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Untergetaucht im Spinnwebwald


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Berlinale Tagebuch #5 - final


Hier der letzte Eintrag meines Berlinale-Tagebuchs bei NEGATIV.

Für die Klick-Faulen hier das Ranking (ohne Text) aller meiner gesehenen Filme:

1. Ice Poi­son / Bing Du (Midi Z, 2014)
2. Boy­hood (Richard Lin­klater, 2013)
3. The Lit­tle House (Yoji Ya­mada, 2014)
4. L’enlève­ment de Michel Houelle­becq (Guil­laume Nicloux, 2014)
5. In­ferno (Yael Bar­tana, 2013) [short]
6. The Mid­night After (Fruit Chan, 2014)
7. That Demon Within (Dante Lam, 2014)
8. Blind Mas­sage (Lou Ye, 2014)
9. Killa / The Fort (Avinash Arun, 2014)
10. Le beau Dan­ger (René Frölke, 2014)

11. Shadow Days (Zhao Day­ong, 2014)
12. Hitono No­zomino Yoroko­biyo (Masakazu Sugita, 2013)
13. Xi You / Jour­ney to the West (Tsai Ming-liang, 2013)
14. Black Coal, Thin Ice (Diao Yinan, 2014)
15. Prab­hat Pheri (Jes­sica Sadana & Samarth Dixit, 2014)
16. The Grand Bu­dapest Hotel (Wes An­der­son, 2014)
17. Forma (Ayumi Sakamoto, 2013)
18. Sep­atu Baru – Shorts Gen­er­a­tion III (di­verse, 2014)
19. La­jwanti (Push­pen­dra Singh, 2014)
20. Cathe­drals of Cul­ture (Di­verse, 2014)

21. Ieji / Home­land (Nao Kub­ota, 2014)
22. No Man’s Land (Ning Hao, 2013)
23. ärtico / Arc­tic (Gabri Velázquez, 2014)
24. Praia do Fu­turo (Karim Ain­ouz, 2013)
25. Every­thing That Rises Must Con­verge (Omer Fast, 2014)
26. The Rice Bomber (Cho Li, 2014)
27. To Sin­ga­pore, with Love (Tan Pin Pin, 2013)
28. Test (Chris Mason John­son, 2013)
29. Zwis­chen Wel­ten (Feo Al­adag, 2014)
30. Huba / Par­a­site (Wil­helm & Anka Sas­nal, 2014)

außer Konkur­renz:

Cross­roads / Ju­jiro (Teinosuke Kin­u­gasa, 1928)
That Night’s Wife (Ya­su­jiro Ozu, 1930)

Berlinale 2014 Ranking Stummfilm Japan



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Magical History Tour: Kismet (Gyan Mukherjee, Indien 1943)


Ashok Kumar spielt den fröhlichen Taschendieb Shekhar, dem nichts so schnell den Tag verhageln kann. Er verliebt sich in die gehbehinderte Sängerin Rani (Mumtaz Shanti), die aber in Geldnöten steckt. Um die Knete für ihre Operation zusammenzubekommen, will er den Safe eines Gutsbesitzers ausrauben - was natürlich schief geht. Da gibt es dann eine schöne Verfolgungsjagd über Dächer und schräge Architekturen hinweg. Zufällig landet er dann wieder bei Rani am Krankenbett, die nicht wußte, wer ihr die Operation bezahlt hatte. Am Ende löst sich freilich alles zum Guten auf, einige unerwartete Kapriolen werden geschlagen.

Ein schöner Film, man kann es nicht anders sagen. Tolle Kamera, schöne Menschen, superbe Songs. Ashok Kumar avanciert zum ersten richtigen Bollywood-Star und Kismet wird der erfolgreichste Hindi-Film bis ihn 1949 Raj Kapoors BARSAAT ablösen wird. Gewisse nationalistische Tendenzen kann man auch ausmachen, etwa in einem der Songs, wenn das schöne Hindustan besungen wird, das sich nicht vor den Deutschen und den Engländern verbeugen soll. Die britischen Zensoren haben das wohl nicht gehört, dann gab's im Nachhinein Kasalla. Top!



Falls Interesse besteht: hier gibt es jetzt eine längere Besprechung des Filmes von mir.

Hindi Indien Schwangerschaft Zensur Bombay Talkies




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Berlinale Tagebuch #1


Wer mir durch die Berlinale folgen will, der kann das **hier machen**, für negativ kritzle ich ein paar Gedanken hin.

Berlinale Kino total Hilfe Sag mal gibts hier w-lan?


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Magical History Tour: I Married a Witch (René Clair, 1942)


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Wunderbare Komödie voller Witz und Esprit um einen jungen Herrn kurz vor der Hochzeit, der sich wider Willen in einer wunderschöne und freilich recht dreiste und vorlaute Hexe verliebt. Denn, wie wir wissen aus dem Vorspann - man heiratet immer den/die Falsche(n)! Vielleicht ist ja die Hexe die richtige? Kann nur so sein, bei dem Drachen, den Fredric March da heiraten will. Übrigens der Fredric March, über den die Mädels in Yasujiro Shimazus Our Neighor, Miss Yae ins Schwärmen geraten. Sehr sehr schöner Film (alle beide).

Magical History Tour Komödie Melodrama


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Magical History Tour: Love on the Dole (John Baxter, GB 1941)


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Manchester Anfang der 30er Jahre: In dem Arbeiterklassenvorort Hanky Park, einem Slum der Stahlindustrie, schlägt sich die Familie Hardcastle mehr schlecht als recht durch. Es ist die Zeit der Great Depression, die Löhne sind extrem schlecht, alle sind von der Arbeitslosigkeit in ihrer Existenz bedroht. Die Tochter Sally schließlich bricht mit einem radikalen Schritt aus dem Teufelskreis aus, nachdem ihr Geliebter, der Anführer einer Arbeiterbewegung, bei einem Streik schwer verletzt wurde und schließlich verstirbt. Allerdings setzt sie damit den Ruf der Familie aufs Spiel.

Der Film ist mit groben Pinselstrichen gezeichnet: Arbeiterklassendrama, frühes Kitchen-Sink, soziales Engagement, Liebesmelodram, Dialekt der einfachen Leute. Roman- und Theateradaption. Hier geht es um Politik und nicht um feinfühlige Kunst, gleichwohl hat der Film einiges an Reizen zu bieten. Die tolle Deborah Kerr als bodenständiges Mädel mit frecher Gosche, die zerlumpten Gossenjungs und dreckstarrenden Kumpel, die keifenden Weiber und klatschenden Hausfrauen, die sich zu einer Séance zusammenfinden. Humor also hat der Film auch, keinweswegs ist das trockene Agitation. Im Kopf zurück aber bleibt sicherlich das eindrückliche Bild der rauchenden Schornsteine über der dreckstarrenden Stadt.

Magical History Tour Deborah Kerr Kitchen Sink Drama Arbeiterbewegung Manchester


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Magical History Tour: Kôchiyama Sôshun / Priest of Darkness (Sadao Yamanaka, Japan 1936)


Der zweite von nur drei erhaltenen Filmen Sadao Yamanakas ist eine manchmal rührende, aber nie rührselige Fürsorgegeschichte einer älteren Schwester gegenüber dem jüngeren Bruder: dieser ist ein Taugenichts, stiehlt einem Samurai einen wertvollen Dolch und brennt dann auch noch mit einer Kurtisane durch. Da die Flucht aber letztlich unmöglich scheint, begehen sie einen klassischen double suicide aus Liebe, wobei der Unglücksrabe aber überlebt. Bald sind alle hinter ihm her, vor allem aber der Gangsterboss, dem er das Mädchen weggenommen hat. Die Schwester, gespielt von Setsuko Hara in einer frühen Rolle, opfert sich daraufhin für ihn und verkauft sich selbst um dessen Schuldenstand auszugleichen. Dies wollen wieder zwei befreundete Ehrenmänner verhindern, die so in die mittlerweile lebensgefährliche Angelegenheit hineingezogen werden.

Der Film ist relativ unübersichtlich, da eine ganze Reihe Personen mitspielen, die alle nicht gerade unwichtig sind. Das liegt vor allem an den beiden Hauptplots, aus denen der Film besteht, sowie aus seinen vielen Nebenerzählsträngen. Yamanaka gelingt es, die Hektik des Armen- wie Vergnügungsviertels darzustellen, und sich gleichzeitig den Figuren zu nähern. Diese sind keine grob gezeichneten Schablonen, sondern Charaktere mit Herz und Individualität. So ist es kein Wunder, dass der Film gelegentlich wie ein shomingeki im Gewand des Historienfilms auftritt, wobei auch der Regiestil mitunter an den Yasujiro Ozu erinnert. Am Ende gibt es dann als Sahnehäubchen einen furiosen Schwertkampf in den engen Abwasserkanälen und Passagen des Armenviertels. Yamanaka hat leider nur um die zwanzig Filme gedreht (in sieben Jahren (!)), bevor er im Krieg an Auszehrung gestorben ist. Ein junger tragischer Tod mit gerade Mal 28 Jahren. Sehr schade, dass die anderen Filme wohl in Kriegszeiten verloren gegangen sind.

Period Piece Setsuko Hara Kabuki Samurai Ehre Harakiri Shogun Waffe ninjo giri japan


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Magical History Tour: New Woman / Xin Nuxing (Cai Chusheng, China 1935)


In den 1920er Jahren lebt die junge Lehrerin und ambitionierte Schriftstellerin Wei Ming (Ruan Lingyu) in Shanghai, wo sie erste literarische Erfolge feiert - freilich ohne etwas dabei zu verdienen. Das Manuskript ihres ersten Romans versucht sie über ihren Bekannten, Lektor Yu Haichou (Zheng Junli), bei dessen renommierten Verlag unterzubringen - was erst gelingt, als der lüsterne Verleger ein Photo von ihr zu sehen bekommt. Wer so appetitlich aussieht, kann gut vermarktet werden! denkt er sich, und das Buch geht in Druck. Zwischenzeitlich allerdings wird ihr an der Schule gekündigt, sodaß sie auf den Erfolg des Buches hoffen muss - und unglücklicherweise ist auch nicht mehr ihre Schwester dazu in der Lage, nach ihrem vaterlosen Kind zu sehen, für das diese, auf dem Land wohnend, gesorgt hatte. Die beiden reisen nach Shanghai an, und plötzlich erkrankt auch noch die Tochter. Das Geld reicht hinten und vorne nicht mehr, und Wei Ming muß sowohl den Avancen lüsterner alterer Herren widerstehen, die sie zur Prostitution drängen wollen, wie auch für ihre Familie sorgen, denn die Schulden türmen sich in kürzester Zeit.

NEW WOMAN ist ein chinesisches Stummfilmdrama, das glücklicherweise in voller Länge erhalten ist. In den 80ern ist eine zurückhaltende musikalische Untermalung erstellt worden, später wurden kurioserweise noch die Zwischentitel mit Sprechern vertont. Diese hört man aber ausschließlich während der Titeleinblendungen, nicht während der gezeigten Dialoge. Auch auf der Effektspur wurde nachgeholfen, und einfache Geräusche wie Händeklatschen, das Gestampfe von Stiefeln, oder die Geräusche eines herannahenden Zuges wurden eingefügt. Das Bild ist teilweise sehr zerrüttet, stellenweise aber noch hervorragend erhalten. NEW WOMAN ist inhaltlich ohne Zweifel ein modernes Drama, das auch heute noch aktuell ist. Beginnend beim "Mädchenwunder", das Ende der 90er den deutschsprachigen Buchmarkt umkrempelte, über das Karrierebewußtsein der alleinstehenden Frau, der eine Heirat nicht in den Sinn kommt, oder generelle emanzipatorische Impulse, die bei der Männerwelt auf Unverständnis stoßen. Die Anhäufung der Schicksalsschläge mag etwa zuviel anmuten, gleichwohl bleibt dies im Filmverlauf stets glaubhaft, wenn niemand ihr unter die Arme greifen will - weil sie entweder zu stolz ist, darum zu bitten, oder man sie daran erinnert, dass in den schönen Künsten eben mit schnödem Geld nicht gerechnet werden darf - Idealismus sei gefragt. Vorbild für die Figur der Wei Ming war die Künstlerin Ai Xia, die sich mit Barbituraten das Leben genommen hatte. Nachdem der Film in der konservativen Kritik heftig unter Beschuß geriet, die Produktionsgesellschaft Lianhua zu Kürzungen genötigt und zu einer öffentlichen Entschuldigung gedrängt wurde, war auch der Druck auf Ruan Lingyu riesengroß geworden. Kurze Zeit später nahm sie sich tragischerweise, wie die Heldin des Films, mit Schlaftabletten das Leben.

Magical History Tour China Stummfilm Emanzipation Selbstmord