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The Diarrhoea Diary


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Le Orme


(Footprints ; Spuren auf dem Mond)
Italien 1975 Regie: Luigi Bazzoni

Als die Dolmetscherin Alice (Florinda Bolkan) eines morgens zur Arbeit geht, ist sie recht verblüfft, daß sie von ihrer Chefin gefeuert wird, weil sie die letzten drei Tage unentschuldigt gefehlt hat. Scheinbar fehlt ihr die Erinnerung an ganze drei Tage, das Einzige, was sie noch weiß, ist dieser seltsame Traum von einem Astronauten, der alleine auf dem Mond zurückgelassen wurde. Zurück in ihrer Wohnung findet Alice ein gelbes Kleid, das sie nie zuvor gesehen hat, sowie eine zerrissene Postkarte eines Hotels in der Türkei. Um der Sache auf den Grund zu gehen, entschließt sie sich, dort hinzufliegen...

Kritiker mögen dem Film vorwerfen, daß er in der ersten Hälfte eine größere Geschichte verspricht, als er in der zweiten Hälfte schlußendlich erzählt, und zudem ziemlich lange braucht, bis er in die Gänge kommt. Das ist durchaus nicht an den Haaren herbeigezogen, aber glücklicherweise ist der Film so makellos fotografiert, daß einem diese Umstände auch egal sein können. Auf jeden Fall haben wir es hier mit einer höchst originellen Angelegenheit zu tun, die einen Amnesie-Thriller mit zahlreichen Zutaten aus anderen Genres wie der SF mischt. Besondere Bonuspunkte gibt es für das ebenso ambivalente wie verstörende Ende.

Kinski Traumsequenz Nicoletta Elmi


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The Second Coming


GB 2003 Regie: Adrian Shergold

Stephen Baxter (Christopher Eccleston) ist eigentlich ein durchschnittlicher bloke aus der Nachbarschaft, vielleicht mit dem Unterschied, daß er mit den Dingen des Lebens wie Job und Liebe noch erfolgloser ist als der Durchschnitt. Eines Nachts vorm Pub meint er allerdings, Stimmen zu hören und verschwindet spurlos. Erst 40 Tage später wird er in einem Moorgebiet in Yorkshire aufgegriffen, und ist fest davon überzeugt, der Sohn Gottes zu sein. Freunde und Angehörige befürchten, er ist ein Fall für die Psychiatrie geworden, bis er das erste Wunder vollbringt – und das ausgerechnet im Stadion von Manchester City! Kurze Zeit später verkündet er bei einer weltweiten Fernseh-Ausstrahlung, daß die Zeit für ein drittes Testament reif wäre...

Wie mag so eine Geschichte wohl ausgehen? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Lösung, die die Macher schließlich wählten, ist jedenfalls unvorhersehbar, kackedreist und ziemlich clever. Religiöse Menschen dürften sich allerdings ziemlich auf den Schlips getreten fühlen, was wohl auch der Hauptgrund dafür sein mag, daß dieser originelle Fernseh-Zweiteiler außerhalb Englands scheinbar nur noch in Finnland gelaufen ist.

Satan Apokalypse Yorkshire


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Assault


(In the Devil's Garden)
GB 1971 Regie: Sidney Hayers

In einem Waldstück nahe einer Schule werden wiederholt Mädchen vergewaltigt, eine sogar ermordet. Die Kunstlehrerin Julie hat den Täter gesehen, doch die Polizei ist nicht sonderlich über ihre Beschreibung erbaut: Er soll wie der leibhaftige Teufel aussehen. Trotzdem bietet die junge Frau sich als Lockvogel an, um den Täter endlich dingfest machen zu können...

Nanu, schon wieder läuft zu Beginn Lesley-Anne Down als Schulmädchen mit einem kleinen Radio durch den Wald und wird vergewaltigt. Ansonsten hat der Film trotz zahlreicher Gelegenheiten keine Nuditäten zu bieten, dafür aber viele Miniröcke, einen schmissigen Score und einen soliden Cast, neben den vielen netten Damen (Suzy Kendall als Lehrerin sieht nicht wirklich viel älter als ihre Schülerinnen aus) auch Freddie Jones als schmierigen Reporter und der immer wieder gern gesehene Allan Cuthbertson, der Inbegriff einer snobistischen Upper Class-Fresse, hier in einer kleinen Rolle als Richter. Alles in allem nicht wirklich herausragend, aber hübsch anzusehen und ich mag britische Produktionen aus den späten 60ern und frühen 70ern alleine schon des Stils wegen.

Schulmädchen Satan


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Pandemonium


(Shura)
Japan 1971 Regie: Toshio Matsumoto

Entgegen den Bitten seines Dieners verwendet der Ronin Gengobe 100 Ryu, die von Unterstützern für ihn gesammelt wurden, um seine Ehre als Samurai wiederherzustellen, dazu, die Geisha Koman freizukaufen, um sie ehelichen zu können. Kurze Zeit später wird ihm aber offenbart, daß diese bereits längst verheiratet ist und er einem Komplott zum Opfer fiel...

Verglichen mit anderen Filmen Matsumotos wie Bara no soretsu oder Dogra Magra handelt es sich hier um eine relativ straight inszenierte, größtenteils kammerspielartige Rachegeschichte. Den Experimentalfilmer erkennt man jedoch einerseits in der Vorgehensweise, einzelne Handlungen mehrfach von unterschiedlichen Perspektiven aus hintereinander zu schneiden, andererseits durch den narrativen Kniff, ganze Szenen nachträglich als Wunschvorstellung des Protagonisten kennzuzeichnen. Auch in den Bildern ist mehr Finsternis allgegenwärtig als in vergleichbaren Samurai-Filmen, und die letzte halbe Stunde, in der Gengobe vollkommen dem Wahnsinn verfällt, ist schon ein recht derbes und düsteres Brett. Definitiv sehenswert.

Traumsequenz Buckliger


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The Day that doesn't exist


(Er yue san shi)
Hong Kong 1995 Regie: Wellson Chin/Danny Ko

Kurz vor der geplanten Hochzeit verunglückt der Bräutigam der süßen Poon scheinbar bei einem Autounfall. Einen Monat später steht er aber plötzlich in ihrem Schlafzimmer. Doch irgendwie ist er nicht ganz der Alte, warum hat er so kalte Hände und überall Narben? Und warum überfällt er nachts schwangere Frauen, um mit einer Spritze das Fruchtwasser zu extrahieren?

Ich war ja etwas verblüfft, wie schnell die Geschichte, die auf eine Variation von Neither the Sea nor the Sand hinausläuft, voranschreitet – hätte mir ja auch jemand sagen können, daß das ein Episodenfilm ist und noch eine zweite Geschichte kommt!

Darin hat ein Lastwagenfahrer mit Hang zur Trunk- und Spielsucht ebenfalls einen Autounfall, muß aber nach dem Aufwachen aus dem Koma entsetzt feststellen, daß nicht nur ein ganzes Jahr vergangen ist, sondern er plötzlich auch wie Anthony Wong aussieht! Die neue Identität gefällt ihm aber mit der Zeit gar nicht mal schlecht, hat er doch eine sexy Ehefrau und jede Menge Kohle...

Zusammengehalten werden die Geschichten neben den Autounfällen durch die komische Nebenfigur des bebrillten Charles Chan, den außer seiner nervigen Nachbarin niemand ficken will. Neben dem hysterischen Hong Kong-Humor gibt es aber auch zahlreiche der aus diesem Land liebgewonnenen Geschmacklosigkeiten und so läuft der Film schon ganz gut rein, auch wenn durch die unbeständige Inszenierung bis zum Schluß nicht klar wird, ob das jetzt Drama, Komödie oder Horror sein sollte. Ist auch egal, von allem etwas, und dann richtig schön dick aufgetragen.

Anthony Wong Episodenfilm


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Le pays sans étoiles


(Land without Stars)
Frankreich 1946 Regie: Georges Lacombe

Nach einem Unfall mit Kopfverletzung ist der verträumte Notariatsgehilfe Simon noch unkonzentrierter als sonst. Sein freundlicher Arbeitgeber gibt ihm daher einen Auftrag, der eher einem Urlaub gleichkommt: In einem kleinen spanischen Ort soll er in einer Erbschaftsangelegenheit noch lebende Nachfahren ermitteln. Auf der Fahrt dorthin erblickt er aber aus dem Zugfenster eine Landschaft, die ihm seltsam vertraut vorkommt – spontan entscheidet er, an der nächsten Station auszusteigen und diese zu erkundigen. Er staunt nicht schlecht, als er auf dem Friedhof eines kleinen Örtchens den Grabstein einer Familie findet, die genau so hieß wie der Ort in Spanien, zu dem er eigentlich unterwegs sein sollte. Noch mehr bindet ihn an den Ort aber die schöne Catherine, die auch gerade aus der Stadt angereist ist...

Trotz einiger traumhaft-irrealen Szenen und einer wahrlich phantastischen Auflösung war mir der Film doch etwas zu sehr dialoglastige Romanze, um mir einen ähnlichen Stich ins Herz zu geben wie der vergleichbare Fiancée des Ténèbres. Nichtsdestotrotz schwingt hier wieder diese ganz eigenwillige Stimmung mit, die es wohl nur in französischen Filmen aus den 40er Jahren gab. Die literarische Vorlage von Pierre Véry würde ich auch gerne mal lesen, wenn die denn mal einer übersetzt.

Literaturverfilmung Zugfahrt


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Tetsu no tsume


(Claws of Iron)
Japan 1951 Regie: Shinsei Adachi

Immer mehr Frauenleichen tauchen in der Nachbarschaft auf. Wo ist der Schuldige zu suchen, vielleicht in der katholischen Kirche? Oder ist es möglicherweise der Nachtclub-Angestellte Tashiro, der im Krieg von einem Gorilla gebissen wurde und sich seitdem immer in ein haariges Monster verwandelt, wenn er zu viel säuft?

Vom Konzept her könnte man diese Jekyll/Hyde-Variante, die noch ein bißchen Wolf Man und Affenzirkus dazumischt, für leicht mißlungen halten. Da verblüfft es dann schon, wie gut der Film gefilmt ist und allgemein ausschaut. Stummfilm-Expressionismus und Noir-Elemente geben sich die Hand, im Finale schaut dann auch noch etwas Universal-Horror vorbei. Die teilweise etwas langatmigen Nachtclub-Szenen werden nicht nur mit Gottesdiensten kontrastiert, sondern auch mit wahrlich bedrohlich inszenierten Aufnahmen von Palmen, die scheinbar wie der Suff Auswirkungen auf das seelische Gleichgewicht unseres Helden haben. Vieles von der Handlung mußte ich allerdings auch erraten, da es wohl nirgendwo Untertitel für diesen Film gibt.

Nachtclub Jekyll und Hyde Gorillakostüm


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La mano che nutre la morte


(The Hand that Feeds the Dead ; Evil Face)
Italien/Türkei 1974 Regie: Sergio Garrone/Yilmaz Duru

Bei einem Feuer in seinem Laboratorium starb nicht nur der Baron Rassimov, auch wurde der Körper seiner Tochter Tanya empfindlich angebrutzelt. Es obliegt jetzt seinem Assistenten und Schwiegersohn Nijinski (Kinski), mit Hilfe der wissenschaftlichen Erkenntnisse des Barons den Körper des Fräuleins wiederherzustellen. Das geht nicht ganz ohne Verluste, und so besorgt der bucklige Butler unter Hypnose frische Frauenkörper. Praktischerweise hat auch noch ein Edelmann mit seiner wunderschönen Frau ganz in der Nähe des Schlosses einen Kutschenunfall...

In Sachen unheimlicher Atmosphäre wird in dieser Yeux sans visage-Variation nicht viel geboten, dafür sorgen aber zahlreiche Nuditäten und blutige Großaufnahmen von Hauttransplantationen für Kurzweil. Kinskis Labor ist auch sehr hübsch. Die Locations sehen nicht wirklich nach Russland im 19. Jahrhundert aus, standen aber wohl auch in der Türkei und wären teilweise in einem Western, von denen der Regisseur auch so einige drehte, besser aufgehoben gewesen. Durch die Verwendung der Melodie eines traditionellen russischen Liedes versucht der Score aber immerhin, uns daran zu erinnern, wo wir uns gerade befinden. Ein hübscher Nebengag ist, daß der tote Baron im Keller tatsächlich Ivan Rassimov heißt – dieser gab für Regisseur Garrone ein paar Jahre zuvor den Django in Se vuoi vivere... spara. Ob seine Verpflanzung in einen Sarg irgendwie gehässig gemeint gewesen ist, kann ich leider nicht beurteilen.

Kinski Yeux sans visage Buckliger


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Rosetta


Belgien/Frankreich 1999 Regie: Jean-Pierre & Luc Dardenne

Rosetta lebt mit ihrer alkoholkranken Mutter in einem Wohnwagen. Die Versuche der Mutter, trocken zu werden, scheitern ebenso wie Rosettas Versuche, einen festen und halbwegs gut bezahlten Job zu bekommen. Die allgemeine Wirtschaftslage ist einfach zu schlecht, zudem ist die impulsive Art der jungen Frau auch nicht bei jedem Arbeitgeber willkommen. Rosetta lernt den freundlichen Waffelbäcker Riquet kennen, der ihr eine Stelle vermittelt. Doch auch diese ist nicht von langer Dauer...

Angefangen mit La Promesse habe ich in den letzten Wochen eine komplette Retrospektive der Dardenne-Brüder durchgezogen, ich konnte einfach nicht mehr aufhören. Eigentlich hätte auch jeder dieser Filme einen eigenen Eintrag verdient, aber davon hielt mich meine eigene Unzulänglichkeit ab, da ich zu jedem der Filme in etwa das Gleiche geschrieben hätte und das wäre wohl langweilig geworden. Also habe ich mir diesen Film rausgepickt, der mir von allen am besten gefallen hat, um daran exemplarisch festzumachen, was ich an dieser Art von Kino so fesselnd finde. Ein Geheimtip sind die Brüder ja garantiert nicht mehr, werden sie doch in schöner Regelmäßigkeit in Cannes und anderswo mit Preisen zugeschüttet. Aber ganz abgesehen davon, was man vom „anspruchsvollem Kino“-Geklüngel sonst halten mag, eine ganz eigene Qualität ist den Werken nicht abzusprechen. Die Dardennen sind ganz nah am wirklichen Leben dran, ihre Figuren wirken vollkommen echt und trotz ihrer oft tragischen Schicksale wird niemals der moralische Zeigefinger oder jammernder Pathos ausgepackt, der Blick der Kamera bleibt dokumentarisch und neutral und überläßt es vollkommen dem mündigen Zuschauer, die Geschehnisse und Figuren nach eigenem Gusto zu bewerten. Wie im späteren Le Fils klebt die Kamera in Rosetta ganz nah an der Hauptfigur, ohne jedoch eine Identifikation seitens des Zuschauers zu ermöglichen – dazu sind die Figuren zu eigenwillig. Auch wenn wir sie im kompletten Tagesablauf begleiten, wissen wir auch am Ende des Films nicht, was wirklich in ihrem Inneren brodelt. Sie sind eigenständige Individuen, keine Klischees oder Passepartouts. Bemerkenswert fand ich bei der Sichtung dieser Filme auch, daß alle in der Heimatstadt der Regisseure, Seraing, gedreht wurden (mit ein paar Abstechern nach Lüttich) und dieser Ort gar nicht mal weit weg von Aachen entfernt ist. Da wird man dann schon mal neidisch auf die Belgier, die nicht nur die besseren Frittensoßen, sondern auch die besseren lokal verankerten Regisseure zu haben scheinen.

Waffeln Wohnwagen


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The Yellow Wallpaper


GB 1989 Regie: John Clive

Um das Nervenleiden seiner Frau Charlotte zu kurieren, zieht der junge Arzt John mit ihr aus der Stadt in ein ruhiges, abgelegenes Landhaus. Die Maßnahmen führen aber leider zum genauen Gegenteil, weiß die aktive und intelligente Frau, der jetzt der großen Anstrengung wegen auch das Lesen und Schreiben verboten wurde, doch überhaupt nichts mit sich in dieser Abgeschiedenheit anzufangen. Zudem scheint mit dem Haus auch etwas nicht zu stimmen, vor allem nicht mit der gelben Tapete im Schlafzimmer...

Leicht werkübergreifend wird dieser Verfilmung der berühmten Erzählung der amerikanischen Feministin Charlotte Perkins Gilman hier noch eine Kritik am viktorianischen Patriarchat hinzugefügt, die in der Vorlage nicht zu finden war, aber durchaus in Ordnung geht, dient sie doch dazu, die Figuren für die Spielfilmlänge ausreichend mit Charakterzügen auszustaffieren. Wie zu erwarten, schleicht sich das Grauen hier sehr langsam und leise an, um im letzten Drittel dann aber ordentlich Gänsehaut zu verbreiten. Julia Watson ist toll als in den Wahnsinn verfallende Charlotte, und auch visuell hat man sich einige hübsche Sachen einfallen lassen. Das Motiv einer mit wirren Haaren auf dem Boden herumkriechenden Frau ist ja durch den J-Horror wieder populär geworden, findet sich aber auch bereits in der Vorlage von 1892.

Traumsequenz Literaturverfilmung





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