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Magical History Tour: Kiss Me Deadly / Rattennest (Robert Aldrich, 1955)
von Bastro ·
27 Juli 2014
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Mike Hammer, Privatdetektiv, versucht nach einem Anschlag auf sein Leben das Mysterium um Christina zu lösen, eine junge Frau, die ihm - aus dem Irrenhaus flüchted - nachts vor den Wagen gerannt war. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf ein Rattennest an Gangstern, die es ebenfalls auf Christinas Vermächtnis abgesehen haben. Und keiner weiß so richtig, was das überhaupt ist. Aber eines ist klar: es ist ist ungemein wertvoll.
Mickey Spillane, von dem die Story stammt, ist einer jener berühmten amerikanischen Pulp Crime - Writer ab Ende der 40er, die ihre Hard Boiled-Helden als Sympathiefiguren dem Untergang weihen. Mike Hammer ist ein Raubein, das zuschlägt, schreit, Leute fertig macht, säuft, herumhurt und im Zweifel auch Gegner erschießt. Kein Wunder hasst ihn der Polizeikommandant. Die Pulp Novels gingen in die Geschichte ein für ihren sensationalistischen Inhalt, für die sexuelle Explizitheit und ihre extreme Gewalt. Ein Autor wie James Ellroy steht ganz klar in dieser Nachfolge. Die Titel der Mike Hammer-Serie haben denn auch sprechende Titel: I, THE JURY, MY GUN IS QUICK, THE BIG KILL, oder eben: KISS ME DEADLY.
Während die drei vorherigen Mike Hammer-Verfilmungen ziemlich gerdeaus waren, kann man dies beim besten Willen von KISS ME DEADLY nicht behaupten. Der Plot mäandert - manchmal geradezu verwirrend - durch den Film, Anschlüsse können verpasst, Handlungsfolgen übersehen werden. Ereignisse, die übrigens sich gut zusammenfügen, bei mehrfacher Sichtung (dies meine dritte). Die durchaus zähe Ermittlungsphase wird dabei immer wieder von Actionhandlung unterbrochen, die dann gegen Ende zunimmt, wenn sich die Auflösung langsam zuspitzt. Dennoch ist KISS ME DEADLY meines Erachtens kein einfacher Film "für zwischendurch".
Neben der komplexen Handlung gibt es aber vor allem die tolle Kamerführung von Ernest Laszlo zu bewundern, die an den Film Noir erinnert. KISS ME DEADLY ist schwarzweiß, spielt häufig nachts, in seedy Bars, mit Jazzmusik und whiskygeschwängerter Atmosphäre. Die Barmänner fragen in diesen Filmen nie nach den Sorgen der Gäste. Da wird einfach die Flasche abgestellt. Wer sich in Robert Aldrichs Werk und Biographie besser auskennt als ich, wird vermutlich auch die Frage beantworten können, warum er nach seinen beiden erfolgreichen Technicolor-Filmen (APACHE und VERA CRUZ) nun ausgerechnet so einen Low Budget-Film gedreht hat. On Location, übrigens. Das sieht man ihm an, und macht auch ein Stück weit seinen Charme aus. Seine Stylishness und seine immer wieder auftauchenden literarischen Verweise, gepaart mit der Genre-Gangstergeschichte, müssen auch die Elemente gewesen sein, die die europäische Nouvelle Vague an Aldrich interessiert haben muss. Es ist ein Film, von dem viele Verzweigungen abgehen, und der wohl bis heute wirkt... vermutlich bis hin zu Quentin Tarantino.
Genrefilm Gangster Film Noir Hard Boiled Pulp
Mickey Spillane, von dem die Story stammt, ist einer jener berühmten amerikanischen Pulp Crime - Writer ab Ende der 40er, die ihre Hard Boiled-Helden als Sympathiefiguren dem Untergang weihen. Mike Hammer ist ein Raubein, das zuschlägt, schreit, Leute fertig macht, säuft, herumhurt und im Zweifel auch Gegner erschießt. Kein Wunder hasst ihn der Polizeikommandant. Die Pulp Novels gingen in die Geschichte ein für ihren sensationalistischen Inhalt, für die sexuelle Explizitheit und ihre extreme Gewalt. Ein Autor wie James Ellroy steht ganz klar in dieser Nachfolge. Die Titel der Mike Hammer-Serie haben denn auch sprechende Titel: I, THE JURY, MY GUN IS QUICK, THE BIG KILL, oder eben: KISS ME DEADLY.
Während die drei vorherigen Mike Hammer-Verfilmungen ziemlich gerdeaus waren, kann man dies beim besten Willen von KISS ME DEADLY nicht behaupten. Der Plot mäandert - manchmal geradezu verwirrend - durch den Film, Anschlüsse können verpasst, Handlungsfolgen übersehen werden. Ereignisse, die übrigens sich gut zusammenfügen, bei mehrfacher Sichtung (dies meine dritte). Die durchaus zähe Ermittlungsphase wird dabei immer wieder von Actionhandlung unterbrochen, die dann gegen Ende zunimmt, wenn sich die Auflösung langsam zuspitzt. Dennoch ist KISS ME DEADLY meines Erachtens kein einfacher Film "für zwischendurch".
Neben der komplexen Handlung gibt es aber vor allem die tolle Kamerführung von Ernest Laszlo zu bewundern, die an den Film Noir erinnert. KISS ME DEADLY ist schwarzweiß, spielt häufig nachts, in seedy Bars, mit Jazzmusik und whiskygeschwängerter Atmosphäre. Die Barmänner fragen in diesen Filmen nie nach den Sorgen der Gäste. Da wird einfach die Flasche abgestellt. Wer sich in Robert Aldrichs Werk und Biographie besser auskennt als ich, wird vermutlich auch die Frage beantworten können, warum er nach seinen beiden erfolgreichen Technicolor-Filmen (APACHE und VERA CRUZ) nun ausgerechnet so einen Low Budget-Film gedreht hat. On Location, übrigens. Das sieht man ihm an, und macht auch ein Stück weit seinen Charme aus. Seine Stylishness und seine immer wieder auftauchenden literarischen Verweise, gepaart mit der Genre-Gangstergeschichte, müssen auch die Elemente gewesen sein, die die europäische Nouvelle Vague an Aldrich interessiert haben muss. Es ist ein Film, von dem viele Verzweigungen abgehen, und der wohl bis heute wirkt... vermutlich bis hin zu Quentin Tarantino.
Genrefilm Gangster Film Noir Hard Boiled Pulp
Die hat Aldrich in jedem Fall, weil er das System für sich zu nutzen wusste, wie kaum ein zweiter. Weiterhin gehört er zu den wichtigen Beteiligten der "angry men", die in den 1950ern aufkamen. Dazu gehören Regisseure wie Don Siegel, Sam Fuller, Phil Karlsson, Sam Peckinpah, John Sturges und eben Aldrich. Aldrich war von Anfang an ein Feind des Hollywood-Systems und wollte - anders als Ur-Meister wie Walsh, Ford, Vidor, King oder Hawks - nicht nach seinen Regeln spielen und diese unterwandern, sondern sie zerstören.
RATTENNEST war der erste Film, bei dem Aldrich die völlige Exekutive hatte und das bedeutete, die WIRKLICH völlige Exekutive. In einer Form, wie es damals absolut ungewöhnlich war. Deswegen hat er sich ja an die Verfilmung der Spillane-Geschichten gehalten. Sie waren der letzte Dreck und er nahm, nach eigener Aussage, den Titel und warf den Inhalt weg. Alles, was Mike Hammer verkörperte und was Spillane an seiner Figur völlig Ernst meinte - den Machismo, den Chauvinismus, die stumpfe Brutalität, die ekelerregende Coolness - führt Aldrich in die Demontage. Der film noir, der vorgab einen Anti-Helden zu schaffen und tatsächlich nur ein anderes Hollywood-Heldenbild durch die Hintertür etablierte widerte Aldrich derart an, dass er in Mike Hammer den Inbegriff der Zuspitzung einer Widerwärtigkeit sah, die er in seinem Film aufs Perfideste auseinandernahm. Formal demontiert Aldrich nicht nur die Figur, sondern das ganze Genre und sogar seinen eigenen Film.
Am Ende, als die symbolische Weltvernichtung in Gang gesetzt wird, waren auch Fassungen im Umlauf, welche nach der Zerstörung des Hauses endeten. Andere zeigten noch, wie Mike Hammer, der ins Wasser lief, zum Haus guckt und dann ist der Film zu Ende. Auf die Frage, welches das korrekte Ende sei, meinte Aldrich natürlich das Ende, wo Mike Hammer noch mal hinguckt. "Der Idiot sollte sehen, was er angerichtet hat". Aldrichs Aussage, dass männliches Durchblicker- und Alleswissertum, wie es der film noir zeigte, nur Untergang und Zerstörung bringt. Ein Archetyp Hollywoods, der sich in vermeintlich neuem Gewand gibt, als abgeklärter Säufer und damit Heldenstrukturen widerspricht, aber doch genauso wie immer angeblich alles kann. Selbst wenn er's nicht kann. Dieses Bild entlarvt Aldrich als genauso scheiße wie die vorherigen Hollywood-Bilder. Deshalb wäre Tarantino ein gefundenes Fressen für ihn gewesen. Tarantino zelebriert nämlich auf genau die gleiche hinterfotzige Art neue Heldenbilder der Coolness, die so verlogen sind, wie die, die Aldrich in RATTENNEST gnadenlos auseinandernimmt.