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The Diarrhoea Diary


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Can’t take it with you when you die


Frankreich 2009 Regie: Nicholas Drolc

Manchmal treffen Leute aufeinander, die in verschiedenen künstlerischen Bereichen tätig sind, aber nichtsdestotrotz eine Geistesverwandschaft konstatieren können: In diesem Fall ein junger französischer Filmemacher, ein eigenwilliger Musiker aus den USA sowie ein bildender Künstler aus Deutschland. Gemeinsam haben sie alle das Ideal, jenseits von kommerziellen Schubladen ihr eigenes Ding durchzuziehen, ohne Rücksicht auf Verluste finanzieller oder persönlicher Natur. Basis dieses Dokumentarfilms war der Auftritt der One-Man-Gospel-Band REVEREND DEADEYE im Autonomen Zentrum Aachen 2009, in die Wege geleitet vom Aachener Künstler Christoph Mueller. Neben Konzertausschnitten gibt es ungezwungene, authentische Interviews mit den Beteiligten zu sehen, die ihren Background interessant ausleuchten. So war der Vater des Reverend tatsächlich Missionar und versuchte, die in Arizona verbleibenden Indianer zum christlichen Glauben zu bekehren – allerdings deuten Textzeilen seines Sohnes wie „I wasn’t stabbed in the back by Satan, I was stabbed in the back by Jesus in his brand new Ford“ darauf hin, daß er trotz der in seiner Musik deutlich erkennbaren Gospel-Tradition eher einen anderen Weg verfolgt. Der übliche Prediger kippt auch während seines Auftritts nicht unbedingt eine ganze Pulle Jack Daniels in sich rein. Christoph Mueller wiederum begann mit einfach gehaltenen Comic-Strips für Fanzines und wurde mit der Zeit immer filigraner, sich seinen Vorbildern Robert Crumb und Joe Coleman annähernd. Daraus entwickelte sich bald ein durchaus eigener Stil, der im Zusammenhang mit der deutschen Herkunft des Künstlers vielleicht schon bald eigenwillige Exponate nach sich zieht. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden. Der Film selbst tingelt gerade durch Programmkinos und Jugendzentren des Landes, also haltet Ausschau danach, die DVD davon wird dann auch für lächerliche 5 Euro zu erwerben sein.

Aachen Americana Satan


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El secreto de sus ojos


(The Secret in their Eyes)
Argentinien/Spanien 2009 Regie: Juan José Campanella

Im Ruhestand versucht der Kriminalbeamte Esposito, einen Roman zu schreiben. Grundlage dazu soll der Fall einer ermordeten jungen Frau sein, der ihn seit 25 Jahren nicht mehr losläßt...

Es gibt Filme, die wirken bemüht und überladen, weil die Verantwortlichen zuviel auf einmal versuchen und irgendwann den Faden verlieren, was zu halbgaren und unbefriedigenden Ergebnissen führt. Hier haben wir ein Werk, in dem unglaublich viel drinsteckt und alles fast schon erschreckend gut funktioniert. Was ist das für ein Film? Ein Kriminalfilm. Ein Buddy-Movie. Eine Romanze. (Zwei Romanzen, um genau zu sein.) Eine Aufarbeitung der korrupten Vergangenheit des Landes. Eine Komödie. Eine Reflektion über das Erzählen. Eine Rachegeschichte. Ein Film über das älter werden und über Erinnerungen. Nichts davon drängt sich zu stark in den Vordergrund, im nächsten Moment wird wieder einem neuen Aspekt, einer neuen Emotion Platz gemacht, ohne daß dabei störende Brüche entstehen würden – es wirkt alles wie aus einem Guß. Dazu tragen auch die hervorragende Fotografie und die starken Darsteller bei, allen voran Ricardo Darín, der schon in El Aura überzeugen konnte. (Warum habe ich dazu eigentlich keinen Eintrag geschrieben? Egal, den vom Tramp kann ich unterschreiben.) Tolles Kino.

Literaturverfilmung Zugfahrt


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Giant from the Unknown


(In den Klauen des Giganten)
USA 1957 Regie: Richard Cunha

Besorgnis macht sich breit in einem kleinen nordkalifornischen Ort, hat es doch nach zahlreichen Hühnermorden jetzt auch einen Farmer erwischt. Ob das evtl. mit einigen indianischen Legenden zusammenhängt? Da taucht auch noch ein Archäologe mitsamt Tochter auf, der auf den Spuren eines legendären Conquistador ist, der unter dem Namen „der teuflische Riese“ bekannt wurde, der ist aber vermutlich seit 500 Jahren tot...oder?

Das hier verwendete Monster ist zwar mal eine originelle Abwechslung, aber auch nicht wirklich spektakulär. Hauptproblem des Films ist aber, daß er für alles zu lange braucht – von den Morden wird zunächst nur geredet, bis der Gigant endlich mal auftaucht, vergeht auch so seine Zeit, vor allem brauchen Dorfsheriff, jugendlicher Held und Konsorten viel zu lange, bis sie den Typen endlich kaputt kriegen. Hier hätte man schon etwas straffen sollen. Sehr hübsch ist allerdings der Score ausgefallen, und der erste Auftritt des Riesen ist auch nicht ohne.

Conquistador Schnee Indianerfriedhof Theremin Riese


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Ne te retourne pas


(Don't look back)
Frankreich/Italien/Luxemburg/Belgien 2009 Regie: Marina de Van

Jeanne (Sophie Marceau) ist recht angepisst, wollte sie doch nach zahlreichen Biographien endlich mal einen Roman schreiben, der auf Kindheitserinnerungen basiert. Ihr Verleger findet diesen aber mißlungen, was auch daran liegen kann, daß Jeanne sämtliche Erinnerungen von vor ihrem 8. Lebensjahr verlorengegangen zu sein scheinen. Kurze Zeit später scheinen ihr auch andere Erinnerungen Probleme zu bereiten: So meint sie ständig, die Möbel in ihrer Wohnung wären umarrangiert worden, obwohl Fotos und Videoaufnahmen das Gegenteil beweisen. Richtig schlimm wird es, als sich ihr Körper langsam in den von Monica Bellucci verwandelt...

Marina de Van hatte ja schon mit In my Skin das Verhältnis von Frauen zu ihren Körpern thematisiert, auch hier gibt es wieder unschöne Narben, wenn auch eher metaphysischen Ursprungs. Der Film ist äußerst ansprechend gefilmt, und den beiden Hauptdarstellerinnen schaut man auch gerne zu, allerdings sind schon ein paar Längen zu konstatieren und die Auflösung ist auch nicht wirklich prall. Richtig verstörend allerdings der Marceau-Bellucci-Zwitter, den es in der Mitte des Films zu sehen gibt – diese halb/halb-Gesichter finde ich immer extrem unheimlich, so z.B. auch das Ende von Dr. Jekyll and Sister Hyde.

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Narbe Spiegel Zugfahrt


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Lady Stay Dead


Australien 1981, Regie: Terry Bourke

Gordon der Gärtner ist in einem Maße in den Popstar Marie verliebt, das man schon ungesund nennen könnte. Plattensammlung und Poster sind ja noch verständlich, wenn man aber mit einer Puppe herumschmust, die wie das Idol gekleidet ist, geht das eventuell etwas weit. Gordon ist jedoch froh, den Job bekommen zu haben, nach dem Dreh eines Werbespots den Unrat aus dem Garten des Stars beseitigen zu dürfen, denn so kann er sie mit dem Fernglas bei der Gymnastik am Strand beobachten, die Latzhose öffnen und den Sand poppen. Schließlich ergreift er den Mut – unbeeindruckt davon, daß die arrogante Trulla ihn wie den letzten Dreck behandelt – und will sie mit einem Sträußchen Blumen zu einem Abendessen einladen. Die Reaktion der Dame ist nicht sehr positiv, und so nimmt die Tragödie ihren Lauf...

Was wie eine erfrischende Sleazepackung beginnt, in der der Zuschauer auch an den Fesselspiel-Sexfantasien des groben Gärtners teilhaben kann, entwickelt sich in der zweiten Hälfte zu einem soliden Psychothriller mit zahlreichen Terrormomenten. Daß es hier nicht zimperlich zugeht, ist schon recht bald klar und so muß man auf alles gefasst sein. Der Darsteller des Psychopathen übertreibt es zwar hier und da ein wenig, aber auch das gehört zum Unterhaltungswert dieser Art Film. Wie sangen einst die „Kassierer“? Gärtner und Floristen – Mörder und Faschisten!

Aquarium Latzhose Kadaver


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La Horde


Frankreich 2009 Regie: Yannick Dahan/Benjamin Rocher

Um Rache an einem ermordeten Kollegen zu nehmen, stürmt eine Gruppe von vier Polizisten das Versteck einer Gangsterbande. Dabei geht aber so einiges schief: Nicht nur finden sie sich bald in der Gewalt der Gangster wieder, von draußen gibt es noch eine weitere Bedrohung, kehren doch die Toten zurück und wollen die Lebenden fressen...

Ich glaub, es ist langsam mal gut mit der neuen Zombiewelle, es kommt doch eh immer wieder das gleiche bei rum. Hier gibt es ein paar nette Splattermomente sowie eine hübsch inszenierte Zombie-Massenszene, den Rest hat man aber schon oft genug gesehen. Das Unterscheidungsmerkmal mit der eingebetteten Räuber und Gendarm-Geschichte will auch nicht so recht funktionieren, da einem alle Figuren gleichermaßen unsympathisch sind.

Apokalypse Hochhaus FFF


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Splice


Kanada / Frankreich / USA 2009, Regie: Vincenzo Natali

Die Genforscher Elsa und Colin haben ein künstliches Tier erschaffen, das ein Protein erzeugt, mit dem man Krankheiten heilen kann. Ihre Geldgeber möchten damit in die Massenproduktion gehen, doch die Forscher sehen in ihrer Arbeit weit mehr Potential, wenn man noch menschliche Gene dazumischt. So erschaffen sie heimlich ein Zwitterwesen, das sie jedoch bald vor einen Haufen unerwartete Probleme stellt...

Wie der erzeugte Homunculus ist der Film leider auch ein wenig weder Fisch noch Fleisch – zwar scheint über weite Strecken der Ansatz zu überwiegen, statt der üblichen Struktur eines SF-Monsterfilms zu folgen das Thema eher von der moralisch-ethischen Seite anzugehen, incl. der Auswirkungen, die das „Kind“ auf die Beziehung der beiden Protagonisten hat, zum Ende hin wird das dann aber wieder fallen gelassen und das Monster zu einer herkömmlichen „bösen“ Bedrohung, die dann doch noch für ein paar Actionszenen sorgt. Sarah Polley sehe ich immer gern, ob ich diesen Film aber noch mal kucken muß, glaub ich eher weniger.

Frankenstein FFF


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Pintu terlarang


(The Forbidden Door)
Indonesien 2009, Regie: Joko Anwar

"Just because they look at the camera doesn't mean they talk to you."

Gambir führt eigentlich ein beneidenswertes Leben: Seine Kunstwerke werden für hohe Summen verkauft und er hat eine wunderschöne und intelligente Frau. Doch einiges scheint da doch im Argen zu sein – da sind einerseits Potenzprobleme und zudem sieht er häufig eine Kinderschrift, die ihn um Hilfe bittet. Der Umstand, daß er in seine Statuen von schwangeren Frauen geheime Zutaten aus der Abtreibungsklinik einbaut, wirkt auch nicht gerade beruhigend...

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Wie schon zuvor im furiosen Dead Time: Kala läßt Anwar den Zuschauer bis zum Schluß im Dunkeln, in was für einem Genre sich der Film eigentlich bewegt. Psychothriller? Surreales Drama? Oder doch ein Horrorfilm? Bizarre Details werden aneinandergereiht, Handlungsstränge aufgegriffen, um wieder anderen zu weichen, am Schluß kommt dann doch alles zusammen und muß perspektivisch neu bewertet werden. Herrlich frisches Kino voller Ideen, das sich gegen Schubladen und Erwartungshaltungen stemmt und auch noch äußerst ansprechend fotografiert ist. (Der Regisseur mag Wendeltreppen wohl sehr – ich auch.) Die Fülle an Querverweisen und im Hintergrund plazierten Informationen dürfte wohl auch weitere Sichtungen des Films interessant machen, und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Film von Joko Anwar – hier haben wir mal wieder jemanden, der weder Mainstream-Marketingstrategien bedient noch humorlos und selbstverliebt den Auteur raushängen läßt, sondern kackfrech einfach macht, was ihm gefällt, und das auch noch verdammt gut.

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Traumsequenz Literaturverfilmung Fötus Schweinemaske


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Klopka


(Die Falle ; The Trap)
Serbien / Deutschland / Ungarn 2007, Regie: Srdan Golubovic

Bauingenieur Mladen und seine Frau Marija leben zusammen mit ihrem 10jährigen Sohn ein bescheidenes, aber glückliches Leben. Das ändert sich schlagartig, als bei ihrem Sohn ein Herzfehler diagnostiziert wird, der jeden Moment zu dessen Tod führen kann. Es könnte zwar in Berlin eine Operation vorgenommen werden, aber diese würde 26.000 Euro kosten. Verzweifelt setzt Marija eine Anzeige in die Zeitung, die um Spenden bittet – diese führt aber zunächst nur dazu, daß die Armut der Familie öffentlich wird und ihre Situation noch weiter verschlechtert. Da ruft plötzlich ein Fremder an und bietet Mladen das Geld an – im Gegenzug soll dieser dafür jedoch einen Mord begehen.

Diese gelungene Mischung aus Thriller, Drama und Gesellschaftsportrait funktioniert tadellos, da nichts zu dick aufgetragen wird. Von Pathos keine Spur, stattdessen wird mit leisen Tönen, zurückhaltendem Schauspiel und einer ausgezeichneten Fotografie der Strudel in den Untergang nüchtern bebildert. Keine der Figuren ist eindeutig gut oder böse und ein mahnender Zeigefinger ist auch nirgendwo zu spüren. Schön auch, daß Anica Dobra mal wieder eine interessante Rolle jenseits von Alpenklinik und co. spielen darf.

Belgrad Neo-Noir


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Lalka


(The Doll ; Die Puppe)
Polen 1968 Regie: Wojciech Has

Durch geschickte Geschäfte während des Krieges hat Stanislas Wokulski ein Vermögen machen können, sich jedoch vom Geld nicht den Charakter verderben lassen und hilft alten Freunden und Bedürftigen, wo er kann. Als er sich in die wunderschöne Tochter eines verarmten Adligen verliebt, ist das Verderben jedoch nicht mehr weit: Diese hat zwar nichts dagegen, die Schulden ihres Vaters bezahlen zu lassen, doch mit jemandem niederen Standes möchte sie sich keinesfalls einlassen...

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Hatte den Film etwas vor mir hergeschoben, da ich ein recht langes, eher konventionelles Historiendrama erwartete, was es gewissermaßen auch ist, aber bereits hier in seinem ersten Farbfilm benutzt Has seine stilistischen Markenzeichen schon so gekonnt, daß es eine Freude ist. Wundervolle Plansequenzen durch detailreiche Sets und überall Tod und Verderben. Die Gesellschaft ist am Arsch, da kann auch Wokulskis guter Willen und vor allem nicht die sich in ihrer Arroganz sonnende Aristokratie etwas dran ändern. Neben den wundervoll durchkomponierten Bildern und den fabelhaften Darstellern sollte unbedingt noch Beata Tyskiewicz herausgestellt werden, die hier so begehrenswert ist, daß man tatsächlich drüber verrückt werden könnte.

Zugfahrt Literaturverfilmung Kadaver





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