Rabbit-proof fence
All the teachings that we received from our foster family when we were little, that black people were bad ... I wanted my skin to be white.
HREOC report, confidential evidence 132, Victoria: woman fostered at 10 years in the 1960s
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Foster hören? An australisches Bier und wilde Parties?
Sicher assoziiert auch die Mehrheit der Australier ähnliches, aber bestimmt nicht die 350.000 Aborigines, die bei dem Wort Foster an die "stolen generation" erinnert wird. Foster parents (Pflegeeltern) oder christliche Erziehungsheime waren die Endstation der Kinder dieser gestohlenen Generation. Sogenannte half-castes, "Mischlingskinder" zwischen Aborigines und Weißen, wurden noch bis in die siebziger Jahre aufgrund des "General Child Welfare Law" gewaltsam von ihren Familien getrennt.
Bevor die Folgen dieser Zwangsassimilierung 1997 in dem Bericht "Bringing them home" der staatlichen HREOC Kommission thematisiert wurden, sorgte ein Buch zu dieser Thematik schon für Aufsehen. Follow the rabbit-proof fence von Doris Pilkington beschreibt die Erlebnisse ihrer Mutter und Tanten. Eine Geschichte der Verschleppung in ein Erziehungsheim und der Flucht zurück zu ihrer Familie.
Regisseur Philip Noyce hat, den Sandkasten Hollywoods verlassend und zur Sandwüste Australiens zurückkehrend, dieses Buch stimmig umgesetzt. Dabei unterlässt er glücklicherweise inszenatorische Kinkerlitzchen, sondern verlässt sich zu Recht auf die Darstellungskraft seiner drei kleinen Protagonistinnen. Besonders die Darstellerin der Molly, Everlyn Sampi, überzeugt durch eine für das Alter schier unglaubliche Verve und impulsive Durchsetzungskraft. Fähigkeiten, derer man bedurfte, um überleben zu können. Überleben im Reservat Jigalong. Überleben in der feindlichen Freundlichkeit des Erziehungslagers. Überleben in der tödlichen Wildnis Australiens.
Der Natur, der Kinder Verbündeter und Widersacher gleichermaßen, verleihen die großartigen Landschaftsaufnahmen von Kameramann Christopher Doyle eine distanzierte Wärme, die die Abkehr des gebürtigen Australiers, der seit den achtziger Jahren mit asiatischen Regiegrößen wie Wong Kar-wai arbeitet, von seiner Heimat spürbar machen. Seine Worte an die Darsteller "Always remember, this is enemies territory!" beziehen sich nicht nur auf die im Film dargestellten Geschehnisse, sondern sind gleichfalls ein Spiegel seiner Biographie.
Sehr zugute kommt dem Film, dass A.O. Neville, im Buch nur eine Nebenfigur, eine stärkere Ausarbeitung erfährt. Dieser euphemistisch genannte Chief Protector of Aborigines, von den Aborigines in Neville-Devil umgetauft, erfährt in der Darstellung von Kenneth Branagh genau die Ambivalenz, derer diese historisch verbürgte Person bedurfte. Er ist mithin die interessanteste Figur, weil sich in ihm verschiedene geistige Strömungen der damaligen Zeit artikulieren: die Verankerung seines rassistisches Gedankengutes in der bürgerlichen Gesellschaft, sein protofaschistisches Erheben einer Theorie über die menschlichen Schicksale, die staatliche Institutionalisierung von Gewalt. Seine idealisierte Vorstellung von seiner Arbeit wird im Film wirkungsvoll mit der Realität der Pseudosklaven konterkariert.
Trotz einiger dramaturgischer Längen im Mittelteil des Filmes ist Rabbit-proof fence ein sehenswerter Film. Nicht zuletzt auch, weil er in Australien durch den Einzug in die Populärkultur eine intensive Diskussion über die Fehler der Vergangenheit ausgelöst hat.
P.S.: An Bier und Party denken bei dem Wort Foster sicher auch nicht die in Woomera internierten afghanischen Flüchtlinge, die abgeschirmt von der Öffentlichkeit als Wahleinheizer für den fremdenfeindlichen Premierminister Howard dienten. Eingezäunt in der Wüste bleibt ihnen die Hoffnung, dass mit der Diskussion über die Fehler der Vergangenheit auch eine Auseinandersetzung über den institutionalisierten Rassismus der Gegenwart initiiert wird.
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 11.05.2003
kino.de
All the teachings that we received from our foster family when we were little, that black people were bad ... I wanted my skin to be white.
HREOC report, confidential evidence 132, Victoria: woman fostered at 10 years in the 1960s
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Foster hören? An australisches Bier und wilde Parties?
Sicher assoziiert auch die Mehrheit der Australier ähnliches, aber bestimmt nicht die 350.000 Aborigines, die bei dem Wort Foster an die "stolen generation" erinnert wird. Foster parents (Pflegeeltern) oder christliche Erziehungsheime waren die Endstation der Kinder dieser gestohlenen Generation. Sogenannte half-castes, "Mischlingskinder" zwischen Aborigines und Weißen, wurden noch bis in die siebziger Jahre aufgrund des "General Child Welfare Law" gewaltsam von ihren Familien getrennt.
Bevor die Folgen dieser Zwangsassimilierung 1997 in dem Bericht "Bringing them home" der staatlichen HREOC Kommission thematisiert wurden, sorgte ein Buch zu dieser Thematik schon für Aufsehen. Follow the rabbit-proof fence von Doris Pilkington beschreibt die Erlebnisse ihrer Mutter und Tanten. Eine Geschichte der Verschleppung in ein Erziehungsheim und der Flucht zurück zu ihrer Familie.
Regisseur Philip Noyce hat, den Sandkasten Hollywoods verlassend und zur Sandwüste Australiens zurückkehrend, dieses Buch stimmig umgesetzt. Dabei unterlässt er glücklicherweise inszenatorische Kinkerlitzchen, sondern verlässt sich zu Recht auf die Darstellungskraft seiner drei kleinen Protagonistinnen. Besonders die Darstellerin der Molly, Everlyn Sampi, überzeugt durch eine für das Alter schier unglaubliche Verve und impulsive Durchsetzungskraft. Fähigkeiten, derer man bedurfte, um überleben zu können. Überleben im Reservat Jigalong. Überleben in der feindlichen Freundlichkeit des Erziehungslagers. Überleben in der tödlichen Wildnis Australiens.
Der Natur, der Kinder Verbündeter und Widersacher gleichermaßen, verleihen die großartigen Landschaftsaufnahmen von Kameramann Christopher Doyle eine distanzierte Wärme, die die Abkehr des gebürtigen Australiers, der seit den achtziger Jahren mit asiatischen Regiegrößen wie Wong Kar-wai arbeitet, von seiner Heimat spürbar machen. Seine Worte an die Darsteller "Always remember, this is enemies territory!" beziehen sich nicht nur auf die im Film dargestellten Geschehnisse, sondern sind gleichfalls ein Spiegel seiner Biographie.
Sehr zugute kommt dem Film, dass A.O. Neville, im Buch nur eine Nebenfigur, eine stärkere Ausarbeitung erfährt. Dieser euphemistisch genannte Chief Protector of Aborigines, von den Aborigines in Neville-Devil umgetauft, erfährt in der Darstellung von Kenneth Branagh genau die Ambivalenz, derer diese historisch verbürgte Person bedurfte. Er ist mithin die interessanteste Figur, weil sich in ihm verschiedene geistige Strömungen der damaligen Zeit artikulieren: die Verankerung seines rassistisches Gedankengutes in der bürgerlichen Gesellschaft, sein protofaschistisches Erheben einer Theorie über die menschlichen Schicksale, die staatliche Institutionalisierung von Gewalt. Seine idealisierte Vorstellung von seiner Arbeit wird im Film wirkungsvoll mit der Realität der Pseudosklaven konterkariert.
Trotz einiger dramaturgischer Längen im Mittelteil des Filmes ist Rabbit-proof fence ein sehenswerter Film. Nicht zuletzt auch, weil er in Australien durch den Einzug in die Populärkultur eine intensive Diskussion über die Fehler der Vergangenheit ausgelöst hat.
P.S.: An Bier und Party denken bei dem Wort Foster sicher auch nicht die in Woomera internierten afghanischen Flüchtlinge, die abgeschirmt von der Öffentlichkeit als Wahleinheizer für den fremdenfeindlichen Premierminister Howard dienten. Eingezäunt in der Wüste bleibt ihnen die Hoffnung, dass mit der Diskussion über die Fehler der Vergangenheit auch eine Auseinandersetzung über den institutionalisierten Rassismus der Gegenwart initiiert wird.
Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 11.05.2003
kino.de