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Camelback Cinema

Tommy The Cats filmische Sternstunden

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RESERVOIR DOGS (Quentin Tarantino, 1992)


You don't need proof when you have instinct.

Nach dem enttäuschenden Django Unchained verspürte ich das dringende Bedürfnis, mir nochmal einen richtig guten Tarantino-Film anzuschauen. Und da ich die meisten seiner Filme seit Jahren nicht mehr gesehen habe, entschloss ich mich zu einer kompletten Werkschau, was angesichts der sehr überschaubaren Anzahl von Filmen vielleicht etwas großkotzig klingt. Wie auch immer, los geht's mit seinem Debut.

Reservoir Dogs war noch nicht der kommerzielle Erfolg von Pulp Fiction beschieden, doch bedient er sich zum Teil der gleichen Stilmittel, wie beispielsweise der nichtchronologischen Erzählweise oder der detaillierten Charakterzeichnung der Gangster über das Führen von Alltagsgesprächen. Ein maßgeblicher Einfluss für Tarantino war natürlich Kubricks The Killing, der ebenfalls vom einem gescheiterten Überfall erzählt. Auch Don Siegels The Killers stand Pate. Eine der Stärken des Films sind seine liebevoll gezeichneten Charaktere. Obwohl es Verbrecher sind, fällt die Identifikation mit ihnen leicht und man wünscht ihnen geradezu, dass es ihnen gelingt, sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Die Darsteller sind allesamt wunderbar. Eine besondere Freude war das Wiedersehen mit dem leider viel zu früh verstorbenen Chris Penn, der hier die Rolle des Nice-Guy Eddie spielt.

Interessant ist vor allem die Figur des Mr. Pink. Während er zu Beginn eher durch Unprofessionalität auffällt (seine Weigerung, als Einziger kein Trinkgeld zu geben, seine Beschwerde über seinen Decknamen), ist er am Ende derjenige, der kühlen Kopf bewahrt und professionell agiert. Belohnt wird er damit, dass er nicht nur als Einziger überlebt, sondern auch noch mit der Beute entkommen kann.

Reservoir Dogs strahlt eine rohe, ungezügelte Kraft aus, die den späteren Tarantino-Filmen völlig abhanden gekommen ist. Obwohl sehr dialogorientiert ist die Inszenierung äußerst dynamisch und mitreißend. Für mich nach wie vor ein Highlight in Tarantinos Schaffen.

Quentin Tarantino


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THE OUTLAW JOSEY WALES (Clint Eastwood, 1976)


Dyin' ain't much of a livin', boy!

Im dritten Anlauf habe ich nun meinen Frieden mit Eastwoods zweitem Western (unter seiner Regie) gemacht. Was mich bisher störte, weiß ich nicht mehr, weil die beiden anderen Sichtungen so lange zurückliegen. Ich kann mich nur noch erinnern, den Film als langweilig empfunden zu haben. Dies ist er keineswegs, wie ich nunmehr feststellen durfte. Die Ziellosigkeit, ja fast Orientierungslosigkeit, mit der Wales durch die Gegend reitet und dabei allerlei illustre Gestalten trifft, erinnert an den klassischen Roadmovie. Am Ende bringt er dann den Mörder seiner Familie doch noch zur Strecke, nicht etwa weil er ihn gesucht hat, sondern weil dieser ihn unbedingt erledigen wollte und ihm bis nach Texas gefolgt ist. Vieles, was in den gut zwei Stunden geschieht, wirkt beliebig und ziellos, so dass man stellenweise den Eindruck haben könnte, den Drehbuchautoren seien die Ideen ausgegangen. Doch ist es gerade diese Beliebigkeit, die den Verlust der Familie, der Ranch, der Heimat, so treffend beschreibt.

Clint Eastwood


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THE LOVELY BONES (Peter Jackson, 2009)


The lovely Bones wirkt in Jacksons Œuvre fast wie ein Fremdkörper, nachdem er sich in den letzten 15 Jahren fast vollständig dem Blockbusterkino verschrieben hat. Von der Machart erinnert er an den kürzlich gesichteten Heavenly Creatures. So werden auch hier zwei Welten miteinander verknüpft, wobei es sich bei The lovely Bones nicht um eine Phantasiewelt handelt, sondern um einen Schwebezustand zwischen Leben und Tod als bildliche Umsetzung des Nicht-loslassen-Könnens. Die Entwicklung der Charaktere wirkt zwar nicht immer schlüssig, doch muss man Jackson zugestehen, einen emotional sehr berührenden Film geschaffen zu haben, dessen Szenen stellenweise nur schwer zu ertragen sind. Dabei vor allem jene, in der der Mörder Susie in die Grube lockt. Die Szene bereitete mir beim Zuschauen ein beinahe körperliches Unbehagen. Das ist großartig inszeniert und ebenso großartig gespielt. Die meisten Kritiken waren dem Film nicht allzu wohlgesonnen, doch Jackson-Bashing ist seit den Lord-of-the-Rings-Filmen ja sowieso chic. Ich sehe das etwas pragmatischer, mit Ausnahme von Meet the Feebles und The Frighteners mag ich all seine Filme. Auch diesen hier.

Peter Jackson


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DAGON (Stuart Gordon, 2001)


Bei Dagon handelt es sich um eine Verfilmung der Lovecraft-Erzählung The Shadow over Innsmouth aus dem Jahre 1931. Von der Kurzgeschichte Dagon hingegen wurde nur der Name übernommen. An der Story wurden weitgreifende Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, die Handlung wurde in die Gegenwart verlagert, das Grundgerüst der Vorlage jedoch erhalten. Und im Gegensatz zum kürzlich gesichteten The Whisperer in Darkness sind diese Anpassungen durchaus stimmig. Gordon legt viel Wert auf eine düstere Atmosphäre und verschleppt das Tempo nach der Ankunft des Protagonisten in Imbocca merklich. Verfallene Gebäude, dunkle Gassen und schmutzige Hinterhöfe prägen das Bild des Ortes, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Bevölkert wird er von degenerierten Kreaturen, die sich irgendwo in der Entwicklung zwischen Fisch und Mensch befinden und dem Fischgott Dagon verfallen sind. Die Masken sind größtenteils gut gelungen, die (glücklicherweise nur spärlich eingesetzten) CGI weniger. Das Ende ist äußerst stimmig und entspricht in etwa dem der Vorlage, deren letzter Absatz schließlich im schönen Schlussbild zitiert wird. Insgesamt eine rundum gelungene Lovecraft-Umsetzung und Anlass, die übrigen Gordon- bzw. Yuzna-Lovecraft-Filme für künftige Sichtungen vorzumerken.


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PIRATES OF THE CARIBBEAN: THE CURSE OF THE BLACK PEARL (Gore Verbinski, 2003)


Immer noch ein großer Spaß! Wenn es hier überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die etwas ausufernde Laufzeit. Die ein oder andere Straffung hätte Verbinskis Piratenstück gut zu Gesicht gestanden, wobei es aber nicht soweit kommt, dass man sich langweilt. Im Gegenteil: die rasante Inszenierung lässt kaum einen Durchhänger zu, die prachtvollen Kulissen und Kostüme sorgen für echtes Piratenflair und Johnny Depp schuf mit der Figur des rumgeschädigten Piratenkapitäns Jack Sparrow fast so etwas wie eine Pop-Ikone. Formvollendetes Blockbuster-Kino in Reinform.


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HEAVENLY CREATURES (Peter Jackson, 1994)


Jacksons erster "seriöser" Film, nachdem er zuvor ausschließlich im Bereich des Splatterfilms tätig war, basiert auf der wahren Geschichte zweier Teenager, die in den 50er Jahren die Mutter einer der beiden ermordet haben. Dabei erweist er sich als einfühlsamer Filmemacher, der es geschickt versteht, die krude Gedankenwelt der Mörderinnen für den Zuschauer einigermaßen nachvollziehbar zu machen. Als künstlerisch besonders gelungen dürfen dabei die visuellen Ausflüge in die vierte Welt bezeichnet werden, die sich mit zunehmender Spieldauer immer mehr mit Szenen in der realen Welt vermischen.

Ich habe den Film vor zehn oder zwölf Jahren schon mal gesehen, damals fand ich ihn recht interessant, dieses Mal hat er mich ziemlich beeindruckt. Erwähnenswert vielleicht noch, dass Kate Winslet hier ihr Spielfilmdebut gegeben hat.

Peter Jackson


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DJANGO UNCHAINED (Quentin Tarantino, 2012)


Die Frage, die mich vor der Sichtung am meisten beschäftigte, war die, wie Tarantino es schaffen würde, in einem solchen Film seinem Fußfetisch zu huldigen. Umso ernüchternder war die Erkenntnis, dass er darauf verzichtet hat. Und es sollte nicht die einzige Enttäuschung bleiben. Nach dem tollen Beginn verflacht Django Unchained zusehends und ist zeitweise sogar richtig langweilig. Eine der größten Stärken Tarantinos in seinen bisherigen Filmen waren seine ebenso absurden wie lebensnahen Dialoge, die hier - mit Ausnahme der aberwitzigen Diskussion der Ku-Klux-Klan-Männer über ihre Kapuzen - völlig fehlen. Christoph Waltz selbstgefälliges, affektiertes Gehabe ging mir ziemlich auf den Keks und Jamie Foxx spielt den Django zwar überzeugend, aber völlig unsympathisch. Die in den übrigen Tarantino-Filmen starke Identifizierung mit den Charakteren ging mir hier völlig ab. Und so ist es an Leonardo di Caprio und vor allem dem starken Samuel L. Jackson, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Und noch eine bisherige Stärke Tarantinos habe ich schmerzlich vermisst: eine gelungene musikalische Untermalung. Die Musik ist stellenweise richtig unpassend, von seinem ansonsten so ausgeprägten Gespür für eine Harmonie zwischen Bild und Ton ist hier nichts zu merken. Inglorious Basterds war schon nicht gerade ein Highlight in Tarantinos Schaffen und Django Unchained ist eine ganze Ecke schlechter. Ich kann nur hoffen, dass künftige Sichtungen meinen bisherigen Eindruck zu korrigieren vermögen oder aber – falls nicht – , dass Tarantino alsbald zu alter Stärke zurückfindet.

Quentin Tarantino


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CARNAGE (Roman Polanski, 2011)


I am glad our son kicked the shit out of your son and I wipe my ass with your human rights!

Polanski hatte ich ja schon fast abgeschrieben, zumal nach dem schwachen Ghost Writer, doch mit Carnage beweist er, dass er das Filmemachen noch lange nicht verlernt hat. Sein Talent für Kammerspiele hat er ja schon mit dem tollen Death and the Maiden unter Beweis gestellt, doch Carnage übertrifft jenen in allen Belangen, auch wenn er ein wesentlich banaleres Grundthema hat. Es ist einfach herrlich dabei zuzusehen, wie die anfangs sorgfältig aufrecht erhaltene Fassade bei allen Beteiligten immer mehr bröckelt und sie sich am Ende beinahe an die Gurgel gehen. Sowohl Figuren als auch Dialoge sind wie aus dem Leben gegriffen und wirken völlig authentisch. Der entscheidende Faktor bei Kammerspielen sind natürlich die Darsteller, denen man hier bescheinigen kann, ihre Arbeit vorzüglich zu verrichten. Lediglich Jodie Foster übertreibt mit ihrer Darstellung etwas, die übrigen Drei liefern eine vollkommen souveräne Leistung ab. Ein kleines Meisterwerk und zudem Polanskis beste Arbeit seit mindestens 30 Jahren.

Roman Polanski


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THE DEER HUNTER (Michael Cimino, 1978)


Bei der Erwähnung des Films The Deer Hunter denke ich immer zuerst an Russisch Roulette. Es ist besonders jene Szene im Gefangenenlager, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat, eine Szene, die an Intensität nur schwer zu übertreffen ist. Daher sehe ich The Deer Hunter auch nicht als Kriegsfilm sondern als Film darüber, wie traumatische Erlebnisse die Persönlichkeit verändern und letztlich Leben zerstören können. Der Auslöser waren hier nicht direkte Kriegshandlungen, sondern die erlittene Folter durch den Vietcong. Den Vietnamkrieg als solchen behandelt Cimino überhaupt nicht, er steht nur stellvertretend für ein Umfeld, in dem die Protagonisten traumatischen Erlebnissen ausgesetzt sind. Wobei die Auswirkungen bei den einzelnen Personen sehr unterschiedlich sind. Während Nick letzten Endes daran stirbt, nimmt Michael keinen ernsthaften Schaden. Der Spaß an der Jagd ist ihm zwar vergangen, doch dafür dient sich ihm Linda an, eigentlich Nicks Freundin, mit der er aber schon vor dem Einsatz in Vietnam vielsagende Blicke ausgetauscht hatte.

Man kann Ciminos Film viel ankreiden: dass die Einführungsszene mit der Hochzeit viel zu lang ist, dass der Vietcong in seiner undifferenzierten Darstellung scheinbar ausschließlich aus sadistischen Schlächtern besteht, dass die Charaktere auch nach 3 Stunden Spieldauer relativ blass bleiben. All dies ist richtig und dennoch bietet The Deer Hunter ein fesselndes und intensives Filmerlebnis, was vor allem den großartigen Darstellern zu verdanken ist. Und Meryl Streep sah vor 35 Jahren sogar richtig schnuckelig aus.


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THE WOMAN IN BLACK (James Watkins, 2012)


Ein atmosphärisch sehr dichter, im besten Sinne altmodischer Horrorfilm, der seine Schockeffekte sehr zurückhaltend und wohldosiert einsetzt. Das Setting an der grauen Atlantikküste Großbritanniens ist der düsteren Grundstimmung sehr zuträglich, ebenso die zeitliche Ansiedlung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Story gewinnt keinen Preis für Originalität - es handelt sich zudem um ein Remake - doch erfüllt sie ihren Zweck vollständig und kann zudem mit einem stimmigen Ende aufwarten - nach meiner bescheidenen Meinung ein Punkt, an dem viele Horrorfilme versagen. Insgesamt eine runde Sache. Gepflegter Grusel ist hier garantiert.


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UNDER SIEGE (Andrew Davis, 1992)


Immer noch mein liebster Seagal-Film und zudem einer der besten Die-Hard-Nachahmer. Man hat die Grundkonstellation des Willis-Films einfach übernommen und sie auf ein Kriegsschiff verlagert. Das ist weder originell noch sonderlich spannend, doch sorgt die schnörkellose, routinierte Inszenierung von Andrew Davis für beste Unterhaltung über die gesamte Spieldauer. Es kracht ordentlich und recht witzig ist das Ganze auch noch. Mehr kann man von einem Seagal-Film nicht erwarten.


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BANDIDAS (Joachim Roenning/Espen Sandberg, 2006)


Ein selten dämliches Filmchen, das nicht einmal im Ansatz lustig ist und auch sonst keine Schauwerte hat, sieht man mal von der wie immer atemberaubend schönen Salma Hayek ab. Ich habe schon lange nicht mehr solch einen Mist gesehen. Jedes weitere Wort wäre hier zuviel.


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THE EXPENDABLES 2 (Simon West, 2012)


That woman is crazy, but I got a good pump.

Jaaa, das hat's gebraucht! Nach dem ordentlichen, aber doch etwas verhaltenen ersten Teil lassen die Dinosaurier des Genres es nochmal richtig krachen und zeigen dem jungen Gemüse, wo der Hammer hängt. Mit der unwiderstehlichen Kraft eines Panzers walzt dieses Vehikel ins heimische Wohnzimmer und lässt keine Wünsche offen.

Stallone hat gerufen und ALLE sind gekommen. Nicht nur Lundgren, van Damme, Schwarzenegger und Willis - sogar Chuck Norris gibt sich die Ehre. Im Vergleich zum Vorgänger wurde jedweder unnötige Ballast über Bord geworfen und eine geradlinige Story entwickelt, die zwar vollkommen blödsinnig ist, sich aber in bester Old-School-Manier auf das Wesentliche konzentriert. Die Actionszenen sind sehr dynamisch inszeniert, die Suppe spritzt, dass es eine wahre Freude ist und der Bodycount ist verdammt hoch. Und für einen lässigen Spruch ist auch im dichtesten Kampfgetümmel noch Zeit. Dazu gibt's eine starke Prise Selbstironie und zahlreiche Insidergags, die Freunden der 80er Jahre Action natürlich bestens vertraut sind. Teilweise kommt man dabei der Grenze zur Albernheit gefährlich nah, ohne diese jedoch zu überschreiten. Einen Film wie diesen hat es lange nicht gegeben und man kann nur hoffen, dass weitere Fortsetzungen folgen werden. Ich jedenfalls hätte Sly und seinen Mannen gestern noch stundenlang zugucken können.


Arnold Schwarzenegger


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HOW THE WEST WAS WON (John Ford u. a., 1962)


Die Idee, die Besiedelung des amerikanischen Westens anhand verschiedener Episoden aufzuzeigen, hat einen nicht zu leugnenden Charme, doch gestaltet sich der Beginn recht zäh. Die ersten beiden Episoden sind langatmig und von zahlreichen Sing- und Tanzeinlagen durchsetzt, was seinerzeit zwar gern gesehen war, den Filmgenuss jedoch zumindest beeinträchtigt. Dies ging soweit, dass mir im 2. Teil sogar kurz die Augen zugefallen sind. Die Müdigkeit war jedoch mit dem Beginn der 3. Episode, die von John Ford dirigiert wurde und den amerikanischen Bürgerkrieg behandelt, wie weggeblasen. Und auch die beiden letzten Teile bieten sehr ordentliche Unterhaltung, wobei der 4. Teil die mit Abstand beeindruckendste Szene des ganzen Films aufweisen kann: eine riesige Bison-Herde macht ein Siedlerdorf dem Erdboden gleich.

Darstellerisch wird nahezu alles aufgeboten, was damals Rang und Namen hatte, wie überhaupt das ganze Projekt auf epische Größe angelegt ist. Durch die Episoden führt ein Sprecher aus dem Off, der nicht nur völlig überflüssig ist, sondern dem Ganzen durch die oberlehrerhaft wirkenden Texte zudem den Charme eines Schulfilms verleiht. In seiner Gesamtheit ist How the West was won bei Weitem nicht so groß, wie er es gerne sein würde. Gediegene Sonntag-Nachmittag-Unterhaltung bietet er allemal.



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HUGO (Martin Scorsese, 2011)


Emotional berührend
Traumhaft
Bezaubernd
Magisch
Wunderschön.

Martin Scorsese


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WINNETOU - 1. Teil (Harald Reinl, 1963)


Die eher zufällige Sichtung von Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten neulich machte Lust auf weitere Auffrischung von Kindheitserinnerungen. Winnetou - 1. Teil zählt aus meiner Erinnerung heraus zu den besten Karl-May-Verfilmungen. Das größte Pfund, mit dem Reinl wuchern kann, ist natürlich Pierre Brice, der nichts weniger als die Idealbesetzung für die Rolle des edlen Apatschenhäuptlings ist. Seine zurückgenommene Spielweise passt exakt zu dem Bild, das man sich als May-Leser von Winnetou gemacht hat und ich kann mir niemanden vorstellen, der diese Figur hätte überzeugender verkörpern können. Ich hatte das Glück, ihn noch bei einer seiner letzten Vorstellungen in Elspe zu sehen, und auch wenn er damals bereits ein sehr alter Winnetou war, hat mich sein Auftritt nachhaltig beeindruckt.

Im Vergleich zum oben erwähnten Film hat mir Winnetou - 1. Teil deutlich besser gefallen. Die Actionszenen sind besser dosiert und durchaus mitreißend inszeniert, wie z. B. der Angriff der Kiowas auf den Planwagen-Treck. Und mit Mario Adorf hat man einen Schurken von echtem Format zu bieten. Sein Santer wurde im Vergleich zum Buch stark aufgewertet und darf fast im Alleingang für alles Böse verantwortlich sein, inkl. der Ermordung Klekih-Petras. Die zahlreichen Freiheiten, die sich das Drehbuch nimmt, verzeiht man jedoch gerne, ebenso die ein oder andere inhaltliche Ungereimtheit. Warum man beispielsweise nachts heimlich Schienen an den Saloon legt und dann am nächsten Morgen die eilends herbeigeschaffte Lokomotive mit voller Kraft hineindonnern lässt statt das Gebäude einfach anzuzünden, weiß wohl nicht einmal der große Manitou. Richtig ärgerlich ist die vollkommen lächerliche Figur des englischen Reporters, dargestellt von Chris Howland. Darüber konnte ich schon als Kind nicht lachen und heutzutage bin ich von derartigem Treiben eher peinlich berührt als amüsiert. Doch sind die Szenen zum Glück nur kurz, und in der zweiten Filmhälfte taucht sie erst gar nicht mehr auf. Am Ende bleibt ein warmes Gefühl in der Herzgegend zurück - genau wie damals, vor mehr als 25 Jahren.

Karl May


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BOM YEOREUM GAEUL GYEOUL GEURIGO BOM/Frühling, Sommer, Herbst, Winter .. und Frühling (Kim Ki-duk, 2003)


Frühling, Sommer, Herbst, Winter .. und Frühling war vor einigen Jahren meine erste Begegnung mit Kim Ki-duk und legte den Grundstein für mein stetig wachsendes Interesse an seinen Arbeiten. Im Nachhinein bin ich froh, gerade diesen Film zuerst gesehen zu haben, ist es doch sein zugänglichster und zudem einer seiner schönsten. Kim hat ein archaisches Verständnis von Schuld und Sühne und nirgendwo bringt er das so treffend auf den Punkt wie hier. Jedes Vergehen wird geahndet, jeder Fehler unweigerlich bestraft.

Die Inszenierung erinnert an ein Theaterstück. Die gesamte Handlung spielt sich an und auf dem kleinen See ab. Die einzelnen Figuren betreten diesen Ort wie ein Theaterdarsteller die Bühne, durch ein Tor am Rande des Sees. Sie alle gehen hindurch, obwohl sie genauso außen herum gehen könnten, denn es gibt keine Mauern, die den Zutritt versperren. Ähnlich verhält es sich auch mit dem kleinen Tempel auf der Insel: innen gibt es Türen, aber keine Wände.

Bei der letzten Sichtung habe ich nur die geschnittene internationale Fassung gesehen, dieses Mal die ungeschnittene Originalfassung. Und so fiel mir erst jetzt auf, dass zwischen den auf den ersten Blick ähnlichen Handlungen der beiden Mönchsjungen ein erheblicher Unterschied besteht. Während der erste Junge (im ersten Frühling) die Tiere mehr aus Neugierde quält und später weint als er feststellt, dass zwei von ihnen daran gestorben sind, verrichtet der zweite Mönchsjunge (im zweiten Frühling) dies mit geradezu sadistischer Freude und sieht lachend zu, wie der Fisch und Frosch an den Steinen krepieren, die er ihnen in den Rachen gesteckt hat. Interessant vor allem deshalb, weil der erste Mönch später - wie wir wissen - zum Mörder wird und Kim zumindest indirekt einen Bezug zwischen dem Mord und dem Quälen der Tiere zu Beginn herstellt. Da fragt man sich zwangsläufig, wozu der zweite Junge fähig ist.

Kim Ki-duk


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THE TROUBLE WITH HARRY (Alfred Hitchcock, 1955)


Couldn't have had more people here if I'd sold tickets.

Herrlich schrulliges Filmchen vom Altmeister, dessen Hauptdarsteller die atemberaubend schöne Herbstlandschaft Vermonts ist. Wahrscheinlich einer der Filme Hitchcocks, die ich am häufigsten gesehen habe, wobei er natürlich weitaus bessere Sachen gemacht hat. Der ideale Zeitvertreib für einen verregneten Sonntag Nachmittag.

Alfred Hitchcock


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LA NUIT AMÉRICAINE/Die amerikanische Nacht ( François Truffaut, 1973)


Bin vor Jahren mal beim Zappen im Fernsehen in Truffauts Liebeserklärung an das Filmemachen hineingestolpert und dort hängengeblieben. Jetzt endlich habe ich die Ausstrahlung bei Arte genutzt, mir diese mal in Gänze zu Gemüte zu führen, leider nur mit einer wahrlich grauenhaften deutschen Synchro. Die Qualitäten des Films blieben natürlich trotzdem nicht verborgen. Truffaut schildert äußerst unterhaltsam die zahlreichen Probleme, die dem von ihm selbst verkörperten Regisseur Ferrand bei den Dreharbeiten seines Films begegnen, wenn er auch an einigen Stellen den Bogen etwas überspannt. Dabei ist er fast mehr mit der Lösung der logistischen und vor allem zwischenmenschlichen Probleme befasst als mit den eigentlich Dreharbeiten. Dies führt dazu, dass er nicht einmal mehr nachts abschalten kann und sich im Schlaf unruhig hin- und herwälzt. La nuit américaine ist eine äußerst kurzweilige Angelegenheit, und als Bonbon gibt es eine höchst attraktive Jacqueline Bisset.


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DARK SHADOWS (Tim Burton, 2012)


Typische Horrorkomödie von Burton, die jedoch nur selten richtig lustig ist. Aufgrund der skurrilen Figuren dennoch sehr unterhaltsam, insbesondere Eva Green - hier als böse Hexe - ist eine Schau. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Burton schon inspiriertere Zeiten als Filmemacher gesehen hat als die letzten Jahre. Das wirkt doch alles sehr routiniert, wenn auch mit vielen liebevollen Details garniert. Und seinen Hauptdarsteller könnte er auch mal wieder wechseln. Nicht dass Depp schlecht spielen würde, aber ein paar neue Akzente wären wünschenswert. Immerhin: bei seinem aktuellen Film Frankenweenie kommt Burton ohne íhn aus.

Tim Burton


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THE MATRIX (The Wachowski Brothers, 1999)


He is the One.

Als The Matrix 1999 erschien, war er stilbildend, was die Choreografie der Martial-Arts-Szenen betrifft, alles hübsch präsentiert im schwarzen Lack-Outfit. Zudem etablierte er die Bullet-Time im westlichen Kino, was ich jetzt allerdings nicht unbedingt als Errungenschaft ansehen würde, da die folgende inflationäre Verwendung derselben in jedem Actionfilm, der etwas auf sich hielt, mir ziemlich auf die Nerven ging. Die Story setzt sich aus diversen Elementen zusammen, die hauptsächlich anderen Filmen entliehen wurden, ergänzt um eine stark religiöse Komponente. Eine Menge Jesus ist in der Figur Neo enthalten, inklusive Auferstehung von den Toten. Das Alles ergibt eine äußerst stimmige und stylische Mischung, die auch heute noch bestens zu unterhalten weiß.


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MACHETE (Robert Rodriguez, 2010)


Machete don't text

Die Sichtung des überraschend guten Planet Terror hat Lust auf mehr gemacht, und da war es naheliegend, mit dem im Vorspann beworbenen Machete weiterzumachen, den es bei der Aufführung von Planet Terror ja noch gar nicht gab. Und der Film löst dann auch alle Versprechen ein, die der Fake-Trailer gibt. Rodriguez hat eine illustre Darstellerriege um sich geschart und dabei - ganz in Tarantino-Manier - einigen abgehalfterten Actionstars wie Steven Seagal oder Don Johnson zu einem neuen Engagement verholfen. Damit dass Tom Savini in einem Rodriguez-Film auftaucht, muss man sowieso rechnen. Dazu gibt's einen ganzen Haufen sehr ansehnlicher Frauen, nur die langweilige Jessica Alba fällt hier aus dem Rahmen. Dafür rockt Michelle Rodriguez umso mehr. Auch sonst wird mit Schauwerten nicht gegeizt, seien es die herrlich überdrehten Actioneinlagen, kernige Sprüche oder eben nackte Haut. Die Suppe spritzt und Machete kriegt alle Frauen. So und nicht anders geht gutes Exploitation-Kino!

Robert Rodriguez


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THE WHISPERER IN DARKNESS (Sean Branney, 2011)


The Whisperer in Darkness ist die Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte H. P. Lovecrafts durch die H. P. Lovecraft Historical Society, die es sich u. a. zur Aufgabe gemacht hat, Erzählungen des amerikanischen Horror-Autors jeweils im Stile der Filme der Entstehungszeit umzusetzen, in diesem Falle also der 30er Jahre. Als jemand, der Lovecrafts Geschichten von Kindesbeinen an liebt, bin ich die Sichtung mit entsprechend großen Erwartungen angegangen ... und wurde bitter enttäuscht. Dabei fängt alles so gut an.

Die erste Hälfte des Films hält sich sehr eng an die literarische Vorlage und nimmt sich nur geringe Freiheiten heraus (beispielsweise die Sache mit Akeleys Sohn) und schafft es zudem, die für Lovecraft typische unheilvolle Stimmung, die immer nur auf vagen Andeutungen beruht, einzufangen. Statt den Film jedoch - analog der Vorlage - mit der Entdeckung enden zu lassen, dass Akeleys Körper nicht mehr existiert (abgesehen von den abgetrennten Händen und der Gesichtsmaske), fügt man noch einen völlig blöden Subplot um eine geplante Toröffnung durch die Anhänger der alten Kulte zwischen dem Planeten Yuggoth und der Erde an. Und hier wird's dann komplett lächerlich. Alles was der Film bis dahin an Atmosphäre aufgebaut hat, ist wie weggeblasen. Die letzten Reste werden dann von den völlig albernen Special Effects weggefegt. Dabei störe ich mich noch nicht einmal an der Tatsache, dass das nichts mit Lovecrafts Geschichte zu tun. Wäre es gelungen, die Handlung in seinem Geiste fortzuführen und zu einem stimmigen Ende zu bringen, hätte ich damit kein Problem. Das hier hat jedoch mit dem, was man mit Lovecraft verbindet, nicht das Geringste zu tun und stellt zudem einen völligen Stilbruch zu dem zuvor Gezeigten dar. Wo bis dahin die Existenz der Außerirdischen nur vage angedeutet wurde, sieht man nun minutenlang irgendwelche albernen Kreaturen herumhüpfen und sogar fliegen. Und der unsägliche Schlusstwist setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Wirklich schade um die tollen Ansätze.


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ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG (Ladislao Vajda, 1958)


Ich weiß nicht mehr, wann ich den Film zum letzten Mal gesehen habe, aber das muss mindestens 25 Jahre her sein. Ich war damals noch ein Teenager. Da stellt sich natürlich die Frage, inwieweit sich meine damalige Begeisterung heute noch nachvollziehen lässt und entgegen meiner ursprünglichen Erwartung ist der Film einigermaßen würdevoll gealtert. Natürlich gibt es Einiges zu kritisieren, sei es die überzogene Darbietung von Gerd Fröbe, die zu starke Thematisierung seiner Unterdrückung durch seine Frau, die quasi als Legitimation für seine Kindsmorde herhalten muss oder das schwache Ende, das wenig glaubwürdig ist und erkennbar vom krampfhaften Bemühen um ein Happy-End getrieben ist. Dennoch bleibt der Film über die gesamte Spieldauer spannend und kann mit einer stimmigen Atmosphäre aufwarten. Und die kindlichen Laiendarsteller wirken allesamt sehr authentisch und agieren völlig ungekünstelt.

Interessant sind die Unterschiede zu Penns The Pledge, der ja auf Dürrenmatts erst später verfasstem Roman basiert, während das Drehbuch zu Es geschah... nach einer von ihm verfassten Vorlage geschrieben wurde. Penns Film konzentriert sich auf die Besessenheit des Ermittlers, den der unbedingte Wille, den Mörder zu fangen, langsam in den Wahnsinn treibt. Bei ihm bleibt die Identität des Mörders ungeklärt. Der von Rühmann verkörperte Matthäi wirkt im Vergleich deutlich rationaler und abgeklärter und vermittelt nie den Eindruck, nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein. Die Art und Weise, wie sich am Ende alles zusammenfügt und er den Mörder stellt, fand dennoch mein Missfallen. Penns The Pledge ist ganz ohne Zweifel der bessere Film, doch Vajdas Werk kann daneben durchaus bestehen. Sehenswert sind beide.


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TWELVE MONKEYS (Terry Gilliam, 1995)


Gilliams dystopische Zeitreise-Geschichte hat mich schon seit jeher fasziniert, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Idee, nahezu die gesamte Menschheit mit einem Virus auszurotten, einen gewissen Charme hat. Gelegentlich erwische ich mich bei derartigen Gedankenspielen, zum Beispiel wenn ich mich mal ins tägliche Unterschichtenfernsehen verirre. Im Grunde genommen verdient es die Menschheit ja ausgerottet zu werden. Daher kann ich eine gewissen Sympathie für Dr. Peters' Handeln nicht leugnen. Das was Gilliam aus der Idee, die ja eigentlich dem Kurzfilm La Jetée entnommen ist, gemacht hat, ist im Ergebnis äußerst gelungen und besticht vor allem durch die grandios-düstere Atmosphäre. Lediglich Brad Pitts völlig überzogene Performance schmälert den positiven Eindruck geringfügig. Nichtsdestotrotz einer meiner Lieblingsendzeitfilme.


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WO HU CANG LONG/TIGER AND DRAGON (Ang Lee, 2000)


Als Ang Lees Wuxia-Märchen im Jahr 2000 erschien, belebte es das Genre neu und löste eine (allerdings überschaubare) Welle nachfolgender Filme aus, von denen der bekannteste (und beste) Zhang Yimous Hero ist. Doch auch Tiger and Dragon (den "deutschen" Titel werde ich nie verstehen, entweder hätte man den internationalen englischsprachigen Titel ganz übernehmen oder ihn gleich eindeutschen sollen) geizt nicht mit Reizen und hat neben den wunderschönen Landschaftsaufnahmen malerische Sets, perfekt choreographierte Kämpfe und einen nahezu hypnotischen Score zu bieten. Die Story vereint mehrere Handlungsstränge in sich, wobei die verhinderte Liebe zwischen Li Mu Bai und Yu Xiu Lian im Mittelpunkt steht. Und auch wenn mir persönlich Hero noch eine Ecke besser gefällt, lasse ich mich doch immer wieder gerne von diesem filmischen Schmuckstück verzaubern.


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THE DARK KNIGHT RISES (Christopher Nolan, 2012)


Nach dem enttäuschenden The Dark Knight, der den bisherigen Tiefpunkt in Nolans Schaffen markiert, bildet The Dark Knight rises einen einigermaßen versöhnlichen Abschluss der Batman-Trilogie. Dabei ist er weit davon entfernt, ein runder stimmiger Film zu sein. Inkonsistent und verkrampft sind Attribute, die weitaus zutreffender erscheinen. Die Story ist dermaßen überladen, dass man den Eindruck hat, Nolan sei das Projekt im Laufe der Dreharbeiten über den Kopf gewachsen. Seine Stärke war bisher, dem Zuschauer eine komplexe Geschichte jederzeit nachvollziehbar darzulegen, spielerisch zwischen verschiedenen Erzählebenen oder -strängen hin- und herzuspringen und als Ergebnis ein rundes, stimmiges Ganzes zu präsentieren. Memento oder The Prestige sind dafür Musterbeispiele. Sein dritter Batman-Film ist davon meilenweit entfernt. Dabei hat mir gerade der realistische Ansatz bei Batman begins so gefallen, der sich deutlich von der gemeinen Comic-Verfilmung unterscheidet. Bei The Dark Knight rises dagegen darf man gar nicht erst anfangen, über einzelne Handlungselemente nachzudenken oder sie gar in einen zeitlichen Kontext einzuordnen.

Neben diesen inhaltlichen Schwächen gibt es auch Positives zu vermelden. Die im Vorgänger im Übermaß vorhandenen Actionszenen wurden stark zurückgefahren und nur noch sparsam eingesetzt. Natürlich sind sie perfekt inszeniert und werden durch Hans Zimmers bombastischen Score kongenial untermalt. Die wunderbare Marion Cotillard wertet jeden Film auf, in dem sie mitspielt und Batmans Gegenspieler Bane strahlt im Gegensatz zu Ledgers Joker echte Gefahr aus.

The Dark Knight rises ist zweifellos ein besserer Film als The Dark Knight geworden, aber das Beste, was man über ihn sagen kann, ist, dass die Batman-Trilogie damit abgeschlossen ist und Nolan endlich wieder Zeit hat, richtig gute Filme zu machen.

Christopher Nolan


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DRIVE (Nicolas Winding Refn, 2011)


Nicolas Winding Refn wandelt auf Michael Manns Spuren. Sein namenloser Driver könnte auch dem Universum des Chicagoer Filmemachers entsprungen sein. Eine einsame, verlorene Seele auf der Flucht vor sich selbst. Ein schweigsamer, äußerst disziplinierter Profi, der wegen einer Frau gegen seine Prinzipien verstößt und dabei beinahe draufgeht. Stilistisch nimmt Refn Anleihen bei den 80er Jahren, seien es die verschnörkelten, pinkfarbenen Schriftzeichen oder die grauenhafte Synthie-Musik, die kaum zu ertragen ist und dennoch das Geschehen ironisch treffend kommentiert. Ryan Goslings reduziertes Spiel gewährt dem Zuschauer trotz der sparsamen Mimik einen kleinen Einblick in das Seelenleben seiner Figur, behält dabei aber immer eine Unnahbarkeit, die sie einerseits stark, anderseits verletzlich wirken lässt. Die immer wieder eingestreuten Gewaltszenen kommen meist ziemlich überraschend und in extremer Ausprägung. Gosling spielt das großartig, beispielsweise wenn er in der Szene im Aufzug wie irre auf den am Boden liegenden Gegner eintritt und ihm den Kopf im wahrsten Sinne des Wortes zu Brei tritt. Insgesamt ein beeindruckendes Hollywood-Debut des dänischen Regisseurs.

Nicolas Winding Refn


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BLACK RAIN (Ridley Scott, 1989)


Black Rain erzählt vom Aufeinandertreffen der Kulturen, in diesem Fall der japanischen und der amerikanischen, letztere verkörpert durch den Polizisten Nick Conklin. Der kulturelle Konflikt offenbart sich zudem im Auflehnen des jungen Sato gegen den Yakuza-Boss Sugai, der sich den traditionellen japanischen Werten verpflichtet sieht und Sato als vom Leben in Amerika verdorbenen, geldgierigen Emporkömmling betrachtet, dem es an Demut und Ehrgefühl mangelt. Sonderlich originell ist das nicht, und das Drehbuch ist sorgsam bemüht, nur ja kein Klischee auszulassen. Die Story ist teilweise ziemlich unglaubwürdig und schlägt arge Purzelbäume, dafür punktet Scott wieder einmal auf der visuellen Ebene. Die düsteren, unheilschwangeren Bilder erschaffen eine bedrohlich wirkende Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann. Und zum Schluss gibt's noch eine richtig gute Schießerei.

Ridley Scott


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12 ANGRY MEN (Sidney Lumet, 1957)


I have a reasonable doubt now.

Die letzte Sichtung lag verdammt lange zurück und ich hatte schon fast vergessen, wie gut der ist. So gut, dass ich ihn innerhalb von 5 Tagen gleich zweimal geschaut habe.

12 Angry Men war Lumets Kino-Debut, nachdem er zuvor jahrelang nur TV-Serien gemacht hatte, und ich bin der Meinung, dass er danach nie wieder einen Film gemacht hat, der nur annähernd so gut ist wie dieser. Hier passt einfach alles zusammen: die sich aus der Story ergebende Grundkonstellation der 12 Geschworenen, die in einem Raum eingeschlossen gezwungen sind, ein einstimmiges Urteil zu finden, die erstklassige Besetzung, bei der neben Henry Fonda vor allem Lee J. Cobb herausragt, den ich ohnehin gerne sehe, die brillanten Dialoge und die schnörkellose Inszenierung. Erstaunlich ist zudem, wie viel man über die einzelnen Charaktere erfährt und wie sehr man am Ende das Gefühl hat, sie alle ein Stück weit zu kennen. Ein gnadenlos intensives Kammerspiel, dessen Klasse bis heute unerreicht ist.





Filmtagebuch von...

Tommy The Cat
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