Letztes Wochenende war ich mit meiner Freundin in Weimar. Da es regnete und die meisten Sehenswürdigkeiten nur bis 16 Uhr aufhatten, beschlossen wir ins Kino zu gehen. Warum auch nicht !
An einem Kino entlangschlendernd sahen wir, dass es eine Nachmittagsvorstellung zu Spielbergs neuem Film "Lincoln" gab.
Dazu unten mehr
Zuerst schreibe ich ein paar Zeilen zu einem anderen Spielfilm von Spielberg, der geschichtlich ganz eng mit seinem neuesten verknüpft ist :
Amistad
Wir schreiben das Jahr 1839.
21 Jahre vor Lincolns Wahl zum Präsidenten. Der Demokrat Martin van Buren (Nigel Hawthorne) ist derzeitiger US-Präsident und das Land erhält durch die aufkommende Macht der Abolitionismus Bewegung (Sklavereigegner) immer stärkere Risse.
Das düstere Kapitel um die Sklaven des spanischen Segelschiffs Amistad dürfte eines der unbekannteren in der US-amerikanischen Geschichte sein.
Das diese Leidensgeschichte, historisch gesehen, einer der Tropfen im sprichwörtlichen Fass gewesen ist, zeigt Spielberg in den geschichtlichen Anhängen am Ende des Films und die Geschichte, wie wir alle wissen, zeigt es natürlich selbst.
Auf dem spanischen Sklavenschiff Amistad kommt es zu einer Meuterei. Die Sklaven töten ihre Peiniger bis auf zwei, die sie nach Afrika zurückbringen sollen. Doch kommen sie dort nie an sondern werden von der US Marine kurz vor Connecticut abgefangen und eingesperrt. Es entbrennt ein gerichtlicher Streit um den Besitz und Verbleib der "angeblichen" 40 Sklaven.
Die spanische Königin Isabella (Anna Paquin) macht ihre Ansprüche geltend, ebenso wie die US-Kommandeure, vertreten durch den Staatsanwalt Holabird (Pete Postlethwaite). Die Abolitionisten Tappan (Stellan Skarsgard) und Joadson (Morgan Freeman) engagieren den jungen, liberalen Rechtsanwalt Roger Baldwin (Matthew McConaughey), der im Sinne ihrer Sache, im Kampf gegen die Sklaverei, den Fall gewinnen und damit die humanen Werte von Freiheit und Gleichheit stärken soll.
Dafür muß er das Vertrauen der "Schwarzen" gewinnen. Vor allem das von Cinque (Djimon Hounsou).
Nach dem ersten Freispruch legt US-Präsident Martin van Buren aus Angst vor Schwierigkeiten mit dem Süden, Berufung beim obersten Gerichtshof ein.
Baldwin holt sich diesmal Hilfe in Gestalt des ehemaligen Präsidenten und Humanisten John Quincy Adams (Anthony Hopkins).
Adams gewinnt gegen die Berufung, die "Schwarzen" werden freigelassen und van Buren nicht wiedergewählt.
Spielberg drehte "Amistad" nach "Schindler´s List" und dem 2. Teil seiner "Jurassic Park" Trilogie "Lost World". Danach kam dann ein weiterer historischer Stoff, nämlich das WWII Drama "Saving Private Ryan".
Amistad verhält sich nun auch ein wenig wie eine Mixtur aus diesen "historischen" Filmen, was die Spielberg-typischen Gefühls-manipulierenden Mechanismen und Stilistiken angeht.
Da ist einmal die Annäherung zwischen zwei Kulturen. Zwischen "schwarz" und "weiss". Auch diesen Szenen liegt der Spielberg-typische gläubige, offenbarerische "Blick" inne, der "allen" Spielberg Filmen inne liegt. Während in Schindler´s List durch den alles überschattenden Horror kein Platz für pathetische Szenen war und wenn dann waren diese durch äußerste Subtilität geprägt, bekommt man in Amistad einen Hauch von dem pro-amerikanischen Pathos zu spüren, den auch ein Saving Private Ryan umweht.
Spielberg hat allerdings auch das Recht dazu, denn er relativiert indem er Cinque erzählen lässt und uns in schonungslosen Bildern zeigt, wie es auf dem Sklavenschiff zuging bevor es zur Meuterei kam.
Natürlich ist es Schwarz-Weiss-Malerei, ähnlich wie in Saving Private Ryan. Aber in Amistad hält er noch mehr die Distanz, denn dieser Film ist nicht unbedingt patriotisch. Er ist in erster Linie einem reinen Humanismus geschuldet, der ganz und gar den Geist eines John Quincy Adams atmet und sich im filmischen Gesamtwerk eher an "The Colour Purple" orientiert.
Formal ästhetisch ist Amistad natürlich perfekt und es ist schon ein ziemlicher Genuss diese genaue Rekonstruktion des Jahres 1839 zu sehen.
Das Ensemble ist auch über weite Strecken erhaben. Der einzige Schwachpunkt wäre hier vielleicht Matthew McConaughey in der Rolle des Anwalts, der einem mit seiner kindlich, naiven Art an einen etwas überdrehten, jungen Lincoln erinnert.
Aber vielleicht muss das auch so sein, denn wenn ich nochmal drüber nachdenke ist er im grunde eine Figur, die in ihrer Art dann auch wieder in fast jedem Spielberg Film ihren Platz findet.
Hervorzuheben wäre noch Anthony Hopkins als John Quincy Adams, der in seiner Abschlussrede das vielleicht wichtigste Statement des gesamten Films hält, in der er auf die humanistischen Werte, der amerikanischen Verfassung zeigt, wie auf ein vergessenes Blatt Papier und im nächsten Zug die Unausweichlichkeit des schon baldigen Sezessionskrieges als notwendiges Übel akzeptiert um diese Werte und Grundrechte zu verteidigen.
Ich sage mal ein "John Ford" hätte das auch nicht besser inszenieren können !
Abschließend noch drei Dinge :
Als ich es schon fast abgeschrieben hatte, tauchte in der Mitte des Films, in Form eines Elfenbeinzahns, dann doch noch das Kapitel "Familie" auf !
Fast kein Spielberg Film ohne dieses Kapitel, es ist ja schon fast wie ein kleiner Cameo
Ach und ich finde, dass es mal interessant wäre einen Spielberg Film ohne John Williams Score zu sehen. Dieser schleicht sich oft zu sehr in Szenen ein, die gleich ein Stück pathetischer werden. Das dies auch anders geht, wissen wir seit Schindler´s List und werden wir auch gleich noch unten lesen.
Nichtsdestotrotz ist Amistad ein guter Film und gerade jetzt in Gegenwart des neuesten Dreamwork Films in jedem Fall eine Sichtung wert.
8/10
Lincoln
15 Jahre nach Amistad und 25 Jahre danach im geschichtlichen Kontext.
Spielberg behandelt die letzten 4 Monate im Leben Abraham Lincolns.
Der Sezessionskrieg steht Ende 1864/Anfang 1865 kurz vor seinem Ende. Die Konföderierten sind so geschwächt, das sie bereit sind zu Kapitulationsverhandlungen. Abraham Lincoln ist gerade wiedergewählt worden und versucht den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten abzuschaffen um somit die Sklaverei für immer zu verbieten.
Was leicht zum klebrig, patriotischen Beweihräucherungskino hätte werden können oder auch zur statischen Geschichtsstunde, ist und DAS muß man einfach mal laut sagen, der mit Abstand beste "period piece" Film den Spielberg je vorgelegt hat !
Definitiv sein nüchternster, auf jeden Fall sein trockenster.
Was ich so erstmal nicht erwartet hätte :
"Lincoln" ist ja für uns Europäer kein ganz unbeschriebenes Blatt und dennoch setzt dieser Film im Prinzip relativ viel geschichtliches Vorwissen voraus.
Während die Demokraten im 19. Jahrhundert für eine reaktionäre und rassistische Südstaatenpolitik standen, waren die Republikaner, denen auch Lincoln angehörte, für einen ökonomischen und gesellschaftspolitischen Fortschritt.
Die wichtigen historischen Abschnitte werden nicht weiter eingeleitet und erklärt, doch dies macht insbesondere die detailgetreue Genauigkeit des Films aus.
Wir werden hineingeschubst in ein politisches Pokerspiel in dem um die letzten Stimmen zur Verabschiedung des Artikels geschachert wird. Kein leichtes Unterfangen.
Das dies nicht zur, wie schon erwähnten, langweiligen Geschichtsstunde verkommt dürfte zum großen Teil an Tony Kushners Drehbuch liegen, sowie an der großartigen Darstellerriege, die diesen Film zu einem echten Ereignis macht.
Großartig hier einmal wieder "Tommy Lee Jones" in der Rolle des Abgeordneten der Radical Republicans Thaddeus Stevens, der von Lincoln eine viel kompromisslosere Politik gegenüber den Südstaaten und ihren Sklavenhaltern fordert.
"Daniel Day Lewis" spielt den Lincoln ganz als kühlen Anwaltskopf, so wie ihn "Henry Fonda" schon damals bei "John Ford" verkörpert hat.
Es ist allerdings schon ein kleines Wunder was Spielberg hier vollbringt. Er zeigt Lincoln einmal als Fels in der Brandung und dennoch als Mensch, dem wir unglaublich nahe kommen. Der Mythos wird nicht verklärt sondern erklärt.
"Lincoln" huldigt nicht dem Denkmal sondern zeigt wie ein Mensch zum Denkmal wird.
Was das angeht, kommt Spielberg seinem großen Idol "John Ford" schon ziemlich nah und man muß ihm wohl Recht geben wenn er sagt, dass es für diesen lange vorbereiteten Film, keinen besseren Zeitpunkt gibt als ihn jetzt zu machen.
Man könnte "Lincoln" schon fast als Spielberguntypisch betrachten.
Aber eigentlich auch nur fast
John Williams Score ist hier so dezent, dass er fast gar nicht wahrgenommen wird und wenn er dann doch mal aufschwingt, wünscht man ihn sich sogar ein wenig lauter.
Ja und dann ist da natürlich noch der "Family Plot" :
Lincoln im Kreise der Familie, denn auch hier herscht Krisenstimmung, da sein ältester Sohn Robert (Joseph Gordon Levitt) gegen den Willen seiner Eltern in die Armee eintreten will. Zwei Söhne Lincolns starben und seine Frau Mary (großartig : Sally Field) hat dies nie verkraften können.
Der Film beginnt auch mit einer wunderschönen Schlüsselszene in der Lincoln sich zu seinem jüngsten Sohn, der eingeschlafen vor dem Kamin liegt, legt. Neben ihm liegen eine Karte der Staaten und Fotografien von "schwarzen" Kindern, die in Sklaverei aufgewachsen sind. Das ganze eingefangen im schummrigen Kaminlicht von "Janusz Kaminskis" Kamera.
Ergreifende Szenen gibt es mehrere. Eine andere wunderbare ist die am Ende des Films, als sich Thaddeus Stevens, zu seiner "schwarzen" Haushälterin ins Bett legt, mit der er eine heimliche Ehe führt und sie ihm den neuen Gesetzestext wieder und wieder vorliest.
Einhergehnd mit den vielen "sehr guten" Reviews im hiesigen Feulleiton fühlt man sich ein wenig an "Schindler´s List" erinnert.
Das Wunderkind Spielberg wurde mal wieder akzeptiert.
Was immer ein wenig konträr wirkt, denn Spielberg konnte schon immer und in erster Linie ist er eines :
Ein begnadeter Storyteller in guter, alter Hollywoodtradition.
Das war er von Anfang an.
Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn dieser Film in wenigen Wochen, den Oscar in der Kategorie "Bester Film" erhält, wenn nicht, dann weiß ich auch nicht.
9/10
(Freue mich schon auf eine Zweitsichtung, denn ich glaube, da ist noch ein Pünktchen drin)
Steven Spielberg Sklaverei Rassismus period piece Kolonialismus courtroom Anklage Humanismus Sezessionskrieg amerikanische Verfassung Zusatzartikel Lincoln Attentat Familie John Williams
An einem Kino entlangschlendernd sahen wir, dass es eine Nachmittagsvorstellung zu Spielbergs neuem Film "Lincoln" gab.
Dazu unten mehr
Zuerst schreibe ich ein paar Zeilen zu einem anderen Spielfilm von Spielberg, der geschichtlich ganz eng mit seinem neuesten verknüpft ist :
Amistad
Wir schreiben das Jahr 1839.
21 Jahre vor Lincolns Wahl zum Präsidenten. Der Demokrat Martin van Buren (Nigel Hawthorne) ist derzeitiger US-Präsident und das Land erhält durch die aufkommende Macht der Abolitionismus Bewegung (Sklavereigegner) immer stärkere Risse.
Das düstere Kapitel um die Sklaven des spanischen Segelschiffs Amistad dürfte eines der unbekannteren in der US-amerikanischen Geschichte sein.
Das diese Leidensgeschichte, historisch gesehen, einer der Tropfen im sprichwörtlichen Fass gewesen ist, zeigt Spielberg in den geschichtlichen Anhängen am Ende des Films und die Geschichte, wie wir alle wissen, zeigt es natürlich selbst.
Auf dem spanischen Sklavenschiff Amistad kommt es zu einer Meuterei. Die Sklaven töten ihre Peiniger bis auf zwei, die sie nach Afrika zurückbringen sollen. Doch kommen sie dort nie an sondern werden von der US Marine kurz vor Connecticut abgefangen und eingesperrt. Es entbrennt ein gerichtlicher Streit um den Besitz und Verbleib der "angeblichen" 40 Sklaven.
Die spanische Königin Isabella (Anna Paquin) macht ihre Ansprüche geltend, ebenso wie die US-Kommandeure, vertreten durch den Staatsanwalt Holabird (Pete Postlethwaite). Die Abolitionisten Tappan (Stellan Skarsgard) und Joadson (Morgan Freeman) engagieren den jungen, liberalen Rechtsanwalt Roger Baldwin (Matthew McConaughey), der im Sinne ihrer Sache, im Kampf gegen die Sklaverei, den Fall gewinnen und damit die humanen Werte von Freiheit und Gleichheit stärken soll.
Dafür muß er das Vertrauen der "Schwarzen" gewinnen. Vor allem das von Cinque (Djimon Hounsou).
Nach dem ersten Freispruch legt US-Präsident Martin van Buren aus Angst vor Schwierigkeiten mit dem Süden, Berufung beim obersten Gerichtshof ein.
Baldwin holt sich diesmal Hilfe in Gestalt des ehemaligen Präsidenten und Humanisten John Quincy Adams (Anthony Hopkins).
Adams gewinnt gegen die Berufung, die "Schwarzen" werden freigelassen und van Buren nicht wiedergewählt.
Spielberg drehte "Amistad" nach "Schindler´s List" und dem 2. Teil seiner "Jurassic Park" Trilogie "Lost World". Danach kam dann ein weiterer historischer Stoff, nämlich das WWII Drama "Saving Private Ryan".
Amistad verhält sich nun auch ein wenig wie eine Mixtur aus diesen "historischen" Filmen, was die Spielberg-typischen Gefühls-manipulierenden Mechanismen und Stilistiken angeht.
Da ist einmal die Annäherung zwischen zwei Kulturen. Zwischen "schwarz" und "weiss". Auch diesen Szenen liegt der Spielberg-typische gläubige, offenbarerische "Blick" inne, der "allen" Spielberg Filmen inne liegt. Während in Schindler´s List durch den alles überschattenden Horror kein Platz für pathetische Szenen war und wenn dann waren diese durch äußerste Subtilität geprägt, bekommt man in Amistad einen Hauch von dem pro-amerikanischen Pathos zu spüren, den auch ein Saving Private Ryan umweht.
Spielberg hat allerdings auch das Recht dazu, denn er relativiert indem er Cinque erzählen lässt und uns in schonungslosen Bildern zeigt, wie es auf dem Sklavenschiff zuging bevor es zur Meuterei kam.
Natürlich ist es Schwarz-Weiss-Malerei, ähnlich wie in Saving Private Ryan. Aber in Amistad hält er noch mehr die Distanz, denn dieser Film ist nicht unbedingt patriotisch. Er ist in erster Linie einem reinen Humanismus geschuldet, der ganz und gar den Geist eines John Quincy Adams atmet und sich im filmischen Gesamtwerk eher an "The Colour Purple" orientiert.
Formal ästhetisch ist Amistad natürlich perfekt und es ist schon ein ziemlicher Genuss diese genaue Rekonstruktion des Jahres 1839 zu sehen.
Das Ensemble ist auch über weite Strecken erhaben. Der einzige Schwachpunkt wäre hier vielleicht Matthew McConaughey in der Rolle des Anwalts, der einem mit seiner kindlich, naiven Art an einen etwas überdrehten, jungen Lincoln erinnert.
Aber vielleicht muss das auch so sein, denn wenn ich nochmal drüber nachdenke ist er im grunde eine Figur, die in ihrer Art dann auch wieder in fast jedem Spielberg Film ihren Platz findet.
Hervorzuheben wäre noch Anthony Hopkins als John Quincy Adams, der in seiner Abschlussrede das vielleicht wichtigste Statement des gesamten Films hält, in der er auf die humanistischen Werte, der amerikanischen Verfassung zeigt, wie auf ein vergessenes Blatt Papier und im nächsten Zug die Unausweichlichkeit des schon baldigen Sezessionskrieges als notwendiges Übel akzeptiert um diese Werte und Grundrechte zu verteidigen.
Ich sage mal ein "John Ford" hätte das auch nicht besser inszenieren können !
Abschließend noch drei Dinge :
Als ich es schon fast abgeschrieben hatte, tauchte in der Mitte des Films, in Form eines Elfenbeinzahns, dann doch noch das Kapitel "Familie" auf !
Fast kein Spielberg Film ohne dieses Kapitel, es ist ja schon fast wie ein kleiner Cameo
Ach und ich finde, dass es mal interessant wäre einen Spielberg Film ohne John Williams Score zu sehen. Dieser schleicht sich oft zu sehr in Szenen ein, die gleich ein Stück pathetischer werden. Das dies auch anders geht, wissen wir seit Schindler´s List und werden wir auch gleich noch unten lesen.
Nichtsdestotrotz ist Amistad ein guter Film und gerade jetzt in Gegenwart des neuesten Dreamwork Films in jedem Fall eine Sichtung wert.
8/10
Lincoln
15 Jahre nach Amistad und 25 Jahre danach im geschichtlichen Kontext.
Spielberg behandelt die letzten 4 Monate im Leben Abraham Lincolns.
Der Sezessionskrieg steht Ende 1864/Anfang 1865 kurz vor seinem Ende. Die Konföderierten sind so geschwächt, das sie bereit sind zu Kapitulationsverhandlungen. Abraham Lincoln ist gerade wiedergewählt worden und versucht den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten abzuschaffen um somit die Sklaverei für immer zu verbieten.
Was leicht zum klebrig, patriotischen Beweihräucherungskino hätte werden können oder auch zur statischen Geschichtsstunde, ist und DAS muß man einfach mal laut sagen, der mit Abstand beste "period piece" Film den Spielberg je vorgelegt hat !
Definitiv sein nüchternster, auf jeden Fall sein trockenster.
Was ich so erstmal nicht erwartet hätte :
"Lincoln" ist ja für uns Europäer kein ganz unbeschriebenes Blatt und dennoch setzt dieser Film im Prinzip relativ viel geschichtliches Vorwissen voraus.
Während die Demokraten im 19. Jahrhundert für eine reaktionäre und rassistische Südstaatenpolitik standen, waren die Republikaner, denen auch Lincoln angehörte, für einen ökonomischen und gesellschaftspolitischen Fortschritt.
Die wichtigen historischen Abschnitte werden nicht weiter eingeleitet und erklärt, doch dies macht insbesondere die detailgetreue Genauigkeit des Films aus.
Wir werden hineingeschubst in ein politisches Pokerspiel in dem um die letzten Stimmen zur Verabschiedung des Artikels geschachert wird. Kein leichtes Unterfangen.
Das dies nicht zur, wie schon erwähnten, langweiligen Geschichtsstunde verkommt dürfte zum großen Teil an Tony Kushners Drehbuch liegen, sowie an der großartigen Darstellerriege, die diesen Film zu einem echten Ereignis macht.
Großartig hier einmal wieder "Tommy Lee Jones" in der Rolle des Abgeordneten der Radical Republicans Thaddeus Stevens, der von Lincoln eine viel kompromisslosere Politik gegenüber den Südstaaten und ihren Sklavenhaltern fordert.
"Daniel Day Lewis" spielt den Lincoln ganz als kühlen Anwaltskopf, so wie ihn "Henry Fonda" schon damals bei "John Ford" verkörpert hat.
Es ist allerdings schon ein kleines Wunder was Spielberg hier vollbringt. Er zeigt Lincoln einmal als Fels in der Brandung und dennoch als Mensch, dem wir unglaublich nahe kommen. Der Mythos wird nicht verklärt sondern erklärt.
"Lincoln" huldigt nicht dem Denkmal sondern zeigt wie ein Mensch zum Denkmal wird.
Was das angeht, kommt Spielberg seinem großen Idol "John Ford" schon ziemlich nah und man muß ihm wohl Recht geben wenn er sagt, dass es für diesen lange vorbereiteten Film, keinen besseren Zeitpunkt gibt als ihn jetzt zu machen.
Man könnte "Lincoln" schon fast als Spielberguntypisch betrachten.
Aber eigentlich auch nur fast
John Williams Score ist hier so dezent, dass er fast gar nicht wahrgenommen wird und wenn er dann doch mal aufschwingt, wünscht man ihn sich sogar ein wenig lauter.
Ja und dann ist da natürlich noch der "Family Plot" :
Lincoln im Kreise der Familie, denn auch hier herscht Krisenstimmung, da sein ältester Sohn Robert (Joseph Gordon Levitt) gegen den Willen seiner Eltern in die Armee eintreten will. Zwei Söhne Lincolns starben und seine Frau Mary (großartig : Sally Field) hat dies nie verkraften können.
Der Film beginnt auch mit einer wunderschönen Schlüsselszene in der Lincoln sich zu seinem jüngsten Sohn, der eingeschlafen vor dem Kamin liegt, legt. Neben ihm liegen eine Karte der Staaten und Fotografien von "schwarzen" Kindern, die in Sklaverei aufgewachsen sind. Das ganze eingefangen im schummrigen Kaminlicht von "Janusz Kaminskis" Kamera.
Ergreifende Szenen gibt es mehrere. Eine andere wunderbare ist die am Ende des Films, als sich Thaddeus Stevens, zu seiner "schwarzen" Haushälterin ins Bett legt, mit der er eine heimliche Ehe führt und sie ihm den neuen Gesetzestext wieder und wieder vorliest.
Einhergehnd mit den vielen "sehr guten" Reviews im hiesigen Feulleiton fühlt man sich ein wenig an "Schindler´s List" erinnert.
Das Wunderkind Spielberg wurde mal wieder akzeptiert.
Was immer ein wenig konträr wirkt, denn Spielberg konnte schon immer und in erster Linie ist er eines :
Ein begnadeter Storyteller in guter, alter Hollywoodtradition.
Das war er von Anfang an.
Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn dieser Film in wenigen Wochen, den Oscar in der Kategorie "Bester Film" erhält, wenn nicht, dann weiß ich auch nicht.
9/10
(Freue mich schon auf eine Zweitsichtung, denn ich glaube, da ist noch ein Pünktchen drin)
Steven Spielberg Sklaverei Rassismus period piece Kolonialismus courtroom Anklage Humanismus Sezessionskrieg amerikanische Verfassung Zusatzartikel Lincoln Attentat Familie John Williams