Verrückt nach Paris
Wenn man sich über das momentane Elend des deutschen Filmes informieren will, hat man es nicht besonders schwer. Ein Abend mit dem Programm der Werbeabspielstationen namens RTL, SAT1 oder Pro7 genügt meistens vollkommen. Man kann allerdings auch im Kino seine Zeit verplempern und sich zum Beispiel Verrückt nach Paris anschauen.
Dabei werden zu Beginn in einem sehr angenehmen quasidokumentarischen Stil Hilde, Karl und Philip vorgestellt, die in einem Behindertenwohnheim leben und in einer daran angeschlossenen Werkstatt Holzenten basteln. Doch liegen Liebeskummer, Streß mit dem Betreuer und Ärger mit anderen Mitbewohnern auf der Lauer. Und so nutzen die drei eine verpasste Gruppenreise als Chance, um nach Afrika auszubüchsen. Immerhin kommen sie bis Paris, wo sie ihr Betreuer einholt.
Dieser Film hätte ein charmantes Roadmovie werden können, ist jedoch eine einzige Pein. Weil es ja um eine gute Sache geht, kann man ruhig gleich alle Probleme der Welt mit reinpacken. Es findet keine Wichtung der Themen statt, Liebeskummer und strukturelle Probleme der Behindertenbetreuung werden in einem Atemzug abgehandelt. Die Dramaturgie ist holzschnittartig; die Konflikte werden nicht aufgebaut, sondern en passsant zwischen zwei Szenen gelöst. Die Leute sind, bis auf ein paar randalierende Jugendliche, alle so unglaublich nett zu den Behinderten, als ob man eine komprimierte Jahresstaffel der Lindenstraße sehen würde. Die Schauspieler (wobei mir Paula Kleine als Hilde und Frank Götsch als Karl noch positiv aufgefallen sind) stehen ständig etwas unmotiviert in der Gegend rum und man hört förmlich die Regisseure "Und Action!" rufen. Das alles wird auf der Tonspur vom Kammerorchester Bremen zugekleistert, wobei man die Wahl zwischen süßlichem Musikbrei, was eine positive Entwicklung anzeigen soll, und Streichergequieke hat, das etwas Erschröckliches ankündigt.
Was aber wirklich abnervt, ist die Tatsache, dass der Film zwar vorgibt, sich den Behinderten in guter Absicht zu nähern, aber sie häufig genug trotz alledem vorführt. Hilde ist clever genug, für Paris drei Schlafplätze zu organisieren, den Unterschied zwischen einem Pariser Hinterhof und Afrika kann sie aber nicht erkennen? Müssen behinderte Schauspieler für das Theaterstück, das in dem Heim aufgeführt wird, auf so dümmlich geschminkt sein, um glaubhaft ein Märchen darstellen zu können? Den Gipfel der Unmöglichkeit finde ich allerdings den Titel des Films. Für einen billigen Wortwitz wird den Behinderten eine Psychose angehängt, was durch nichts im weiteren Verlauf des Filmes gerechtfertigt ist.
Behindert ist man nicht, behindert wird man. Manchmal eben auch durch ein Zuviel des guten Willens. Rainer Werner, ich wünschte, ich könnte an Reinkarnation glauben!
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 9.9.2002
kino.de
Wenn man sich über das momentane Elend des deutschen Filmes informieren will, hat man es nicht besonders schwer. Ein Abend mit dem Programm der Werbeabspielstationen namens RTL, SAT1 oder Pro7 genügt meistens vollkommen. Man kann allerdings auch im Kino seine Zeit verplempern und sich zum Beispiel Verrückt nach Paris anschauen.
Dabei werden zu Beginn in einem sehr angenehmen quasidokumentarischen Stil Hilde, Karl und Philip vorgestellt, die in einem Behindertenwohnheim leben und in einer daran angeschlossenen Werkstatt Holzenten basteln. Doch liegen Liebeskummer, Streß mit dem Betreuer und Ärger mit anderen Mitbewohnern auf der Lauer. Und so nutzen die drei eine verpasste Gruppenreise als Chance, um nach Afrika auszubüchsen. Immerhin kommen sie bis Paris, wo sie ihr Betreuer einholt.
Dieser Film hätte ein charmantes Roadmovie werden können, ist jedoch eine einzige Pein. Weil es ja um eine gute Sache geht, kann man ruhig gleich alle Probleme der Welt mit reinpacken. Es findet keine Wichtung der Themen statt, Liebeskummer und strukturelle Probleme der Behindertenbetreuung werden in einem Atemzug abgehandelt. Die Dramaturgie ist holzschnittartig; die Konflikte werden nicht aufgebaut, sondern en passsant zwischen zwei Szenen gelöst. Die Leute sind, bis auf ein paar randalierende Jugendliche, alle so unglaublich nett zu den Behinderten, als ob man eine komprimierte Jahresstaffel der Lindenstraße sehen würde. Die Schauspieler (wobei mir Paula Kleine als Hilde und Frank Götsch als Karl noch positiv aufgefallen sind) stehen ständig etwas unmotiviert in der Gegend rum und man hört förmlich die Regisseure "Und Action!" rufen. Das alles wird auf der Tonspur vom Kammerorchester Bremen zugekleistert, wobei man die Wahl zwischen süßlichem Musikbrei, was eine positive Entwicklung anzeigen soll, und Streichergequieke hat, das etwas Erschröckliches ankündigt.
Was aber wirklich abnervt, ist die Tatsache, dass der Film zwar vorgibt, sich den Behinderten in guter Absicht zu nähern, aber sie häufig genug trotz alledem vorführt. Hilde ist clever genug, für Paris drei Schlafplätze zu organisieren, den Unterschied zwischen einem Pariser Hinterhof und Afrika kann sie aber nicht erkennen? Müssen behinderte Schauspieler für das Theaterstück, das in dem Heim aufgeführt wird, auf so dümmlich geschminkt sein, um glaubhaft ein Märchen darstellen zu können? Den Gipfel der Unmöglichkeit finde ich allerdings den Titel des Films. Für einen billigen Wortwitz wird den Behinderten eine Psychose angehängt, was durch nichts im weiteren Verlauf des Filmes gerechtfertigt ist.
Behindert ist man nicht, behindert wird man. Manchmal eben auch durch ein Zuviel des guten Willens. Rainer Werner, ich wünschte, ich könnte an Reinkarnation glauben!
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 9.9.2002
kino.de
*an denen dojtschstämmige schüler leiden würden weil sie wegen der scheißtürken kein schnitzel in der schulmensa bekämen.