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Ich will doch nur dass ihr mich liebt



„Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ - bereits der Titel von Rainer Werner Fassbinders Fernsehfilm aus dem Jahre 1976 gibt die Intention und den Hintergrund vor: Der 24-jährige Peter bekommt von seinen Eltern die wichtigen Werte im Leben vermittelt - und die beschränken sich bei ihnen auf die simple Formel „haste was, dann biste was“. Survival of the fittest – Zuneigung und Wärme haben hier keinen Platz. In seiner Freizeit – nach der Arbeit und an Wochenenden - baut der gelernte Maurer eigenhändig ein Haus für seine Eltern. Er will sich sprichwörtlich Ihre Liebe erarbeiten. Als er von dieser Arbeit eines Abends abgeschafft in die väterliche Wirtschaft kommt, sind die einzigen kalten Worte der Mutter jedoch: „Wieso hast du dir nicht die Fingernägel gesäubert?“ Auch als Peter – getrieben davon die hochgesteckten Erwartungen der Eltern zu erfüllen – überstürzt heiratet und verkündet nach München zu ziehen, reagieren die Eltern nicht nur primäre, sondern einzig mit Erleichterung. Erleichterung ob der finanziellen Bürde, die von ihnen genommen ist. In München angekommen findet Peter schnell einen Job und eine Wohnung – und scheint sich nicht bewusst, dass auch das Leben hier kein leichtes sein wird. Trotz der finanziell angespannten Situation will er das Leben führen, das ihm die Gesellschaft vorlebt: Schmuck für die Frau, Sekt statt Selters und kostspielige Geburtstagsgeschenke, die er sich eigentlich nicht leisten kann. Die hilflosen Anstrengungen, sich die Liebe seiner Umwelt zu erkaufen führen schnell in einen tödlichen Abwärtsstrudel aus erdrückenden Schulden, falschen Hoffnungen und Zwängen...

Rainer Werner Fassbinder hat einmal gesagt, dass im Film fürs Fernsehen einfacher erzählt werden muss als im Kino. In „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ hat er das nicht wirklich befolgt. Sowohl in der durch Rückblenden durchbrochenen Struktur, als auch in der Grundthematik des Films. Harter Tobak ist das und – auch über 35 Jahre später – noch immer top-aktuell. Vielleicht sogar aktueller denn je, in einer Leistungsgesellschaft, in der Burn-out zur Standard-Krankheit gehört und schon Schulkinder mit Medikamenten fit gemacht werden, um im Konkurrenzkampf zu bestehen.
Die Geschichte selbst basiert auf Tonbandaufnahmen „Lebenslänglich – Protokolle aus der Haft“ von Klaus Antes und Christiane Ehrhardt, haben also einen realen Hintergrund. Trotz der akustischen Vorlage ist die filmische Umsetzung visuell äußerst gelungen. Mithilfe Michael Ballhaus' Kamera findet Fassbinder klare und doch eindringliche Bilder, bei deren Symbolkraft ich mich manchmal an Hitchcock erinnert gefühlt habe (zB Andeutung des Gefängnisses). Dazu hat der Film mit Vitus Zeplichal einen sympathischen Hauptdarsteller, der die Naivität und hilflosen Bemühungen Peters glaubwürdig darstellt. Nach „Welt am Draht“ ist „Ich will doch nur...“ erst mein zweiter Fassbinder, den ich gesehen habe. Doch ich bin wieder mal begeistert. Es ist für mich an der Zeit mehr von Fassbinder zu entdecken.




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