You don't know you're dreaming!
Ich lasse in meinem FTB ja keine Gelegenheit aus zu betonen, dass ich Christopher Nolan für einen der, wenn nicht
den talentiertesten Regisseur der Gegenwart halte, und auch wenn ich mit dieser Meinung ziemlich alleine dastehe, ist mir das völlig wurscht. Zumal er nicht das erste verkannte Genie der Geschichte wäre. Allerdings will ich nicht leugnen, dass in mir nach dem für seine Standards etwas dürftigen
The Dark Knight die Befürchtung aufkam, Nolan hätte das Filmemachen verlernt. Glücklicherweise fegt er mit
Inception alle Bedenken beiseite und zeigt, dass er die Gratwanderung zwischen originellem Kopf- und massentauglichem Mainstream-Kino nach wie vor beherrscht.
Inception ist
Memento von der Konzeption her sehr ähnlich; beide Filme erzählen im Grunde genommen eine sehr einfache Geschichte: Ersterer erzählt von einem Mann, der in einem Traum (oder vermutlich Koma) gefangen ist, nicht aufwachen kann und sich eine komplexe Traumwelt zurechtspinnt, um seinen Zustand zu verarbeiten.
Memento erzählt von einem Mann ohne Kurzzeitgedächtnis, der versehentlich seine diabeteskranke Frau durch eine Überdosis Insulin getötet hat, sich damit nicht abfinden will und sich einredet, sie sei bei einem Einbruch ermordet worden, was ihm Gelegenheit gibt, den nicht vorhandenen Mörder zu jagen. Punkt. Um mehr geht es nicht. Alles andere ist Teil eines großen Verwirrspiels, das den Zuschauer in die Irre und an der Nase herumführen soll. Das Besondere bei beiden Filmen ist, dass Nolan sie nach den ihnen eigenen Regeln inszeniert: während er bei
Memento den Zuschauer durch die Erzählweise die Nichtfunktion des Kurzzeitgedächtnisses des Protagonisten selbst erleben lässt, "pflanzt" er ihm bei
Inception die Idee ein, dass der dargestellte Traum real ist. Er macht mit dem Zuschauer also das, was Cobb angeblich mit Fischer macht.
Um hier mal beim in Rede stehenden Inception zu bleiben: die ganze James-Bond-mäßige Geschichte um Industriespionage etc. ist alles Blendwerk, das Cobb sich in seinem (komatösen) Traumzustand ausdenkt. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass selbst die Sache mit dem Einstieg in Träume - Deception und Inception - Cobbs Phantasie entspringt und er in Wahrheit einfach in irgendeinem Krankenhaus im Koma liegt. Einmal sagt Mal zu Cobb:
No creeping doubts? Not feeling persecuted? Chased around the globe by anonymous corporations and police forces the way the projections persecute the dreamer?
Nolan beherrscht dieses Verwirrspiel derart perfekt, dass man schon genau aufpassen muss, um es frühzeitig zu durchschauen. Bei
Memento brauchte ich dafür fast die gesamte Spielzeit, bei
Inception dauerte es immerhin rund 75 Minuten, nämlich bis zu der Szene, in der Cobb Ariadne vom "Tod" seiner Frau erzählt. Und trotzdem ist es ihm fast gelungen, mich doch noch auf die falsche Fährte zu führen in dem Moment, in dem Cobb behauptet, Mal die Idee eingepflanzt zu haben, dass ihre Welt nicht real ist und damit Schuld an ihrem Tod zu haben. Umso genialer ist es, wie Nolan das Rätsel dann mit einem einzigen Bild am Ende auflöst: das des sich endlos drehenden Totems.
Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass
Inception perfekt inszeniert ist. Alleine wie mühelos es Nolan schafft, zwischen den verschiedenen Traumebenen hin- und herzuspringen, ohne den Zuschauer zu irritieren. Der düstere Score von Hans Zimmer passt hervorragend. Darstellerisch gefiel mir vor allem die wunderbare Marion Cottilard, aber auch Leonardo DiCaprio macht seine Sache sehr ordentlich.
Aus gegebenem Anlass und völlig gegen meine Gewohnheit kommt hier mal mein Ranking der bisherigen Nolanfilme:
1. Memento
2. The Prestige
3. Inception
4. Batman Begins
5. Insomnia
6. Following
7. The Dark Knight
Christopher Nolan