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FakeShemp's Blog

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Beim Sterben Ist Jeder Der Erste, USA 1972



Wahrlich ein spannender, verstörender Film und erst recht kein einfacher, will man sich nicht einfach nur spannend unterhalten lassen, was allein ebenfalls hervorragend funktioniert. Ich habe ihn schon einige Male gesehen, mir aber nie die Mühe gemacht, wirklich groß über ihn nachzudenken. Na ja, hiermit will ich das mal versuchen..., ob Sinn dabei rumkommt, ist mir Wurscht.
Der erste Gedanke, der mir diesmal kam war: "Texas Chainsaw Massacre" light. Sicherlich tut man diesem exzellenten Film damit ein wenig Unrecht, aber das blubberte nun mal hoch, was soll ich machen. Da er vor Hoopers Meisterwerk entstand, war er sicherlich ein Stück Wegbereiter für diese Sorte von Backwoods-Terror-Filmen. Ähnlich wie auch in Hoopers Streifen machen sich hier vier Stadtmenschen fernab sog. Zivilisation auf den Weg in die "Wildnis", den besonderen Kick zu suchen. Sie wollen nicht nur Urlaub machen, sie möchten ihrem stiefmütterlich vernachlässigten Abenteuertrieb nachkommen, mittels einer halsbrecherischen Kanufahrt zum Beispiel. Recht bald stößt man auf die ersten "Hinterwäldler", die mit ihrem inzestuösen Aussehen und ihrer ruppigen Art nicht gerade für Wohlbehagen sorgen. Doch wie in der urbanen Welt lässt sich auch hier Hilfsbereitschaft erkaufen, so weit so gut. Ein Klassiker ist sicherlich das Banjo-Duell, eine Art hämische Demonstration dessen, wer hier draußen die Hosen an hat.
Nachdem man ins Geschäft gekommen ist - ein paar Rednecks sollen die Autos unserer Abenteurer flussabwärts bringen, damit die nach ihrer Kanufahrt gleich wieder bequem Nachhause brausen können - begibt man sich in die Boote. Der Feind ist dann zunächst nur die Natur mit ihren Stromschnellen, ein noch relativ kalkulierbarer Gegner. Und dann beginnt plötzlich die wahre Hölle, die ich hier nicht weiter ausbreiten will.
Der Film ist ein Höllenritt. Inmitten einer, die Sinne berauschenden Naturidylle, geht es bald nur noch ums nackte Überleben. Man ist den Widrigkeiten ausgeliefert, es gibt keinen einfachen Ausweg. Bald heißt es nur noch: entweder du, oder ich. Wer überleben will, muss dem anderen zuvorkommen. In dieser Welt herrschen scheinbar andere Gesetze und das ist das Dilemma, in das unsere vier Ausgelieferten geraten. Plötzlich müssen sie wie selbstverständlich Dinge tun und sich mit Tatsachen abfinden, für die sie ein wohlbehütetes Leben in der urbanen Zivilisation nicht vorbereitet hat. Der Grund, weshalb der Streifen letztlich nicht zu einem simplen Rache- oder Survival-Abenteuerfilm verkommt, sind wohl die menschlichen Regungen, denen relativ viel Platz eingeräumt wird. Bruce Willis hätte den bösen Buben einfach den Arsch aufgerissen und den Wald abgefackelt. Hier sieht man sich hingegen mit Zwischentönen konfrontiert, die dank der guten Darsteller überzeugend rüberkommen.
Einerseits soll man nicht töten, andererseits muss man aber töten, um zu überleben. Kann man damit leben, Leichen zu verscharren? Kann das zivilisierte Seelchen damit umgehen, selbst wenn es niemals herausbekommen wird?
Einer von den "Zivilisierten" kann das scheinbar nicht. Und als ob dessen Gewissensbisse alleine schon reichten ist er der erste, der dran glauben muss. Dabei hätte es in dieser Situation jeden treffen können. Höhere Gewalt? Ist Gewissen dort draußen eine Schwäche, die schon vom Schicksal bestraft wird? Darum geht's dann vornehmlich hinter den Kulissen dieses rauen Abenteuers. Nicht so sehr darum, was moralisch in der Waagschale liegt..., sondern eher, was kann man verkraften und verfügt man über ausreichend Überlebenswillen?
Am Schluss findet man sich dann doch im sicheren Schoß der sogenannten Zivilisation wieder. Aber die Albträume, das schlechte Gewissen sind noch da. Der Dschungel lebt...

Mehr fällt mir im Augenblick nicht ein. Was mir während des Films ganz allgemein noch in den Sinn kam war die Frage, ob die Darstellung der "Hinterwäldler" nicht etwas zu pauschal und negativ war. Aber wenn man genau aufpasst ist das nicht der Fall, man unterliegt vielleicht nur zu schnell seinen eigenen Vorurteilen, mit denen der Film geschickt spielt. Auch das rührselige Abendessen bei der großen Familie gegen Ende rückt den falschen Blickwinkel wieder zurecht.

Zum Film selbst sei gesagt, dass er toll inszeniert ist. Es gibt keine Sentimentalitäten, keinen Kitsch. Realismus steht an erster Stelle. Die Tode sind zurückhaltend in Szene gesetzt und wirken gerade deswegen unglaublich beklemmend und hart. Die "Hinterwäldler" kommen authentisch herüber, einige sind wohl auch welche. Der Film verläuft weitgehend ruhig, man hört meist nur das Rauschen des Flusses und ab und an leise ein paar Noten des Banjo-Themas aus dem Duell am Anfang, die beinahe versöhnlich klingen, oder aber sarkastisch, so als flüsterten sie: "Ich habe Euch gewarnt...!"

Tolle Kamera.

Kurz: Großartiger Film bis zur buchstäblich letzten Sekunde.

Nett: Al Bundy am Schluss, mit einem kurzen Auftritt. B)

Deliverance John Boorman Burt Reynolds Backwoods The Texas Chainsaw Massacre



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