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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch




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Wotans Wutbärte



Die Hermannschlacht (DVD)

Ein unerwarteter Partykracher! Die Römer sind in Germanien eingefallen und zwingen die Teutonen unter ihr Joch. Manch einer läuft über zum Feind. Nicht aber Armin bzw. Hermann, der die Greueltaten der Römer bezeugt und – allen Verrätern zum Trotz – die wilde Schar zum Sieg und sein Volk in die Freiheit führt.

Dieses völkische Hanswursttheater quillt über vor überchargierenden und grotesk geschminkten Flitzpiepen, die markige Sätze hervorstoßen, die den Feinden Germanien geben, was der Feinde Germaniens ist. Ich finde Fritz Langs DIE NIBELUNGEN ja lange nicht so gut, wie ihn Goebbels später gefunden hat, aber DIE HERMANNSCHLACHT (1924) ist in seiner himmelschreienden Einfalt einfach unwiderstehlich. Natürlich wanzte sich dieses Machwerk direkt an die Schmach des deutschen Volkes nach dem Ersten Weltkrieg an und läßt alle Nicht-Germanen als hochfahrende Invasoren erscheinen, die den Deutschen rätselhafterweise an die Wäsche wollen. Hermann, der Sohn des Cheruskerfürsten Segimer, befindet sich als Sklave in den Diensten der Usurpatoren. Sein Vater, ein alter Zausel mit lustiger Catweazle-Frisur, sitzt den ganzen Tag auf einem Stein und redet Tönjes. Gunthilde, ein ziemlicher Trumm von Frau, ist seine Gattin, sieht aus wie eine fleischerne Litfaßsäule und wird obenrum von einer Blondzopfperücke abgeschlossen. Hermanns Schönliebchen ist die mit eingepunzter Duldermiene versehene Tusnelda, und obwohl sie die Tochter eines feindlich gesonnenen Stammesfürsten ist, kriegt er am Schluß seine Tussi. Unfaßbar, daß dieser Film 1924 entstanden sein soll – er wirkt filmtechnisch so unbeholfen, als wäre er gleich nach der Hermannschlacht entstanden! Der Umstand, daß der Film fast vollständig an Originalschauplätzen gedreht wurde, gibt ihm etwas Badsegebergiges und läßt ihn wie die dilettantischen Theaterverfilmungen aus den Zehner oder den Nuller Jahren erscheinen. Subtilitäten gibt der Film keine Chance: Gleich zu Anfang wird ein aufsässiger Teutone aufs übelste gefoltert, indem man ihn mit einem Laubbusch verprügelt. Ein weiterer Zwischentitel klärt uns darüber auf, daß die Römer die den Göttern geweihte Natur mit Spott überziehen: Man sieht einige Soldaten, wie sie offensichtlich gerade einen Baum verarschen: „Hehe, Baum, du blöder, dicker Baum! Hehe!" Dann wird der Baum verhauen – schrecklich! Ans Herz geht die Todesszene von Hermanns Vater, der sein Ende herannahen fühlt und sich – nach alter Väter Art – von einem Felsen in die Tiefe stürzt, ein Wort der Freiheit auf den Lippen. Hermann sieht übrigens aus wie ein dicker Zirkusdirektor, verwandelte sich später in Stein und steht jetzt irgendwo bei Minden in der Gegend herum.

Wäre der Film ein Porno, so würde der Hauptdarsteller eine Stunde lang mit seiner Erektion kämpfen. Das Drehbuch besteht zur Gänze aus Tableaus, in denen zottelige Männer heroisch posieren und Sachen äußern wie „Aus allen Gauen laufen wehrhafte Männer!" oder „Germanien verlangt nach einem Führer!" Die Musikuntermalung ist nicht immer geschmackvoll und verwendet auch bekannte Standards wie den Begräbnismarsch von Chopin oder „So ein Tag, so wunderschön wie heute". Etwas verwirrend wird die Einbeziehung des Titelthemas von „Der rosarote Panther", aber auch „O Tannenbaum" hätte hier durchaus seinen Platz gehabt.

Das Werk wurde übrigens nicht in der Röhmpunsch-Reihe des Labels „Dolchstoß-DVD" herausgebracht, sondern vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (!), dem mein ewiger Dank gebührt für die Zugänglichmachung dieses Schmierentheaters. Damit wir uns recht verstehen: Wäre der Film besser gemacht, wäre er ziemlich übel. In der vorliegenden Form aber eignet er sich für Punker-Parties ebenso wie für Cineastenkränzlein mit Hang zum Morbiden.




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