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Camelback Cinema

Tommy The Cats filmische Sternstunden




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RYAN'S DAUGHTER (David Lean, 1970)



Immer wieder faszinierend zu sehen, wie Lean es schafft, eine im Grunde genommen einfache Geschichte auf epische Größe aufzublasen, wobei das Wort „aufblasen" keineswegs negativ gemeint ist. Im Gegenteil: hätte ein x-beliebiger anderer Regisseur diese doch eher triviale Geschichte verfilmt, wäre vermutlich ein langweiliger, uninteressanter Streifen herausgekommen, ein typischer Frauenfilm. Nicht so bei Lean: durch die geschickte Integration eines politischen Hintergrundes und die sprachlos machende Bildsprache schafft er es wie schon bei Doctor Zhivago und später A Passage to India, den Zuschauer unvermittelt in den Film hineinzusaugen und ihn nach dreieinhalb Stunden wieder hochzufrieden zu entlassen. Dabei hat man aber nie das Gefühl, einen politischen Film zu sehen. Lean verliert sein eigentliches Thema nie aus den Augen und setzt den Focus klar auf die mit ihrer Ehe unzufriedene Rosy Ryan, die sexuelle Erfüllung bei dem jungen britischen Major Doryan sucht und findet. Den irischen Osteraufstand nutzt er dabei lediglich als Hintergrund, um seine Figuren und die Geschichte in seinem Kontext zu verorten, ähnlich wie die russische Oktoberrevolution beim Vorgänger. Die größten Schauwerte des Films sind zweifellos die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen der irischen Halbinsel Dingle. Hervorzuheben außerdem die erstklassige Besetzung bis in die Nebenrollen, wobei mich das Wiedersehen mit Trevor Howard besonders gefreut hat.

Auffällig sind die Parallelen zwischen Rosy Ryan und Adela Quested aus Leans letztem Film A Passage to India. Beide sind mit ihren jeweiligen Männern unzufrieden und stürzen sich auf der Suche nach der sexuellen Erfüllung selbst ins Unglück – auf unterschiedliche Weise natürlich. Die Klasse von A Passage to India erreicht Ryan's Daughter dabei nicht ganz, aber die seinerzeit teilweise sehr harschen Kritiken hat der Film nicht verdient. Auch wenn er inzwischen quasi rehabilitiert ist und bei den Liebhabern von Leans Filmen den Status erreicht hat, den er verdient, waren diese völlig überzogenen Kritiken der Grund dafür, dass einer der größten Regisseure, die die Welt je gesehen hat, eine Schaffenspause von fast 14 Jahren einlegte. Und das ist angesichts der Klasse seiner Filme beinahe als tragisch zu bezeichnen.

David Lean



Filmtagebuch von...

Tommy The Cat
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