„The Church“ hat ein paar Momente, die absurd anmuten. In italienischen Genrefilmen ja absolut nichts Exotisches. Allem voran hatte ich wie üblich ein wenig Probleme mit dem Englischen, das bei solchen Produktionen, selbst mit zum Teil englischsprachigen Darstellern, oft hölzern und aufgesetzt klingt. Und dann gibt es Szenen, die des Guten vielleicht manchmal etwas zu viel sind. Immer wieder aufs Neue stört mich Lisas Hechtsprung durch das Fenster, direkt in die Arme der Polizei, die ca. 5 Sekunden nach ihrem Hilferuf via Telefon schon mit Blaulicht vor dem Haus wartet. Hatte hier der Teufel seine langen Fingerchen im Spiel? Es sind lediglich wenige solcher Stellen, die mich an diesem fantasievollen Kirchen-Grusler stören. Allerdings fallen die halt stärker ins Gewicht, weil der Rest so schön anzuschauen ist.
Der Ausgangspunkt für den Spuk ist ganz nach meinem Geschmack. Kreuzritter vernichten im Mittelalter ein heidnisches Dorf und auf seinem Massengrab wird zum Bann des "Bösen" eine Kirche errichtet. In dieser beginnt sich viele Jahre später in unserer Gegenwart die “verfluchte“ Erde wieder zu regen, seltsame Dinge geschehen..., und als das wiedererwachte dämonische Treiben zu bunt gerät, wird dank der Umsicht des damaligen Architekten ein Sicherheitsmechanismus ausgelöst. Genaugenommen wurde der Architekt von der Kirche dazu gezwungen einen solchen zu ersinnen, ehe auch er durch ihre Hand qualvoll sterben musste. Alle Ausgänge des Kirchengemäuers werden durch diesen Mechanismus verriegelt, damit die ruchlose Dämonenbrut nicht entkommen kann. Pech für die Menschen, die sich gerade zu dem Zeitpunkt in eben dieser Kirche befinden und sich von nun an den engen Raum mit dem Dämonengesocks teilen müssen.
Damit sind jedoch nicht etwaige rachelüsterne Geister der einst ermordeten Heiden gemeint. Als die wahren Teufel entpuppen sich schon zu Anfang die Kreuzritter und auch in der Gegenwart sind eher die Kirchenangestellten des Teufels, als die wiedergeborenen Nachkommen der Dahingemeuchelten, hier in Person der lebenslustigen Lotte (Asia Argento) zum Beispiel. Klar, man hat ja schließlich Augen im Kopf, aber zumindest bei mir wirkten trotz allem die alten Sichtweisen so stark, dass ich zunächst unwillkürlich versuchte, die Geschichte in mein altes Weltbild zu pressen. Und da sind die mit den drei Sechsen am Hintern immer die Bösen.
Schließlich finden die armen Toten Genugtuung durch das Übel, das von Seiten der Kirche erschaffen wurde und auf letzte wieder zurückfällt. Satan fühlt sich sogar berufen, höchstpersönlich in seinem Tempel vorbeizuschauen um seine frommen Vasallen zu besuchen, bzw. auch mal forsch zu besteigen. Die letzten Momente dieses sympathischen Films beschwören dann ganz folgerichtig nicht, wie so üblich bei vielen Horrorfilmen, eine neue lauernde Bedrohung herauf, sondern sind auf bizarre Weise friedlich, kommen daher wie eine Erlösung. Aber man könnte die letzten Bilder auch anders deuten, je nach Sichtweise und Gusto. Soavi lässt hier immer noch genügend Interpretationsspielraum.
Der Regisseur stellt einiges an, den Rollentausch von Gut und Böse behutsam zu verschleiern. Einerseits versieht er die Heiden gleich zu Anfang mit Symbolen, die man gemeinhin dem Bösen zuordnet. Und so gerät man als Zuschauer schnell auf den Holzweg. Das Böse ist in Wahrheit die Institution des Guten auf Erden. Der satanistische Schnickschnack hätte vielleicht nicht ganz so holzschnittartig ausfallen müssen, doch die vielen netten Einfälle und sehr schönen Bilder entschädigen für manche abgegriffene Zutat. Die Stimmung ist dicht und seltsam entspannt. Das klerikale Böse plätschert in diesem Film bedrohlich vor sich hin, zäh wie Öl, es gibt keinen hektischen Showdown. Irgendwie wird das Innere der Kirche so zu einem seltsamen Ort übersinnlicher Phänomene. Soavi schafft es schon hier, ähnlich wie später in seinem Meisterstück „Dellamorte Dellamore“, eine surreale Stimmung zu erzeugen, die manchmal jenseits von Gut und Böse scheint. Mitten in die makaberen Ereignisse die geschehen, mischt sich Kinderlachen, gelangweilt lümmeln einige der eingesperrten Bengel auf den Sitzbänken herum, etc.. Weder herrschen Panik, noch Aufbruchsstimmung das scheinbar Böse zu bekämpfen. Bezeichnenderweise sind es immer die geistigen Erben der Kreuzritter, von denen blutige Akte der Vernichtung ausgehen. Nur Father Gus schickt sich an, das Geheimnis zu lüften und den Spuk zu beenden.
Kleine Anekdote am Rande: In einer Radiosendung („Phantasm“ von Mike Neun) hörte ich vor vielen Jahren, dass die Außenaufnahmen zu „The Church“ bei uns in Nürnberg hätten gedreht werden sollen. Der Film hätte dann wohl hier gespielt. Leider hatte irgendein „Klerikus“ etwas dagegen und Argento und Soavi sahen sich die Lorenzkirche (vermutlich) leider umsonst an. Wer weiß..., vielleicht war ich damals, in meiner größten Argento-Ergebenheit, sogar um die Ecke und habe nichtsahnend eine Bratwurstsemmel inhaliert. Sollte diese Geschichte jemand bestätigen können, bitte melden!
Demons Soavi Argento