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FakeShemp's Blog

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CANNIBAL - Aus dem Tagebuch eines Kannibalen, Deutschland 2005 (gesehen auf dem WOF'06)



Meine Fresse, damit rechnete bestimmt keiner mehr, so früh am Morgen. Oft werden sie angepriesen und doch nur selten finden sie tatsächlich statt, cineastische Erfahrungen, die einem das Mark gerinnen lassen. Und dann noch ein kleiner Film aus Deutschland. Sich angeblich nah an den realen Begebenheiten des Falls aus Rotenburg bewegend, wird ohne Zurückhaltung Punkt für Punkt geschildert, was sich im Hause des dank der Medien berühmtesten deutschen Kannibalen wohl zugetragen hat. Im Gegensatz zum „Rohtenburg“-Film mit Kretschmer wollte man aber nicht werten oder verurteilen, sondern alles unkommentiert so zeigen, wie es eben war, so einer der beiden anwesenden Darsteller. Damit bin ich nicht ganz einverstanden, weil ein Werten lässt sich so gut wie nie vermeiden und gerade in „Cannibal“ wird ästhetisch sehr stark manipuliert. Formal hat man hier schon einen Horrorfilm. Es gibt also entsprechend verstörende Musik und eine Bildsprache, die das Wahrgenommene in eine gewollte Richtung noch verstärkt, wie beim Horrorfilm eben üblich. Somit könnte man das ja durchaus als Werten verstehen, aber Schwamm drüber.
„Cannibal“ ist wahrlich kein Film, der mir Freude oder eine unterhaltsame Zeit bereitete, dafür ist er einfach zu konsequent und in Verbindung mit dem Thema zu unangenehm. Dennoch muss man seinen Machern und den Schauspielern großen Mut attestieren. Trotz seines geringen Budgets fand ich ihn formal brillant, selten habe ich besser Gemachtes aus dieser Ecke gesehen und ich meine jetzt nicht irgendwelche Effekte, die, man muss es sagen, ebenfalls erschreckend realistisch ausfielen. Ich würde behaupten, „Cannibal“ ist filmisch ein reifes Werk, aber eben keines, das man sich gerne öfter zumutet. Hätten Deodato und Fassbinder zusammen einen Film gedreht, wäre „Cannibal“ wohl dabei herausgekommen. So gesehen war es ein “großes“ Glück (mit dicken Anführungszeichen), ihn auf dem WOF’06 zu Gesicht (eher ins Gesicht) bekommen zu haben, denn die Beteiligten meinten selbst, dass der Streifen nach dem rechtlichen Heckmeck von „Rohtenburg“ und aufgrund seiner Drastik wahrscheinlich erst recht, länger in der Versenkung verschwinden dürfte. Ein Film, der sich dahin zu gehen traut, wo andere sich eher auf die sichere Insel des Verurteilens und sich Distanzierens flüchten. Ich würde sagen, man sollte ihn mal gucken, so denn irgendwo die Gelegenheit dazu besteht und wenn man einiges ab kann...

Marian Dora Rotenburg Kannibalismus True Crime



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