8 mile
...und dann sitz ich also wieder mal im Kino, wie so viele Male schon, und ich denke mir "Ach du Scheiße, was soll das nur wieder werden", denn eine Reihe weiter vorne sitzt genau die Art Minimacker, die ich in so einem Film erwartet habe. Doch bevor ich es mir anders überlegen könnte, geht schon im Saal das Licht aus und ich grins meine Freunde an, denn die ersten Takte Musik zwingen die Eminemcovergroup vor mir zum rhythmischen Kopfnicken und seltsamen Armwedelbewegungen. Und dann passiert dennoch das Unglaubliche, weswegen man trotz aller Enttäuschungen sich immer wieder in das Dunkel der Lichtspielhäuser flüchtet, einer Amöbe gleich, die auf die Nahrung zukriecht, ich habe das seltene Glück, dass ich für zwei Stunden in eine fremde Welt gesaugt werde, in die Welt der Sinnleere und der Langeweile, in die Welt der Trailerparks, die den Ausgeschiedenen der amerikanischen Gesellschaft eine Heimstatt bieten, in die Welt der Clans und Gangs, die nur mühsam ihre aufgestaute Wut darüber, dass sie im Leben zu kurz kommen, in Rhymebattles kanalisieren können – oder manchmal eben auch nicht. In die Welt des white trash, vergessen von der amerikanischen Öffentlichkeit, weil sie an das unerfüllte Glücksversprechen gemahnen und zeigen, dass es nicht so weit her ist mit dem großspurigen Rumgetöne von Clinton und Bush. Und ich denke bei mir, dass dies dennoch genau das Amerika ist, dem ich in Hassliebe verbunden bin. Ja, schießt doch auf diese arroganten Cops mit ihren beschissenen Sonnenbrillen! Ja, ich kenne dieses Haus, ich möchte es niederbrennen und dazu Lieder von der Bloodhound Gang grölen! Und dann stehen mir vor Freude Tränen in den Augen, denn ich bin überwältigt von dieser Wahrhaftigkeit des Filmes, der das Einfache, das schwer zu machen ist, schafft: Bigger than life zu sein. Aber nicht die falsch verstande Art, die durch noch mehr Spezialeffekte und noch rasantere Kamerafahrten die Sinne betäuben will, damit man nicht mehr zum Nachdenken kommt, nein, meine Art Bigger than life, ein glaubhaftes Abbild des ungeschönten Lebens, von den Nichtigkeiten befreit, so daß man auf den Grund der Dinge sehen kann.
Ein Kondensat der Realität.
Und dann sind die zwei Stunden auch schon um und die Minimacker versuchen durch Extremyo!ing Aufmerksamkeit zu erhaschen und sie, dieser white trash aus good cold Germany, haben nicht einmal gemerkt, dass der Film von ihrem hoffnungslosen Bemühen um Anerkennung handelt. Und wie ich das Kino verlasse, denke ich an Rabbits Frage, wer denn hier der Loser sei, und ich antworte, wir alle, Rabbit, wir alle, aber der eisige Wind draußen bläst mir die Gedanken weg, hoffentlich ist wenigstens die Bude warm...
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 10.01.2003
kino.de
...und dann sitz ich also wieder mal im Kino, wie so viele Male schon, und ich denke mir "Ach du Scheiße, was soll das nur wieder werden", denn eine Reihe weiter vorne sitzt genau die Art Minimacker, die ich in so einem Film erwartet habe. Doch bevor ich es mir anders überlegen könnte, geht schon im Saal das Licht aus und ich grins meine Freunde an, denn die ersten Takte Musik zwingen die Eminemcovergroup vor mir zum rhythmischen Kopfnicken und seltsamen Armwedelbewegungen. Und dann passiert dennoch das Unglaubliche, weswegen man trotz aller Enttäuschungen sich immer wieder in das Dunkel der Lichtspielhäuser flüchtet, einer Amöbe gleich, die auf die Nahrung zukriecht, ich habe das seltene Glück, dass ich für zwei Stunden in eine fremde Welt gesaugt werde, in die Welt der Sinnleere und der Langeweile, in die Welt der Trailerparks, die den Ausgeschiedenen der amerikanischen Gesellschaft eine Heimstatt bieten, in die Welt der Clans und Gangs, die nur mühsam ihre aufgestaute Wut darüber, dass sie im Leben zu kurz kommen, in Rhymebattles kanalisieren können – oder manchmal eben auch nicht. In die Welt des white trash, vergessen von der amerikanischen Öffentlichkeit, weil sie an das unerfüllte Glücksversprechen gemahnen und zeigen, dass es nicht so weit her ist mit dem großspurigen Rumgetöne von Clinton und Bush. Und ich denke bei mir, dass dies dennoch genau das Amerika ist, dem ich in Hassliebe verbunden bin. Ja, schießt doch auf diese arroganten Cops mit ihren beschissenen Sonnenbrillen! Ja, ich kenne dieses Haus, ich möchte es niederbrennen und dazu Lieder von der Bloodhound Gang grölen! Und dann stehen mir vor Freude Tränen in den Augen, denn ich bin überwältigt von dieser Wahrhaftigkeit des Filmes, der das Einfache, das schwer zu machen ist, schafft: Bigger than life zu sein. Aber nicht die falsch verstande Art, die durch noch mehr Spezialeffekte und noch rasantere Kamerafahrten die Sinne betäuben will, damit man nicht mehr zum Nachdenken kommt, nein, meine Art Bigger than life, ein glaubhaftes Abbild des ungeschönten Lebens, von den Nichtigkeiten befreit, so daß man auf den Grund der Dinge sehen kann.
Ein Kondensat der Realität.
Und dann sind die zwei Stunden auch schon um und die Minimacker versuchen durch Extremyo!ing Aufmerksamkeit zu erhaschen und sie, dieser white trash aus good cold Germany, haben nicht einmal gemerkt, dass der Film von ihrem hoffnungslosen Bemühen um Anerkennung handelt. Und wie ich das Kino verlasse, denke ich an Rabbits Frage, wer denn hier der Loser sei, und ich antworte, wir alle, Rabbit, wir alle, aber der eisige Wind draußen bläst mir die Gedanken weg, hoffentlich ist wenigstens die Bude warm...
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 10.01.2003
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