Bronson erzählt kleinere Episoden aus dem Leben des "most violent prisoner in Britain", die sich wohl größtenteils so ähnlich hinter britischen Gefängnismauern abgespielt haben. Ganz sicher kann man sich da nicht sein, denn abgesehen von der erzählerischen Freiheit des Filmemachers ist die objektive Richtigkeit des Gezeigten auch schon deshalb zweifelhaft, weil sämtliche Szenen aus der Sicht des Gefangenen gezeigt werden, so dass unklar bleibt, ob sich diese so zugetragen haben oder ob Bronson, der mit bürgerlichem Namen Michael Gordon Peterson heißt, diese Szenen aus seiner subjektiven Perspektive so wahrgenommen hat (in Bezug auf die Person im Film natürlich). Nun hätten vermutlich die meisten Regisseure, so sie einen Film über Bronson gemacht hätten, versucht, Erklärungen für sein Verhalten zu liefern und ihn damit für den Zuschauer ein Stück weit sympathisch zu machen. Nicht so Refn: sein Bronson ist ein durch und durch asoziales Subjekt, unfähig sich in einem normalen Umfeld außerhalb des Gefängnisses zu bewegen, nur an körperlicher Konfrontation interessiert. Zwischen ihm und dem Zuschauer bleibt immer eine Distanz, die es nahezu unmöglich macht, so etwas wie Sympathie oder Verständnis für ihn aufzubringen. Im Gegenteil: man genießt es geradezu, wenn er von den Gefängniswärtern ordentlich auf die Fresse kriegt. Das Erstaunliche dabei ist, dass Bronson dennoch ein äußerst spannender und sehr kurzweiliger Film geworden ist, bei dessen Sichtung die Zeit wie im Flug vergeht. Die Erzählweise ist größtenteils chronologisch, doch gibt es immer wieder Szenen, bei denen die zeitliche Einordnung nicht ganz klar ist. Interessant sind auch die immer wieder eingestreuten Auftritte Bronsons auf einer Showbühne vor imaginärem Publikum, in denen er seine Sicht der Dinge im Stile eines Theaterschauspielers schildert. Ich habe diese Exkurse als Ausgeburt seiner Phantasie interpretiert, beispielsweise Gedanken, wie sie einem abends vor dem Einschlafen durch den Kopf gehen. Gleichzeitig weisen sie natürlich auch auf die starken kreativen Fähigkeiten Bronsons hin, die im letzten Teil des Films in den Mittelpunkt rücken, als er beginnt, sich künstlerisch zu betätigen. Ein besonderes Lob gebührt dem Hauptdarsteller Tom Hardy, der vollkommen in seiner Rolle aufgeht und eine Performance hinlegt, die am besten mit dem Wort "animalisch" zu beschreiben ist.
Nicolas Winding Refn
Nicolas Winding Refn