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Short Cuts





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Berlinale 2015 No. 2



Eine Woche Berliner Filmfestspiele Part 2
(Part 1 : HIER)

Mittwoch
Den Mittwoch verbrachte ich komplett im Zeughauskino mit 3 Filmen aus der glorreichen Technicolor Ära.
Zuvor noch kurz ein Snack nebenan im Museumscafé und dann ging es schon um 16.30 mit dem ersten Film los. Gezeigt wurde Scaramouche von George Sydney aus dem Jahre 1952. Den Film meine ich das letzte Mal im Alter von 10 Jahren gesehen zu haben. Scaramouche mit Stewart Granger (wie immer der galante Frauenheld), Janet Leigh (zum zweiten Mal nach The Naked Spur mit sensationell tiefem Ausschnitt), Eleanor Parker (diese feuerroten Haare !) und Mel Ferrer als Grangers Gegenspieler der Marquis de Mayne. Der Film würde ein feines Double Feature mit dem japanischen An Actors Revenge ageben. Auch hier wird Rache genommen mit den Mitteln des Schauspiels. Überhaupt ist Scaramouche ziemlich tricky, bietet er gegen Ende einen schönen Plottwist mit dem man nicht unbedingt rechnet und refelektiert nebenbei das Swashbuckler/Mantel-Degen Genre ansich. Das hätte ich so gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Schön auch, dass unser Held hier erst seine Skills lernen, ja im Grunde in seine Rolle wachsen muß, was durchaus zweideutig gemeint ist. Scaramouche ist witzig, spannend und aktionsreich und äußerst farbenfroh. Habe ich schon die unglaubliche Qualität der Kopie gelobt ? Nein ? Grandios. 8/10
Grandioser sollte es aber doch noch werden. Nach dem Film mußte ich leider das Kino verlassen um mich just wieder in die Schlange einzureihen und noch schnell ein Brot im Stehen zu verschlingen. Denn nun wurde der Film gezeigt, wegen dem ich allein schon fast das Bahn Ticket gekauft habe.

Duel in the Sun aus dem Jahre aus dem Jahre 1946 von King Vidor (was eigentlich quatsch ist, da man hier, ähnlich wie bei Gone with the Wind von einer reinen Selznick Produktion sprechen kann, die insgesamt 6 Regisseure verschlissen hat, Selznick selber, der einige Szenen drehte, nicht miteingerechnet). Seit ca. 25 (!!!) Jahren will ich diesen Film sehen. Seit ich als kleiner Pöps in der öffentlichen Bücherei damals in einem Filmbildband blätterte, der Farbfotos aus eben jenem Film beinhaltete , will ich Duel in the Sun sehen. Angeheizt wurde ich vor einigen Jahren noch durch Martin Scorsese, der innerhalb seiner American-Film Doku von ihm schwärmte, ja diesen Film geradezu anbetete. Meine innere Spannung wurde zudem noch mehr aufgeheizt als der Film im dunklen Saal von einer knapp zehnminütigen Ouvertüre eingeleitet wurde bevor sich der Vorhang öffnete und die strahlenden Technicolor Farben sich auf mich ergossen. Was man in Duel in the Sun für die nächsten 2 1/2 Stunden erlebt ist kaum in Worte zu fassen. Nicht nur das es sich hier um ein großes Familien-Wildwest-Epos handelt, ich traute meine Ohren und Augen kaum was in diesem vor Hitze flirrendem Film alles verhandelt wird : Rassismus und Rassenmischung, Brudermord, Ehebruch, Zivilisationsproblematik und und und. Nebenbei steckt in der Amour-Fou recht deutlich Carmen von Bizet und überhaupt ist dieser Film purster Sex sowie libidinös aufgeheizte Leidenschaft. Der Film ist vollkommen megalomanisch ! Am Ende blieb mir dann tatsächlich der Mund offen stehen. Eros und Tod auf einer Linie. Das sind die zwei großen Themen dieses Hammer-Films ! 10/10 und ganz schnell auf BR !

Im Anschluß an Duel in the Sun gab es dann noch einen richtigen Vidor Film. An American Romance aus dem Jahre 1944.
Laut King Vidor ist dies der abschließende Teil seiner großen amerikanischen Trilogie War, Wheat & Steel. Beginnend mit The Big Parade, weiterführend mit Our Daily Bread bildet An American Romance den letzten Teil, der damals von MGM um eine halbe Stunde gekürzt wurde, worüber Vidor sehr enttäuscht war, da das Studio die menschlichen Aspekte der Story zusammenschnitt.
Der Titel An American Romance meint in diesem Falle, eine Romanze mit seinem Land. Der Film ist die zweistündige Aufsteigergeschichte eines armen tschechischen Immigranten, der vom einfachen Arbeiter im Tagebau übers Stahlwerk hin zum Automobilpionier und am Ende mit Eintritt in den zweiten Weltkrieg in der Flugzeugbranche Erfolge feiert. Die Geschichte vom amerikanischen Traum, vom einfachen Mann, der seine Kinder nach Präsidenten benennt, dem eine gutmütige und warmherzige Frau zur Seite steht und der wie ein besessener nach oben will. Das ist gar nicht so naiv, wie es sich zuerst lesen mag. Ich wartete bei all dem Aufstieg auf den Vidorschen Moment, der schon in The Crowd und The Big Parade vorhanden ist, indem der Film auf einmal um 180 Grad kippt. Das tut er hier nicht bzw. kann man ihn eher erahnen. Selbst als einer seiner Söhne im ersten Weltkrieg stirbt geht das Leben weiter, kommt die Arbeit, der Stahl zuerst und dann die Familie. Einen Bruch gibt es dann trotzdem noch als kurz vor dem Ende sich sein eigener Sohn innerhalb der Firma gegen ihn, den Patriarchen, richtet, der die Arbeiter organisieren will. In diesen Szenen nimmt der zuvor sonst so leichte und auch witzige Film, dunkle Züge an. Interessant ist dann auch das Ende des Films. Eigentlich schon in Kalifornien im Ruhestand, die Haare ergraut, kommt die Zeitungsmeldung der Bombardierung Pearl Harbors und der Geschäftsmann Amerikas tut, was er tun muß : Er baut Flugzeuge ! Das Ende kann man patriotisch sehen, man kann aber auch sagen, dass dies ein Paradebebeispiel des amerikanischen Pragmatismus darstellt. King Vidors zweistündiger Film wäre sicherlich ein besserer und auch ein verständlicherer, hätte man ihn so gelassen. Man spürt aber diesen Film dennoch und auch so ist An American Romance mit seinem knalligen Technicolor, seinem Witz, seinen wahnsinnigen Dokumentaraufnahmen direkt aus der Maschinerie ganz großes amerikanisches Kino. 8-9/10

Donnerstag
13 Uhr Zoo Palast Wettbewerbsbeitrag. Eisenstein in Guanajuato. Der erste Greenaway seit Nightwatching von 2007 wurde von mir durchaus auch mit Spannung erwartet. Enttäuscht worden bin ich nicht. An seine große Schaffensphase aus den 80er und 90er Jahren kann er allerdings nur bedingt anschließen. Was mich vor allem gefreut hat ist die Tatsache, dass Greenaways Film über Sergei Eisensteins Tage in Mexiko weder ein Biopic im üblichen Sinne geworden ist, noch ist es ein Film über die Dreharbeiten seines unvollendeten Que viva Mexico !. Nein, es ist ein typischer Greenaway geworden der vor allem zwei große Greenaway Themen ins Auge fasst : Sex und Tod. Vor allem Sex. Schwule Erweckungsreise stand in der taz oder wars die Zeit !? Na egal, jedenfalls passt das ganz gut wobei ich das als eine rein sexuelle Erweckungsreise im physischen Sinne auffassen würde. Der Film ist nicht nur vulgär, er ist eine echte Sause. Ich hab mich jedenfalls köstlich amüsiert. Was das szenische anbelangt so bringt uns Eisenstein, äh, Greenaway die Eisensteinsche Montage nahe indem er sie nahtlos ins Bild fügt sowie das Bild auch immer wieder auseinandergerissen wird um dann später ganz zum Greenawayartigen Tableau zu werden. Das ist Filmgeschichte und Kunst zugleich in Form einer großen Party. Allerdings kann auch dies nicht ganz ohne biografische Narration vonstatten gehen und dies sind dann auch die Schwachpunkte, wie ich finde, da es dann immer ein bißchen langweilig wird. Man darf aber gespannt sein, wie es mit Greenaways Eisenstein weitergeht. Der Mann ist ja produktiv wie nie zuvor. Sein nächster Film über den Bildhauer Brancusi ist schon in der pre-production und dann solls mit dem zweiten Eisenstein Film weitergehen. Sex und Tod. Schön dem nach Duel in the Sun auf diese Art wiederzubegegnen. 7/10

Danach gings ins Cinemaxx. Wieder Sichtung zu dritt. Auf dem Programm stand mein dritter Sektion Generation14+ Film. Gezeigt wurde der franko-kanadische Corbo. Der Film spielt im Kanada der 60er Jahre, als in der Provinz Québec sich im Untergrund radikale Kräfte formieren, die als Front de libération Bombenanschläge verüben um mit millitanten Mitteln die Abspaltung von der englischsprachigen Minderheit Kanadas herbeizuführen. Nach der in Frankreich benannten Corbo Affäre erzählt der Film die tragische Geschichte des 16jährigen , aus einer italienischen Einwandererfamilie stammenden, Jean Corbo, der sich radikalisiert und so einer Gruppe anschließt, die Jugendliche für ihre Zwecke missbraucht. Aus einem spannenden Thema macht der Film leider nichts. Äußerst konventionell und nach Schema F mit wenig Einfällen schildert der Film die Geschichte von Jean Corbo, dessen Darsteller seiner Figur keine wirkliche Glaubwürdigkeit einhauchen kann. Da ist leider nichts außer langweiliger Geschichtsunterricht. 4/10

Als nächstes zu dritt nach Neukölln ins Passage Kino. Nein, kein Berlinale Film. Wir alle dachten aber, daß der neue Film von Paul Thomas Anderson, wenn schon nicht im Wettbewerb dann doch wenigstens außer Konkurrenz oder als Special Screening gezeigt wird. Da Inherent Vice während der Berlinale anlief also eine passende Gelegenheit um ihn sich zusätzlich zum Festival Programm in der OMU anzusehen. Um es ganz kurz zu machen. Ich kenne die Roman Vorlage nicht, hab ihn aber hier in deutscher Übersetzung schon liegen. Soll ja der leichteste Pynchon sein, wie man so hört. Was ich aber wohl sagen kann, ist die Tatsache, obwohl ich den Roman nicht kenne, zieht der Anderson seine Verfilmung ganz straight durch. Der Film ist total gaga. Von vorne bis hinten. Der narrative Strang ist so verschlungen und von undurchdringlichen Dope Schwaden umnebelt, wie Doc Sportellos Gehirn uns dies glaubhaft machen will. Nach nur 15 Minuten Film bin ich aus jeglicher Nüchternheit ausgestiegen und in dieses verquarzte Etwas eingestiegen. Joaquin Phoenix hab ich ja schon immer für nen ganz großen gehalten. Das klingt immer doof aber ich wüßte wirklich niemand anderes als diesen Mann für diese Rolle. Großes, drogiges Kino ! 8/10

Freitag
Treffen mit Settembrini bei Dussmann. Kurz was beim Bäcker geholt und dann vor die Tore des Folterpalastes gestellt. Ziemlich früh sogar. Wetter war top und wir hatten einiges zu beschnacken. Um 14.20 Uhr dann Einlass. Sofort rein und gleich in die Reihe mit Beinfreiheit, da was anderes für mich nicht in Frage gekommen wäre. Gezeigt wurde im Wettbewerb der neue Film von Terrence Malick, Knight of Cups, den ich übrigens auch mit Spannung erwartete. Settembrini sagte nach dem Film diesen schönen Satz :"Einst war Malick ein lyrischer Erzähler, nun ist er vollständig ein Lyriker geworden." Das trifft es recht gut wie ich finde. Jedenfalls spaltet Malick seit seinen letzten 2 Filmen, wie kaum ein anderer Regisseur der Gegenwart. Er macht dort weiter wo er mit To the Wonder aufgehört hat wobei Knight of Cups inhaltlich seinem Tree of Life näher steht. Aus Sean Penn ist nämlich Christian Bale geworden, der als Knight of Cups, der Tarotfigur, die von einer vollkommenen Langeweile heimgesucht wird, Los Angeles durchstreift auf einer existenziellen Reise, auf der Suche nach sich selbst, nach Liebe, nach den Flügeln, die den Menschen abhanden gekommen sind, wie es am Anfang heißt. Das ist dann hier auch der erste wirklich urbane Malick Film, den er gedreht hat. Waren in Tree of Life und To the Wonder die Innenräume oft auch Räume, die von der Natur durchdrungen waren, spielt dieser hier vollständig in der Großstadt in der die Elemente erst gesucht und gefunden werden müssen. Christian Bale ist in der Filmbranche und streift durch leere Studiolandschaften, Cocktailpartys auf denen das Geschwätz nicht zu hören ist, durch Stripclubs und andere Partys mit einem leeren Ausdruck, welcher druch die Bilder, die immer ins Leere laufen nur noch verstärkt wird. Ja und was sind das für Bilder. Meine Güte ! Insgesamt kann man von einem wahren Bilderrausch sprechen, der auf einen niederregnet. Die Kamera durchfliegt diese Sphären ebenso wie die Frauen, die Malick begegnen wieder tänzeln und blicken. Dann immer wieder Wasser, welches am Meer aufgesucht wird und in das im Pool gesprungen wird. Wasser ist Materie es ist fühlbar in einer Welt in der nichts mehr wirklich gefühlt werden kann. Wie schon in seinen letzten 2 Filmen und eigentlich schon ab The Thin Red Line radikalisiert Malick seine Bildsprache, die immer fragmentarischer gleichzeitig aber auch assoziativer wird. Es ist der Blick auf universelle Konzepte, die sich auf keine dramatischen Einzelkonflikte mehr herunterbrechen lassen bzw. aus dem Einzelnen wird auf das Ganze geschaut und es geht wie es in allen Malick Filmen darum geht, es geht um Liebe. Flüsternde, raunende, fragende innere Stimmen. Narrativer Dialog ist hier kaum noch vorhanden. Man darf hier nicht suchen, man muß sich ergeben, diesem puren Kino. 8/10

Danach waren wir noch kurz was futtern und fuhren gemeinsam zum Potsdamer Platz wo sich unsere Wege auch wieder trennten. Auf mich wartete der nächste Film. Diesmal wieder aus der Retrospektive. This Happy Breed von David Lean. Ein sehr früher Lean aus dem Jahr 1944. Der zweite um es genau zu sagen und noch genauer, ist es der erste Lean in Eigenregie. Der Film basiert auf einem Stück von Noel Coward, der mit Lean ja Anfangs oft zusammenarbeitete und den Film auch produzierte.Erzählt wird in zurückhaltendem Technicolor die Geschichte der britischen Mittelklassefamilie Gibbons, die nach dem ersten Weltkrieg ein Haus bezieht welches sie bei Ausbruch des zweiten Weltkriegs wieder verläßt. Der Film, der fast ausschließlich ganz stageplay like, in Innenräumen spielt blickt auf das kleine einfache Leben, welches sich mit allem was dazugehört zwischen den zwei großen Kriegen abspielt. Liebe, Hochzeit, Gewohnheiten, Alter, Tod, Patriotismus werden hier immer im leichten Ton und mit viel britischem Understatement wiedergegeben. Das ist nett und immer amüsant und auch recht ehrlich. Der Film hat zwar noch nicht die Kraft der folgenden Lean Filme weiß aber durch seine exzellente Schauspielerriege zu überzeugen. Allen voran Celia Johnson, die hier kurz vor Brief Encounter, die Mrs. Gibbons gibt. Meine Güte, was für eine tolle Schauspielerin. 7/10

Danach gab es dann mit 600 Millas den letzten Film meiner diesjährigen Berlinale der im Panorama Special lief. Wieder Sichtung zu dritt. 600 Millas ist das mexikanische Debut des Regisseurs Gabriel Ripstein, der dieses Jahr auch mit dem Preis für den besten Erstlingsfilm bedacht wurde. In 600 Millas geht es um einen jungen Mexikaner der für ein Drogenkartell Waffen von Arizona nach Mexiko schmuggelt. Er tut dies mit Hilfe eines anderen White Boy, der ihm ganz legal die Waffen, die sie brauchen, besorgt. Da geht der Film ganz dokumentarisch vor und zeigt zunächst wie einfach es ist sich in den Staaten Handfeuerwaffen zu kaufen. Bei dem Besuch einer Waffenmesse geht draußen auf dem Parkplatz dann aber doch was schief. Durch Zufall wird ein Bundesagent (Tim Roth, der den Film auch mitproduziert hat) der ATF (Firearms and Explosives) auf sie aufmerksam. Als er zuschlagen will, macht er allerdings ein Fehler und wird vom White Boy überrumpelt. Der seinen mexikanischen Partner kurzerhand mit dem Problem im Stich läßt. Gefesselt und geknebelt geht s für Tim Roth nach Mexiko. Die zwei lernen sich ganz Roadmovie-artig kennen. Doch auf der anderen Seite von Mexiko kommt alles anders. 600 Millas war dann zum Schluß doch noch mal ne ziemliche Überraschung. Ein kleiner, feiner ultrazynischer Film ist das geworden der einen doch tatsächlich ziemlich überrumpelt und darüberhinaus einen ultrabitteren Kommentar über die Auswirkungen des Lebens an der Grenze abgibt. Friß oder Stirb. 7-8/10

Hat es sich dieses Jahr gelohnt ? Joa, schon. Man rennt halt nicht mehr mit Riesenaugen durch die Gegend weil alles so neu und aufregend ist. Den absoluten Knallerfilm habe ich dieses Jahr, jedenfalls unter den neuen Filmen, leider nicht gehabt aber soetwas hat man wahrscheinlich sowieso selten. Aber allein für Duel in the Sun hat es sich gelohnt und man muß natürlich auch sagen, dass man solche Filme auch nicht alle Tage auf so Riesenleinwänden zu sehen bekommt. Also es hat sich doch gelohnt. Nächstes Jahr vielleicht dann wieder. Naja mal schauen. Wobei.....ich glaub schon :)




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