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Short Cuts


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Berlinale 2014


Im Kreislauf der Berlinale und ein Bier am Alex


Dies war sie nun. Meine allererste Berlinale, dabei ist sie noch nicht einmal komplett gewesen. Von Montag bis Freitag ließ ich mir das Menü servieren und ich kann schon jetzt sagen, ich wurde satt.

Wo soll ich anfangen ?

Im Prinzip startet der Prolog schon mit den aufwenidigen Vorbereitungen. Ein Programm von 400 Filmen durchzusehen geht ja noch wenn man die Zeit dafür hat und die hatte ich. Schwieriger wurde es dann mit der Titel und Zeitplanung. Ich war ja nicht ganz allein, stimmte mich noch mit zwei weiteren Mitstreitern ab, 2 alte Berlinale Hasen. Anfang Februar hatte ich schon Urlaub. Von Ausschlafen war aber keine Rede. So ein durchgetaktetes Programm muß ja auch gebucht werden und so torkelte ich schon am Montag, 3 Tage vor Berlinale Beginn, mit nem Kaffee in der Hand zum Rechner um die begehrten Tickets zu buchen, die punkt 10 Uhr Morgens freigeschaltet wurden. Dieser Trott ging 5 weitere Tage so. Im Bann der Berlinale bekam ich zusätzlich zum Kaffee einen jeweils 10 minütigen Vorgeschmack auf das was mich von Montag bis Freitag in der Hauptstadt erwarten würde. Der Kick des Filmfestspiele.

Montag, Abfahrt. Mein Handy klingelte. Freitag mußte umgeplant werden. Die 10 Uhr Vorstellung von Linklaters Boyhood war ausverkauft, was die restliche Freitags Planung umwarf. 12.30 war aber drin. Ticket sicher. Im Zug wurde ich auf das Buch was ich las (Howard Hawks von Rolf Thissen) angesprochen und 10 Jahre jünger geschätzt. Charming. Professorin aus Köln, fuhr auch zur Berlinale. In Berlin dann fix zur Unterkunft nach Pankow, Koffer abgestellt, geschnackt und dann gings los um einen Haufen Tickets zu holen. Am Potsdamer Platz bekam ich in den Arkaden am Ticket Schalter einen kurzen Schreck. Die Schlange war sehr lang, betraf mich aber nicht da ich alles online gebucht hatte. Ich ging einfach vorbei zur Online-Ticket-Abholung. Da stand niemand. Prima !
Im Cinemaxx ging es im Achter Kino dann auch los mit einem Titel aus der Retrospektive. Air Force aus dem Jahre 1943, drehte Howard Hawks damals auf Bitte eines befreundeten Offiziers. Natürlich ist der Film ein reiner Propagandafilm aber einer der sich unglaublich gut ins Hawksche Oeuvre einfügt. Air Force ist ein richtiger Männerfilm in dem es natürlich um eine Gruppe Professionals geht. Diese Gruppe ist die Besatzung eines Boeing Bombers im Zweiten Weltkrieg, die ihre Festung "Mary Anne" getauft haben. Während eines Übungsflugs bekommt die Truppe einen Funkspruch über die Bombardierung Pearl Harbors rein. Wenig später wird der Bomber von japanischen Fliegern angegriffen. Die Besatzung muß notlanden und schafft es ihr Baby wieder flottzumachen um am Ende einen erfolgreichen Angriff gegen einen japanischen Truppenkonvoi durchzuführen. Es geht innerhalb der Gruppe auch um die Integrierung eines Aussenseiters der lieber Pilot sein will als MG-Schütze und von der Army eigentlich die Schnauze voll hat. Dieser darf sich am Ende beweisen in dem er "Mary Anne" bruchlandet und somit rettet. Im Grunde genommen kann man Air Force, der natürlich Kriegsfilm und teils auch aggressiv in seinen Dialogen ist, auch als Action-Abenteuerfilm bezeichnen. Nie wird die Professionalität der Gruppe in Frage gestellt.Hawks geht es mehr um das Wie ? und Wer ? als ums Warum ? und Wofür ? Wobei letzteres natürlich auch eine Rolle spielt, da unterschwellige Rache mitschwingt. Interessant ist aber wieviel Menschlichkeit in diesem Werbefilm für die Air Force steckt. Ein typischer Hawks mit übrigens grandiosen Flugaufnahmen. Wundert einen nicht wenn man weiß das Hawks selber begeisterter Flieger war. 8/10 Punkten. Achja, die Qualität der frisch restaurierten Kopie war auch allererste Sahne. Ein knackig scharfes s/w.

Nächste Station Schönhauser Allee, Colosseum. Vorher hatte ich noch Luft und aß beim Vietnamesen. Neben mir unterhielt man sich über Leonardo Di Caprio Filme. Am Tisch gegenüber ging es um Wes Anderson. Ich genoß Garnelen mit Gemüse und Reis. Dann zu später Stunde rüber ins Kino. Güeros (Alonso Ruizpalacios) Panorama ist ein mexikanischer Debutfilm. Ein Roadmovie in s/w im 4:3 Format. Der Film spielt 1999 während der Studentendemonstrationen in Mexiko City. Der junge Tomas, sein großer Bruder und sein Freund machen sich auf um einen alten Musiker zu suchen, der für das Tape verantwortlich ist, welches ein Erbstück von Tomas Vater ist und der Legende nach Bob Dylan zum weinen brachte. Die Reise wird ganz Road-Trip typisch zur Selbsfindung. Zwischendurch steigen der Regisseur und Kameramann ins Auto und die Darsteller reflektieren später in einer Szene mexikanische Filmgeschichte indem sie sich im Dialog über Klischess lustig machen. Überhaupt gibt es viele witzige Szenen, die alle 5 Minuten für Publikumslacher sorgten sowie einige tolle Einstellungen und auch nette Ideen, wie die, das immer wenn jemand das Tape per Kopfhörer hört, wir nicht die Musik hören sondern nur die Reaktion sehen. Das ganze wird mit dokumentarischer Handkamera eingefangen und erinnert auch wie beworben an die Nouvelle Vague. Mich erinnerte es an einen Mix aus New Wave der 60er und den frühen Filmen von Jim Jarmusch gepaart mit ein wenig Rumble Fish von Coppola. Der in 5 Kapitel unterteilte Film, der ganz nebenbei die Frage stellt "Resignation oder Partei ergreifen", konnte mich letzten Endes aber doch nicht wirklich überzeugen. Dafür wirkte er auf mich oft zu lose, hatte zuviel Leerlauf und wirkte wiederum zu überambitioniert. Doch bei weitem kein schlechter Debutfilm. Witzig und interessant ist auch, dass die Reise nie aus Mexiko City hinausgeht. Am Ende befinden sie sich in einer Demo. Auf die Frage "Wo sind wir"? folgt ein "In Mexiko City." 6/10 Danach war der Regisseur anwesend, der ein echter Spaßvogel war. Ich mußte dann doch schnell los um meine S Bahn zu kriegen.

Dienstag startete ich wieder am Potsdamer Platz, traf mich auf nen Kaffee mit Bastro, was leider unser einziges Treffen blieb, da wir uns danach immer wieder verpassten und begann den Tag wieder mit einem Film aus der Retrospektive. Marcel Carnés Le quai des brumes (Hafen im Nebel) von 1938 10/10 kannte ich zwar schon, passte aber gut ins Programm. Außerdem wollte ich den Film gerne mal auf großer Leinwand gesehen haben. Der, für den Film Noir, immens einflussreiche Schlüsselfilm des "poetischen Realismus" bereitete mir einen Schauer nach dem anderen sowie feuchte Augen. Neben mir saß ein älterer Herr, der sich ständig Notizen machte und an fast denselben Stellen wie ich "Ah" und "Hach" machte. Vorab gab es eine 10minütige Einführung eines Professors aus Marburg, der einmal etwas zur Bedeutung des Films sowie zur Lichtdramaturgie erzählte aber auch und das war mir nicht bekannt, zur Produktionsgeschichte. Der Film sollte erst in Babelsberg gedreht werden, was Carné dann aber verwarf, da ihm die Gegebenheiten zu theaterhaft waren. Gedreht werden sollte in Hamburg. Wurde dann aber sehr zügig vom Reichskulturministerium untersagt und so ging es zurück nach Frankreich wo der Film dann in Paris und Le Havre gedreht wurde. Trotz der teils körnigen Bildqualität (bin mir nicht sicher aber irgendwie sah das nach DVD Projektion aus) ging ich mit Pipi in den Augen zurück ins Helle und mußte mich sputen um zum Alex zu kommen.
Da gab es dann The Midnight After von Fruit Chan (Panorama) im Kubix. Schon wieder eine Gruppe. Diesmal ein zusammengewürfelter haufen Passagiere in einem Minibus in Hongkong. Der Bus fährt durch einen Tunnel und plötzlich ist alles um sie herum menschenleer. Einige Passagiere steigen aus, was fatale Folgen für sie hat, andere machen Entdeckungen und wiederum andere meinen des Rätsels Lösung erkannt zu haben. Viel mehr gibt es auch nicht zu sagen obwohl natürlich einiges noch passiert. Ich empfand Fruit Chans Film als mediokre Komödie, die westliche Genrestrukturen aufs Horn nimmt und sich in den vielen Figurenklischees, die alle genremäßig auf den Kopf gestellt werden, leider verliert, kitschig ist, sich wiederum drüber lustig macht, moralische Konsequenzen halbherzig adabsurdum führt inkl. bewusst oder unbewusst trashiger Effekte und Fukushima Angst der Chinesen.
So oder so ähnlich textete ich das Bastro und muß zugeben, dass ich den Film mit 5/10 vielleicht zu schlecht bewerte aber auch hier das Gefühl hatte, ich kenne zu wenig Asia Kino um dem Film gerecht zu werden. Mir war das auch viel zu überzogen, viel zu albern und zu konstruiert als das ich die Invasion der Japaner samt "Space Oddity" und Technik Karikatur für Voll nehmen konnte.
Cut !
Fahr zum nächsten Kino. Berlinale goes Kiez. Filmkunst 66, Savignyplatz. Hatte ziemlich viel Zeit und lief erstmal in die falsche Richtung und kam an ner Videothek vorbei. Konnte mich nicht zurückhalten und kaufte Trance von Danny Boyle. Für n 5er kann man nicht meckern. Kino gefunden. Roter Teppich ausgelegt, Stars wurden erwartet. Immer noch Zeit und suchte ne Kneipe. Fancy Gegend. Eine Straße weiter ist der Kudamm. Keine Kneipen. Nur teure Restaurants und schnieke Weinbars. Ging ein paar Blocks den Kudamm runter und kam in den Seitenstraßen an sehr teuren Altbauwohnungen vorbei. An der Straße standen 2 Ferraris, 3 Porsche, der Rest MB und BMW. Zurück im Kino kaufte ich n Becks. Dann halt stehen und Bier trinken. Das kleine Foyer füllte sich langsam. Einlaß. Gezeigt wurde Things people do von Saar Klein (Panorama) 6-7/10. Saar Klein ist ein in Israel geborener US amerikanischer Cutter, der sein Regiedebut mit dieser Weltpremiere vorlegt, 2 Oscarnominierungen für den besten Schnitt (Almost Famous & The Thin Red Line) zu verbuchen hatte, für den Schnitt von The Bourne Identity und Malicks New World verantwortlich war sowie Schnittassistent bei Oliver Stones JFK war. Die Stars des Abends waren zunächst Matthias Elwardt (Chef vom Hamburger Abaton Kino) und Fatih Akins Cutter Andrew Bird. Elwardt, der den Host und Interviewer gab, sprach zunächst ein wenig mit Bird über dessen Arbeit mit Akin. Dann wurde Saar Klein und sein Kameramann, der junge Wiener Matthias Koenigswieser nach Vorne gebeten um sich kurz vorzustellen. Koenigswieser hat mit Saar Kleins Regiedebut seinen ersten Spielfilm vorzuweisen. Vorher war er Kameramann für einige prämierte Kurzfilme sowie für die hochgelobte Boxerdokumentation "Tapia". Nach dem Film wurden die zwei dann noch kurz interviewt und es gab ein Q+A mit dem Publikum. Things people do ist ein Familiendrama, besser gesagt ein Vaterdrama, noch besser gesagt ein Männlichkeitsdrama. Natürlich fließen diese 3 Punkte zusammen und ergeben einen Film in dem, wenn man es so sehen möchte, konservative Familienwerte mittelständischer US-Amerikaner auf eine harte Probe gestellt werden. Es geht um eine Familienvater (Wes Bentley) der, weil er in der Versicherungsfirma in der er arbeitet schummelt, seinen Job verliert. Die Hypothek seines Hauses am Rande der kargen Einöde kann nicht mehr bezahlt werden und das Familienstatussymbol Pool samt Auto auch nicht. Der Pool, der am Ende einbetoniert wird, spielt eine wichtige Rolle. Der Vater ist der Gute und schämt sich für seine neue Situation. Diese Scham macht ihn klein und durch Zufall wird er unmoralisch zum Verbrecher, der Nachts eine Tankstelle überfällt in der eine Frau arbeitet, die sexuell belästigt wird oder die Firma, die sein Auto abgeschleppt hat und Wucherpreise von ihm verlangt um es wiederzubekommen. Seine Frau weiß davon nichts. Alles geht seinen gewohnten Gang doch das Geld was er erbeutet reicht nicht. Dann ist da noch der kaputte Ex-Cop (Jason Isaacs), der ihm auf die Schliche kommt und natürlich durch das Familienband (geschieden) verbunden ist, der ihm in der Mitte des Films suggeriert "The only thing that counts are the things people do."
Dem Film wurde gleich nach der Premiere Sexismus vorgeworfen weil der Familienvater ein Männlichkeitsproblem habe und die Rolle der Mutter im Film keine Rolle spielen würde bzw. ausgenutzt werde. Die Kritik geht am Film ein wenig vorbei, wie ich finde. Wir befinden uns hier nicht in einem normalen Sozialdrama, wo die Frau, die ganz nach Malick stilisiert wird, arbeiten gehen könnte.
Es geht hier um das Wegbrechen von Idealen, von männlichen Idealen, was auch immer wieder sich in den Gesprächen des Vaters mit seinen kleinen Söhnen wiederspiegelt. Was die Familie angeht so kreuzen sich die Figuren des Vaters und des Cops nicht nur, sie sind miteinander verbunden. Am Ende gibt Klein keine Antwort sondern stellt sein Modell zur Disposition.
Interessantes beim Q+A ? Eher weniger. Der Regisseur gab aber noch kurz an, dass er die Story im Sinne Raskolnikov und "Schuld und Sühne" drehen wollte. Interessant ist aber wieviel Malick in der Bildsprache vorhanden ist und obwohl der Regisseur den direkten Einfluss verneint, aber sagt, dass Malick ihn natürlich beeinflusst habe, ist dieses unterbewusste schon recht stark zu sehen. Da sind die vier Elemente, die immer wieder ins Bild gesetzt werden oder der Offkommentar, der wie bei Malick Gedanken und Gefühle ausspricht. Das fand ich in der Tat sehr interessant, da der Film sonst von der Inszenierung narrativ geerdet daher kam. Kein Film der es mir leicht machte. Im Gegenteil. Ich verbrachte noch 1,5 Stunden grübelnd im Bett.

Mittwoch. Neuer Tag. Die Malick-Schüler-Experience Nummer 2. The better Angels von A.J. Edwards (Panorama) 7-8/10, der auch als Cutter für Malicks letzte Filme Tree of Life und To the Wonder zuständig war. Anstatt jetzt hier viel zu schreiben, verweise ich einfach mal auf Settembrinis Berlinale Bericht, der den Film am Montag sah und dessen Eindrücke sich recht gut mit den meinen deckten. Schön ist auch die Kombination, diese 2 Filme hintereinander gesehen zu haben. Zwei im Grunde sehr unterschiedliche Filme, die aber beide die Handschrift Malicks recht deutlich zeigen. The better Angels ganz offensichtlich und Things people do eher unter der Oberfläche. Es dürfte interessant sein zu beobachten was diese Regisseure in der Zukunft noch so drehen werden. Mir gefiel The better Angels ganz gut und ich ärgerte mich auch nicht, dass ich dadurch "The Dawn Patrol" von Howard Hawks verpasste, den ich eigentlich auch ganz gern gesehen hätte. Als ich meine Panorama Publikumspreis Karte einsteckte, merkte ich, dass ich wohl mit meiner Meinung in der Minderheit war. 5 Leute vor mir hatten ihr Kreuz bei ärgerlich oder mittelmäßig gemacht. Ähnlich wie wohl die zwei letzten Malick Filme und eigentlich schon ab Thin Red Line spaltet auch dieser Film.
Wieder am Potsdamer Platz. Nächster Termin um 18 Uhr Ken Loach Conversation in der Kinemathek. Ich hatte noch Luft, aß mein Lunch Paket und machte mich auf in die Kinemathek. 1,5 Stunden Zeit. Kaufte mir im Museumsshop die Blu Ray von "Harakiri" und fragte nach der vergriffenen Lunitsch Stummfilm Box, die leider nicht mehr vorhanden war. Um kurz vor fünf fuhr ich mit dem Fahrstuhl hoch und da warteten schon nicht wenig Leute. Ich war aber trotzdem recht weit vorne. Um 17.30 Uhr Einlass. Ich stürzte nach hinten und konnte am Fenster noch einen Sitzplatz ergattern. Gut das ich so früh da war. Nicht gerade groß der Raum und proppenvoll. Vorn in der ersten Reihe erblickte ich Paul Laverty, den langjährigen Drehbuchschreiber mit dem Ken Loach oft zusammenarbeitet. Um Punkt 18 Uhr kam dann Ben Gibson (Director London Film School), der Loach interviewte und kurz darauf Ken Loach höchstpersönlich. Ken Loach gehört zu den Regisseuren, die ich seit etlichen Jahren sehr schätze und zwar nicht nur als Regisseur sondern auch als Person öffentlichen Lebens abseits seiner Filme. Das wurde einem auch schon nach nicht einmal 5 Minuten gewahr als Loach sagte, dass er es eigentlich als diskreditierend empfände, dass bei diesem Gespräch kein Übersetzer anwesend sei, da so ein Interview eigentlich in der Sprache des Landes gehalten werden sollte. In der folgenden Stunde wurde Loach von Gibson über sein Werk und seine Arbeitsmethoden interviewt, begleitet von einzelnen Film Ausschnitten. Das war hochinteressant, wahnsinnig spannend und auch sehr bewegend. Selbst wenn man schon einiges aus Interviews, Dokus und Büchern kannte, wirkte die Stunde wahnsinnig dicht. Zwischendrin gab es immer mal wieder Applaus zb. als das Zitat zur Thatcher Beerdigung angesprochen wurde. Am Ende Standing Ovations. Hätte mir gerne ein Autogramm geholt und ihm persönlich gesagt wie sehr mich seine Filme bewegt haben doch die Zeit drängt, da im Cinemaxx nebenan auf Gleis Acht Sternbergs Shanghai Express (1932) (Retrospektive) wartete. Schon zweimal gesehen, passte auch die Vorstellung gut ins Programm und in den Zeitplan. Viel Schicki-Micki und auch älteres Publikum anwesend. Klar es gab die Dietrich zu sehen. Die Qualität war ok. Es wurde viel gelacht, was teils merkwürdig war, da der streckenweise schon witzig ist aber keine Komödie. Ein Kuriosum was mir auch bei anderen Filmen der Retrospektive auffiel und was vielleicht auf Unverständnis und das Alter des Films zurückzuführen wäre. Naja wie dem auch sei. Ich ließ mich in die exotische Atmosphäre fallen, achtete gebannt auf die Lichtinszenierung, folgte den langen Überblendungen und wurde von Marlenes Dialogen geradezu umnebelt. Apropos : Nebel. Den hatte ich auch neben mir. Da saßen zwei ältere Damen, die sich so eingedieselt hatten, dass ich nach kurzer Zeit Kopfschmerzen bekam. Zurück zu Shanghai Express. Sternbergs 4. Film mit Marlene ist definitiv ein Style over Substance Film. Die Story bleibt hier wirklich Nebensache. Ein Film der nur von seiner Atmosphäre lebt. 8/10

Danach hatte ich es dann auch nicht weit zum Berlinale Palast, wo es die Gala Premiere von Bai Ri Yan Huo (Black Coal Thin Ice) von Diao Yinan (Wettbewerb) , dem diesjährigen Gewinner des Goldenen Bären, stattfand. Mein Kumpel wartete schon draußen, es kam noch ein Freund von ihm dazu, ein anderer saß schon drinnen. Nach ein wenig Wartezeit bekam man dann Einlaß in den Premieren Palast. Ich saß Parkett, relativ weit vorne, wo man auf einer kleinen Leinwand verfolgen konnte, wie das Team des Films zusammen mit dem Kosslick in Gala Garderobe, von einer Kamera begleitet, über den roten Teppich flanierte. Dann ging es auch schon los und tja was soll ich sagen. Die Gegebenheiten waren nicht unbedingt optimal um diesen langsam erzählten Film mit Noir Anleihen richtig genießen zu können. Beinfreiheit hatte ich für meine langen Stelzen auch nicht wirklich, saß für meine Verhältnisse auch sehr nah an der Leinwand. Im Grunde natürlich fahle Ausreden. Der Film spielt im Norden Chinas und beginnt damit, dass Leichenteile in einer Fabrik gefunden werden. Man schreibt das Jahr 1999. Bald darauf kommt es zu einer Festnahme mit überraschendem Shoot Out. 2 Polizisten sterben. Der Hauptprotagonist wird suspendiert auch weil er ein Alkoholproblem hat. Zeitsprung. 2004. Der Protagonist arbeitet in einer Fabrik und es geschehen wieder Morde. Er entdeckt Mithilfe eines alten Kollegen, dass alle Opfer Beziehung zu einer jungen Frau hatten, die in einer Wäscherei arbeitet und von ihrem Boss sexuell genötigt wird. Unser Ex-Cop verliebt sich und muß schon bald eine furchtbare Entdeckung machen. Als die Credits anfingen, stürmten die ersten Reihen sofort nach draußen. Unverständnis und Entrüstung machte sich breit. Ein Publikumsfilm ist dies nicht. Auch wir schüttelten den Kopf wobei mein Freund doch noch recht gnädig war. Der Film war mir für einen Genre Film viel zu artifiziell, zu gestellt, zu sehr Kunst. Anbei hat er aber einiges an Szenen die großartig sind und wo ich dies schreibe, merke ich das vieles aus dem Film immer noch im Kopf rumspukt. Vieles habe ich auch nicht verstanden und weiß nicht wie ich es deuten soll. Im Grunde bin ich gar nicht richtig dabeigewesen. Deshalb enthalte ich mich auch hier jeglicher Wertung und würde ihn mir lieber nocheinmal ansehen. Durch den Goldenen Bären kann man auf jeden Fall vermuten, dass er in hiesige Programm und Kommunale Kinos kommt. Danach begossen wir den Abend noch mit ein paar Bier und um 02.00 Uhr gings dann mit dem Taxi nach Hause.

Donnerstag. 12.00 Uhr Friedrichstadtpalast. Komme gegen 11.15 Uhr dort an. Mein Freund stand schon ganz vorne damit wir auch ja in die einzige Reihe mit Beinfreiheit kommen. Ca. 11.30 Uhr Einlass. Drinnen nochmal vor einem der vier Eingänge gewartet. Kriegten gute Plätze. Gezeigt wurde Aloft von Claudia Llosa (Wettbewerb), die 2009 den Goldenen Bären gewann. In den Hauptrollen Jennifer Connelly, Cilian Murphy und Melanie Laurent. Ich will gar nicht näher auf die Story eingehen. Aloft ist ein Mutter-Sohn-Drama, ein Erbauungs und Lebenshilfe Film, der in seiner Gegenwarts-Rückblende Struktur zwar interessant ist aber sich dann vieles sehr einfach macht, tolle Darsteller hat, von denen Melanie Laurent ein wenig blass bleibt, schöne Landschaftsaufnahmen bietet und am Ende mit einem Versöhnungsschluss aufwartet, dass mir richtig schlecht wurde. Gut, dass ich nicht viel im Magen hatte, ich hätte wirklich gekotzt. Was eigentlich ärgerlich war, bei dem Film dann aber doch keine so große Rolle spielte, war die Tatsache, dass die letzten 10 Minuten auf der rechten Seite eine Box dröhnte und von links nen Schlagbohrer anging. Wie gesagt, war dann aber doch nicht weiter wild. 4/10 Nächster Film.
Zunächst traf ich mich mit Settembrini und wir gingen gemeinsam Richtung Zeughauskino, was schönerweise zu Fuß gut zu erreichen war. Da wir noch Zeit hatten, aßen wir im Restaurant nebenan und führten ein Gespräch nach dem anderen. Wäre nicht um 17 Uhr die Vorstellung von Kes (Ken Loach) 1969 (Hommage) gewesen, hätten wir wohl den restlichen Abend dort gesessen und ich hätte auch noch ein Stück Mozarttorte gegessen. Zu Kes möchte ich auch gar nicht viele Worte verlieren. Nur soviel : Mich hat Ken Loachs zweiter Kinofilm schwer beeindruckt und ich scheue mich auch nicht vor einer 10/10 Bewertung zurück. Das ist schon faszinierend wie sehr dieser frühe Film schon die Handschrift von Ken Loachs späteren Arbeiten trägt. Rainer Rother von der Deutschen Kinemathek hat sicherlich Recht wenn er ihn auch als Schlüsselfilm des "New British Cinema" nennt. Was besonders auffällt ist nicht nur die Kritik am gnadenlosen, autoritären Erziehungssystem Großbritanniens sondern auch wie sehr sich das alles die Waage hält. Die beschissenen Arbeiterverhältnisse aus denen Billy kommt werden so gezeigt, wie sie sind. Die Mutter fickt durch die Gegend und von seinem Bruder, der in der Kohlegrube arbeitet, kriegt Billy Schläge und wird gemobbt. Unter seinen Mitschülern ist Billy zwar integriert wird dann aber als sie merken, dass Billy mit seinem Falken "Kes" etwas besonderes darstellt und sein Lehrer, der das autoritäre Bestrafungssystem ablehnt, fasziniert von ihm ist, zum Außenseiter. Der Falke wird zum Symbol der Sehnsucht nach Ausbruch. Doch Billy kan nicht ausbrechen weil er durch die Klasse, der er angehört, gar keine Möglichkeit hat und die obere Klasse ihm diese verwehrt. Billy ist gefangen und am Ende beerdigt er nicht nur Kes, er begräbt seine eigenen Hoffnungen. In dokumentarischem "Cinema Verité" Stil, fast nur mit Laienschauspielern gedreht, entwickelt der Film durch seine genaue Beobachtung, die nie dramatisiert wird, eine ungeheure Kraft. Da steckt viel Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit drin, genauso wie in Loach´s späteren Filmen.
Nachdem sich draußen unsere Wege trennten, blieb ich im Zeughauskino, da ich eine Karte für Benjamin Christensens Heavnens Nat (Nacht der Rache) von 1916 (Retrospektive) hatte. Der Einlaß ging zügig und wo Kes vorher ausverkauft war, blieben diesmal viele Sitze frei. Ungefähr 20 Leute waren anwesend. Schade, denn Christensens zweiter Film war ziemlich klasse. Ich kenne ja nur "Häxan" von ihm. Muß mir auch noch seinen ersten besorgen "Das geheimnisvolle X".
Nacht der Rache ist ein Justizdrama was sich zum Ende hin sogar zum Selbstjustizdrama entwickelt. Ein Mann wird wegen Mordes in einem Zirkus schuldig gesprochen und bricht noch in der Nacht aus um sein Kind aus dem Armenhaus zu befreien. Nachts klettert er in ein Haus und bittet die Nichte des Gutsherren um Milch für sein Kind. Er versichert ihr, dass er unschuldig ist doch kann sie nicht verhindern, dass er überwältigt und eingesperrt wird. 14 jahre später wird sein Justizirrtum festgestellt und er kommt als gebrochener Mann frei. Er sinnt nach Rache.
Bemerkenswert ist dieses frühe Drama, in dem Christensen sich für Regie, Buch, Produktion und die Hauptrolle verantwortlich zeigt, vor allem dadurch wie gut und weit er das Medium mit dieser komplexen Geschichte trieb. Beachtung finden vor allem die fast in Dunkelheit spielenden Szenen sowie die gezeichneten Zwischentitel, die die Szenen kommentieren. Hinzu kommt ein toller Shot durchs Schlüsselloch sowie ein extrem spannender Befreiungsakt eines Gefesselten am Ende des Films. Der gefesselte Vater wird vom Sohn, der im Wandschrank eingeschlossen ist dadurch befreit, dass der Sohn mit Hilfe eines Messers ein Loch in die Tür ritzen kann und so mit einer Hand und dem Messer den Vater befreien kann. Wahnsinn !
Das ganze wurde kongenial untermalt durch Stephen Horne am Piano und weiteren Instrumenten die zum Einsatz kamen.
8/10
Nun machte ich mich auf gen Alexanderplatz und zum ersten Mal regnete es. Unterwegs bekam ich einen Anruf von meinem Kumpel der absagte, weil er zu kaputt sei und irgendwie war ich das auch. Zum Glück fuhr ich dann aber doch ins International um La Tercerra Orilla (The Third Side of the River) von Celina Murga (Wettbewerb) zu sehen. Ein argentinischer Film in dem es darum geht wie ein Junge sich von seinem patriarchischem Vater abnabelt. Ein hochsubtiler, stiller Film bei dem es von Beginn an unter der Oberfläche kräftig brodelt. Die Kamera ist in distanzierter Beobachtungshaltung und geht dann nah ran wenn der Junge auf einmal beginnt sich zu verstecken um seinen Vater zu beobachten. Zunächst weiß man nicht warum, bis man merkt, dass dieser 2 Familien hat um die er sich kümmert. Familie als Machistisches Statussymbol. Irgendwann möchte der Vater, dass der Sohn auf die Ranch aufpasst, da er was zu erledigen hat und übergibt ihm einen Packen Briefe die mit Geld gefüllt sind um sie zu verteilen. Mehr wird hier nicht verraten. Das Ende ist der Hammer und die Wut und der Ekel vor seinem Vater entlädt sich fast beiläufig im Vorbeigehen. Toller Film ! 8/10 Punkte Als die Credits zu Ende waren konnte ich den verhaltenen Applaus auch nicht wirklich nachvollziehen, was dem Pärchen, das neben mir saß und mit dem ich vorab schon ins Gespräch kam, genauso ging. Wir unterhielten uns noch ein wenig vor der U Bahn Station und dann mußte ich auch schon wieder los. Ins Bett, ich war auf einmal hundemüde und die ganze Spannung, die sich 1,5 Stunden aufgebaut hatte, verflog.

Freitag. Der letzte Tag meiner Berlinale sollte wie am Tag zuvor im Folterpalast starten. Boyhood von Richard Linklater (Wettbewerb) wurde im Vorfeld schon frenetisch abgefeiert und galt als Bärenkandidat (hat dann ja auch einen in Silber bekommen). Demnach konnte es wohl ziemlich voll werden und ich tat gut daran doch 1,5 Stunden vorher da zu sein um wieder in den Genuss der Beinfreiheit zu kommen. Auch wenn ich sagen muß, das selbst die Stühle dort die Hölle sind. Über Linklaters Film, der die Kindheit eines ganz normalen amerikanischen Jungen vom 6. bis zum 18. Lebensjahr verfolgt der in verschiedenen Patchwork Familien aufwächst, ist ja schon einiges geschrieben worden. Der Film ist dann auch tatsächlich der große Wurf. 3 Stunden Endorphyne die ausgeschüttet werden, was auch daran liegt, dass das Drehbuch einfach verdammt klug ist. So klug, dass ich zwischendurch dachte, das kann ja nicht wahr sein, das geht doch gar nicht. Fast so als hätten sich Linklater und James Salter getroffen um einen Film zu drehen. Boyhood ist auch so toll weil er wie ein Best-Of von Linklaters Schaffen wirkt. Slacker, School of Rock und die Before Filme finden sich hier irgendwie wieder. 12 Jahre lang hat man sich immer wieder getroffen, gedreht und das Script entwickelt. Das wirkt nie aneinander geklettet sondern wirklich wie aus einem Guß und das tollste ist : Der Film ist immer noch nicht fertig ! Mein Freund meinte jedenfalls, dass der Soundtrack noch vor dem offiziellen Kinostart überarbeitet wird. Viel besser kann man den schon nicht mehr machen, schlechter aber auch nicht. Als die Credits kamen ging ein Jubelschrei durch die Menge. Ich taumelte aus dem Saal und war glücklich. Schon jetzt ein Lieblingsfilm. 10/10
Das Wetter war top und ich setzte mich draußen auf eine Bank und aß später noch eine leckere Currywurst bevor ich Richtung Spichernstraße fuhr um die restaurierte Fassung von Nicholas Rays Rebel without a Cause 1955 (Berlinale Classics) 10/10 zu sehen. Im Haus der Berliner Festspiele lag draußen schon roter Teppich aus. Ob der für Martin Scorsese gedacht war, der den Film in einer kurzen Einführung vorstellte und dessen Foundation auch für die Restaurierung zuständig ist, oder für wen anderes kann ich nicht sagen. Zum Glück war ich wieder der erste am Einlaß. Mein Freund kam bald dazu und wir sicherten uns oben im Rang gute Plätze. Zuvor konnte man noch schnieke Snobs mit teuren Taschen bewundern, die wohl alle zu Gucci gehörten, von denen beträchtliche Summen in die Restaurierung von Rays Technicolor Meisterwerk geflossen sind. Zwischen den schicken Leuten mit ihren 3000 Euro Stilettos und polierten Lederschuhen tauchte auf einmal ein Mann mit weißem Rauschebart auf. Nein, nicht der Weihnachtsmann eher einer der draußen schläft. Das war schon irgendwie ein eigener Film, der da ablief. Nach diesem Highlight und das war es in der Tat auch wenn der Ton manchmal ein wenig leise war liefen wir in Richtung Alexanderplatz. Wu ren Qu (No Man´s Land) (Ning Hao) (Wettbewerb) sollte der letzte Film des Abends sowie auch mein Berlinale Abschluss werden. Ein junger Rechtsanwalt, der meint auf der richtigen Seite zu stehen muß mit seinem Wagen rund 500 Kilometer durch das titelgebende No Man´s Land fahren um zum nächsten Prozess zu kommen. Der arrogante Schnösel meint es mit jedem aufnehmen zu können und fackelt gleich am Anfang einen LKW ab, der ihn nicht durchlassen will, begeht Fahrerflucht und ist bald zusammen mit einer Hure im Schlepptau, die ihn ständig belügt, auf der Hut vor bedrohlichen Wüstenbewohnern und Outlaws. Im Look und mit dem Sound eines Italo-Westerns kommt diese Parabel über Tiere, wie es am Anfang heißt, daher. Am Ende wälzt sich ein LKW durch eine Stadt, die 1:1 aussieht wie in "A Fistful of Dollars". Das alles ist ziemlich actionreich, skurril und recht schwarzhumorig. Für einen Genre Film ist es dann aber doch ein wening lahm inszeniert. Nervig ist aber der Plot, der alle 5 Minuten einen unglaublichen Haken schlagen muß. Ständig versucht sich der Film zu übertrumpfen, läßt sich kaum Zeit um schon wieder mit der nächsten Unglaublichkeit aufzuwarten. Politische Intention oder Kritik am Rechtssystem könnte man vielleicht rauslesen, muß dies aber auch mit der Lupe suchen. Zum Schluß ein sentimentales Ende, das wie drangepappt aussieht. Was allerdings auch mit der Zensurgeschichte des Films zu tun haben dürfte. 5-6/10
Es war zwar schon spät aber uns dürstete es nach soviel Wüstenstaub nach was kühlem. Gar nicht so einfach am Alex um 00.30 in Bier zu kriegen. So landeten wir in einer Hotelbar und tranken jeder ein Weizen für 6 €. Plädiere für mehr Kneipen am Alex. Falls jemand dort was kennt so lasst es mich wissen.

Anstrengend wars aber schön oder um es mit den Worten des Pärchens auszudrücken "Jetzt bist du ja infiziert".
In diesem Sinne, wohl bis zum nächsten Jahr ! :)

Berlin Filme Festival Bier Kaffee zu wenig Essen


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Januar 2014 Alle Filme


Ab 2014 gibt es nun, frei nach Bastro, meinen Listenwahnsinn monatlich im FTB zu begutachten.

* = keine Erstsichtung
(DC) = Directors Cut
(3D) = Mit Brille

10/10 Filmisches Meisterwerk
10/10 Große Liebe, meisterhaft, mindblowing, Sternstunde
9/10 sehr, sehr gut, fabelhaft, perfekt
8/10 gut - richtig gut, nix zu meckern
7/10 gut, mit einigen Abstrichen
6/10 ok, abgenickt, nicht gut, nicht schlecht, so lala
5/10 mittelmäßig mit einigen Momenten
4/10 mies mit wenigen Momenten
3/10 mies ohne Momente
2/10 Beschissen
1/10 Richtig beschissen
0/10 Sondermüll

Die fetten Jahre sind vorbei 2004 (Hans Weingartner) 8/10
The Hobbit – The Desolation of Smaug (3D) 2013 (Peter Jackson) 6/10 (Kino)
Highlander 1986 (Russel Mulcahy) 7/10 *
Riten (Der Ritus) 1969 (Ingmar Bergman) 8/10
Cerný Petr (Der schwarze Peter) 1964 (Milos Forman) 8/10 (Kino)
La vie d´Adèle (Blau ist eine warme Farbe) 2013 (Abdellatif Kechiche) 6/10 (Kino)
In the Cut 2003 (Jane Campion) 7/10
Okuribito (Nokan – Die Kunst des Ausklangs) 2008 (Yôjirô Takita) 5/10
En Passion (Passion) 1969 (Ingmar Bergman) 6-7/10
Ghost World 2001 (Terry Zwigoff) 8/10
Hotel Chevalier & The Darjeeling Limited 2007 (Wes Anderson) 7/10
A Passage to India 1984 (David Lean) 9/10
Brief Encounter 1945 (David Lean) 10/10 *
The Man Between 1953 (Carol Reed) 6/10
Die Mörder sind unter uns 1946 (Wolfgang Staudte) 7/10
Des Teufels General 1955 (Helmut Käutner) 5/10
12 Years a Slave 2013 (Steve McQueen) 10/10 (Kino)
Glengarry Glenn Ross 1992 (James Foley) 10/10
Sweet Smell of Success 1957 (Alexander Mackendrick) 9/10
Oh Boy 2012 (Jan Ole Gerster) 6-7/10
Der junge Törless 1966 (Volker Schlöndorff) 9/10
The Life and Death of Colonel Blimp 1943
(Michael Powell & Emeric Pressburger) 9/10
Die Innere Sicherheit 2000 (Christian Petzold) 7/10
Die Stille nach dem Schuss 2000 (Volker Schlöndorff) 4/10
Horí, má panenko (Der Feuerwehrball) 1967 (Milos Forman) 9/10 *
Wall Street 1987 (Oliver Stone) 10/10 *
Wall Street : Money never sleeps 2010 (Oliver Stone) 6/10
Margin Call 2011 (J.C. Chandor) 7/10
All is lost 2013 (J.C. Chandor) 9/10 (Kino)
The old man and the sea 1958 (John Sturges) 7/10
The Battle of the River Plate 1956 (Michael Powell & Emeric Pressburger) 8/10
K-19 : The Widowmaker 2002 (Kathryn Bigelow) 5/10
The Hurt Locker 2008 (Kathryn Bigelow) 9/10
Zero Dark Thirty 2012 (Kathryn Bigelow) 9/10
Strange Days 1995 (Kathryn Bigelow) 7/10 *
Blue Steel 1989 (Kathryn Bigelow) 8/10 *
The Wolf of Wall Street 2013 (Martin Scorsese) 8-9/10 (KIno)
The Girl can´t help it 1956 (Frank Tashlin) 8/10
Animal House 1978 (John Landis) 8/10
Sturm 2009 (Hans-Christian Schmid) 6-7/10
Jagten 2012 (Thomas Vinterberg) 8-9/10

Listen Bewertungen


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Persona (Ingmar Bergman) SE 1966


Persona


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Ein Filmprojektor spielt Aufnahmen aus Stummfilmen sowie kurze Fetzen anderen Filmmaterials ab. Ein erigierter Penis, die Schlachtung eines Schafes, Hände, die an ein Kreuz genagelt werden, Körper, die auf Bahren liegen, tote Menschen, sich öffnende Augen. Am Ende dieser Sequenz liegt ein Junge, der auf einer Bahre erwacht, in einem Buch liest (Ein Held unserer Zeit von Lermontow), die Hand ausstreckt nach den projizierten, unscharfen Gesichtern der beiden Frauen, des folgenden Films.

Vorspann

Wir befinden uns in einer Klinik. Die Krankenschwester Alma (Bibi Andersson) wird von der Ärztin (Margareta Krook) beauftragt sich um die Patientin Elisabet Vogler (Liv Ullmann) zu kümmern. Sie ist Schauspielerin, die während einer Aufführung der Elektra von Sophokles, zusammenbrach und aufhörte sprechen. Die Ärztin schlägt vor, dass die beiden zur Erholung in ein Sommerhaus ans Meer fahren sollen. Nun folgen einige unbeschwerte Tage in denen Alma, der Elisabet sehr viel von sich erzählt und Elisabet zuhört. Die Erzählungen werden bald schon immer intimer und so erzählt sie von erotischen Erlebnissen am Strand mit zwei Jungs und von einer ungewollten Schwangerschaft und Abtreibung. Alsbald meint sie immer mehr Ähnlichkeiten zwischen sich und Elisabet zu erkennen.
Als Alma einen nicht verschlossenen Brief von Elisabet an die Ärztin einstecken soll, öffnet und liest sie ihn. In dem Brief macht sich Elisabet über Alma und ihre Geständnisse lustig sowie, dass sie Spaß daran findet, Alma zu studieren. Die zutiefst enttäuschte Alma rächt sich danach indem sie Elisabet in eine Glasscheibe treten läßt. Elisabet erschrickt, verletzt sich und schreit kurz auf.

Der Film reißt. Wieder sind kurze Stummfilmschnipsel zu sehen, kurze Sequenzen : eine sich weitende Pupille, die Hand durch die ein Nagel getrieben wird. Das Filmbild wird unscharf, wir erkennen nur schemenhaft eine schwarze Gestalt, die Elisabet sein könnte. Das Bild wird scharf und es ist Elisabet, die raus zum Wasser geht.

Almas Gefühle fahren nun Achterbahn. Sie möchte zwar Distanz wahren, fühlt sich Elisabet aber nahe und wünscht sich so wie sie zu sein. Es kommt zu verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen. Alma bedroht Elisabet mit einem Topf heißem Wasser. Elisabet, die den ganzen Film über geschwiegen hat, bittet Alma, sie zu verschonen. Danach schweigt sie wieder.
In einer traumähnlichen Szenerie erscheint Elisabets Ehemann (Gunnar Björnstrand), der mit Alma spricht als sei sie Elisabet. Anfangs wehrt sie sich, doch bald beginnt sie die Rolle anzunehmen. Dabei werden sie von Elisabet beobachtet.
Als beide wieder im Haus sind, trifft Alma Elisabet mit einem Bild von ihrem Sohn (Jörgen Lindström, der Junge aus dem Vorspann) an. Die beiden Frauen sitzen sich gegenüber und Alma erzählt die Geschichte von Elisabets ungewollter Schwangerschaft mit all dem Hass den sie ihrem Sohn gegenüber empfunden hat. Am Ende dieser Szene verschmelzen die beiden Frauengesichter und werden eins.
Wir befinden uns wieder in der Klinik. Alma fügt sich eine Wunde zu worauf Elisabet ihren Mund auf die Wunde drückt. Danach fängt Alma an auf sie einzuschlagen und sie sagt :"Ich werde niemals so sein wie du. Du kannst tun was du willst, du kommst niemals an mich heran." Elisabet spricht Alma´s Worte nach : "NICHTS"

Die Frauen packen ihre Sachen und verlassen das Sommerhaus ohne miteinander zu kommunizieren. Während dies geschiet, sehen wir in einer Sekunden Sequenz ein Kamerateam, das Elisabet bei Dreharbeiten filmt.

Der Junge, sitzt vor den projizierten Großaufnahmen der Gesichter, streckt seine Hand aus. Die letzten Meter Zelluloid laufen durch den Projektor dann erlischt die Lampe des Projektors.

Ende


Persona, zum zweiten Mal gesehen, ist ein so intensives, elektrisierendes Erlebnis, welches wahnsinnig vielschichtig ist, dass man sich fragt wie will ich das nur ergründen ?

3 Dinge bevor man überhaupt erst anfängt über Persona zu sprechen :

1. Persona ist in höchstem Maße ein ästhetischer Genuß um nicht zu sagen ein Hochgenuß.
2. Persona stellt sehr intensiv, vielleicht wie kein anderer Film, die Frage nach Identität/Identitäten.
3. Persona denkt über sich selbst nach, ist filmische Reflexion über das Medium selbst.

Diese 3 Punkte fallen im Grunde zusammen. Sie sind nicht zu trennen.
Die Ästhetik verwebt sich mit der Frage nach Identität und damit der filmischen Reflexion. Form und Inhalt ergeben eine Einheit, die überhaupt nicht zu trennen ist und genau wie in beispielsweise Licht im Winter geht die Ästhetik komplett einher mit der Psychologie der Personen. Sie ist nicht von ihr zu trennen.
Die Experimentalszenen am Anfang, in der Mitte und am Ende des Films sind genauso nicht losgelöst sondern konkreter Bestandteil und nehmen Bezug auf den Film. Da ist der Junge, der Lermontow liest, (ein psychologischer Roman, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird), der Junge betrachtet den Film und ist Bestandteil, da er der Sohn von Elisabet ist. Oder am Ende die Szene mit dem Blut, als Alma den Arm aufritzt und Elisabet ihren Mund auf die Wunde drückt, die Bezug nimmt auf die Martern, das festgenagelt werden.

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Bei Persona ist es auch egal von welcher Seite und Sichtweise man sich nähert. Spricht man über die filmische Reflexion und sagt, Persona ist ein Film über Film, ist man gleichzeitig bei der Geschichte, in der es auch um Reflexion geht, um Bewußtsein und dann zieht man die ästhetischen Mittel heran, um letztendlich zu merken :
Es ist alles eins.
Wenn man wiederum von der Seite der Ästhetik kommt, landet man automatisch bei den anderen 2 Punkten. Kommt man von der Geschichte, also von der intelektuellen Seite her, wird man auch sehr schnell zu den anderen Punkten kommen. Wenn es um Identität, um Bewußtsein geht dann ist man sofort bei der Reflexion. Denn das ist Bewußtsein.

Man muß sich dabei auch die Frage stellen :
Was heißt denn Sich Bewußt sein ?

Sich Bewußt sein bzw. das Verlangen danach bedeutet ja Reflexion und wenn man das auf die Spitze treibt, sprich wenn das Bewußtsein so groß ist und einen so wichtigen Rang einnimmt, dann bedeutet das im Grunde, dass man letztlich in der Konsequenz stumm erstarrt, weil es jede Form von Leben und natürlichen Impulsen erdrückt.

Davon handelt Persona in seiner ganzen Macht und Konsequenz.
Das fängt ganz einfach an indem eine Person verstummt. Ein intelektueller, emotionaler Vorgang. Wenn man das was die Ärztin am Anfang sagt, als Erklärung heranzieht, muß man vorsichtig sein. In Wahrheit ist das nur ein Teil einer Erklärung und richtig begreifen kann man das nicht. Man kann aber Bilder dafür finden, so wie Bergman es tut. Sprachliche und auch vor allem filmische Bilder.
Insofern verbinden die filmischen Mittel sowohl von der Ästhetik als auch von der Form her, also die Einschübe, wie der Film anfängt, wie er mittendrin aufhört etc. sich komplett mit der intelektuellen Seite von Identität, weil sie auch genau das wiedergeben, was diese Person bewegt. Der Grund dafür, dass Persona eine schier ungeheure, konzentrierte Kraft ausstrahlt, liegt darin, dass eben alle 3 Punkte so ineinander gehen.

Kommen wir nun zur Persona und gleichzeitig auch zu Liv Ullmann, die hier ihr Bergman Debut gab. Ehrlich, wenn man Persona sieht, fragt man sich nie wieder, warum die Welt dieser Frau zu Füssen lag. Bergman schürt diese intensive Darstellung durch ihr permanentes Schweigen in dem Film. Natürlich ist dies auch ein Trick, da nichts so stark ist wie das, was nicht gesagt wird. Wir sehen und beobachten sie und sie ist nicht passiv. Ein Mundwinkelzucken verrät hier mehr als zehn gesprochene Sätze. Elisabet hört zu und dieses Zuhören wird so visualisiert als ob das eine eigene Sprache ist, ein eigener Dialog. Man hängt an ihren Lippen obwohl sie nicht spricht. Faszinierend ist auch, dass oft immer eine Frau die spricht und eine die zuhört,zu sehen sind. Wir sehen oft aber immer nur ein Gesicht. Es wirkt so als ob sie zu einer Person verschmelzen. Dieses Gefühl trügt nicht. Wie ich schon schrieb, dass die 3 Punkte zusammengehören, verschmelzen sie in dieser weltberühmten Szene am Ende des Films :

Wir sehen Elisabet, wie sie Alma zuhört und ihre Reaktion auf die Konfrontation mit ihrer Vergangenheit.

"Komm erzähl jetzt Elisabet. Gut dann werde ich es tun."

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"Du hast Dir ein totes Kind gewünscht !"

Dann wird die gleiche Szene nochmal gezeigt und wir sehen diesmal Alma, wie sie erzählt und Elisabet konfrontiert.

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....und dann passiert DAS :

"Nein ! Ich bin nicht wie du ! Ich fühle nicht wie du. Ich bin Schwester Alma und ich bin hier um dir zu helfen.
Ich bin nicht Elisabet Vogler."

"Bist Du Elisabet Vogler ?"

"Ich möchte h....
Ich liebe....
Ich habe nicht...."

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Alle Themen in Persona finden sich in dieser Szene zusammen und ergeben dieses Bild, das nicht für die Antwort sondern für die Frage steht :

Was ist eigentlich Identität ?
Was ist eigentlich Bewußtsein ?

Ich bin nicht die Elisabet !!!

Läßt man die Geschichte von Persona einmal Revue passieren, so ergibt sich zuerst ein recht stringentes, noch relativ geschlossenes Bild. Da ist eine Patientin (Liv Ullmann) und eine Schwester (Bibi Andersson) und da ist die Ärztin, die sagt, wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir in diesem geschlossenen Raum nicht mehr weiterkommen und nun gilt es den nächsten Schritt zu wagen und zwar hier raus. Dafür gibt sie ihr Schwester Alma mit, die nach kurzem Zögern die Aufgabe übernimmt. Gemeinsame fahren sie in ein Ferienhaus auf eine Insel um dort den Rest des Sommers zu verbringen. Wir kriegen mit, das sie sich schnell anfreunden. Es herscht eine große Sympathie zwischen beiden. Elisabet fühlt sich von Schwester Alma geschmeichelt etc.
Wir sehen : Da ist die Zuhörerin und da ist die Erzählerin.
Dieses Erzählen entwickelt nun seine ganz eigene Dynamik. Alma fühlt sich durch das intensive Zuhören von Elisabet so offen, dass sie bald Dinge erzählt, die sie gar nicht vor hat zu erzählen. Situationsbedingt in jeglicher Hinsicht öffnet sie sich und erzählt nicht nur quantitativ sondern vor allem qualitativ mehr. Auf dem absoluten Höhepunkt der Sympatie und des sich Öffnens sagt Alma :
"Ich war noch nie in meinem Leben so glücklich"

In diesem Moment offenbart sich der Film als das, was er ist und reißt.

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Alma liest den Brief von Elisabet an die Ärztin und sieht sich in einer Rolle, die sie demütigt, beschämt und wütend macht. Sie sieht sich ausgenutzt und betrachtet das, was eben noch Einklang war als eine Falle in die sie getappt ist.
Und nun kommt die Reflexion.
Ab jetzt kann man den Film eigentlich nicht mehr als Geschichte erzählen, nur noch erleben. Weil Persona nun abstrakt und surreal wird. Die gesamte Bildsprache wird abstrakter. Der Film verläßt die Realität zu der auch eine gewisse Chronologie gehört. Wenn man wollte, könnte man jetzt die einzelnen Szenen auch verschieben, während das vorher noch nicht möglich gewesen ist, da es vorher eine Entwicklung gibt.
Vielleicht beginnt die Reflexion auch schon in dieser Szene, die am Ende auch wieder aufgeriffen und kurz eingeblendet wird.
Sie gehört mit zu den schönsten und magischsten Lichtexperimenten der gesamten Filmgeschichte :

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Während Alma im Bett in der Dunkelheit liegt, erscheint, weit hinten in dem anderen Raum Elisabet, wie aus dem Nichts in einem Lichtstrahl. Durchquert das Zimmer, betrachtet Alma, geht in den anderen Raum, kehrt um, Alma erwacht und dann umarmen sie sich.
Im Anschluss folgt dieses berühmte Bild :

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Wenn man bei Film immer wieder über Oberflächenästetik spricht, nicht zu verwechseln mit Oberflächlichen und meint man müßte bei Persona hinter diese Oberfläche schauen, so wird man dort nichts finden. Denn alles liegt vor einem.
Persona ist Oberfläche.
Gleichzeitig ist Persona natürlich auch ein Film in dem Bergman sein Tun und Schaffen, das Medium reflektiert. Was aber hier zusammenfällt mit der Geschichte. Es sind auch hier die gleichen, ewigen Bergman Themen. Aber er hat eine ganz andere Form gewählt uns diese zu zeigen.

Form und Inhalt decken sich zu 100%. Persona ist ein Meisterwerk der Ästhetik und des Inhalts, wo hier sogar das eine ohne das andere nicht möglich ist. Kein anderer Film zuvor hat je so kühn und mutig die Fragen nach Identität und Bewußtsein gestellt wie Persona. Das macht ihn zu einem unsterblichen Film, der in 100 Jahren noch nachhaltig, frisch und aufregend sein wird.

10/10

Ingmar Bergman Liv Ullmann Bibi Andersson Sven Nykvist Identität Bewußtsein Reflexion Ästhetik Licht Schatten Medium surreal experimentell Rolle Perspektive


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Juli - Dezember 2013 : Alle Filme


Absoluter Listenwahnsinn, die Zweite !

Aufgelistet sind alle Filmsichtungen von Juni bis Ende Dezember. Einiges davon wurde von mir schon in den Kurzkommentaren abgehandelt, manches auch im FTB. Hier nun, frei nach Bastro, s/w, alle Sichtungen des 2. Halbjahres 2013, der komplette Listenwahnsinn :otto:

* = keine Erstsichtung
(DC) = Directors Cut
(3D) = Mit Brille

Neu ist die 10/10 Bewertung, die gleichzusetzen ist mit einer über 10 Wertung. Sprich ein Film, für den die 10er Bewertung nicht mehr ausreicht. Angeregt wurde ich vor allem durch die Sichtungen von Dreyers "Jeanne D´Arc" und Bergmans "Persona". Vielleicht ist dies auch widersprüchlich, dennoch sind es wenige Filme, die ich in diesen Ultimum Kanon erhebe.

10/10 Filmisches Meisterwerk
10/10 Große Liebe, meisterhaft, mindblowing, Sternstunde
9/10 sehr, sehr gut, fabelhaft, perfekt
8/10 gut - richtig gut, nix zu meckern
7/10 gut, mit einigen Abstrichen
6/10 ok, abgenickt, nicht gut, nicht schlecht, so lala
5/10 mittelmäßig mit einigen Momenten
4/10 mies mit wenigen Momenten
3/10 mies ohne Momente
2/10 Beschissen
1/10 Richtig beschissen
0/10 Sondermüll


Juli 2013

Doomsday 2008 (Neil Marshall) 4/10
Terminator Salvation 2009 (McG) 7/10
Twilight´s Last Gleaming 1977 (Robert Aldrich) 8/10
Emperor of the North 1973 (Robert Aldrich) 9/10
Salmon Fishing in the Yemen 2011 (Lasse Halström) 2/10
Såsom i en spegel (Wie in einem Spiegel) 1961 (Ingmar Bergman) 8/10 *
Man on the Moon 1999 (Milos Forman) 9/10
Maniac 1980 (William Lustig) 10/10 *
World War Z 2013 (Marc Forster) 5/10
Children of Men 2006 (Alfonso Cuarón) 8/10 *
Tinker Taylor Soldier Spy 2011 (Tomas Alfredson) 9/10
The Great Train Robbery 1903 (Edwin S. Porter) 10/10
Accattone 1961 (Pier Paolo Pasolini) 9/10
Un uomo chiamato Apocalisse Joe (Spiel Dein Spiel und töte, Joe)
1970 (Leopoldo Savona) 6/10
Texas addio (Django, der Rächer) 1966 (Ferdinando Baldi) 7/10
The Deadly Companions 1961 (Sam Peckinpah) 7-8/10
Uccellacci e uccellini (Große Vögel, kleine Vögel) 1966 (Pier Paolo Pasolini) 8/10
Il Deserto Rosso (Die rote Wüste) 1964 (Michelangelo Antonioni) 10/10 *
Escape from Fort Bravo 1953 (John Sturges) 8/10
The Hallelujah Trail 1965 (John Sturges) 4-5/10 *
The Texas Chainsaw Massacre 1974 (Tobe Hooper) 10/10 *
Body Heat 1981 (Lawrence Kasdan) 9/10 *

August 2013

The Rules of Attraction 2002 (Roger Avary) 9/10 *
Ken Park 2002 (Larry Clark, Edward Lachman) 7-8/10
Election 1999 (Alexander Payne) 7/10
8MM 1999 (Joel Schumacher) 4/10 *
Bruiser 2000 (George A. Romero) 8/10
Never so few 1959 (John Sturges) 5/10
Sergeant York 1949 (Howard Hawks) 8/10
The General 1926 (Buster Keaton, Clyde Bruckman) 10/10 *
The Beguilded 1971 (Don Siegel) 9/10
Cat People 1982 (Paul Schrader) 10/10 *
Crazy, Stupid, Love 2011 (Glenn Ficarra, John Requa) 5/10
Nattvardsgästerna (Licht im Winter) 1963 (Ingmar Bergman) 9/10
The Italian Job 1969 (Peter Collinson) 6/10
How I won the war 1967 (Richard Lester) 9/10
The Outsiders (The Complete Novel) 1983 (Francis Ford Coppola) 9/10
The Dark Half 1993 (George A. Romero) 5/10
Go do gaai bei (Full Alert) 1997 (Ringo Lam) 8/10
Submarine 2010 (Richard Ayoade) 7/10
Hundstage 2001 (Ulrich Seidl) 8/10
Land of the Pharaos 1955 (Howard Hawks) 7/10
Django Unchained 2012 (Quentin Tarantino) 8/10
The Mummy 1959 (Terence Fisher) 7/10
The Bling Ring 2013 (Sophia Coppola) 8-9/10
Tenebre 1982 (Dario Argento) 8/10
Teorema 1968 (Pier Paolo Pasolini) 10/10 *
I Vitelloni (Die Müssiggänger) 1953 (Federico Fellini) 9/10 *
Sudden Death 1995 (Peter Hyams) 4/10
The Dark Knight Rises 2012 (Christopher Nolan) 7/10 *
The Village of the Damned 1995 (John Carpenter) 7/10
The Wolf Man 1941 (George Wagnner) 9/10
The Golden Voyage of Sinbad 1973 (Gordon Hessler) 8/10
Barbarella 1968 (Roger Vadim) 6/10
Hard Candy 2005 (David Slade) 8/10 *
Marlene Dietrich : Her own Song 2001 (David Riva) 7-8/10
Morocco 1930 (Josef von Sternberg) 9/10 *
To be or not be 1942 (Ernst Lubitsch) 10/10 *
Invictus 2009 (Clint Eastwood) 6-7/10
Blood Work 2002 (Clint Eastwood) 8/10
Dirty Harry 1971 (Don Siegel) 10/10 *
Krull 1983 (Peter Yates) 5/10
Young Frankenstein 1974 (Mel Brooks) 8/10
IT came from Outer Space 1953 (Jack Arnold) 8/10
Hulk 2003 (Ang Lee) 9/10
The Incredible Shrinking Man 1957 (Jack Arnold) 10/10 *
Rio Bravo 1959 (Howard Hawks) 10/10 *
El Dorado 1966 (Howard Hawks) 9/10 *
Moonrise Kingdom 2012 (Wes Anderson) 9/10 *
Tystnaden (Das Schweigen) 1963 (Ingmar Bergman) 9/10

September 2013

Bottle Rocket 1996 (Wes Anderson) 8/10
Sideways 2004 (Alexander Payne) 9/10
Hellboy II – The Golden Army 2008 (Guillermo del Toro) 9/10 *
El espinazo del diablo (The Devils Backbone) 2001 (Guillermo del Toro) 8/10
Killer Joe 2011 (William Friedkin) 6-7/10
För att inte tala om alla dessa kvinnor (Ach, diese Frauen) 1964 (Ingmar Bergman) 5-6/10
Berberian Sound Studio 2012 (Peter Strickland) 8/10
Mädchen in Uniform 1931 (Leontine Sagan) 7/10
Narrow Margin 1990 (Peter Hyams) 6/10 *
The Desperate Hours 1955 (William Wyler) 8/10 *
Epidemic 1987 (Lars von Trier) 6-7/10
Killer´s Kiss 1955 (Stanley Kubrick) 8/10
Koroshi no rakuin (Branded to Kill) 1967 (Seijun Suzuki) 8-9/10
Blast of Silence 1961 (Allen Baron) 10/10 *
Max et les ferrailleurs 1971 (Claude Sautet) 10/10 *
The Town (Extended Cut) 2010 (Ben Affleck) 6/10
Ghost Dog : The Way of the Samurai 1999 (Jim Jarmusch) 8/10
Stealing Beauty 1996 (Bernardo Bertolucci) 4/10
Action Jackson 1988 (Craig R. Baxley) 6/10 *
Foxy Brown 1974 (Jack Hill) 8/10
Csak a czél (Just the Wind) 2012 (Benedek Fliegauf) 9/10
Tôkyô nagaremono (Tokyo Drifter) 1966 (Seijun Suzuki) 7/10 *
Rashômon (Akira Kurosawa) 1950 10/10 *
De rouille et d´os (Der Geschmack von Rost und Knochen) 2012
(Jacques Audiard) 8/10
Les choses de la vie (Die Dinge des Lebens) 1970 (Claude Sautet) 10/10 *
Un prophète (Ein Prophet) 2009 (Jacques Audiard) 9/10
La Passion de Jeanne d´Arc (Die Passion der Jungfrau von Orléans) 1928
(Carl Theodor Dreyer) 10/10 *
Black Narcissus 1947 (Michael Powell, Emeric Pressburger) 9/10
The Red Shoes 1948 (Michael Powell, Emeric Pressburger) 10/10 *
Black Swan 2010 (Darren Aronofsky) 8-9/10 *
Mulholland Drive 2001 (David Lynch) 10/10 *
Prometheus (3D) (2012) (Ridley Scott) 5-6/10
Solaris (2002) (Steven Soderbergh) 7/10

Oktober 2013

The Secret Life of Words 2005 (Isabel Coixet) 9/10 *
Spring Breakers 2012 (Harmony Korine) 6-7/10
How to steal a Million 1966 (William Wyler) 5/10
New York, New York 1977 (Martin Scorsese) 8/10 *
West Side Story 1961 (Robert Wise & Jerome Robbins) 6/10 *
Charade 1963 (Stanley Donen) 10/10 *
Arabesque 1966 (Stanley Donen) 6/10 *
Sinbad and the eye of the Tiger 1977 (Sam Wanamaker) 5/10
Juggernaut 1974 (Richard Lester) 8-9/10 *
Persona 1966 (Ingmar Bergman) 10/10 *
Vargtimmen (Die Stunde des Wolfs) 1968 8/10 *
Spring Breakers (2012) (Harmony Korine) 7/10 *
Spring Breakers (2012) (Harmony Korine) 8/10 *
Das Blaue Licht 1932 (Leni Riefenstahl) 7/10
Lilja 4-ever 2002 (Lukas Moodysson) 7/10
Import/Export 2007 (Ulrich Seidl) 9/10
Captain Blood 1935 (Michael Curtiz) 10/10 *
Lawless 2012 (John Hillcoat) 7/10
Sexy Beast 2000 (Jonathan Glazer) 8/10
La corta notte delle bambole di vetro (Malastrana) 1972
(Aldo Lado) 7-8/10
Starcrash 1978 (Luigi Cozzi) 7/10
Explorers 1985 (Joe Dante) 8/10
The Hole 2009 (Joe Dante) 6/10
Lady in White 1988 (Frank LaLoggia) 8/10
Scream 1996 (Wes Craven) 9/10 *
Scream 2 1997 (Wes Craven) 5/10
Scream 3 2000 (Wes Craven) 4/10
Scre4m 2011 (Wes Craven) 7/10
Halloween 2007 (Rob Zombie) 8/10

November 2013

A Night at the Opera (Skandal in der Oper / Die Marx Brothers in der Oper)
1935 (Sam Wood) 9/10 *
Ordet (Das Wort) 1955 (Carl Theodor Dreyer) 10/10 *
Hush…Hush, sweet Charlotte 1964 (Robert Aldrich) 8/10
Fucking Åmål (Raus aus Åmål) 1998 (Lukas Moodysson) 9/10
Scott Pilgrim vs. the World 2010 (Edgar Wright) 6-7/10
Beyond the Black Rainbow 2010 (Panos Cosmatos) 8/10
The Big Country 1958 (William Wyler) 9/10 *
The Unforgiven 1960 (John Huston) 7/10
Mr. Deeds goes to town 1936 (Frank Capra) 10/10 *
Garden of Evil 1954 (Henry Hathaway) 6/10
North to Alaska 1960 (Henry Hathaway) 7/10
Missing in Action 1984 (Joseph Zito) 5/10
Tenkû no shiro Rapyuta (Das Schloss im Himmel) 1986
(Hayao Miyazaki) 8/10
Flash Gordon 1980 (Mike Hodges) 8/10
Il deserto rosso 1964 (Michelangelo Antonioni) 10/10 *
Spring Breakers 2012 (Harmony Korine) 8-9/10 *
It happened one Night 1934 (Frank Capra) 9/10
Mr. Smith goes to Washington 1939 (Frank Capra) 9/10 *
Running on Empty 1988 (Sidney Lumet) 8/10
At Close Range 1986 (James Foley) 9/10
Finsterworld 2013 (Frauke Finsterwald) 7/10
Death Race 2000 1975 (Paul Bartel) 8/10
Yôjinbô 1961 (Akira Kurosawa) 9/10
Tsubaki Sanjûrô 1962 (Akira Kurosawa) 8/10
Last Man Standing 1996 (Walter Hill) 7/10 *
The War Zone 1999 (Tim Roth) 10/10
Naked 1993 (Mike Leigh) 9/10
It´s a free World 2007 (Ken Loach) 7/10
Raining Stones 1993 (Ken Loach) 9/10
My Name is Joe 1998 (Ken Loach) 8/10 *
Looking for Eric 2009 (Ken Loach) 8-9/10 *
Le couperet (Die Axt) 2005 (Constantin Costa-Gavras)
8/10
Betrayed 1988 (Constantin Costa-Gavras) 5-6/10 *
The Collector 1965 (William Wyler) 9/10

Dezember 2013

Sunshine 1999 (István Szabó) 5-6/10
Oberst Redl 1985 (István Szabó) 8/10 *
Russian Ark 2002 (Aleksandr Sokurov) 7/10
Nostalghia 1983 (Andrej Tarkowskij) 10/10 *
Inside Llewyn Davis 2013 (Joel & Ethan Coen) 7-8/10
The Last Unicorn 1982 (Jules Bass, Arthur Rankin jr.) 6-7/10 *
Pink Floyd – The Wall 1982 (Alan Parker) 10/10 *
Skammen (Schande) 1968 (Ingmar Bergman) 8/10
Peeping Tom 1960 (Michael Powell) 10/10 *
Alfie 1966 (Lewis Gilbert) 7/10
Pacific Rim (3D) 2013 (Guillermo del Toro) 8/10
Dupa dealuri (Jenseits der Hügel) 2012 (Christian Mungiu) 6-7/10
Match Point 2005 (Woody Allen) 8/10 *
Shivers 1975 (David Cronenberg) 7/10 *
Cosmopolis 2012 (David Cronenberg) 6/10
Salvador 1986 (Oliver Stone) 10/10 *
Spider 2002 (David Cronenberg) 8/10
Targets 1968 (Peter Bogdanovich) 9/10 *
The Brood 1979 (David Cronenberg) 8/10
A Simple Plan 1998 (Sam Raimi) 8/10 *
Possession 1981 (Andrzej Zulawski) 9/10 *
Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne 1977 (Jess Franco) 4/10
Frauen für Zellenblock 9 1977 (Jess Franco) 4-5/10
F/X 1986 (Robert Mandel) 7/10
F/X 2 1991 (Richard Franklin) 5/10
Bad Santa 2003 (Terry Zwigoff) 8-9/10
Dead of Winter 1987 (Arthur Penn) 7/10
Breakfast at Tiffany´s 1961 (Blake Edwards) 8-9/10 *
Le Samurai (Der eiskalte Engel) 1967 (Jean-Pierre Melville) 10/10 *
Du rififi chez les hommes (Rififi) 1955 (Jules Dassin) 9/10 *
Un Flic (Der Chef) (Jean-Pierre Melville) 8/10
The Mission 1986 (Roland Joffé) 9/10 *
Ronja Rövardotter (Ronja Räubertochter) 1984 (Tage Danielsson) 9/10 *
Apocalypto 2006 (Mel Gibson) 4-5/10
My Left Foot : The Story of Christy Brown 1989 (Jim Sheridan) 8-9/10
Aguirre – Der Zorn Gottes 1972 (Werner Herzog) 6-7/10 *
Mein liebster Feind 1999 (Werner Herzog) 7/10 *
Gandhi 1982 (Richard Attenborough) 10/10 *

Das war nun also 2013 !

Lose Filmreihen dieses Jahr waren zb. über die Monate verteilt immer wieder Filme von Robert Aldrich, John Frankenheimer, John Sturges, Don Siegel, Howard Hawks, zum Ende hin ein wenig Cronenberg und ein bißchen Ken Loach.

Achja von Kurosawa waren es auch insgesamt 4 Filme. Über allem trohnt natürlich die BERGMAN Reihe, welche in diesem Jahr chronologisch fortgesetzt wird und, ganz optimistisch, im Sommer evtl. enden wird. Allerdings gibt es im Nachhinein wohl noch einen Abstecher zurück ins Frühwerk, da Ende Februar Arthaus/Kinowelt die dritte Bergman Edition mit einigen frühen Erstveröffentlichungen auf den Markt bringt.
Man darf gespannt sein und das Mammutprojekt geht weiter :)

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Magical History Tour : Mr. Deeds goes to Town (Frank Capra) USA 1936


Magical History Tour :


Mr. Deeds goes to Town (Mr. Deeds geht in die Stadt)


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Longfellow Deeds (Gary Cooper) erbt 20 Millionen Dollar. Um diese Erbschaft anzutreten muß das Landei seine Heimatstadt Mandrake Falls verlassen und sich nach New York begeben. Dort lernt er die Zeitungsreporterin Babe Bennet (Jean Arthur) kennen und verliebt sich in sie. Er weiß nichts davon, dass sie es ist, die verhöhnende Artikel über ihn und seine kindliche Naivität verfasst. Als Deeds beginnt sein Vermögen an notleidende Farmer umzuverteilen versucht man ihm in einem Prozeß sein Vermögen streitig zu machen.

Capras Film nimmt sofort ein enormes Tempo auf, indem er nicht erst mit einer langsamen Einführung beginnt sondern in Sekundenschnelle das Auto des Finanziers von der Brücke krachen läßt. Zeitungsmeldungen überschlagen sich in der Montage und wir sind sofort bei den Anwälten, die auf den Namen des Erben warten. Dieser ist schnell gefunden :

Longfellow Deeds, 28, wohnhaft in Mandrake Falls, Vermont.

Gespielt von Gary Cooper in einer absoluten Idealbesetzung. Drei Stadtmenschen der Kanzlei "Cedar, Cobby & Anderson" fahren persönlich nach Mandrake Falls um den Erben auszumachen. Am Bahnhof erblicken sie ein Schild auf dem geschrieben steht :

"Welcome to Mandrake Falls, where the scenery enthralls, where no hardship e´er befalls. Welcome to Mandrake Falls."
Welches schon sehr gut die Mentalität der einfachen Leute vom Lande zusammenfasst.

Als die New Yorker einen kauzigen, alten Mann nach Deeds ausfragen, zeigt sich sogleich die Arroganz und Herablässigkeit der Städter. Angekommen in Deeds Haus warten sie bis er von einer Wohltätigkeitsgala für die örtliche Feuerwehr zurückkommt. Sie erfahren von der Haushälterin, dass er zwar Mitbesitzer des Schmierenwerks ist, seinen Lebensunterhalt aber hauptsächlich mit Sprüchen und Gedichten für Glückwunschkarten verdient. Ein Schock für die drei Herren. Als Deeds eintrifft erfährt er, dass sein Onkle Semple bei einem Autounfall in Italien ums Leben kam und ihm als Alleinerbe 20 Millionen Dollar hinterläßt. Anstatt bei einer solchen Nachricht in Ohnmacht zu fallen oder zu jubeln zeigen sich Deeds und seine Haushälterin reichlich unbeeindruckt von dieser Nachricht. Viel wichtiger ist die Frage ob die Gentlemen zum Essen bleiben. Deeds probiert derweil ganz gelassen das neue Mundstück für seine Tuba aus. Als die Herren ihn auffordern Stellung zu beziehen sagt Deeds "I wonder why he left me all the money. I don´t need it."
Deeds, der noch nie die Stadt verlassen hat, soll um 16 Uhr den Zug nach New York nehmen um sein Erbe anzutreten. Am Bahnhof feiert die Menge Deeds, der sich aber nicht feiern lässt und stattdessen mit der Kapelle in der Menge Tuba spielt.

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Angekommen in New York wetzen die Bürohaie ihre Zähne als der in ihren Augen, naive und kindische Deeds sagt, dass er das Geld am liebsten weggeben würde. Umringt von einem Haufen High Society Schnorrern will jeder etwas von Deeds großem Kuchen abhaben. Die Presse schickt Babe Bennet (Jean Arthur) ins Rennen um über ihn eine Story zu machen, sich unter falschem Namen an ihn ranmacht und genau weiß welche Knöpfe sie bei ihm drücken muß. Bevor er seine "Frau in Not" retten darf und es zu einer feucht-fröhlichen Nacht kommt, die ihm zum Verhängnis wird, gibt es noch diese schöne Szene in der Deeds von den Dienern seines Onkels angekleidet wird, sich das aber nicht gefallen läßt und sagt "Don´t ever get on your knees again."

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Abends treffen die zwei in einem Restaurant auf eine Runde Literaten. Als Deeds merkt, dass diese sich über ihn lustig machen :"I guess i found out that all famous people aren´t big people. And if it weren´t for Miss Dawson, i´d bump your heads together." Worauf sie sagt :"Oh, i don´t mind." und Zack bekommen die arroganten Schreiberlinge eins auf die Nase.

Darauf folgt eine der schönsten Szenen des Films in der der sturzebesoffene Autor Morrow, Deeds seine Bewunderung ausspricht und die beiden auf eine Sauftour quer durch New York mitnehmen will.
Hier der O-Ton :
"Listen, you play saloon with me, and I'll introduce you to every wit, every nit-wit,every half-wit in New York. We'll go on a twister that'll make Omar the sousephilosopher of Persia look like an anemic on a goat's milk diet."

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Am nächsten Morgen erfährt Deeds aus der Zeitung, dass er betrunken ohne Hosen Doughnuts an ein Pferd verfüttert hat. Ein sehr unschöner Klatschartikel, den Babe über diese Sauftour geschrieben hat, die wir leider nicht miterleben konnten. Da Deeds nichts über ihre wahre Identität weiß und ihm das blonde Mädchen, welches so bodenständig und ohne Allüren ist, nicht mehr aus dem Kopf geht, verabredet er sich mit ihr. Gemeinsam stehen sie Abends vor General Grants riesigem Mausoleum. Deeds resümiert, dass sowas nur in einem Land wie Amerika möglich ist. Ein Farmerjunge aus Ohio, der den Krieg gewinnt und zum Präsidenten gewählt wird. In dieser Aussprache meint Deeds sich natürlich auch selbst. Später wird er dann sagen :"Last night, after I left you, I was walking along and looking at the tall buildings and I got to thinking about what Thoreau said. They created a lot of grand palaces here - but they forgot to create the noblemen to put in them."

Nach diesem Abend befindet sich Babe in einer Zwickmühle, da sie sich immer mehr in den Mann verliebt über den sie Schmähartikel schreiben soll. Eine weitere schöne Szene folgt im Anschluß als Deeds seine Diener rauswirft, merkt er, dass man in der Eingangshalle seiner Villa ein wunderbares Echo hat. Bald befinden sich die anderen Butler in der Halle und Deeds dirigiert den Chor und alle lauschen verzückt ihrem Echo.

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Als Deeds erfährt, dass Mary Dawson, Babe Bennet ist und die Artikel geschrieben hat, die ihn als "Cinderella Man" verhöhnen, ist er bitter enttäuscht und will nach Hause fahren. In seiner Eingangshalle wird er darauf mit dem Elend konfrontiert, welches in Form eines Mannes hereinstürmt und ihm Vorwürfe für seinen Reichtum macht. Zuerst hält Deeds ihn für einen weiteren Schnorrer, doch der Farmer, der nur eine Möglichkeit zur Arbeit will um seine Familie zu ernähren, öffnet Deeds die Augen.

Nun kommt die politische Komponente in Mr. Deeds zum tragen.

Mr. Deeds gibt dem Farmer ersteinmal etwas zu Essen und als dieser fragt ob er davon etwas für seine Familie mit nach Hause nehmen darf, antwortet Deeds mit seinem typischen, kecken Augenzwinkern, welches nun aber sofort in eine nachdenkliche und ernste Pose übergeht. Darauf folgen wieder Zeitungsschlagzeilen. Deeds will sein Vermögen an arme Farmer umverteilen indem er Land kauft, welches an die Farmer verteilt werden soll. Tausende Arbeitslose bewerben sich um ein Stück vom Land.
Deeds, der alles natürlich in Eigenregie macht und seit Wochen nicht geschlafen und gegessen hat, bekommt von einem Farmer ein Sandwich in die Hand gedrückt. Als er reinbeißt sieht er in eine Menge hungriger Gesichter hinter dem Mann und veranlaßt 2000 Mahlzeiten für alle zu bringen.

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Den Krawattenträgern schmeckt das natürlich gar nicht. Deshalb wollen sie ihm schnell einen Riegel vorschieben und können dies nur erreichen indem sie den naiven und kindischen Deeds als unzurechnungsfähig darstellen, als verrückt.
Deeds bringt die Misere als man ihn Gewahrsam nehemn will auf den Punkt :"That's fine. Just because I want to give this money to people who need it, they think I'm crazy. That's marvelous. That makes everything complete."

Es kommt zur Gerichtsverhandlung in der Deeds keinen Anwalt möchte und das ganze Prozedere über sich ergehen läßt. Die Ankläger wollen ihm sein Erbe streitig machen und befürchten seine Vermögensverteilung könnte einen politischen Erdrutsch bewirken. Deeds nimmt es hin.

Der Staatsanwalt Mr. Cedar :
"In these times, with the country incapacitated by economic ailments, and endangered with an undercurrent of social unrest, the promulgation of such a weird, fantastic and impractical plan as contemplated by the defendant, is capable of fomenting a disturbance from which the country may not soon recover. It is our duty to stop it! Our government is fully aware of its difficulties and can pull itself out of its economic rut without the assistance of Mr. Deeds, or any other crackpot."

Babe soll als erste Zeugin gegen Deeds aussagen und es bricht gleich aus ihr heraus indem sie das Gericht und die Verhandlung als lächerlich beschimpft und Deeds versucht zu verteidigen. Doch man läßt sie nicht reden. Mr. Deeds hört zu und schweigt, läßt die ganzen Aussagen über sich ergehen. Zum Schluß als der Doktor mit seinem Diagramm den Geisteszustand von Deeds erklärt, wirkt dieser wie eine Satire auf europäische Psychologen mit seiner Hausfrauenanalyse. Deeds scheint erledigt und das Gericht fragt ihn nochmal ob er irgendetwas dazu beizutragen hat. Doch Deeds schüttelt den Kopf. Das Gericht spricht das Urteil und empfiehlt Mr. Deeds in eine psychatrische Anstalt einzuweisen. Nachdem Babe nochmals eine kleine Verteidigungsrede, für den Mann den sie liebt, gehalten hat und die Farmer im Saal rufen, dass Deeds sie nicht hängen lassen soll, merkt er, dass er eine große Verantwortung zu tragen hat und nicht länger schweigen kann. Deeds rückt die zum sachlichen Gerichtsgegenstand gewordenen Dinge wieder ins richtige Licht, erklärt, dass nicht jeder der Tuba spielt eine Macke hat und macht das daran fest, dass jeder Mensch einen Tick hat. Weiterhin erklärt er das er zum ersten Mal richtig besoffen war, als er das Pferd ohne Hosen gefüttert hat und macht klar, das wenn zwei Ladys aus Mandrake Falls ihn als verschroben darstellen, sie damit eigentlich jeden Mann in Mandrake Falls meinen.

Dieses richtigzustellen ist allerdings ein Leichtes. Er muß das Gericht aber noch davon überzeugen sein Vermögen wegzugeben um es umzuverteilen.

Deeds : "Suppose you were living in a small town and getting along fine, and suddenly somebody dropped $20,000,000 in your lap. Supposing you discovered that all that money was messing up your life, was bringing a lot of vultures around your neck, and making you lose faith in everybody. You'd be a little worried, wouldn't you? You'd feel that you had a hot potato in your hand, and you'd want to drop it. I guess Dr. Von Holler would say you were riding on those bottom waves, 'cause you wanted to drop something that was burning your fingers."
Mr. Cedar :"If this man is permitted to carry out his plan, repercussions will be felt that will rock the foundations of our entire governmental system!"
Deeds : "Personally, I don't know what Mr. Cedar's raving about. From what I can see, no matter what system of government we have, there will always be leaders and always be followers. It's like the road out in front of my house. It's on a steep hill. Every day I watch the cars climbing up. Some go lickety-split up that hill on high, some have to shift into second - and some sputter and shake and slip back to the bottom again. Same cars - same gasoline - yet some make it and some don't. And I say the fellows who can make the hill on high should stop once in a while and help those who can't. That's all I'm trying to do with this money. Help the fellows who can't make the hill on high. What does Mr. Cedar expect me to do with it? Give it to him - and a lot of other people who don't need it?Mr. Cedar and that Mr. Semple don't need anything. They've got plenty! It's like I'm out in a big boat and I see one fellow in a rowboat who's tired of rowing and wants a free ride - and another fellow who's drowning. Who would you expect me to rescue? Mr. Cedar, who just got tired of rowing and wants a free ride? Or those men out there who are drowning? Any ten-year-old child will give you the answer to that."

Richtig ! Jedes 10jährige Kind versteht das und deshalb wird Deeds auch als der normalste Mensch, der je einen Gerichtssaal betreten hat, freigesprochen und darf natürlich sein Babe am Ende in die Arme schließen.

Ein Happy End, welches urtypisch und natürlich uramerikanisch ist. Aber nun, wir befinden uns in einem Frank Capra Film und in einem Capra Film muß sich jeder um sein Happy End auch redlichst bemühen.

Mr. Deeds goes to Town ist ohne Frage einer der tollsten Capra Filmen. Er ist Romantic Comedy wie It happened one Night, leidenschaftliche Hymne wie Mr. Smith goes to Washington, die Figur der Reporterin, des Working Girls aus John Doe und selbst zwei alte Ladys wie in Arsenic and old Lace findet man hier. Mr. Deeds ist ein Prototyp im Capra Universum. Der leicht naive, grundehrliche und jungenhafte Mann vom Lande, der sich gegen die Verlockungen der korrupten Großstadt behaupten kann. Das selbstständige nicht auf den Kopf gefallene Working Girl Babe Bennett welches in Deeds ihre kleinstädtischen Ideale wiederfindet und sich auch deshalb in diesen Mann verliebt. Sowie Deeds sein Presseagent Cobbs, dargestellt von Lionel Stander, der politisch übrigens ausdrücklich rot war, aber dazu später und der Chef von Babe, die zwar dem System verfallen aber im Grunde anständige Kerle sind und Deeds am Ende natürlich beistehen. Cobbs ist übrigens der einzige der Deeds die Wahrheit sagt.
Und dann ist da der arbeitslose Farmer, der für tausende spricht. Die Stimme der kleinen Leute, die in jedem Capra Film aber besonders hier einen großen Raum erhält.

Mr. Deeds ist eine rote Hymne. Es geht um Vermögensumverteilung und Sozialismus in seiner reinsten Form. Während Mr. Smith die wahren amerikanischen Werte gegen ein korruptes politisches System verteidigt, in It´s a wonderful life auch wieder die Macht des Geldes kritisiert und Nächstenliebe gepredigt wird, in John Doe die Presse angegriffen wird und in It happened one night, eine Millionärstochter mit den Freuden des einfachen Lebens konfrontiert wird, verdammt Capra hier den degenerierten Kapitalismus in Grund und Boden und zeigt in seiner märchenhaften, wundervollen Weise, was geschieht, wenn ein Mann zuviel Geld besitzt und dieses überhaupt nicht benötigt. Er zeigt auch was passiert, wenn ein Mann, dieses Vermögen denjenigen gibt, die es benötigen. 1936 war so eine Geste unmöglich und wenn man sich den Film heute ansieht und vergewissert wie die Welt heute aussieht, dann möchte man einfach solche kämpferischen, frohsinnigen, Gutmenschen Filme nicht missen. Capras Filme sind nicht verklärt, sie sind grundauf ehrlich und aus ihnen spricht die selbe Stimme ihrer kleinen Helden die immer gegen Windmühlen zu kämpfen haben. Die Mär vom reinen Tor, dem Simplicissimus.
Capra selber war übrigens konservativer Republikaner und engagierte sich im Zweiten Weltkrieg durch einige Propagandafilme für das amerikanische Ehrgefühl. Wohingegen seine Drehbuschreiber fast alle immer links waren.

In der Neuzeit findet sich viel von Capras "Americana" wieder. Sei es bei Steven Spielberg, Robert Zemeckis, John Landis, den Coen Brüdern oder auch bei Mike Nichols und seinem 80er Aufsteigermärchen "Working Girl".

Sein Mr. Deeds ist ein so wunderbarer Film, der auf ganz leichte Weise eine wahnsinnig süße Love Story mit grandios, witzigen Szenen verbindet und eine tiefe humanistische Hymne schafft.

Oder wie Funxton in einem seiner Einträge schrieb "Laßt allen Zynismus fahren." :D

Stilistisch ist Deeds übrigens ziemlich schnell geschnitten. Capra zeigt unentwegt, was auf der Gegenseite bzw. währenddessen passiert. Es wird sehr viel hin und her geschnitten. Was den Film in der Montage sehr gestrafft aussehen läßt.

Ein ganz großer Film von einem großartigen Regisseur seiner Zeit.

10/10

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Magical History Tour : A Night at the Opera (Sam Wood) USA 1935


Magical History Tour

A Night at the Opera (Skandal in der Oper / Die Marx Brothers in der Oper)

In "A Night at the Opera" verhelfen die 3 Marx Brothers wieder einmal einem, durch widrige Verhältnisse auseinandergerissenen, Liebespaar zu seinem Glück.

Der junge Tenor Ricardo (Allan Jones) und die Sängerin Rosa (Kitty Carlisle) sind ein Liebespaar. Der Star des Ensembles ist jedoch der snobistisch und arrogante Rudolfo Lassparri (Walter Wolf King), der ebenso ein Auge auf Rosa geworfen hat. Als ihm der windige Agent Driftwood (Groucho Marx), mit Hilfe der reichen Witwe Claypool (Margaret Dumont) ein Angebot macht an die Metropolitan Oper in New York, unter der Leitung von Hermann Gottlieb (Siegfried Rumann) zu wechseln, willigt er ein unter der Bedingung, dass Rosa auch engagiert wird. Ricardos Freund Fiorello (Chico Marx) hat eine Idee und vermittelt ihn an Driftwood, damit er nicht von Rosa getrennt wird. Der Vertrag platzt aber vorher, da Driftwood denkt er würde Lassparri bekommen. Zusammen mit Tomasso (Harpo Marx), dem ehemaligen Gehilfen von Lassparri, verstecken sich Ricardo und Fiorello in Driftwoods großen Koffer und schiffen sich so als blinde Passagiere auf dem Ozeandampfer nach New York ein. Die 3 Chaoten mischen nun ordentlich die snobby Gesellschaft auf und stören, angekommen in New York, systematisch die Opernaufführung von Verdis "il trovatore". Bis sich letzten Endes alle geschlagen geben müssen und Ricardo an der Seite von Rosa einen frenetischen Erfolg feiert.

"A Night at the Opera" ist der mittlerweile 5. Kinofilm der bekannten Anarcho Brüder, den verschollenen Stummfilm nicht mitgezählt. Es ist auch der erste Film, der nach den finanziellen Mißerfolgen bei Paramount unter der Ägide des Goldjungen und Produzentenwunders Irving Thalberg, bei MGM entstanden ist. Der Legende nach spann der Pokerteufel Chico hier die Fäden.
Irving Thalberg, seit er 24 ist, Vizepräsident bei MGM, Macher von Greta Garbo, Clark Gable und Jean Harlow brauchte bloß die Marx Brothers unter Vertrag nehmen, damit Chico seine Spielschulden bei ihm begleichen konnte. So, die Legende. In Wirklichkeit war es wohl eher so, dass Thalberg sich alles aneignete was irgendwie nach Geld roch. Ganz nach dem MGM Motto "Make it good. Make it big. Give it class."

A-Filme für A-Komiker. Ein fettes Budget und eine Grundstory mit einer Liebesgeschichte, Abenteuer, Action, Gesangszenen und Musical Nummern mußte her. Eine neue Welt für die Brothers, da vorher bei Paramount die Truppe keine vorgeschriebenen Gags hatte und alles lose auf ihren Bühnensketches vom Vaudeville basierte.
Man könnte auch sagen, dass der anarchische Irrsinn der 3 Komiker von nun an die Leine genommen wurde. Der subversive und alles zertrümmernde Witz der Vorgängerfilme wurde hier geglättet und kommerzialisiert. Ja, böse Zungen behaupten das und auch ich muß sagen, dass "A Night at the Opera" zwar mein Lieblingsfilm der Marxens ist, würde aber behaupten, dass der beste MB Film in der Tat der Vorgänger "Duck Soup" (Die Marx Brothers im Krieg) von 1933 ist, weil er so subversiv, surreal, anarchisch sich über alle Konventionen des Hollywood Kinos hinwegsetzt und absolut keine Gefangenen macht.

Laut Griesgram Groucho sind "A Night at the Opera" und "A Day at the Races" seine Lieblingsfilme und das sagt wiederum sehr viel über die angenommene Kommerzialisierung der Brüder aus. Fakt ist, dass die Brüder sich unter Thalberg bei MGM sauwohl fühlten und nach seinem frühen Tod, in hohem Bogen aus dem Studio flogen, weil Groucho nun wieder anfing seine Klappe aufzureißen.

Jedenfalls findet sich hier ein ganzes Sammelsurium von großartigen Szenen wieder, die mit zu den schönsten Szenen der Brüder gehören. Diesmal übrigens ohne den vierten Marx Zeppo, dessen Rolle des jugendlichen, braven Liebhabers, durch Allan Jones als Ricardo ersetzt wurde.

Gleich im Auftakt des Films gibt es die tolle Szene in der Groucho, natürlich mit einer Blondine am Tisch sitzt, während Margaret Dumont am Nebentisch auf ihn wartet und ihn ausrufen lässt.
"Do i go round yelling your name ?" fährt er den Jungen an um sich sogleich an Dumonts Tisch zu setzen und die Blondine mit dem Hinweis "$ 9,40 ? This is an outrage ! If i were you i wouldn´t pay it." sitzen läßt. Danach gibt es noch eine lustige Begrüßungsszene in der Groucho den von Sig Ruman dargestellten Gottlieb vorstellt. Er heizt ihn an, sich immer schneller zu verbeugen. "Mr. Gottlieb", Mrs. Claypool", "Mr. Gottlieb Mrs. Claypool...", was zum Schluss in einem kleinen Tänzchen von Groucho mündet.
Nachdem Rosa, Ricardo und Harpo vorgestellt wurden, betritt Chico die Szene mit der großartigen "Vertrags Sequenz". Die beiden gehen den Vertrag durch und reißen alles raus, was sie nicht mögen oder verstehen, bis nur noch eine Klausel übrigbleibt. Groucho sagt ."It´s alright. That is in every contract. That´s what they call a sanity clause." Chico :"You can´t fool me. There aint no sanity clause." Das ganze, während sie kurz vorher ihre Beine auf den von Harpo niedergeschlagenen Lassparri gestellt haben, was aussah als ob sie an ner Theke stehen.

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Nach einem kleinen Duett am Hafen zwischen Rosa und Ricardo folgt die wohl berühmteste Szene des Films. Die Kabinenszene !
Hier zeigt sich das vollkommen absurde Ausmaß Marx Brotherscher Komik.
Als Groucho in seiner Ölsardine von Kabine ankommt, steigen Harpo, Chico und Ricardo aus seinem Riesenkoffer aus. Damit ist die Mini Kabine auch schon voll. Doch das ist erst der Anfang :D
Sie haben Hunger worauf Groucho beim Stewart für jeden ein fettes Frühstück bestellt mit einem Haufen hartgekochter Eier. Bevor das geliefert wird kommt aber erstmal der Room Service mit 2 Damen, die die Betten machen.

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Als nächstes klopft der Heizungsmonteur.

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Harpo schläft derweil und wird, wie eine große Puppe von einer Seite zur anderen gedrückt.

Next : KNOCK KNOCK "Do you want a manicure ?" Groucho :"No. But come on in."

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Next : KNOCK KNOCK Der Assistent des Heizungsmonteurs quetscht sich auch noch rein.

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"Is it my imagination, or is it getting crowded in here ? I got plenty of room."

Next : KNOCK KNOCK "Is my aunt Minnie here ? Can i use the phone ?" "The phone ? This boat will be in New York before you get to that phone."

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Next : KNOCK KNOCK Die Putzfrau kommt um den Boden zu wischen.

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....und natürlich : Diner is ready :D

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Nun wird das Knäul gelöst und der ganze Menschensalat purzelt Margaret Dumont vor die Füße als sie die Tür öffnet.

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Ricardo, Harpo und Chico mischen sich unters Volk auf dem Einwanderer Deck während Groucho sich bei der High Society langweilt. Nach einer opulent choreografierten folkloristischen Muscial Nummer zu der Ricardo seine Tenor Stimme schmättert, gibt es die typischen Solo Nummern. Als erstes Chico am Klavier. Ein Virtuose sondergleichen. Total verrücktes Fingerspiel. Gefolgt von einer magischen Harfen Nummer von Harpo. Bestandteil eines jeden Marx Brothers Films.
Leider werden sie von Lassparri entdeckt und als blinde Passagiere eingesperrt, können aber durch Grouchos Hilfe entkommen. Harpo landet im Zimmer von drei russischen Piloten und hat eine grandiose Idee. Er klaut ihre Klamotten mitsamt der Bärte und so verkleiden die 3 sich als russische Piloten was zur Folge hat, dass sie eine Rede im Hafen von New York vor Publikum, dem Bürgermeister und Polizeiinspektor halten müssen.

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Was macht der Schmetterling im Bart ?

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Als Chico eine heldenhafte Rede voller Anekdoten hält, gibt er diese Art von Ansprachen der Lächerlichkeit preis. Chico mit seinem Fake-Italo-Akzent spricht einen russischen Kriegshelden.

"Friends. How we happen to come to America is a great story, but i no tell that. When we first started out we had no idea you give us this grand reception. We don´t deserve it. When i say we don´t deserve it...believe me i know, what i´m talking about. Now i tell you how we fly to America. The first time, we get halfway across when we run out of gasoline. We got to go back. Then i take twice as much gasoline. This time we were just about to land, maybe 3 feet...when, what do you think, we run out of gasoline again. Back we go and get more gas. This time, i take plenty gas. We get halfway over, when what do you think happened ? We forgot the airplane. So we sit down and talk it over. Then i get the great idea...we no take gasoline. We no take the airplane. We take steamship. And that, friends, is how we fly across the ocean."

Als der stumme Harpo sprechen soll verrät er sich, weil er erstmal soviel Wasser trinkt, welches seinen Bart runterläuft und dieser sobald in Fetzen hängt. Nach dieser Lapallie werden die drei polizeilich gesucht. Groucho versteckt sie in seiner Hotelsuite wo es zu einer weiteren grandiosen Szene kommt.
Als der Polizeiinspektor ihn heimsucht wundert dieser sich warum der Frühstückstisch denn für 4 Personen gedeckt ist und fängt an in den zwei Zimmern herumzuschnüffeln. Die Gesuchten verstecken sich im Nebenzimmer und müssen über den Balkon jedesmal wenn Groucho mit dem Inspektor den Raum betritt ins andere Zimmer wechseln. Ganz klassicher Gag will man meinen, doch die Marx Brothers gehen noch eine Stufe weiter. Sie wechseln nicht nur die Räumlichkeiten sondern gleich das gesamte Inventar der Zimmer mit und treiben so den Inspektor in den Wahnsinn, der irgendwann jegliche Orientierung verliert und entnervt aufgibt.

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Nun kommen wir dem fulminanten und titelgebenden Höhepunkt immer näher, in dem die Marx Brothers in der Opernnacht die Bühne, den Orchestergraben, die Publikumsränge entern und nicht nur auf sondern auch hinter und über der Bühne, diese in ein riesiges Schlachtschiff verwandeln.
ATTACKE !
Bevor es dazu kommt statten Groucho, Chico, Harpo und Ricardo dem Operndirektor Gottlieb einen schönen Besuch ab und machen ihn bewusstlos.

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Der Terroranschlag geht damit los, dass sie die Noten vertauschen. Statt Verdi gibt es "Take me out to the Ball Game". Als nächstes eine Fecht Szene im Orchestergraben. Gottlieb erwacht und hetzt die Polizei auf die Brüder. Der Terror geht weiter. Groucho wirft wie im Kino Erdnüsse ins Publikum. Chico und Harpo spielen mit den Instrumenten Tennis zum titelgebenden Song.

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Weiter geht es nun auf der Bühne. Chico und Harpo mischen sich unter die Schauspieler und bringen das ganze Bühnenkonzept durcheinander.
Gottlieb und der Inspektor, mittlerweile auch als Zigeuner verkleidet, versuchen die beiden auf der Bühne zu fassen. Was tun ? Es geht hinauf in die Takelage, sprich die Bühnenmaschinerie. Harpo schwingt sich wie Errol Flynn in "Captain Blood" (ebenfalls von 1935 und kurz im Rahmen der MHT besprochen) durch die Seile, was das hier zur Folge hat :

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Die Cops tun es ihm sogar gleich. Das Licht erlischt und Lassparri wird mal eben von der Bühne gefischt. Natürlich fleht Gottlieb nun Ricardo an, für seinen Star Tenor einzuspringen. Die Chance nun mit Rosa ein Duett vor großem Publikum zu singen, läßt er sich natürlich nicht entgehen. Mit Hilfe der Marx Brothers wird dies ein voller Erfolg. Das Publikum ist begeistert und Groucho handelt einen Vertrag für die beiden aus und so sind wir wieder am Anfang ;)

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"A Night at the Opera" ist ein Wahnsinns Film in dem sich Sprachwitz, Klamauk und Slapstick nicht nur auf geschickte Weise die Hand reichen sondern immer wieder aufs neueste an die Grenzen des Möglichen geführt werden und einen dreifachen Salto vollbringen. Eine echte Sternstunde der absurden Komödie.

9/10

Magical History Tour Marx Brothers Irving Thalberg MGM Komödie absurd Wortwitz Kalauer anarchisch Musik Klassik Oper Bühne Klamauk Zigarre


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Magical History Tour : Das Blaue Licht (Leni Riefenstahl) D 1932


Magical History Tour


Das Blaue Licht


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Erzählt wird die Geschichte des Bergmädchens Junta (Leni Riefenstahl). Sie ist die einzige, die das Geheimnis des blauen Lichts kennt, welches in Vollmondnächten Bergsteiger zu einem verhängnisvollen Aufstieg verführt. Die Dorfbewohner geben ihr die Schuld am Tod der vielen jungen Männer und Junta wird gemieden wie eine Aussetzige. Als der Maler Vigo (Mathias Wieman) in das Dorf kommt und Junta zum ersten Mal begegnet, ist er fasziniert von dieser wilden, geheimnisvollen Schönheit. Er folgt ihr in die Berge und findet alsbald auch den Weg zur Kristallgrotte heraus, den nur Junta kennt. Um sie aus ihrer Armut zu befreien und den Groll der Dorfbewohner von ihr abzuwenden sowie den Aberglauben zu lösen, verrät er den Weg an die Dorfbewohner. Die Kristalle werden fachmännisch abgebaut und Junta, als sie herausfindet, was die Dorfbewohner getan haben, stürzt in einen schicksalhaften Tod.


Gesehen wurde hier die Schnittfassung von 1932 inklusive der Rahmenhandlung, die in den 50er Jahren von Leni Riefenstahl gekürzt wurde und mit einem Off-Kommentar versehen. Die Rahmenhandlung beinhaltet, dass ein junges Bergsteigerpärchen in das Dorf am Monte Kastillo kommt und ihnen die Legende von Junta erzählt wird.

"Das Blaue Licht" ist Riefenstahls erste eigene Regiearbeit gewesen. Dazu übernahm sie die Produktion sowie den Schnitt in Eigenregie. Zuvor war sie Schauspielerin in den Bergsteigerfilmen von Arnold Franck (u.a. Die weisse Hölle vom Piz Palü, Stürme über dem Mont Blanc, Der weisse Rausch). Das Drehbuch entwickelte sie zusammen mit dem jüdisch-ungarischen Filmtheoretiker Béla Balázs, der auch bei einigen Aussenaufnahmen Regie führte und wohl verantwortlich für den leicht Kapitalismuskritischen Ton des Films gewesen war. Später verriet sie diesen wegen finanziellen Unstimmigkeiten an die Nazis.

Die Story um Junta ist äußerst naiv. Die Bilder dagegen überzeugen umsomehr durch eine traumartige Atmosphäre. Hier zeigt sich schon der Riefenstahlsche Ansatz, den Plot vollkommen der Kraft der Bilder unterzuordnen. Auch zeigen sich hier Riefenstahls Lichtkompositionen von einer weltentrückten, mythischen Schönheit. Die Naturaufnahmen entsprechen nicht einer Realitätsverbundenheit sondern eher einer romantisch-stilisierten Hymne. Die archaischen Berge in denen der Mensch zur Ameise wird, ein Lichtschleier, der die Bergkristalle, den Wasserfall und die halbnackte Junta verschmelzen läßt.

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Riefenstahl inszeniert sich selbst hier ikonenhaft wie einen Hollywoodstar, eingehüllt in sanftes Licht. Sie arbeitet eher mit Filtern als mit Blenden.

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Dazu ihre Körperlichkeit, die die Tänzerin und passionierte Bergsteigerin hier vollends einsetzt. Eine Körperlichkeit, die besonders in ihren Olympia Filmen, zusammen mit dem schnellen Schnitt, zu einer stilprägenden Form heranwächst. Zu einer gottgleichen Überhöhung.
Kritiker sahen in "Das Blaue Licht" sowie im frühen Bergfilm schon einiges an faschistischer Ästhetik heranwachsen. Interessant hierbei ist die Instanz der Kirche in dem Dorf. Eines Abends wird Junta von einem Pastor entdeckt, der sich sogleich bekreuzigt, die alten Damen auf dem Weg zur Kirche, strafen sie mit verachtenden Blicken. Die Bauern sind alle dem reell, rationalen verhaftet. Die Kirche wiederum schürt ihren Aberglauben und ist Teil einer Gesellschaft, die nicht mit der Natur im Einklang lebt. Junta verschmilzt mit dieser Natur, die hier zum reinen und guten Abbild einer überhöhten Macht wird. Riefenstahl filmte die Dorfbewohner ausnahmslos authentisch, die sich wiederum aus Laiendarstellern zusammensetzten. Eine Authenzität, die sie später im Krieg bei den Dreharbeiten zu Tiefland pervertieren sollte indem sie von ihren Geldgebern KZ-Häftlinge als Statisten nutzte.

Ihre erste Regiearbeit brachte ihr weltweit Zustimmung und Anerkennung entgegen. In Deutschland waren es besonders Adolf Hitler und Joseph Goebbels, die auf dieses junge Ausnahmetalent aufmerksam wurden. Bei solch einer stilisierten Naturmystik, wie Leni Riefenstahl sie hier in Bild und Form brachte, braucht man wahrlich kein Psychologe sein um sich vorzustellen warum.

7/10

P.S. : Als kleiner Nachschlag sollte dies gesehen werden. Mit meinen nächsten Einträgen bin ich dann wieder ab 1935 zu finden.

Magical History Tour Leni Riefenstahl Naturmystik Berg Licht Filter Legende Ikone Kapitalismus


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För att inte tala om alla dessa kvinnor (Ach, diese Frauen) (Ingmar Bergman) SE 1964


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För att inte tala om alla dessa kvinnor (Ach, diese Frauen)


Der Film startet mit der Beerdigung des berühmten Cellisten Felix, an dessen Grab sich seine Frau und Mätressen von ihm verabschieden. Rückblende : Die Zeit davor : Der arrogant-egoistische Kritiker Cornelius (Jarl Kulle) möchte eine Biografie über Felix schreiben. Angekommen in der Villa des Musikers, bekommt er ihn aber nie zu sehen. Cornelius landet sehr schnell mit Hummel (Bibi Andersson), eine von Felix Geliebten, im Bett. In dieser Nacht werden sie beschossen von einer anderen Geliebten, die ihn für Felix hält. Auf der Suche nach Informationen bandelt Cornelius auch mit den anderen Frauen an. Er hört Felix oft musizieren bekommt ihn aber nie zu sehen und wird auch nicht zu ihm vorgelassen. Existiert Felix überhaupt ? Als der Sekretär von Felix (Allan Edwall) ihm den Rat gibt, sich als Frau zu verkleiden, da er so mehr Chancen hätte, geht auch dies schief. Cornelius erpresst Felix, indem er von ihm verlangt, er solle ein von ihm komponiertes Stück vor der Öffentlichkeit spielen. Andernfalls würde es keine Biografie geben. Das Konzert findet in der Villa, unter der Aufsicht von Presse und Radio statt. Felix sackt nach den ersten Tönen mit seinem Cello zusammen und ist tot. Die Frauen trauern kurz, doch wird sogleich ein neuer, junger, blendend aussehend und begabter Musiker im Haus empfangen.


Diesen Film nach "Das Schweigen" zu sehen, ist natürlich ersteinmal allein in der chronologischen Reihenfolge ein echter Brüller. Darüber hinaus ist es eine gallige, gemeine und absurde Farce in der Bergman wieder einmal das Thema des Künstlers abhandelt.

Es ist vor allem eine Abrechnung bzw. ein Kommentar zu dem ganzen Skandal und TAMTAM, der ihm nach der Arbeit an "Das Schweigen" entgenschlug. Bergman selbst sieht sich vielleicht in der Rolle des Felix, der vom Kunstbetrieb ermordet wird und am Ende sogleich ersetzt wird. Er macht sich aber auch lustig über den Stand des Künstlers sowie über Kritiker und den gesamten Kunstbetrieb, hier mit den Mitteln einer sinnentleerten Klamotte. Als Cornelius mit Hummel in ihrem Himmelbett verschwinden, gibt es die Einblendung, dass dies was nun passiert bzw. die folgende Szene bitte nicht symbolisch zu werten sei. Darüberhinaus gibt es zig bewußte Anschlussfehler und mit den Mitteln der einfachsten Tricktechnik der Stummfilme werden Gegenstände weggeschnitten und wie durch Zauberei ersetzt. An anderen Stellen läuft der Film auf einmal schneller, wird sepia, alt eingefärbt. Bergman huldigt ganz bewußt der Stummfilm-Klamotte und macht sich einen großen Jux daraus. Es gibt lauter Slapstick Gags, die teils an Stan & Ollie erinnern, dann in ihrer prätentiösen Art an deutsche 60er Jahre Klamotten.

Das ist oftmals zum Haare raufen doof und streckenweise mußte ich auch schmunzeln doch die Gags wollen nicht wirklich zünden. Zu lang und für guten Slapstick zu ausgewalzt, wirkt es mitunter sehr peinlich. Anstatt richtig auszubrechen, bleibt der Film in den Schranken seiner prätentiösen Ezählhaltung. Das ist zwar nett anzuschauen und mitunter recht gemein aber auch sehr langweilig.
Das Setting erinnert in seiner Künstlichkeit an eine Mischung aus "Letztes Jahr in Marienbad" und noch mehr an Revue-Filme oder amerikanische Musicals. Bergmans erste Farbfilmerfahrung mißfiel ihm sehr und so wurde erstmal wieder in s/w gedreht. Erst mit "Passion" wandte er sich dem Farbfilm zu.

Man kann und sollte diesen Film in erster Linie als Private Joke verstehen. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.
Vielleicht noch, dass Bergmans, in der Tat große Liebe zum frühen Slapstick sich in der Vergangenheit immer wieder in kurzen Einstellungen zeigte, sowie auch in seinem nächsten Film "Persona".

6/10

Ingmar Bergman Jarl Kulle Bibi Andersson Harriet Andersson Allan Edwall Satire Komödie Farce Slapstick Stummfilm Kunstbetrieb Kritiker Kommentar Private Joke Anschlußfehler


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Spring Breakers (Harmony Korine) USA 2012


Spring Breakers
(2012)
(Harmony Korine)

So. Nun endlich gesehen und ich muß sagen, dass ich ihn so schlecht wie Keitel gar nicht fand. Jedenfalls bekommt er bei mir schon mehr als ne 5/10. Ist aber auch keine einfache Sache. Daher hab ich ihn mir vorgestern nochmal angesehen und bin hin und hergerissen.

Tommy kommt der Sache schon sehr nahe in dem er den Bezug zum Videogame herstellt. Überhaupt kommt der Film dem so nahe wie zuletzt noch der US-Day of Reckoning Film von John Hyams, was für die rein ästhetische Spur des Films am Ende spricht.

Es geht hier aber vor allem um eine derbe Realitätsverdrängung und die Frage welche Form von Freiheit willst Du wählen. Ziemlich wichtige Fragen in einem 90 minütigen geloopten Mashup Videoclip., der vor Farbpaletten sprüht und einen Wahnsinns Musikcut innehat. Das hier dann auch noch der Gaspar Noe Kameramann fotografiert hat, sieht man und es sieht toll aus.

Ich frage mich ob der Film überhaupt mit irgendeiner Art von Kritik punkten will. Denn einerseits suhlt er sich in den Bildern und tastet jeden Zentimeter Haut seiner Disney Stars ab, besonders die Regionen zwischen den Beinen, anderseits stellt er diese Fragen, läßt James Franco als absolute Witzfigur eines White Trash Gangsters mit seinen Killer Bunnys den Spring Break auseinandernehmen und die „bösen“ , schwarzen Real-Gangsters gleichmit um am Ende die Antwort parat zu haben, dass diese verottete Jugend nur gewinnen kann. Keine Chance gegen so eine Übermacht.

Ich weiß auch nicht ob ich es simpel oder klug finde, dass Faith (Selena Gomez) ihren Glauben verdrängt um dann von ihm wieder eingeholt zu werden, schließlich bekommt sie ja am Anfang von nem wiedergeborenen Knacki zu hören „God forgives you all your sins, how cool is that ?“ Schuldgefühle machen sich breit, die Realität ist noch da. Die Frau von Korine, die älteste im Bunde kann auch nicht loslassen von ihrer Realität. Nur die vollkommen austauschbaren Chicks setzen sich von Anfang an als ultimative Waffe ein.

Wenn dieser Film Kritik an der Oberflächlichkeit von Popkultur im 21 Jahrhundert sein will, so muß ich sagen, gebe ich Sofia Coppolas Bling Ring den Vorzug, da er wesentlich stiller auf die Pauke haut und Korines Film zuwenig und dabei einen Funken narrativer Linie einbaut, der ihm eigentlich nicht so gut bekommt. Als reines Wahrnehmungskino funktioniert Spring Breakers wiederum sehr gut und kann deshalb auch so vielschichtig gedeuetet werden.

7/10 Punkte von meiner Seite


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3x Bergman Part 4


Såsom i en spegel (Wie in einem Spiegel)


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Karin (Harriet Andersson) leidet an einer psychischen Krankheit, die laut ihrem Mann, dem Arzt Martin (Max von Sydow), unheilbar sei. Zusammen mit ihrem jugendlichen Bruder Minus (im deutschen Peter) verbringen sie einige Zeit auf einer abgelegenen Insel in Schweden. Dazu kommt ihr Vater David, der Schriftsteller (Gunnar Björnstrand), der gerade aus der Schweiz zurückgekehrt ist. Während Karin ihren Bruder neckt, der auch gerne Schriftsteller werden möchte, befindet ihr Vater sich in einer Sinneskrise. In der Nacht liest Karin Tagebucheinträge ihres Vaters, in denen er notiert hat, dass er die Krankheit seiner Tochter als Inspirationsquelle genutzt hat. Sie erzählt dies Martin, der David am nächsten Tag während einer Bootsfahrt damit konfrontiert. Daraufhin erzählt David von seiner Schaffenskrise und dass er in der Schweiz Selbstmord begehen wollte. Karins Krankheit nimmt wieder zu. Sie hat Visionen davon, dass ein Gott sie in Form einer Spinne heimsuchen wird. Nachmittags steigt sie mit Minus in ein Schiffswrack, wo sie einen Anfall bekommt. Sie renn zurück ins Haus auf den Dachboden, wo ihr Anfall schlimmer wird. Martin und David rufen den Notarzt, sie bekommt eine Beruhigungsspritze und wird per Hubschrauber in die Klinik gebracht. Minus und David bleiben im Haus auf der Insel und sprechen zum ersten Mal richtig miteinander. Der Film endet mit den Worten von Minus "Papa hat mit mir gesprochen."


Man kann schon sagen, dass man hier in eine neue Phase in Bergmans Schaffen eintritt. Nicht nur, das es der erste Fårö Insel Film ist, es ist auch der erste Film bei dem die Zusammenarbeit mit Sven Nykvist so richtig ins Auge sticht. Dazu kommt, das "Wie in einem Spiegel" von der Reziption nachträglich als erster Teil einer Trilogie angesehen wurde, der "Trilogie des Glaubens". Was von Bergman allerdings nie so angelegt war auch wenn er die Zusammenhänge der Themen bestätigt hat.

Auffällig ist, das hier eine neue Art von Ernsthaftigkeit Einzug hält. Der Film ist todernst, kammerspielartig, entschlackt, schwer und bedrückend. Dabei beginnt alles noch recht ausgelassen mit einem Abendessen an einem warmen Sommerabend. Doch liegt etwas unausgesprochenes, etwas einschränkendes in dieser Atmosphäre. Die Art wie die Kinder ihren Vater sehen. Nach kurzer Zeit sieht man den Vater ins Haus gehen, er steht am Fenster und weint. Selbst bei dem Theaterstück, welches die Kinder aufführen, drückt etwas auf die Stimmung des eigentlich schönen Abends.
Das Verhältnis des Vaters zu seinen Kindern ist geprägt von einer gewissen Sprachlosigkeit und Verlassenheit. Es findet keine Kommunikation, kein wirkliches Gespräch statt. Aber und das ist ganz Bergmantypisch, es gibt die Sehnsucht des Vaters nach seinen Kindern ebenso wie umgekehrt die der Kinder nach ihrem Vater. Er erzählt seinem Schwiegersohn von einer schöpferischen Krise, kann nicht leugnen, dass er ein Interesse daran hat seine Tochter zu beobachten und sich ihre Krankheit für sein literarisches Werk zu Nutzen zu machen. Er lebt von ihrer Krankheit. Sein Schwiegersohn legt ihm deshalb Gefühlskälte nahe. Einerseits trifft dies zu, anderseits ist es wiederum auch das Wesen des Künstlers, des Schriftstellers zu beobachten. Er lebt nicht mit den Menschen, die ihn umgeben sondern ist in der Rolle des Beobachters. Trotzdem sagt der Vater, "liebe ich."

Das wäre dann auch ein nächstes oft wiederkehrendes Bergmanthema : "Die Verordnung des Künstlers"

Da ist der Künstler und seine Opfer, Menschen, die beobachtet werden und unter dieser Distanz leiden.
Diese Distanz ist auch filmisch immer wieder in Szene gesetzt. Ganz exemplarisch in der Endszene wo die Tochter ihrem Wahn verfällt und auf dem Dachboden einen Anfall erleidet. Der Vater betritt den Raum nicht sondern steht die ganze Zeit in der Tür und beobachtet. Nykvist filmt ihn teilweise wie einen Schatten, während sie in ihrem Wahn versinkt.

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Gleichzeitig macht der Vater aber auch die Erfahrung, das er so als Künstler nicht leben kann und will. Er erkennt die Liebe als Kraft, die ihm Leben schenkt, als Kraft sich zu ändern. Kann dies aber nicht aus eigenem Antrieb.

Die Tochter lebt in der Erwartung, dass sich ihr ein Gott offenbart und als er sich offenbart ist es nicht der Gott, den sie sich wünscht sondern eine Spinne, die in sie hineinkriechen will. Ihre Krankheit wird nie wirklich greifbar. Wir hören nur von ihr was sie sieht und was sie erlebt. Stimmungswechsel, Anklänge von schizophrenem Verhalten. Sie sagt "sie hält es nicht mehr aus in zwei Welten zu leben. Wir erfahren, das ihre Mutter anderselben Krankheit gestorben ist. Sie lebt ein Leben im Endstadium. Am Ende geht sie freiwillig ins Krankenhaus. Sie akzeptiert. Sie will sich ihrem Wahn nicht mehr hingeben.
Max von Sydow als ihr Ehemann und Arzt ist im Grunde die kälteste Figur, da er die reine Wissenschaft verkörpert und keine wirkliche Stütze und Hilfe für sie ist.
Ganz im Gegenteil zu dem Sohn, der in seiner pubertären Phase voller Zwiespälte ganz deutlich leidet und damit durch diesen Zwiespalt seiner Schwester am nächsten ist. Er reagiert auf ihre Wahnvorstellungen am menschlichsten und fungiert auch als Schlüsselfigur. Der Pendler zwischen den Welten und der Mittler zwischen Vater und Schwester. Sein Verhältnis zu ihr ist auch geprägt von einer sexuellen Spannung und Anziehung. Anspielungen tauchen auf als sie ihn neckt wegen eines Sexheftchens und die Szene im Bootswrack könnte auch als Beischlaf zwischen den beiden gedeutet werden.
Am Ende gibt es eine Annäherung zwischen Vater und Sohn, die vielleicht auch durch ihre Krankheit der Schwester ausgelöst wurde. Der Sohn mit dem er spricht wendet sich in seiner Not an den Vater und dieser öffnet sich ihm. Der Sohn erkennt das und sagt "Papa hat mit mir gesprochen."

Der Vater offenbart hier seinen Glauben indem er von Göttlicher Liebe spricht. Gott ist die Liebe. Die Liebe, die er erreichen möchte setzt er mit Gott gleich. Bei seiner Tochter erscheint dieser Gott auch in ihren Wahnvorstellungen doch entpuppt er sich hier als purer Schrecken und so wirkt wie in einem Spiegel für ihn als Vater die Krankheit seiner Tochter. Er findet sich in ihr wieder. Die Krankheit wirkt wie eine Rückprojektion auf ihn bezogen. Oder umgekehrt.

Auch wenn "Wie in einem Spiegel" religiöse Bezüge hat bzw, dies hier verwoben ist und mit der Musik von Bach noch unterstrichen wird, so ist es nicht das Hauptthema sondern das Thema des Künstlers ist es.

Wie oben schon angedeutet kündigt sich hier etwas neues an und zwar die totale Beschränkung auf einen Schauplatz, einen kurzen Zeitraum und die Konzentration auf eine Handvoll Menschen, die immer mehr wie im Exil leben. Sven Nykvists Stil ist hier schon formvollendet und unterscheidet sich um einiges von Gunnar Fischers Expressionismus. Hier sind die extrem harten s/w Kontraste, die Lichtfokussierung auf die Gesichter sowie die langen Kamerafahrten, die eine sehr intensive Atmosphäre kreieren.
Man kann hier gerade mit dem Wissen der zwei nachfolgenden Filme von einer äußerst psychologischen Fotografie und Lichtsetzung sprechen. Besonders was letzteres angeht, so wird dies im folgenden Film wahrlich meisterlich.

8/10


Nattvardsgästerna (Licht im Winter)


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In einer schwedischen Kleinstadt hält Pastor Tomas Ericsson (Gunnar Björnstrand) an einem Sonntag im Winter den Gottesdienst. Nach dem Abendmahl wendet sich Karin Persson (Gunnel Lindblom) an den Pastor und bittet ihn ein seelsorgerisches Gespräch mit ihrem Mann Jonas (Max von Sydow) zu führen. Jonas befindet sich seit langem in einer Art Depression, die u.a. Ängste vor der atomaren Rüstung Chinas beinhaltet. Er teilt ihr mit, dass er für ein späteres Gespräch bereit wäre. Darauf fragt ihn seine ehemalige Geliebte, die Lehrerin Märta Lundberg (Ingrid Thulin) ob er den Brief gelesen habe, den sie ihm gegeben hat. In dem Brief bittet sie ihn doch zu ihr zurückzukommen obwohl er sie missachten würde. Als er den Brief liest wird dieser als von Märta gesprochener Monolog direkt in die Kamera vorgetragen. Jonas Persson sucht Tomas nun auf und erzählt ihm von seinen Ängsten. Dieser hat in seiner Rolle als Pastor allerdings keine Lösungsvorschläge und Halt zu bieten, statt Trost zu spenden, bricht es plötzlich aus ihm heraus, dass Gott nicht mehr zu ihm sprechen würde. Gott habe ihn verlassen. Wenige Minuten später erfahren Tomas und Märta, dass sich Persson draußen erschossen hat. Nachdem sie zum Unfallort gefahren sind versorgt Märta Tomas, der von Fieber geplagt wird, in ihrer Schule mit Medizin. Es kommt zu einer Hasstirade ihr Gegenüber, in der er ihr all seine Verachtung entgegenbringt und sagt, dass er nur seine verstorbene Frau wirklich geliebt habe. Danach fahren sie zu Perssons Frau um die Nachricht vom Selbstmord ihres Mannes zu überbringen. Abends findet eine Gottesdienst in der Nachbargemeinde statt. Doch außer dem Organisten Fredrik (Olof Thunberg), Märta und dem Messdiener Algot (Allan Edwall) bleibt die Kirche leer. Algot spricht Tomas auf die Leiden Jesu Christi an. Er wundere sich warum die Leiden nur in den physischen Qualen der Kreuzigung gesehen werden. Die seelischen Qualen seien doch viel schwerwiegender. Obwohl nur die drei anwesend sind hält Tomas den Gottesdienst ab.


Licht im Winter ist der wohl bedrückendste und deprimierendste Film, den wir in unserer Bergman Reihe gesehen haben. Der Film ist die totale Konzentration auf die Innenräume der Kirche, das Eingeschlossensein mit Gunnar Björnstrand, seinen Dialogen und seinem Hadern mit Gott. Wir sind hier total ausgeliefert.

Das Personal besteht hier aus dem zynisch, ironischen Organisten, dem bescheidenen und verschrobenen, leicht rührenden Hilfsküsters, der frustrierten, jungfräulichen, verzweifelten Lehrerin, einem Ehepaar wo der Mann selbstmordgefährdet ist und sich dann auch noch umbringt und wir haben den Pastor, der nicht mehr glauben kann, weil keine Liebe mehr in ihm steckt sondern nur noch Leere. Die einzige lebendige Person könnte man in der Gestalt des Hilfsküsters ausmachen, die einen gewissen Mut noch an den Tag bringt. Ansonsten herscht die totale Freud und Lieblosigkeit.
Die Figur, die sich aus einer Mischung aus Hilflosigkeit, Verzweiflung, Resignation und Sehnsucht versucht sich zu wehren, ausbrechen will, ist die Lehrerin, die aber letztendlich keine Möglichkeit hat, da sie so in sich eingeschlossen ist. In dem gnadenlosen Gespräch zwischen ihr und dem Pastor zeigt sie sich von einer totalen Unterwürfigkeit und hat ihm auch nichts entgegenzusetzen, weil es nichts entgegenzusetzen gibt in dieser freudlosen Welt.

Liebe ist Glaube. Glaube ist Liebe

In der Figur des Pastors sehen wir jemanden, der daran zweifelt, dem seine Liebe genommen wurde und dadurch sein Glauben. Die Liebe zu seiner Frau und damit zu Gott schält sich erst innerhalb des Films heraus, erst die Briefe dann das Gespräch mit der Lehrerin und am Ende erfahren wir vom Organisten, wie sehr er seine verstorbene Frau geliebt hat.

Gott, warum hast Du mich verlassen ?

Das ganze Dilemma offenbart sich in der ersten Schlüsselszene des Films in dem seelsorgerischen Gespräch mit Persson. Er erzählt von seinem Verhältnis zu Gott und seinen Erlebnissen im spanischen Bürgerkrieg als er sich seinen eigenen Gott kreiert hat und in erster Linie nur noch zu sich selbst gebetet hat. "Ich konnte nicht mehr geben, ich habe nur noch genommen. Gott war nicht da. Gott schwieg."
In dem Gespräch gibt es keine Hinwendung mit Gott an den Menschen sondern ein Verzweifelter wendet sich an den Anderen.
Als ihm das ganze Ausmaß seiner inneren Leere, Verzweiflung und Verbittertheit bewußt wird bricht es aus ihm heraus :"Gott, warum hast Du mich verlassen ?" Von außen fällt schneidendes, gleißendes Licht auf sein Gesicht (siehe Screenshot oben).
Die Situation des Pastors wird am Ende noch einmal durch den Küster auf den Punkt gebracht indem er sagt, wie schrecklich es für Jesus gewesen sein muß als er verlassen wurde und all seine Jünger sich gegen ihn wandten. Im Angesicht seines Todes sich von Gott verlassen fühlte und damit all das was er gelehrt hat : Die Liebe und Gegenwart Gottes nicht wahr ist.

Das Schweigen Gottes

Es ist eine Welt in der die Menschen hilflos sind. Es ist keine gottlose Welt aber eine in der Gott schweigt. Eine Welt, die sich auch in den Ängsten des Persson spiegelt, in der sich die Menschen jederzeit per Knopfdruck in die Luft sprengen können. Die Verzweiflung vor der Sinnlosigkeit des Seins hat hier die Oberhand.

Wie schon bei "Wie in einem Spiegel" vertieft sich hier der neue fotografische Stil durch Nykvist. Klare Strukturen und schneidendes Licht prägen diese Bilder. Das Licht wird hier als erzählerisches und vor allem psychologisches Stilmittel benutzt.
Gunnar Björnstrands Leistung ist unglaublich. Ist er schon immer ein charismatischer Charakterdarsteller gewesen, so spielt er hier vollkommen zur Höchstform auf. Insgesamt ein äußerst bedrückendes Erlebnis, welches neben "Fanny und Alexander" auch autobiografisch eine große Rolle spielt, da Bergmans Vater Pastor gewesen ist.

9/10


Tystnaden (Das Schweigen)


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Die Übersetzerin Ester (Ingrid Thulin) ist mit ihrer Schwester Anna (Gunnel Lindblom) und deren kleinem Sohn Johan (Jörgen Lindstrom) mit dem Zug auf der Heimreise nach Schweden. Sie machen Halt in einem süd-ost-europäischen Land, welches nicht näher benannt wird und dessen Sprache sie nicht verstehen. Sie mieten sich ein Zimmer in einem Hotel in dem sie mit Ausnahme einer Artisten Gruppe von Lilliputanern die einzigen zu sein scheinen. Während Ester, die sehr krank ist, im Hotel bleibt und sich die Zeit mit Arbeit und Alkohol vertreibt, erkundet Anna die Stadt. In einem Café bemerkt sie einen Kellner (Birger Malmsten). Nachdem sie in einem Varieté zusieht wie ein Paar öffentlich Sex hat, geht sie zurück ins Café um sich mit dem Kellner zu treffen. Später wird sie Ester sagen, dass sie mit dem Mann hemmungslosen Sex in einer Kirche hatte und sich wieder mit ihm treffen wird. Derweil wandert Johan durch das leere Hotel und macht Bekanntschaft mit der Artistengruppe sowie mit dem merkwürdigen Portier (Håkan Jahnberg), der seine Uhr immer neu aufzieht und Johan Fotos von Toten zeigt. Er sieht auch wie seine Mutter sich mit dem Kellner in einem Zimmer einschließt und erzählt es Ester, die daraufhin verzweifelt an der Tür klopft und zusammenbricht. Es kommt zum erbitterten Streit zwischen den Schwestern. Ester sagt Anna, dass sie sie liebe, doch Anna will davon nichts wissen und wirft ihr ihre verachtenden Launen vor. Während Ester am nächsten Morgen einen totalen Kollaps erleidet, reist Anna mit Johan ab. Auf der Fahrt liest Johan einen Brief, indem Ester ihm einige Worte der fremden Sprache übersetzt hat. Anna will davon nichts wissen.


Ziemlich vertrackt, surreal und mehrdeutig ist dieser Film, der damals im Nachhinein und im Zusammenhang mit den Vorgängerfilmen als religiöser FIlm und als Abschluss einer Trilogie rezipiert wurde.
"Das Schweigen" ist ein hermetischer Film von ungeheurer Intensität, der leicht surrealistisch, traumähnlich ist und auch einer gewissen Traumlogik folgt. Das was wir sehen, gleicht eher einem Zustand, als ein an einer narrativen Linie interessierter Film.

Man erfährt hier nichts. Das Motiv einer tickenden Uhr zieht sich permanent durch den Film. Ein richtiges Zeitgefühl gibt es nicht. Wir wissen nicht in was für einem Land sich die Schwestern befinden, es könnte Süd-Ost Europa sein und in die Beziehung der beiden Schwestern zueinander erhalten wir auch keine wirklichen Einblicke. Erst am Ende als der Film fast kollabiert.
Was wir sehen ist verfilmte Qual.

Da ist Anna und ihre Gier nach LIebe und Lebendigkeit, die sie im Körperlichen sucht. Sie verschließt sich und versteckt sich bewußt hinter einer Fassade. Ihre Gier erfüllt sich jedoch nicht, da der Sex eine einzige Qual ist.
Ester ist die rationale, intelektuelle, kontrollierende. Sie ist unfähig sich hinzugeben. Hass und Ekel empfindet sie gegenüber Körperlichkeit insgesamt und sich selbst.
Zwischen den beiden gibt es keine Kommunikation sondern nur Leere. Anna blockt jeden Versuch von Ester durch ihre fassadenhafte Abwehr ab. Sie fühlt sich von Ester bedroht, die versucht durch ihre Liebe, die sie Anna gegenüber ausspricht zu kontrollieren und zu besitzen. Esters Krankheit ist absoluter Ausdruck ihrer inneren Qual und Zerrissenheit. Mit der Tendenz zur Selbstzerstörung durch Alkoholkonsum. Sie will leiden.

Ein fremdes Land mit einer fremden Sprache, die sie nicht verstehen, in einem leeren Haus und einer latenten Bedrohung von Außen durch Panzerfahrzeuge, die am Anfang und in der Mitte zu sehen sind, verstärken diese Leere und Kommunikationslosigkeit.

Die Figur des Jungen sollte nicht unerwähnt bleiben. Er ist der Mittler zwischen den beiden Schwestern. Durch seine Augen lernen wir das Innenleben des Hotels kennenmit seinen surrealistischen Elementen. Sei es die Artistentruppe oder der Portier, der ihm Fotos von Toten zeigt.

Wenn man das alles zusammennimmt und sich fragt, was ist das eigentlich für eine Welt, dann kann man schon darauf kommen, dass es eine inhumane, sinnentleerte Welt ist. Eine Welt ohne Gott, ohne Glauben, ohne Liebe. Man kann es so rezipieren, muss man aber nicht. Interessant für die religiöse Deutung ist die Szene in der im Hotelzimmer ein Stück von Bach im Radio gespielt wird und alle im Raum gleich positiv darauf reagieren.

Bei all der Analyse übersieht man oftmals was für ein Austoben von filmischen Möglichkeiten hier stattfand. Licht, Winkel, Perspektiven, Choreographie, Nahaufnahmen bilden hier eine konzentrierte Atmosphäre aus Licht und Schatten.
Bekanntheitsgrad erlangte der Film vor allem durch den weltweiten Skandal den er auslöste. Durch diesen Skandal wurde es zu Bergmans größtem finanziellen Erfolg. Allein in Deutschland sahen ihn in den ersten Monaten 10 Millionen Menschen. Der bis dahin erfolgreichste Film in der Bundesrepublik, der letzten 10 Jahre. Das muß man sich mal vorstellen ! Die sind natürlich alle wegen Gunnel Lindbloms Titten, Ingrid Thulins Masturbationsszene und einem korpulierenden Paar, welches die Lindblom voyeuristisch beobachtet, ins Kino gerannt und bekamen dieses vertrackt, verstörende Werk vorgesetzt. Gut. Auch wenn man aus heutiger Sicht darüber schmunzeln kann, weil man auch fast nichts sieht bei den einschlägigen Szenen, war das für 1963 wohl schon ziemlich freizügig. Die Nouvelle Vague war gerade am Kommen und die sexuelle Revolution noch nicht eingeschlagen, da wird ein Bergman Film auch mal im Bundestag diskuttiert.
Der Film wurde später übrigens mit einem Vorspann versehen, der ihn in eine Relation mit den zwei Vorgängerfilmen setzt und ihn als religiöses Kunstwerk einstuft.
Ob man das so sehen möchte oder nicht, bleibt jedem natürlich selbst überlassen. Ein intensives Seherlebnis ist dieser Film in jeder Beziehung.

9/10

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