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Untergetaucht im Spinnwebwald





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Stummfilmfestival Pt. 1



Der Geisterzug (Géza von Bolváry, Deutschland/Großbritannien 1927)*

[35mm, s/w, 1675 Meter, 67 min (22 fps), mit deutschen Zwischentiteln, Musik: Joachim Bärenz (piano)]

Durch ein unglückliches Mißgeschick muß eine zusammengewürfelte Gesellschaft eine Nacht in einem kalten und unheimlichen Bahnhof auf dem Lande verbringen. Dort erzählt man sich die Schauergeschichte des Geisterzugs, was natürlich nichts für die empfindsameren Seelen ist...

Dieser äußerst unterhaltsame Film speist sich aus der Kriminalkomödie und der Spukgeschichte. Denn weit aufgerissens Augen sind hier öfter zu bestaunen: entweder die der Furcht, oder die der stummfilmtypischen, (über-)deutlichen Mimik. Das Besondere des Films liegt aber im Formalen, denn mir ist kein Stummfilm bekannt, der so expressiv mit seinen Zwischentiteln arbeiten würde, wie dieser. Diese sind in besonders kreativer Weise quer, schräg, hoch, gebrochen angeordnet wie in einem postmodernen Gedicht; von verschiedener Schrifttype und sogar losgelöst aus der Einsamkeit der Zwischentafel. Einmal fliegen die Worte als Verbildlichung der Assoziationen einer Figur durch das Filmbild auf den Schauspieler zu, wie in einem Sog oder Strudel in seinen Kopf hinein. Ganz phantastisch.
Am Ende wird natürlich alles Übernatürliche getilgt durch den Kriminalplot, was zu erwarten war. Joachim Bärenz hat mit seiner Interpretation einen Glanzpunkt der Vertonung gesetzt, welche mich zwischendurch völlig in ihren Bann gezogen hatte. Einfühlsam interpretierend und dennoch abstrakt war das mit das Beste, was ich bisher gehört habe. Es wäre zu wünschen, wenn die bei der edition filmmuseum erscheinende DVD mit dieser Musik bespielt werden würde.

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*A Tramp gewidmet.

Stummfilm Geisterzug



Hört sich sehr interessant an! Bist du eigentlich gerade auf einem solchen Festival oder hast du deinem künftigen Programm einen Namen gegeben?
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Es ist ein Festival. Und vermutlich wegen Subventionskürzung das letzte Mal. <_<
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Danke! ... Open-Air-Kino :love: wahrscheinlich noch Live-Musik :love:

NEID! Aber viel Spaß wünsche ich weiterhin.
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Das findet hier jedes Jahr im Arkadeninnenhof der Bonner Uni statt, veranstaltet von der Brotfabrik und dem filmmuseum münchen. Es ist übrigens keine auf null-Kürzung, sondern eine Budgetkürzung auf 30.000€ für die nachsten 3 Jahre insgesamt; was soviel wie das Aus bedeutet, da etwa ein Förderbudget von 40.000€ pro Jahr benötigt wird. Es gibt aber Hoffnung: einerseits gibt es wohl massive Unterstützung durch freiwillige Spenden, andererseits die Möglichkeit, das Festival komplett nach München zu verlegen (wo sowieso eine kleine Auswahl der Filme als Nachschau präsentiert wird).
Und ja, die Musik wird live eingespielt. Ich werde wohl auch noch paar Photos posten, die ein Freund geschossen hat. Dummerweise bin ich zu METROPOLIS am Eröffnungsabend nicht mehr reingekommen, obwohl ich 1 Stunde vor Beginn anwesend war. Das schlechte Wetter und ein Programm, das mich dieses Jahr nicht so richtig anmacht, hat mich davon abgehalten, viel mitzunehmen.
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Ja, scheiße. Finanzierung arbeitet wohl per se gegen kulturelle Absichten.
In jungen Jahren war ich immer sehr gerne auf dem Wiesbadener Open-Air in den Reisinger-Anlagen (direkt gegenüber vom Bahnhof). Damit verbinde ich ein paar meiner schönsten Kino-Erlebnisse. Zum Beispiel mein erster Film in Originalsprache mit Untertiteln, Pulp Fiction, und damals hätte ich den FSK wegen gar nicht gucken dürfen. Dann immer noch ein geiler Vorfilm, wie sich das gehört. Dick & Doof und so. Die Atmosphäre war einmalig, kein Eintritt etc., einfach Leute, die sich da hin hocken und ihren mitgebrachten Wein trinken. Wurde dann mangels Finanzierung kommerzialisiert, mit Eintritt und Zäunen und so ungemütlichem Kram. Wurde dann von den Fans boykottiert, mehr noch, die haben sich organisiert und mit Trillerpfeifen und Gesang die Veranstaltung sabotiert. Nächstes Jahr war es dann wieder umsonst (meiner Erinnerung nach, will nicht lügen). Wie es heute aussieht, kein Plan, weiß aber, dass das Event noch stattfindet.

Deshalb auch der Neid. Gibt meiner Ansicht nichts besseres, als Open-Air-Kino. Dann auch noch Stummfilme mit Live-Musik, arschgeil. Sowas ist schützenswert. Bei Unterschriftensammlung oder so, poste das hier im Forum. Wäre ich nur allzu gerne bereit und würde auch andersweitig (sprich im Bekanntenkreis etc.) darauf aufmerksam machen.
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Schöne Erinnerungen! Und du hat recht, die Atmosphäre ist ein wichtiger Bestandteil eines Festivals. Dem FFF im Multiplex geht dahingehend was ab.

Hier gibt es nochmal eine Übersicht über alle Daten und Fakten: click.
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