deutschen immer große Romantiker waren. Balduin ist nicht nur ein strammes Mannsbild, das wenige Jahre darauf bestimmt zur Legion Condor gegangen wäre, sondern er ist auch ein Träumer, wie er im Märchenbuche steht. Es gehört zum Wesen der Romantik, daß man die Schattenseiten des Daseins, die Pickel des Geschicks, ignoriert. Wenn die Realität ihr garstig Haupt erhebt, verwandelt sich die Schwärmerei häufig in abgrundtiefe Verzweiflung und dröhnendes Selbstmitleid. Balduin treibt seine Spaltung fast in den Wahnsinn. Er wird zum Spielball des grimmigen Dr. Carpis, der in dieser Fassung des Stoffes aber ebenfalls ein Getriebener ist, ein verletzter Mann, war er doch einst selber der Diva verfallen.
Für den Regisseur sollte es der letzte Film seiner Karriere werden: Der Amerikaner Arthur Robison erlebte die Premiere nicht mehr mit. Die meisten seiner Arbeiten schuf er in Deutschland, darunter den geradezu avantgardistischen SCHATTEN, der zu den schönsten Stummfilmen gehört, die ich jemals gesehen habe. DER STUDENT VON PRAG ist visuell sehr eindrucksvoll gestaltet, arbeitet mit all den dekorativen Finessen, die man vom schauerromantischen Stummfilmkino gewöhnt war, kontrastiert lichte Operettenkulissen mit expressionistischer Alptraumdeko. Auch die Spiegel-Geschichte wird ausgesprochen elegant umgesetzt: So bekommt man von Balduins Spiegelbildlosigkeit zunächst kaum etwas mit, da sich jedesmal, wenn er an einem Spiegel vorübergeht, ein Vorhang o.ä. zwischen ihn und sein Spiegelbild schiebt. Die erste Manifestation des bösen Balduin erfolgt als Alptraum, doch der Alptraum wird bald zur Realität. Adolf Wohlbrück ist exzellent besetzt in der Hauptrolle und wesentlich effektiver als der feiste Wegener, der der vermutlich älteste Student Prags gewesen sein dürfte, wie auch Conrad Veidt in der zweiten Fassung, der zwar ein vorzüglicher Schauspieler war, aber zu sehr festgelegt auf exzentrische Rollen, um seine Verwandlung überraschend erscheinen zu lassen. Wohlbrück ist ein echter Strahlemann, der aber genug düstere Anteile und Zerbrechlichkeit mit sich führt, um den Gang in die Dunkelheit glaubhaft zu machen. Er ging bald darauf nach Großbritannien und Richtung Amerika, wo ihm eine hübsche Karriere vergönnt war.