Lustig, denn heute morgen lud mich ein relativ sinnfreies Spiel auf Cinefacts dazu ein, zu posten, was gerade als Müll im Cache meines PCs vergammelt. Und trotzdem brauchte es am Abend noch die Bemerkung einer guten Freundin, die ich nach dem Film zufällig traf, die mir den rechten Denkanstoß dazu gab, was der Titel des Films denn bedeuten könnte, indem sie mich so quasi erstaunt fragte, wer denn bitteschön Filme über so Computerkram dreht.
Ich wäre da gar nicht auf die Idee gekommen und hätte hinter französisch „Cascheeee“ eher was zu Essen vermutet, wenn ich drüber nachgedacht hätte, was ich gar nicht habe. Gut, vielleicht heißt Caché ja tatsächlich etwas völlig anderes, nämlich "verborgen"
, aber passen würde es, handelt der Film ja sozusagen vom Müll, den man auf seiner eigenen Festplatte mit sich herumträgt und der keine Rolle mehr zu spielen scheint, bis er plötzlich wieder auflebt, wie ein Virus im Cache eben, um im Computerjargon zu bleiben. Dort landen ja gemeinhin Sachen, die eigentlich tot sind, aber blitzschnell wiederbelebt werden und von Bedeutung sein können. Die Vergangenheit ist nicht tot. Wir sind das Produkt dessen, was hinter uns liegt und nicht selten sind wir auch alte Zechpreller. Der Hauptdarsteller will sich den Leichen im Keller seines Lebens einfach nicht stellen, was ihm und der Handlung eigentlich keinerlei Entwicklung ermöglicht, sondern zuletzt vom Stillstand direkt in die Katastrophe führt, wo der Film dann auch kurz darauf unspektakulär endet. Mit Stillstand hat's der Regisseur irgendwie...
Haneke wird wohl nie einen handelsüblichen Film drehen, so sehr bemühte er sich wieder, mit den Konventionen des Kinos zu brechen. Keinerlei Filmmusik, elendlange Einstellungen, die jeden Rhythmus im Keim ersticken, und beliebig erscheinende Ereignisse. Selbst am Schluss - auf eine mal wieder ewig währende Einstellung folgt nichts anderes, als der Abspann -, muss ein gefühltes Ende konsequenterweise und um jeden Preis vermieden werden, der Film soll auch zuletzt bloß nicht konventionell sein. Dabei finde ich Hanekes Stil schon derart typisch, bzw. berechenbar mittlerweile, dass er seine ureigenste Konvention geworden ist. Und wo man schließlich doch Struktur erkennt, kann sich durchaus Gefallen einstellen. Mit jedem Werk gefällt mir der anstrengende Ösi besser, auch wenn mich seine lustfeindliche, intellektuell verquastete Attitüde früher total nervte.
Die Story ist im Grunde ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Für einen handelsüblichen Thriller wäre das Dargebotene zu dünn und unausgegoren. Haneke interessiert sich mehr für die Aussage dahinter und vor allem das Zwischenmenschliche, allein auf diesen beiden Bühnen findet alles statt, dessen halbgares Mystery-Drumherum allenfalls als Motor dient. Warum aber patout zum spannenden Mit- und Gegeneinander der Protagonisten nicht noch einen adäquaten Rahmen spendieren, den eines besser konstruierten Thrillers zum Beispiel? Ich werde das Gefühl nicht los, Haneke möchte das Kino in seiner unterhaltsamsten Daseinsform verhöhnen, weil er es einfach nicht mag. Eine noch so gute Plotkonstruktion scheint für ihn industrieller Traumfabrik-Müll zu sein. Für ihn ist im Kino alles Kokolores, außer der Kern seines Anliegens, um den es ihm einzig allein geht, der es wert ist, mit dem Skalpell seziert und angemessen gewürdigt zu werden. Dass er trotzdem gewisse Genreelemente verbrät scheint da tatsächlich nur blanker Hohn zu sein. Er benutzt sie, um sie dann absichtlich zu ignorieren. Sie sind die Steigeisen, die Trittbretter für etwas, in seinem Sinne Erhabeneres, mehr nicht. Eitler Ballast, den es stiefmütterlich auszunutzen und dann fallen zu lassen gilt. Haneke macht Filme gegen das Kino, aber glücklicherweise kann das einem piepegal sein, denn faszinierend sind sie trotzdem, gerade weil auch von Ungewohntem eine starke Kraft, ein unwiderstehlicher Sog ausgehen kann. Speziell diese langen, manchmal sinnlos scheinenden und auch mal marternden Einstellungen in seinen Filmen, in denen lange Zeit nichts oder bis zum Erbrechen dasselbe passiert, finde ich zunehmend irgendwie berauschend. Haneke ist wie eine Nervensäge, auf die man sich zunehmend freut, womöglich weil man irgendwo selbst leichte masochistische Züge hat, wer weiß. Und weil die Nervensäge trotzdem etwas kann. Werde mal nach weiteren Werken Hanekes Ausschau halten. Ach ja, die eigentliche Message des Films, bzw. das Drama, ließ mich ehrlich gesagt ziemlich kalt, zu aufgesetzt war mir das alles insgesamt. Vielleicht auch, weil mir nüchternes Betroffenheitskino nicht so liegt. Aber ich fand den Film trotzdem fesselnd, nicht zuletzt dank sehr starker Momente und dem guten Spiel der Darsteller.
Nachtrag:
Mittlerweile habe sogar ich endgültig herausgefunden, dass der Film auch einen deutschen Titel besitzt. Also wird "Caché" wohl echt "Versteckt" heißen. Der Gedanke mit dem Computer-Cache gefällt mir trotzdem.
Drama Haneke