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Camelback Cinema

Tommy The Cats filmische Sternstunden

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A SERIOUS MAN (Joel Coen, 2009)


The boss isn't always right, but he's always the boss.

Völlig bekloppter Film der Coen-Brüder, der ganz ohne Zweifel zu den Highlights ihres bisherigen Schaffens zählt. Die Story um den vom Pech verfolgten jüdischen Physikprofessor Larry bietet eine Aneinanderreihung absurder Situationen und witziger Szenen, wunderschön bebildert von Roger Deakins. Bei den skurrilen Charakteren haben die Coens sich selbst übertroffen. Mein Favorit ist Onkel Arthur, der ständig im Bad rumhängt und seine Zyste absaugt. Die meinerseits im Vorfeld gehegten Bedenken, zahlreiche Anspielungen auf die jüdischen Gebräuche nur mit entsprechender Detailkenntnis verstehen zu können, stellten sich glücklicherweise als unbegründet heraus. Die in Kritiken häufig verbreitete Lesart, Larry Gopnik als eine Art moderner Hiob zu sehen, ist durchaus nachvollziehbar, muss man sich jedoch nicht zwingend zueigen machen, denn wenn der Film eine Kernaussage hat, dann am ehesten die, dass man den Dingen nicht zuviel Bedeutung beimessen sollte – wunderbar erklärt anhand der schrulligen Anekdote um die Inschrift auf den Zähnen. Erstaunlich fand ich die Ähnlichkeit einiger Darsteller mit bekannten Hollywood-Größen. So sieht Larrys Nebenbuhler Sy Ableman aus wie Francis Ford Coppola, der erste Rabbi erinnerte mich stark an den jungen Nicolas Cage und der Anwalt, den Larry beauftragt, könnte ein Bruder von George Clooney sein. Womöglich nur meine persönliche Wahrnehmung und wohl auch nur Zufall, aber ich fand die Ähnlichkeiten schon bemerkenswert.

A serious Man ist ein höchst vergnüglicher und außerordentlich kurzweiliger Film, der zudem mit einer liebevollen Ausstattung, großartigen Darstellern und einem überaus sympathischen Protagonisten aufwarten kann. Und gerade wenn man meint, alles wendet sich doch noch zum Guten für den braven Larry, wartet schon der nächste Tiefschlag.

Coen Brothers


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GET THE GRINGO (Adrian Grunberg, 2012)


Damit, dass der sympathische Trunkenbold Mel Gibson auf seine alten Tage nochmal einen richtig guten Film machen würde, konnte man wirklich nicht rechnen. Doch ein solcher ist Get the Gringo tatsächlich geworden. Warum auf dem Cover das 18er-Siegel prangt, erschließt sich mir nicht, denn hier wird leichtverdauliche, unbeschwerte Kost geboten, deren leichtfüßige und humorvolle Inszenierung für gute Laune sorgt. Die ein oder andere derbe Szene gibt es zwischendurch auch mal, doch macht dies die Altersfreigabe nicht weniger lächerlich. Die passende musikalische Untermalung bietet Antonio Pintos gitarrenlastiger Score, der stellenweise Erinnerungen an Tito & Tarantula weckt und das mexikanische Flair noch besser zur Geltung bringt. Zusammen ergibt das eine äußerst bekömmliche und kurzweilige Mischung, die bestens unterhält. Unerwartet gut und daher umso schöner.


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THE MAN WHO WASN'T THERE (Joel Coen, 2001)


Von der Story und den Charakteren her ein typischer Coen-Film über einen Friseur, dem sich scheinbar die günstige Gelegenheit bietet, aus seinem geregelten, gleichförmigen, aber auch langweiligen Leben auszubrechen und das große Geld zu verdienen. Wenn man nur ein paar Filme der Brüder gesehen hat, ahnt man früh, dass das nicht gutgehen kann. Gewisse Parallelen zu Jerry, dem Protagonisten ihres Meisterwerks Fargo, sind nicht von der Hand zu weisen. Was den Film von den übrigen Arbeiten der Coens unterscheidet, sind die stilvollen Schwarzweiß-Bilder einerseits, die in erster Linie der Atmosphäre zugute kommen, und die ungewöhnlich tranige Inszenierung andererseits, die dem Rezipienten speziell in der zweiten Filmhälfte einiges an Geduld abverlangt. Auch der Humor kommt nach dem vielversprechenden Beginn im weiteren Verlauf etwas zu kurz. Sehenswert aber ist The Man who wasn't there schon alleine wegen der atemberaubend schönen Bilder des Coen-Stamm-Kameramanns Roger Deakins. Zahlreiche Einstellungen könnte man sich eingerahmt an die Wohnzimmerwand hängen. Auch darstellerisch wird die gewohnte Qualität geboten. Neben der Standardbesetzung der weiblichen Hauptrolle mit Frances McDormand gefallen vor allem Billy Bob Thornton und James Gandolfini. Insgesamt dennoch einer der schwächeren Coen-Filme, der nicht so recht in die Puschen kommen will.

Coen Brothers


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GRAVITY (Alfonso Cuarón, 2013)


Nach dem großartigen All is lost ein weiterer Film, der den nackten Überlebenskampf zum alleinigen Inhalt macht, wenn auch nicht ganz so konsequent wie jener. Die Handlung wird reduziert auf den Kampf des Individuums gegen die Elemente bzw. die äußeren Umstände, denen es sich beinahe schutzlos ausgeliefert sieht. Wobei der namenlose Segler im Chandor-Film von Anfang an auf sich alleine gestellt ist, während Ryan in Gravity zumindest anfangs noch einen Mitstreiter hat. Herausragend sind die Effekte, die sogar auf dem zweidimensionalen Fernseher daheim ein Gefühl für die räumliche Tiefe vermitteln, im Kino in 3D vermutlich noch deutlich besser zur Geltung kommen. Ich bin wahrlich kein 3D-Freund, aber Gravity ist der erste Film, bei dessen Sichtung ich es bedauert habe, ihn nicht im Kino in 3D gesehen zu haben. Das alles sieht nicht nur toll aus, sondern vermittelt dem naiven ahnungslosen Erdenbürger wie mir zudem auch das Gefühl, dass das alles sehr realistisch umgesetzt wurde. Damit meine ich weniger die Handlung an sich, sondern das Gefühl für die Schwerelosigkeit bzw. das Driften im All. Etwas ärgerlich sind allenfalls die formelhaften Figuren, wie die Ärztin, die ihre Tochter verloren hat, und der stets coole, erfahrene alte Hase, der das Flirten selbst im Raumanzug nicht lassen kann. In dieser Szene hat man eher das Gefühl, dem echten George Clooney zuzuhören als der dargestellten Person. Doch sind dies Kleinigkeiten, die man problemlos vernachlässigen kann, angesichts der überwältigenden Bilder, die Cuarón auf den Bildschirm zaubert.


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THE WILD GEESE (Andrew V. McLaglen, 1978)


Ein richtiger Männerfilm, in dem sich die alten Recken des britischen Kinos noch einmal ein Stelldichein geben, ganz in der Tradition von Filmen wie The Guns of Navarone oder Where Eagles dare. Der Vorspann erinnerte mich von seiner Machart her an die damaligen James-Bond-Filme - was angesichts der Tatsache, dass Maurice Binder dafür verantwortlich zeichnet, nicht verwundern kann, und passenderweise spielt auch Roger Moore mit, der hier in einer ähnlich angelegten Rolle zu sehen ist: immer ein charmantes Lächeln im Gesicht und nie um einen lockeren Spruch verlegen. Der Film weist die genre-übliche Zweiteilung auf mit der Zusammenstellung und Ausbildung der Truppe einerseits und dem eigentlich Kampfeinsatz andererseits, inklusive Verrat natürlich - und wie so oft ist der erste Teil weitaus unterhaltsamer als der zweite. Die Inszenierung des Kampfeinsatzes und der anschließenden Flucht ist etwas tröge, und so lebt The Wild Geese in erster Linie von der hochkarätigen Besetzung, von der heute leider kaum noch jemand unter den Lebenden weilt. Man merkt den Darstellern die Freude förmlich an, auf ihre alten Tage nochmal die harten Hunde spielen zu dürfen. Insgesamt ein harmloses, aber sehr kurzweiliges Vergnügen.


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THIEF (Michael Mann, 1981)


Bei der Erstsichtung vor knapp neun Jahren stand mir leider nur eine nicht anamorphe DVD mit ziemlich bescheidenem Bild zur Verfügung. Der neue Transfer für die Criterion Bluray, der vom Meister persönlich überwacht wurde, lässt den Film in völlig neuem Glanz erscheinen und bringt die dreckigen Tagesaufnahmen ebenso wie die neonfarbenen nächtlichen Szenen wunderbar zur Geltung. James Caan ist hier in einer seiner besten Rollen zu sehen und mimt den einsamen Großstadt-Cowboy ganz vorzüglich. Die Figur des gefühlskalten Frank, der sich nach einem friedlichen Familienleben sehnt, scheint ihm wie auf den Leib geschneidert. Thief hat mich von der ersten Minute an gefesselt und bis zum blutigen Showdown nicht mehr losgelassen. Einen erheblichen Anteil daran hat neben der guten Kamera-Arbeit auch der wunderbare hypnotische Score von Tangerine Dream. Michael Manns Kinodebut ist ein ganz großartiger Film und zählt ohne Zweifel zu den Höhepunkten seines Schaffens.

Michael Mann


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OLYMPUS HAS FALLEN (Antoine Fuqua, 2013)


Sir, I'm here. Use me.

Den wollte ich eigentlich gar nicht anschauen, habe ihn mir aber von einem Kollegen aufschwatzen lassen. Antoine Fuqua genießt bei mir keinen sonderlich guten Ruf, doch konnte er mich vor einigen Jahren immerhin mit dem gelungenen Shooter überzeugen. Und auch sein neuester Film ist gar nicht so schlecht wie ich befürchtet hatte. Zwar gewinnt er keinen Preis für Originalität und bietet im Grunde genommen nur eine weitere Die-Hard-Variante, die zudem mit einer extrem schwachsinnigen und unrealistischen Story aufwartet, doch gefällt die dynamische Inszenierung und lässt kein Trübsal aufkommen. Vorher das Hirn auszuschalten hilft dabei natürlich ungemein. Zudem ist das Unterfangen Fuqua-typisch recht blutig ausgefallen und weit entfernt von glattgebügelter PG-Action. Gerard Butler ist nicht Bruce Willis, macht seine Sache aber sehr ordentlich. Etwas weniger Pathos hätte Olympus has fallen gut zu Gesicht gestanden, die fallende amerikanische Flagge in Zeitlupe hätte ich ebenso wenig gebraucht wie die lächerliche Rede des Präsidenten am Ende. Aber auf sowas steht der amerikanische Kinogänger vermutlich. Unter dem Strich dennoch ein spaßiges Filmchen, das ordentlich knallt.


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CHILDREN OF MEN (Alfonso Cuarón, 2006)


Als ich Children of Men anno 2007 zum ersten Mal sah, war ich schrecklich enttäuscht. Damals war ich entschlossen, Cuaróns Endzeit-Thriller endgültig zu den Akten zu legen. Und doch ist Children of Men einer jener seltenen Filme, bei denen sich trotz Missfallens im Laufe der Jahre schleichend das Bedürfnis nach einer erneuten Sichtung einstellt, verbunden mit dem unguten Gefühl, ihm womöglich Unrecht getan zu haben. Und tatsächlich: die erneute Sichtung brachte nun Qualitäten zu Tage, die mir vorher gänzlich verborgen geblieben sind. Zwar ist der Film im Grund genommen nichts weiter als ein zweistündiger Fluchtreport, allerdings sehr spannend und rasant inszeniert und zudem überzeugend gespielt - selbst die ansonsten immer überforderte Julianne Moore gefällt. Die größten Stärken aber sind die düstere Endzeitatmosphäre, die mich an den von mir sehr geschätzten Twelve Monkeys erinnerte sowie das beängstigend realistische Zukunftsszenario, das Cuarón entwirft. Damit meine ich weniger die Unfruchtbarkeit der Menschheit, sondern die weltweite Regentschaft von Chaos und Anarchie. Durchaus denkbar, dass uns eine ähnliche Entwicklung bevorsteht, zumal die Destabilisierung der Welt zwar langsam, aber doch klar erkennbar voranschreitet. Und wenn die Zukunft tatsächlich so aussehen sollte wie in Children of Men, dann hoffe ich inständig, sie nicht mehr erleben zu müssen.


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DEAD MAN DOWN (Niels Arden Oplev, 2013)


Ein düsterer kleiner Rachethriller mit guter Story und zwei starken Hauptdarstellern (Colin Farrell und Noomi Rapace). Zwei einsame Seelen, deren Leben durch die traumatischen Ereignisse der Vergangenheit geprägt sind, auf der Suche nach Erlösung, die beide darin sehen, sich für das zu rächen, was ihnen angetan wurde. Die Inszenierung besticht durch eine ruhige, unterkühlte Erzählweise, die am Ende das Tempo mächtig anzieht und in einem mitreißenden Showdown mündet. Der Plot wirkt stellenweise etwas konstruiert, was aber nicht weiter stört. Dead Man Down bietet zwei Stunden äußerst kurzweilige Unterhaltung und ist damit der ideale Film für einen verregneten Sonntag Nachmittag.


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HOBO WITH A SHOTGUN (Jason Eisener, 2011)


Überharte Umsetzung eines Grindhouse-Fake-Trailers, dem jeglicher Humor abgeht. Einige der Tötungsszenarien sind durchaus originell, doch hat man ständig das Gefühl, dass sich der Film zu ernst nimmt. Der große Spaßfaktor, der beispielsweise Machete oder auch Planet Terror auszeichnete, fehlt hier völlig. Dies mag auf die geringe Erfahrung des Kanadiers Jason Eisener zurückzuführen sein, der mit Hobo sein Spielfilmdebut gab, nachdem er Tarantino und Rodriguez mit dem gleichnamigen Fake-Trailer begeistern konnte. Die comichaft überzeichneten Figuren am Rande der Lächerlichkeit sorgen zwar durchaus für eine gewisse Komik, doch eher in dem Sinne, dass sie die Nerven des Rezipienten arg strapazieren. Die Leistungen der Darsteller sind größtenteils unterirdisch, nur Rutger Hauer ragt hier positiv heraus und macht gute Miene zum bösen Spiel. Der größte Schwachpunkt aber ist die lahme Inszenierung, die statt Spannung sehr schnell Langeweile aufkommen lässt. Womöglich kommt Eisener den Grindhouse-typischen B-Movies der 70er sogar recht nah, doch macht dies Hobo nicht zu einem besseren Film. Insgesamt enttäuschend, ich jedenfalls hatte mir deutlich mehr versprochen.


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PUSHER (Luis Prieto, 2012)


Mit Remakes ist das ja immer so eine Sache: die meisten sind überflüssig wie nur was und können dem Original nur selten das Wasser reichen. Im besten Fall gelingt es, die Stärken des Originals zu reproduzieren und um zusätzliche Werte zu bereichern. Das Remake des Refn-Debuts Pusher gehört leider nicht zu diesen seltenen Fällen. Weder gelingt es, die Stärken des Originals beizubehalten, die in erster Linie der dreckige, authentische Look und die detailliert gezeichneten Charaktere waren, noch kann der Spanier Luis Prieto mit eigenen Ideen aufwarten oder neue Akzente setzen. Im Gegenteil: sein Pusher ist eine auf Hochglanz polierte, inhaltlich identische, dabei aber auch weichgespülte Version der dänischen Vorlage, die allerdings aufgrund der rasanten, dynamischen Inszenierung so schlecht nicht ist. Und wenn wir schon bei den positiven Aspekten sind: Zlatko Buric ist wieder mit von der Partie und spielt die gleiche Rolle wie ehedem, wenn auch sichtlich gealtert, und die weibliche Hauptrolle kommt in Person des Fotomodells Agyness Deyn wesentlich attraktiver daher als Laura Drasbæk im Original. Das war's aber auch schon, denn ansonsten gibt es wenig Erfreuliches zu vermelden. Die Ausstattung ist deutlich aufwändiger und stylischer, doch geht dies zu Lasten der Atmosphäre und der Realitätsnähe. Richard Coyle macht seine Sache ordentlich, kann aber Kim Bodnia nicht das Wasser reichen. Vor allem aber ist sein Charakter deutlich flacher angelegt, seine im Original vorhandene Angst vor körperlicher Nähe lässt Prieto völlig unter den Tisch fallen. Unter dem Strich ist Pusher ein recht unterhaltsamer Film, der aber viele Stärken des Originals vermissen lässt und sich dadurch entbehrlich macht.


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ALL IS LOST (J. C. Chandor, 2013)


Was für ein großartiger Film! Robert Redford ist der einzige Darsteller und trägt den Film mit einer bärenstarken Leistung souverän über die gut 100 Minuten. Außer dem Abschiedsbrief am Anfang und einem abgesetzten Notruf spricht er nichts, doch glaubt man stets zu wissen, was in seinem Innern vorgeht. Chandor verzichtet auf jeden überflüssigen Schnickschnack, man sieht nur einen Mann auf seinem Boot in einem aussichtslosen Kampf gegen die Elemente. Ein Kammerspiel auf hoher See. Und obwohl man schon früh ahnt, dass er diesen Kampf verlieren wird, herrscht die ganze Zeit über eine atemlose Spannung, die nur wenig Gelegenheit zum Verschnaufen bietet. Das Ende lässt dann Deutungen in zwei Richtungen zu, und so bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich auszumalen, was tatsächlich passiert ist. In jedem Fall bedeutet es eines: Erlösung. Großes Kino.


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PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn, 2005)


Ein würdiger Abschluss der Kopenhagener Trilogie, der den beiden Vorgängern in nichts nachsteht und deren Niveau mühelos halten kann. Dieses Mal steht Milo im Zentrum der Erzählung, der schon im ersten Pusher mein Lieblingscharakter war. Damit hat Pusher 3 in jedem Fall den sympathischsten Protagonisten. Was Teil 3 von den ersten beiden unterscheidet, ist der Humor, den Refn immer wieder mehr oder weniger dezent einsetzt. Ob es nun Milos Kochkünste sind, die alle seine Gehilfen mit Magenbeschwerden außer Gefecht setzen, Milos regelmäßige Besuche bei den anonymen Drogenabhängigen oder die witzigen Schlachthausszenen gegen Ende, wenn die zur Strecke gebrachten Gegenspieler wie Schweinehälften an die Decke gehängt und fachmännisch zerlegt werden: Pusher 3 bietet eine Menge zum Schmunzeln. Dadurch bekommt er stellenweise eine fast heitere Note, die ihn atmosphärisch von den beiden eher düsteren Vorgängern unterscheidet. Gleichbleibend hingegen ist die durchgehend hohe Qualität, die alle drei Teile auszeichnet. Alles in allem eine tolle Trilogie mit drei etwa gleich starken Filmen, von denen jeder - ungeachtet der unterschiedlichen Machart - seinen ganz eigenen Reiz hat.

Nicolas Winding Refn


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THE GRANDMASTER (Wong Kar-Wai, 2013)


Bei den Filmen Wong Kar-Wais habe ich für gewöhnlich das Problem, dass es mir nur mit Mühe gelingt mich wachzuhalten. Mehrfach bin ich schon bei seinen Filmen eingeschlafen. Dies war bei The Grandmaster zwar nicht der Fall, doch weist auch er einige Längen auf, die es mir nicht leicht machten, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Zweifellos bietet Wong schöne Bilder und hervorragend choreografierte Kampfszenen, wenn auch die Zeitlupen für meinen Geschmack etwas zu häufig zum Einsatz kommen. Die Handlung dazwischen, die Episoden aus dem Leben des Yip Man erzählt, der vor allem dadurch Berühmtheit erlangte, dass er der Lehrmeister von Bruce Lee war, wirkt beliebig und zum Teil auch zusammenhanglos. Ein roter Faden ist nicht erkennbar, und so sind es in erster Linie die narrativen Schwächen, die neben den tollen Kampfszenen in Erinnerung bleiben. Und natürlich die wie immer bezaubernde Zhang Ziyi.


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BLEEDER (Nicolas Winding Refn, 1999)


Bleeder erzählt von ein paar Filmfreunden in Kopenhagen, die sich regelmäßig treffen, um zusammen ihrem Hobby zu frönen. Dabei griff Refn zum Teil auf das bewährte Personal aus dem Vorgängerfilm zurück. Im Zentrum des Films steht wieder Kim Bodnia, dieses Mal in der Rolle von Leo, der sich mit dem Gedanken anzufreunden versucht, bald Vater zu werden. Hat man anfangs den Eindruck, dass ihm das ganz gut gelingt, neigt er im weiteren Verlauf zunehmend zu Gewaltausbrüchen seiner schwangeren Freundin gegenüber. In der härtesten Szene des Films tritt er auf sie ein, während sie wehrlos am Boden liegt, und tötet dabei das Ungeborene. Auch wieder mit von der Partie ist Mads Mikkelsen. Er spielt einen völlig verklemmten Filmfreak, der ein Auge auf eine Imbiss-Angestellte geworfen hat und bei seinen Annäherungsversuchen derart unbeholfen zu Werke geht, dass man meint, ihm dabei helfen zu müssen. Wie schon Pusher strahlt auch Bleeder eine rohe, ungezügelte Kraft aus und lässt den Zuschauer daran teilhaben, wie das seinen Figuren innewohnende Gewaltpotential immer stärker hervortritt und in einem schockierenden Finale kulminiert. Und auf die bekloppte Idee, sich an jemandem dadurch zu rächen, dass man ihn absichtlich mit HIV infiziert, muss man erst mal kommen.

Nicolas Winding Refn


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BYZANTIUM (Neil Jordan, 2012)


The world will be more beautiful without you.

Knapp zwanzig Jahre nach Interview with the Vampire versucht sich Neil Jordan erneut am Genre des Blutsaugerfilms. Im Mittelpunkt stehen zwei weibliche Vampire - Mutter und Tochter - die sich auf der Suche nach Blut und einer sicheren Bleibe durchs Leben schlagen. Die notwendigen finanziellen Mittel besorgt die Mutter, indem sie sich als Prostituierte verdingt, was wiederum der Tochter missfällt. Diese mag sich auch nach 200 Jahren nicht mit ihrer Daseinsform und der daraus resultierenden Einsamkeit abfinden und verliebt sich in den an Leukämie erkrankten Frank.

Byzantium bezieht seinen Reiz in erster Linie aus dem Gegensatz zwischen der pragmatischen, auf die Gegenwart fixierten Clara und ihrer melancholischen, mit ihrer Existenz hadernden Tochter Eleanor. Das Problem der Nahrungsbeschaffung lösen beide auf ihre Weise: während Eleanor ausschließlich Menschen am Ende ihres Lebens tötet, sie wie ein Todesengel - teils sogar mit deren Einverständnis - erlöst, trachtet Clara bevorzugt Kriminellen oder zumindest moralisch verkommenen Subjekten nach dem Leben. Auch der eigentliche Tötungsakt geht ganz entgegen der "üblichen" Praxis vonstatten; statt Reißzähnen wird der spitze Fingernagel benutzt, um dem Opfer die todbringende Wunde zuzufügen. In den Mittelpunkt der Erzählung stellt Jordan Eleanors Einsamkeit, ihre Sehnsucht nach Liebe oder wenigstens vollwertiger Gesellschaft. Sie führt ein Leben im Verborgenen, immer auf der Flucht, in schicksalhafter Gemeinschaft mit ihrer Mutter verbunden. Am Ende schließlich gelingt ihr die Emanzipation, der Abschluss eines langwierigen Abnabelungsprozesses.

Jordan erzählt die Geschichte in ruhigen Bildern und verlässt sich ganz auf die Strahlkraft seiner beiden Hauptdarstellerinnen. Insbesondere die erst achtzehnjährige Saoirse Ronan liefert eine hervorragende Leistung ab. Der Spanier Javier Navarrete, dessen Arbeit mich schon bei del Toros El laberinto del fauno begeistern konnte, sorgt für die passende musikalische Untermalung, die die melancholische Grundstimmung wunderbar unterstreicht.


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AND THEN THERE WERE NONE (René Clair, 1945)


Als Jugendlicher hatte ich eine große Vorliebe für Kriminalgeschichten. Ich las damals alles, was ich davon in die Finger bekommen konnte, am liebsten jedoch die Bücher von Edgar Wallace und Agatha Christie. Mein absoluter Favorit war seinerzeit Agatha Christies Zehn kleine Negerlein, das ich erst vor wenigen Wochen nochmal gelesen habe. Und damals wie heute gilt: müsste ich eine Liste mit den besten mir bekannten Kriminalgeschichten machen, Zehn kleine Negerlein stünde ganz oben auf der Liste.

And then there were none - unter diesem Titel wurde der Roman auch seinerzeit in den USA veröffentlicht - ist die erste filmische Umsetzung des Stoffes, wobei es sich leider nicht um eine Verfilmung des Buches handelt, sondern um eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks, das Christie 1943 geschrieben hat. Ich schreibe "leider", weil das Ende für die Bühne stark verändert wurde und bei weitem nicht an das des Buches herankommt. Doch auch davon abgesehen kann Clairs Film nicht völlig überzeugen. Die darstellerischen Leistungen schwanken zwischen bescheiden und durchschnittlich, vor allem aber fehlt es an einer bedrohlichen Atmosphäre. Man hat nie das Gefühl, dass die Akteure ihr Leben tatsächlich akut bedroht sehen, auch wenn einer nach dem anderen dahingerafft wird. Lustig sind auch die Namensänderungen, die man bei den Charakteren vorgenommen hat. Auch wenn sie letztlich bedeutungslos sind, will sich mir der Sinn nicht erschließen. Unter dem Strich ist Clair zwar ein recht spaßiger und unterhaltsamer Film gelungen, richtig überzeugen kann er aber nicht. Und im direkten Vergleich mit dem meisterhaften Roman wirkt er geradezu kümmerlich.


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FLYING SWORDS OF DRAGON GATE (Tsui Hark, 2011)


Nett gemachter Wuxia-Streifen mit ziemlich wirrer Story und extrem schlecht synchronisiertem "O-Ton". Die Dialoge der Mandarin-Tonspur klingen derart beschissen, dass ich nach wenigen Minuten auf die deutsche Synchro ausgewichen bin, die wenigstens einen Ansatz von Räumlichkeit vermittelt. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine Fortsetzung des Films New Dragon Gate Inn aus dem Jahr 1992, den ich nicht kenne. Die Kampfszenen sind gut choreografiert und hübsch anzuschauen, doch ist Flying Swords of Dragon Gate ganz gewiss kein Film, der längere Zeit im Gedächtnis bleibt. Leidlich unterhaltsam und nett anzuschauen ist er dennoch.


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MAGNOLIA (Paul Thomas Anderson, 1999)


Groß angelegter Ensemblefilm, der verschiedene, zunächst voneinander unabhängige Geschichten erzählt, die sich am Ende teilweise kreuzen. Ich habe Magnolia vor vielen Jahren schonmal gesehen und fand ihn damals etwas langatmig. Dieses Mal hat er mir deutlich besser gefallen, zu keiner Zeit kam so etwas wie Langeweile auf - der stattlichen Spieldauer von mehr als drei Stunden zum Trotz. Zentrale Themen des Films sind die nicht abgeschlossene Aufarbeitung der Vergangenheit und das Versagen von Männern in ihrer Vaterrolle, das gleich in mehreren Varianten unterschiedlicher Schwere durchgespielt wird. Wobei insbesondere das Vater-Sohn-Verhältnis ohnehin ein immer wiederkehrendes Thema bei P.T.A. ist. Auffällig ist die Liebe zum Detail, die Magnolia zu einem Film macht, bei dem es ungeheuer viel zu entdecken gibt. So viel, dass eine Sichtung dafür gar nicht ausreicht. Die Darstellerleistungen sind durchweg hervorragend, selbst Tom Cruise kann überzeugen. Lediglich Julianne Moore fällt durch eine schwache Leistung aus dem Rahmen, sieht dafür aber wenigstens adrett aus.

Paul Thomas Anderson


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FEAR X (Nicolas Winding Refn, 2003)


Fear X war Refns erster Versuch, im amerikanischen Filmgeschäft Fuß zu fassen. Dieser ging gründlich schief und bescherte dem dänischen Regisseur vor allem eines: einen Haufen Schulden. Dabei ist der Film alles andere als schlecht und hat mit John Turturro zudem einen erstklassigen Hauptdarsteller zu bieten. Inszenatorisch erinnert Fear X an Refns aktuelle Werke und wirkt wie ein früher Versuch, den inzwischen mit Inbrunst zelebrierten Stil zu etablieren. Die Handlung reduziert sich auf die Besessenheit des Protagonisten, den Mörder seiner Frau zu finden oder genauer, den Grund herauszubekommen, warum sie getötet wurde. Die Lynch-Anleihen sind auch hier deutlich zu spüren, u. a. in den düsteren Aufnahmen langer Flure und Hotelzimmer. Hervorragend gelungen ist das Sound-Design, das durch unheilvoll wabernde oder brummende Geräusche eine bedrohliche Atmosphäre schafft. Auch der Schluss gefällt und lässt Interpretationen in mehrere Richtungen zu. Insgesamt trotz einiger Längen im Mittelteil ein durchaus stimmiger und sehenswerter Film, der aber nicht an die Klasse der aktuellen Arbeiten des Regisseurs heranreicht.

Nicolas Winding Refn


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BRONSON (Nicolas Winding Refn, 2008)


Bronson erzählt kleinere Episoden aus dem Leben des "most violent prisoner in Britain", die sich wohl größtenteils so ähnlich hinter britischen Gefängnismauern abgespielt haben. Ganz sicher kann man sich da nicht sein, denn abgesehen von der erzählerischen Freiheit des Filmemachers ist die objektive Richtigkeit des Gezeigten auch schon deshalb zweifelhaft, weil sämtliche Szenen aus der Sicht des Gefangenen gezeigt werden, so dass unklar bleibt, ob sich diese so zugetragen haben oder ob Bronson, der mit bürgerlichem Namen Michael Gordon Peterson heißt, diese Szenen aus seiner subjektiven Perspektive so wahrgenommen hat (in Bezug auf die Person im Film natürlich). Nun hätten vermutlich die meisten Regisseure, so sie einen Film über Bronson gemacht hätten, versucht, Erklärungen für sein Verhalten zu liefern und ihn damit für den Zuschauer ein Stück weit sympathisch zu machen. Nicht so Refn: sein Bronson ist ein durch und durch asoziales Subjekt, unfähig sich in einem normalen Umfeld außerhalb des Gefängnisses zu bewegen, nur an körperlicher Konfrontation interessiert. Zwischen ihm und dem Zuschauer bleibt immer eine Distanz, die es nahezu unmöglich macht, so etwas wie Sympathie oder Verständnis für ihn aufzubringen. Im Gegenteil: man genießt es geradezu, wenn er von den Gefängniswärtern ordentlich auf die Fresse kriegt. Das Erstaunliche dabei ist, dass Bronson dennoch ein äußerst spannender und sehr kurzweiliger Film geworden ist, bei dessen Sichtung die Zeit wie im Flug vergeht. Die Erzählweise ist größtenteils chronologisch, doch gibt es immer wieder Szenen, bei denen die zeitliche Einordnung nicht ganz klar ist. Interessant sind auch die immer wieder eingestreuten Auftritte Bronsons auf einer Showbühne vor imaginärem Publikum, in denen er seine Sicht der Dinge im Stile eines Theaterschauspielers schildert. Ich habe diese Exkurse als Ausgeburt seiner Phantasie interpretiert, beispielsweise Gedanken, wie sie einem abends vor dem Einschlafen durch den Kopf gehen. Gleichzeitig weisen sie natürlich auch auf die starken kreativen Fähigkeiten Bronsons hin, die im letzten Teil des Films in den Mittelpunkt rücken, als er beginnt, sich künstlerisch zu betätigen. Ein besonderes Lob gebührt dem Hauptdarsteller Tom Hardy, der vollkommen in seiner Rolle aufgeht und eine Performance hinlegt, die am besten mit dem Wort "animalisch" zu beschreiben ist.

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ONLY GOD FORGIVES (Nicolas Winding Refn, 2013)


And how many cocks can you entertain with that cute little cum dumpster of yours?

Only God forgives ist nun der fünfte Refn-Film, den ich gesehen habe. Während der Sichtung fiel mir auf, wie stark sich Refns drei letzte Filme (God, Drive, Valhalla) inhaltlich und stilistisch von den Pusher-Filmen unterscheiden. Stand dort noch eine stimmungsvolle Millieu-Studie mit sorgsam ausgearbeiteten Charakteren, sind es nunmehr die betörend schönen Bilder artifizieller Sets und hypnotischen Bilderfolgen, untermalt von atmosphärischen Klängen, die im Vordergrund stehen. Eine Handlung wird nur noch in Ansätzen skizziert, gesprochen wird wenig, Identifikationsfiguren oder gar Helden gibt es keine (wobei Drive beim letzten Punkt etwas aus dem Rahmen fällt). Wie schon die beiden Vorgänger wirkt Only God forgives wie eine Aneinanderreihung ausdrucksstarker Bilder, wie der (gelungene) Versuch, Stimmungen in kunstvoll ausgeleuchteten Bildern festzuhalten. Refn hat seine Vision von Bangkok, die er dem Zuschauer nahebringen will. Dass diese nicht viel mit der Realität zu tun hat, stört ihn wenig. Die vielen Aufnahmen von langen Fluren oder durch Türrahmen hindurch – meist streng symmetrisch ausgerichtet – erinnerten mich an Lynch, die konsequente Abarbeitung des Schuld-und-Sühne-Themas findet sich häufig in ähnlicher Weise beim Südkoreaner Kim Ki-duk. Interessant ist vor allem die Figur des Polizeichefs Chang: trotz seiner archaischen Vorstellungen von gerechter Strafe und obwohl er seine Opfer mit erkennbar sadistischer Freude ihrem Schicksal zuführt, tut er im Grunde genommen nichts moralisch Verwerfliches, da er lediglich die bestraft, die ihrerseits Böses getan haben. Einen derjenigen, die ihn töten wollten, lässt er sogar ungeschoren davonkommen, nachdem er merkt, dass er einen behinderten Jungen hat, der ohne ihn niemanden hätte, der für ihn sorgt. Am Ende sind alle Bösen bestraft und Chang kann in Ruhe sein Liedchen trällern.

Nicolas Winding Refn


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ELYSIUM (Neill Blomkamp, 2013)


Nach dem großartigen District 9 war meine Erwartungshaltung bezüglich Blomkamps zweitem Film entsprechend hoch. Insofern verlief die Sichtung von Elysium ein Stück weit ernüchternd. Das soll nicht heißen, dass der Film schlecht ist, doch lässt er Witz und Esprit des Vorgängers vermissen. Elysium ist aufwendiger, teurer und größer und verfügt mit Matt Damon und Jodie Foster über zwei Hollywood-Stars, die etwas Glanz in die Hütte bringen. Die Story liefert einen interessanten Ansatz, jedoch kommt dieser nicht über die Funktion eines bloßen Gimmicks hinaus. Was bleibt, ist ein rasant inszenierter Action-/SciFi-Thriller, der nicht langweilig wird, im Vergleich mit dem Vorgänger jedoch irgendwie seelenlos wirkt. Recht unterhaltsam ist er dennoch, aber eben auch nicht mehr.


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DISTRICT 9 (Neill Blomkamp, 2009)


Als das Debut des Südafrikaners Neill Blomkamp in die Kinos kam, las man allenthalben in Kritiken davon, dass es sich um eine Allegorie auf die Apartheid, respektive Rassismus im Allgemeinen handeln würde. Eine Aussicht, die meinen Eifer, den Film zu sichten, nicht gerade befeuerte. Umso erstaunlicher, dass diese Einschätzung, die von zahlreichen Kritikern seinerzeit vertreten wurde, völlig fehlgeleitet ist. Natürlich ist District 9 weder eine Allegorie auf das eine noch das andere, das wird dem unvoreingenommenen Rezipienten bereits nach kurzer Zeit klar. Die Art und Weise, wie die Prawns dargestellt werden, nämlich als degenerierte, triebgesteuerte Wesen, deren Hauptinteresse im Verzehr von Katzenfutter und der eigenen Reproduktion liegt, ist nicht dazu angetan, Mitgefühl mit ihnen zu evozieren. Die einzige Ausnahme bildet der anscheinend deutlich intelligentere Christopher Johnson, der mit seinem Sohn heimlich daran arbeitet, das Mutterschiff startklar zu bekommen, um damit zum Heimatplaneten zurückkehren zu können. Zudem wird hier gleich ein ganzes Volk munter verunglimpft, indem die Niederträchtigkeit und Bösartigkeit der im Ghetto hausenden Nigerianer bei jeder Gelegenheit betont wird. District 9 könnte in Bezug auf die zur Rede stehenden Themen also allenfalls als Satire durchgehen. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen reinen Genrefilm. Und die Tatsache, dass Blomkamp sich bei der Ausgestaltung des Ghettos von der Vergangenheit Südafrikas hat inspirieren lassen, ist ebenso passend wie naheliegend.

Interessanter ist da schon die Art und Weise, wie er die Geschichte erzählt, nämlich als Vermengung dokumentarisch angehauchten Materials und herkömmlicher Erzähltechnik. Dies ist clever, denn damit erreicht er einen schnellen Einstieg in die Thematik, spart sich eine lange Einleitung und produziert ganz nebenbei eine atemlose Spannung, weil schon am Anfang angedeutet wird, dass die geplante Umsiedlungsaktion schiefgehen und etwas Schreckliches passieren wird. Erstaunlich auch, wie professionell das alles aussieht, angesichts des in der heutigen Zeit bescheiden anmutenden Budgets von 30 Millionen Dollar. Natürlich kommt einem Vieles bekannt vor, Blomkamp bedient sich ganz dreist u. a. bei Cronenbergs The Fly oder Verhoevens Starship Troopers, doch wer will ihm das verübeln? Die Mischung stimmt jedenfalls, die Story ist witzig und originell, die Special Effects sind größtenteils gelungen und die rasante, temporeiche Inszenierung lässt keine Sekunde Langeweile aufkommen. Ein höchst eindrucksvolles Debut, dass der Südafrikaner da abgeliefert hat.


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BONNIE AND CLYDE (Arthur Penn, 1967)


Penns Verfilmung der berühmten Geschichte um Bonnie Parker und Clyde Barrow und ihre Gang ist nicht die erste, ganz sicher aber die bedeutendste und auch eine der schönsten Umsetzungen des Stoffes. Nicht umsonst zählt man sie zu den Wegbereitern des New Hollywood.

Penns Version der Geschichte romantisiert das Geschehen um das Gangsterpärchen, dargestellt von Warren Beatty, der auch als Produzent fungierte, und einer atemberaubend schönen Faye Dunaway, und bringt den Zuschauer damit dazu, mit den beiden zu sympathisieren. Damit war er stilprägend für später nachfolgende Filme, die das Thema aufgriffen oder variierten, sei es Scotts Thelma & Louise oder Stones NBK. Beachtlich in jedem Fall der für die damalige Zeit deftige Gewaltgrad des Films. Zudem hat bis dahin kaum ein Film das Konzept des Roadmovies derart verinnerlicht wie Penns Film, spielt hier doch beinahe jede Szene direkt im oder in unmittelbarer Nähe des Autos. Bonnie and Clyde ist ein zeitloser Klassiker des amerikanischen Kinos, und ein sehr einflussreicher dazu. Und auch 45 Jahre später ist er immer noch wunderbar anzuschauen.


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THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG (Peter Jackson, 2013)


Nachdem ich den ersten Teil nur im herkömmlichen 2D im Kino gesehen hatte, gönnte ich mir dieses Mal die 3D-Vorstellung mit doppelter Framerate - mit Rücksicht auf meine Tochter, die mich begleitete, jedoch nur in der synchronisierten Fassung. Wobei dies bei den Mittelerde-Filmen kein großes Manko ist, da sowohl die HdR- als auch die Hobbit-Reihe sehr gut synchronisiert wurde - das muss selbst ich als eingefleischter Synchro-Hasser anerkennen. Die Synchronstimme von Smaug erinnerte mich übrigens an Till Lindemann von Rammstein - er ist es aber nicht.

Nun denn: der zweite Hobbit-Film ist actionlastiger und weniger "kindlich" als der erste, aber dennoch nicht ganz so gut wie jener. Atmosphärisch fand ich den ersten Teil stimmiger. Zudem ist die Flussfahrt mit den Fässern im zweiten Teil zu sehr durchchoreografiert und erinnert teilweise mehr an ein Videospiel als an einen Kinofilm. Doch ist das Jammern auf hohem Niveau, denn unter dem Strich ist auch The Desolation of Smaug ein rundum gelungener Film geworden, der nun mal mit dem Makel zu kämpfen hat, dass er den Mittelteil einer Dreierserie bildet, also weder einen richtigen Anfang noch ein Ende hat. Das hatte seinerzeit auch schon The Two Towers etwas zu schaffen gemacht. Erfreulich ist, dass es Jackson gekonnt vermieden hat, sich bei den Actionszenen zu wiederholen, sondern stattdessen mit neuen Ideen aufwarten kann. Ein paar neue Charaktere gibt's auch, ebenso wie altbekannte Elben aus den HdR-Filmen. Höhepunkt des Films ist sicherlich die Szene, in der Gandalf erfolglos versucht, die sich ausbreitende Dunkelheit mit Licht zu bekämpfen. Dies wurde von Jackson schlichtweg grandios inszeniert, womit er einmal mehr unter Beweis stellt, welch visionärer Filmemacher er ist. Und das Problem mit dem fehlenden Ende löst er auf äußerst elegante Weise: mit einem ebenso fiesen wie gelungenen Cliffhanger im klassischen Sinne, der nochmal kräftig den Appetit auf Teil 3 anheizt.

Peter Jackson


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THE LONE RANGER (Gore Verbinski, 2013)


Pirates of the Caribbean im Wilden Westen – auf diese einfache Formel lässt sich The Lone Ranger reduzieren. An den Unterhaltungswert des ersten Piratenfilms kommt er zwar nicht heran und stellenweise gestaltet sich das Treiben arg albern – insbesondere im zu lang geratenen Finale – doch macht das Ganze durchaus Spaß. Die eigentlich zentrale, weil titelgebende Figur lässt Johnny Depp mit seiner aus den Piratenfilmen hinlänglich bekannten Performance erwartungsgemäß zur Randfigur verkommen. An der ein oder anderen Stelle hätte dem Film eine Kürzung gut zu Gesicht gestanden, doch kommt es nicht soweit, dass man sich langweilt. Seinem Anspruch, kurzweilige und anspruchslose Unterhaltung zu bieten, wird der Film in jedem Fall gerecht, und mehr will er auch gar nicht.


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PUSHER II (Nicolas Winding Refn, 2004)


Der 2. Pusher-Film nimmt sich der Figur des Tonny (Mads Mikkelsen) an, der im ersten Teil vor allem dadurch auffiel, dass er seinen Kumpel Frank an die Polizei verraten hat. Man merkt dem Film an, dass Refn inzwischen ein paar Filme gedreht hatte und über mehr Erfahrung verfügte, denn Pusher II wirkt reifer und souveräner als der Vorgänger, ohne dabei jedoch an Intensität und Authentizität zu verlieren. Kam bei diesem noch oft die Handkamera zum Einsatz, wurde dies hier deutlich reduziert. Und auch der Drogenhandel spielt nicht mehr die zentrale Rolle, wenn auch der Konsum des Stoffes omnipräsent ist. Vielmehr rückt Refn den Vater-Sohn-Konflikt in den Mittelpunkt. Auch dies ist nicht sonderlich originell, erzählt er doch die typische "Sohn-kämpft-um-Respekt-und-Anerkennung-durch-den-Vater"-Geschichte, doch wie schon beim Vorgänger sorgen die sympathischen Charaktere und die erstklassigen Darsteller - allen voran Mikkelsen - dafür, dass keine Spur von Langeweile aufkommt. Und so ist Pusher II unter dem Strich sogar noch eine Idee besser als der erste Film. Bei Filmserien eher die Ausnahme als die Regel, aber umso erfreulicher.

Nicolas Winding Refn


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PUSHER (Nicolas Winding Refn, 1996)


Refns Debut gewährt einen authentischen und äußerst intensiven Einblick in die Kopenhagener Unterwelt. Der Reiz des Films liegt weniger in der Story, die nichts Besonderes bietet, sondern einem kleinen Drogendealer folgt, der durch Pech und Ungeschicklichkeit von einer Schwierigkeit in die nächste stolpert. Vielmehr sind es die detailliert gezeichneten Charaktere, die ungeachtet dessen was sie tun allesamt irgendwie sympathisch rüberkommen, was nicht zuletzt natürlich ein Verdienst der hervorragenden Darsteller ist. Und Kim Bodnia sehe ich sowieso gerne. Pusher ist ein äußerst fesselnder kleiner Film, der förmlich danach schreit, sich weitere Geschichten aus der Kopenhagener Drogenszene zu Gemüte zu führen. Glücklicherweise gibt es ja noch zwei Fortsetzungen...

Nicolas Winding Refn


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PASSION (Brian de Palma, 2012)


Nach dem grausigen Redacted tut es gut, de Palma wieder in alter Form zu sehen. Dafür hat er sich auch immerhin fünf Jahre Zeit gelassen. Passion ist vor allem eine große Selbstreferenz und ganz offensichtlich de Palmas Weg zurück zu seinen eigenen Wurzeln. Es handelt sich dabei um ein Remake des mir unbekannten Thrillers Love Crime des Franzosen Alain Corneau. Etwas merkwürdig mutet die Ansiedlung der Geschichte in Berlin an, wobei die Stadt an sich keine Rolle spielt. Wahrscheinlich waren dafür eher praktische Gründe ausschlaggebend: de Palma drehte in Babelsberg, da lag es nahe, Berlin als Schauplatz zu verwenden. Die deutsch sprechenden Kommissare, die natürlich auch von deutschen Darstellern gespielt werden, verleihen Passion etwas Provinzielles und lassen den Film stellenweise fast wie eine Tatort-Folge wirken. Toll ist in jedem Fall Rachel McAdams als skrupelloses, intrigantes Biest.

Passion bietet all das, was einen guten de-Palma-Film ausmacht: eine spannungsreiche, mit vielen Wendungen versehene Story, die der Grenze zur Absurdität gefährlich nahekommt, ambivalente, undurchsichtige Charaktere, eine Prise Erotik, eine famose Bildregie und natürlich die fast schon obligatorische Splitscreen-Szene. Absolut gelungen.

Brian de Palma





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Tommy The Cat
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