Burtons Sternstunde und tiefe Verbeugung vor den skurrilen Erscheinungen des klassischen B- und Trashfilms, fleischgeworden in der Gestalt des Ed Wood Jr., ist ein wahrhaft vielschichtiges Filmkunstwerk, das es dem geneigten Zuschauer erlaubt, über die unglaublichen Begebenheiten und Augenblicke im Schaffen Ed Woods zu lachen und es dennoch spielerisch hin bekommt, ihn nicht nur als Versager und schlechten Filmemacher dastehen zu lassen, der er ohne Zweifel auch war, sondern das hervorhebt, was den sog. „schlechtesten Regisseur der Filmgeschichte“ gleichzeitig auszeichnete: Hingabe und unerschütterlicher Schaffensdrang. Die visionäre Passion eines Orson Welles und das Talent eines Apfelstrudels brachte einige, mittlerweile unsterblich gewordene Trashperlen hervor, die in Burtons Film mit viel Liebe zum Detail nachgestellt werden, mit verblüffender Authentizität. Wenn man sich das Leben des Ed Wood Jr. so betrachtet, ist das fürwahr der Stoff, der nach einer biographisch angehauchten Verfilmung schreit. Die Ed Wood-Biographie, die ich vor einigen Jahren gelesen habe, diente wohl als Vorlage für den Film, denn eine Menge der dort beschriebenen, ans Wahnwitzige gereichenden Momente, fanden auch ihren Weg in den Film. Einfach unglaublich und doch größtenteils wahr (so hoffe ich wenigstens

)! Natürlich ist der Film in erster Linie eine unterhaltsame Collage „Burtonscher“ Phantasterei, Woods Schicksal dürfte in Wahrheit sehr viel trauriger und frustrierender gewesen sein, und natürlich ist das Leben selbst kein Schwarzweißfilm. Diese Hommage ist eben auch ein Film für alle Fans des klassischen und klassisch schundigen Horrorfilms, denn jede nur erdenkliche Gelegenheit wird genutzt, um selbst die filmische Ästhetik zu erzeugen, die Bestandteil vieler alter Klassiker ist, oder eben das Produkt dessen, was der wahre Ed Wood auf die Leinwand zauberte.
Der titelgebende Held ist zwar Ed Wood Jr., aber eine beinahe noch tiefere Verbeugung gelingt dem Film, oder genauer gesagt Martin Landau vor Bela Lugosi, mit seiner phänomenalen Performance desselben, für die er einen Oscar einsackte. Lugosi ist die in Wahrheit tragischste Figur in dieser Geschichte. Ich denke, man muss Fan der alten Universal-Klassiker sein, um wirklich schätzen zu können, was Burton und Landau hier gelungen ist. Depp kann ihm da nicht ansatzweise das Wasser reichen, doch ist er natürlich ebenfalls hervorragend in seiner Hauptrolle. Burton und er sind ein Dreamteam und hoffentlich kommen da noch ein paar gemeinsame Projekte zustande.
Der Film endet mit der Prämiere der Trash-Granate „Plan 9 From Outer Space“, die wie ein Höhepunkt in Woods Karriere inszeniert wird. Das ist sie auch, lachenden und weinenden Auges. Noch während der Vorstellung verlassen er und seine Zukünftige (und wir, die Zuschauer) das Kino, die wahrscheinlich lynchmobähnlichen Reaktionen des Premierepublikums bleiben uns und den "Woods" erspart. In Wahrheit ist das der Wendepunkt in Woods filmischem Schaffen und der Beginn seines langsamen Absturzes. Schön, dass Burton das nicht thematisiert, sondern seinem Helden einen würdigen und glanzvollen Abgang erlaubt, wie er ihm ja eigentlich irgendwo auch gebührt. Den schrägen Vögeln und gescheiterten Figuren wird allen mit Respekt begegnet, und wenn wir über sie lachen, dann stets wohlwollend und niemals böswillig. Diejenigen, die in "EW" nur eine "Verarsche" von schlechten Filmen und ihren Machern erkennen, müssen ihr Hirn schon recht lange zwischen den Arschbacken spazieren tragen. Der mit großem Abstand beste Burton-Film.
Ed Wood USA 1994 Tim Burton Johnny Depp Edward D. Wood Jr. Bela Lugosi