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Untergetaucht im Spinnwebwald





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Mr. Scorsese, wieso haben Sie das gemacht?



Shutter Island (Martin Scorsese, USA 2010)

Es hätte alles so schön werden können: denn die ersten 1,5 Stunden des Films sind großartig. Prächtige, simulierte Bilder, ein fantastischer, verstörender Score und ein ausgezeichneter DiCaprio. Sogar die Handlung ist erträglich. Doch dann kommen sie wieder: die psychologisch-pathologischen Fallen, die Pointen und Plottwist. Und am Ende ist dieser nüchterne, nie zur Empathie einladende, aus diesem kunstvollen Unterhaltungsfilm, doch wieder nur ein mäßig unterhaltendes Produkt aus dem Setzkasten geworden. Denn als alles aufgeklärt und erklärt ist, das Entgrenzte der Rationalität unterworfen wird und seine Verortung in der Kleinfamilie findet, da wird der Film zäh, überlang und langweilig. Was eben noch Stille war ist nun Ödnis, was eben Hitchcock-Hommage war ist nun nerviges Holzhammerzitat, das Kontemplative im Schnitt ist plötzlich schnöde Screentime für die Megastars. Das hätte ein richtig guter Film werden können - warum haben sie das nur so gemacht, Herr Scorsese?




Ist da wirklich Herr Scorsese oder doch Herr Lehane schuld? Sprich, wie sieht das in der literarischen Vorlage aus? Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber das Buch liegt schon bereit... Ich bin gespannt, wie die Antwort auf diese Frage lautet.
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Über Literaturverfilmungen ist ja schon viel geschrieben und nachgedacht worden. Zum konkreten Fall: Ich kenne die Romane Lehanes nicht (nur den ebenfalls verfilmten MYSTIC RIVER) - und bin persönlich der Meinung, dass, ganz egal wie die Vorlage genau aussieht, Scorsese für seinen Film selbst verantwortlich ist. Lehane hat meines Wissens nicht am Drehbuch mitgewirkt.
Meine Kritik richtet sich ja auch nur gegen den Film; jetzt, wo du den Krimi-Background hervorhebst, muss ich aber sagen, dass das gut zu meiner Seherfahrung passt: der Film endet wie ein Roman, bei dem alles aufgeklärt werden muss. Da hätte sich der Film ja jede Freiheit nehmen können, um sein Niveau zu halten.
Ich möchte Dir den Lesegenuß nicht vermiesen - Literatur ist ja sowieso eine ganz andere Erfahrung - aber SHUTTER ISLAND bin ich nach einmaliger Sichtung bereits überdrüssig.
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Wie die Romanvorlage aussieht, ist für mich irrelevant. Kleines Drehbuch-1x1: Es gibt nichts Schlimmeres als wenn Figuren sich in langen Dialogszenen gegenseitig die filmische Handlung erklären müssen (und somit dem Zuschauer). :bart:
Genau das aber geschieht ihm letzten Drittel von "Shutter Island" ausgiebig. Währenddessen geht die zuvor aufgebaute psychotisch-mysteriöse Atmosphäre immer mehr denn Bach runter. Ergo: Scheiße.

P.S.: Aber die ersten Zweidrittel des Films sind natürlich recht grandios wie Bastro ja auch schon ausgeführt hat.
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Ja, da gehen die Meinungen wohl wirklich auseinander.
Ich bin - gerade wenn der Regiseur explizit auf die Romanvorlage hinweist - immer geneigt Parallelen und Abweichungen zu suchen. Klar gibt es immer Differenzen zwischen Roman und Drehbuch, aber die Grobrichtung stimmt überein. Sonst hätte Scorsese ja irgendeine ganz andere Story verfilmen können... :P
"die psychologisch-pathologischen Fallen, die Pointen und Plottwist" - da stellt sich mir dann halt die Frage. Ist das solch eine Abweichung, oder gibt es die im Roman auch?
Ich kann das nicht beantworten. Ist auch mühselig, denn ich habe weder den Film gesehen, noch das Buch gelesen. ;)
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Mir hat SHUTTER ISLAND trotz einiger Unzulänglichkeiten doch sehr viel Spaß bereitet. Auf jeden Fall hat mir Scorseses Ausflug ins Genrekino sehr viel besser gefallen, als hmmm, sagen wir mal, Tarantinos INGLORIOUS BASTERDS. Vielleicht auch deshalb, weil Scorsese sich mit SHOCK CORRIDOR und THE NINTH CONFIGURATION einfach die viel interessanteren Film ausgesucht hat, aus denen man nach Herzenslust klauen kann.
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