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Short Cuts





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Magical History Tour : 2x Anatole Litvak USA 1948



In der Lektüre des letzten Bandes, der herrvoragenden Reihe Filmgenres des Reclam Verlags, Thriller, stieß ich auf einen Film, des mir relativ unbekannten ukrainischen Exil-Regisseurs Anatole Litvak, der mir persönlich nur durch seine Spätwerke, wie Die Nacht der Generäle, Die dritte Dimension oder Lieben sie Brahms ?, bekannt war. Ende der 40er Jahre drehte dieser 2 Filme, die beide relativ düster und kompromisslos zur Sache gehen. Der eine wesentlich mehr als der andere. Beide befassen sie sich mit der Psyche. Der erste in Form eines Thrillers, der andere in Form eines (Melo)Dramas.

Sorry, Wrong Number (Du lebst noch 105 Minuten)


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Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) ist durch ein Herzbeschwerden krank ans Bett gefesselt und bekommt durch eine falsche Vermittlung einen Mordplan mit, der die ohnehin schon neurotische Frau hysterisch werden lässt. Ihre Versuche die Polizei zu alarmieren schlagen fehl. Bald bekommt sie am Telefon heraus, dass ihr Mann (Burt Lancaster), sie die schwerreiche Tochter aus gutem Hause umbringen lassen will um die Lebensversicherung einzukassieren um damit die Schulden zu tilgen, die er mit zwielichtigen Geschäften in der Unterwelt hinterlassen hat.
Doch so einfach sich die Fronten anhören ist der Film bei weitem nicht.

Entstanden nach einem Hörspiel erhält hier im Film das Telefon auch eine übergewichtige Note, die äußerst intelligent eingebunden wird. Es funktioniert nicht nur als MacGuffin, der die Story am laufen hält sondern auch, wie im Vorspann schon erzählt als "Bote", der auch den Tod bringen kann. Weiterhin fungiert das Medium hier als szenisches Stilmittel. Es überbrückt und verbindet nicht nur Handlungsräume, es öffnet auch die Türen in die Vergangenheit. Der Film, der sich in der Rahmenhandlung fast ausschließlich in Barbara Stanwycks Bett abspielt, entblößt eine Rückblende, die in die nächste Rückblende übergeht. Zudem kommt noch die subjektive Kameraperspektive der Stanwyck, die den Raum immer enger werden läßt. So gewinnt die Story in ihrer verschachtelten Form an enormer Spannung, da in 90 Minuten Spielzeit ein ganzes existenzielles Drama ausgebreitet wird, welches es wirklich in sich hat.

In den Rückblenden sieht man sie als Tochter reicher Eltern, die auf einem Ball den gutaussehenden aber einfachen Mann seiner Freundin wegnimmt und er, angetan von ihr, sie bald darauf heiratet. Schon bald macht ihm die Position, die sie ihm in der Firma ihres Vaters besorgt hat, Kummer, da er nichts eigenes schaffen kann. Er ist vollkommen abhängig von seiner Frau, die ihn darauf sogar mit ihrer Krankheit versucht zu kontrollieren. Der Proletarier versucht sich von seiner Frau zu emanzipieren, er muß nur genügend Geld heranschaffen um sich freizukaufen. Das dies mitunter in die Fänge der Mafia führt, die ihn erpresst, muß er billigend in Kauf nehmen.

Es ist schwer hier auf den ersten Blick Partei zu ergreifen. Die Stanwyck spielt ihre Opferrolle mit großer Hysterie und Gehässigkeit, die ihre Figur schwer erträglich macht, so wie sie auch viele andere ihrer egozentrischen Rollen auszeichneten. Die Sympathien liegen schon mehr auf Lancasters Seite, dem man in seinem tumben, hilflosen Aufbegehren aber dennoch skrupellosen Vorhaben fast bemitleiden könnte. Die klassichen Sympathievorgaben sind hier jedenfalls verkehrt rum bzw. eigentlich sogar ausgehebelt, denn in der Tat gibt es hier keine sympathische Figur. Dies ist obwohl man von der Inszenierung nicht unbedingt von sprechen kann, ganz Noir verhaftet.

Richtig ungemütlich wird der Film wenn es über das Telefonat zur Figur des Vaters kommt. In der ersten Szene wird er in seinem Zimmer gezeigt während im Hintergrund eine Party stattfindet und die Kamera an der Tür langfährt. Man sieht den Rücken einer großen Blonden und dann sieht man die Bilder, die in diesem Raum verteilt sind zwischen ausgestopften Raubtieren. Überlebensgroß hängt über dem Kamin ein Porträt seiner Tochter aus Kindheitstagen, Fotos, wie sie sich auf einem Sofa räkelt zwischen typischen Familienbildern. Sugardaddy nimmt es nur schwer in Kauf, dass sein Goldstück überhaupt einen anderen Mann heiratet und dann noch einen ehrgeizigen aus der Unterschicht. Über ihrem Kamin hängt auch ein großes Bild ihres Vaters dem sie sprichwörtlich alles verdankt, selbst ihre Krankheit und ihren Kontrollwahn. Man könnte meinen, dass es sich hier nur um eine erstickende Vaterliebe handelt, die man auch als unterschwelligen Missbrauch deuten könnte. Später gibt es eine Szene zwischen ihr und ihrem Papa, in der sie ihm erzählt, dass sie heiraten wolle, dieser förmlich durchdreht und sie bekniet es nicht zu tun. "Rühr mich nicht an"

Die Hilferufe in den Telefonaten, die sie führt, führen alle ins Leere und zeigen, dass das Medium der Kommunikation ausnamslos in einer Sackgasse endet. Am Schluss ist die Leitung dann endgültig unterbrochen.

"Sorry Wrong Number"

9/10


The Snake Pit (Die Schlangengrube)


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Virgina (Olivia De Havilland) lebt mit ihrem Mann Robert (Mark Stevens) eine scheinbar glückliche Ehe, die bald durch ihr gestörtes Innenleben getrübt wird. Nachdem sie einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, wird sie in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Robert erzählt dem zuständigen Arzt Dr. Kik (Leo Genn) von ihrer gemeinsamen Ehe. Doch das Problem um Virgina liegt tiefer verborgen. Mit Hilfe verschiedenster Therapien (Elektroschock, Hypnose) versucht Kik sie zu heilen. Nach ersten Genesungserscheinungen erleidet sie einen Rückfall und wird in die geschlossene Abteilung verlegt. Kik muss nun tiefer in ihrer Vergangenheit graben.

Und schon wieder Rückblenden sowie Psychologische Themen, hier aber ganz offen dargelegt in der Form eines Dramas, dem eine autobiografische Vorlage zugrunde lag.
Das Thema Psychoanalyse ist im amerikanischen Film der 40er Jahre en vogue gewesen. Als einer der ersten US-Filme, die sich ernsthaft mit dem Thema der Psychotherapie auseinandersetzen kann man Litvaks Film als interessantes Dokument sehen. Litvak recherchierte enorm für seinen Film und die Dreharbeiten dauerten wohl auch für damalige Verhältnisse sehr lange. Man sieht dem Film in der Umsetzung seiner Thematik recht deutlich sein Alter an aber sollte man hier auch Milde wallten lassen, da es der lobenswerte Versuch der Traumfabrik war, sich einem solchen Thema, das Schizophrenie und Ödipus-Komplex offen thematisiert anzunehmen. Dank Litvaks Inszenierung und dem doch recht intensiven Spiel von De Havilland ist dies auch gelungen, wobei man auch Abstriche machen muss. Da wäre einmal der liebe Doktor zu nennen, der eine Spur zu gütig und sanft agiert. Auch an anderen Stellen wirkt der Film ein wenig prüde und rührsehlig, besonders zum Ende hin, wo auf einer Tanzveranstaltung in der Anstalt ein Lied angestimmt wird, was wohl nicht nur die Herzen der Insassen sondern auch die der Zuschauer rühren soll. Dennoch : Bietet The Snake Pit äußerst kraftvolle Bilder vom Innenleben der Psychiatrie, die grandiose Visualisierung der Geschlossenen Anstalt als Schlangengrube, die Schwestern, denen die Leiden ihrer Patienten egal sind, Ärzte, die sich nicht untereinander absprechen, die inneren Stimmen als Off-Stimme zusammen mit der Zerrissenheit De Havillands.

Insgesamt also ein recht gut gemachtes, in den besten Momenten, sogar sehr harsches Drama, welches ein wenig unter seiner Melodramatik leidet und ein bißchen zu gut gemeint ist.

7/10

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