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This is an adventure.

Erinnerungen an eine Zeit, die es nie gab.

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TRON: LEGACY (USA 2010, Joseph Kosinski)


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Zum Jahresende nochmal ein absolutes Highlight: TRON: LEGACY ist ein Stück Bewegungspoesie, wie ich es im Blockbusterkino lang nicht mehr gesehen habe. So wie Steven Lisberger mit TRON seinerzeit die Anknüpfung des CGI-Films an die Ästhetik des frühen Films zelebrierte und so eine radikal abstrakte Ästhetik näher am absoluten Film denn am Disney-Familienkino kreierte, setzt Joseph Kosinski nun einen unbedingten Meilenstein und das erste (formale) Meisterwerk des neuen 3D-Kinos. Die Welt, die er mit Licht, Form und Bewegung kreiert, ist makellos und berückend schön. Inhaltlich macht TRON: LEGACY zwar mit Onelinern und gelegentlichem Pathos Zugeständnisse an die Formen von Blockbuster und Familienfilm, zwischen denen er sich bewegt, erzählt aber ansonsten eine zumindest angenehm schlichte Vater-Sohn-Story. In Zeiten, wo alle Welt den verquast-schwerfälligen INCEPTION für intelligent hält, ist das zumindest ein akzeptabler Gegenentwurf. Als audiovisuelles Kunstwerk betrachtet kann ohnehin kein Spektakelfilm der jüngeren Vergangenheit an TRON: LEGACY kratzen: die großen Aktionssequenzen sind derart majestätisch geraten (und durch den kristallklaren Soundtrack von Daft Punk kongenial vorangetrieben), dass sich hier endlich einmal wieder offenbart, welche Magie dem Spektakelkino immer noch innewohnen kann.


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SAW (USA/AUS 2004, James Wan) / SAW 2 (USA/CAN 2005, Darren Lynn Bousman) / SAW 3 (USA/CAN 2006, Darren Lynn Bousman)


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SAW

Ich habe ja nie so recht verstanden, wie dieser etwas unbeholfen erzählte, durchweg fehlbesetzte und leicht zähe Serienmörderstreifen zum Auslöser des populärsten und (nach HOSTEL) interessantesten Franchise des neuen amerikanischen Splatterkinos werden konnte. Die dritte Sichtung freilich hat mir nun endlich zumindest einen Zugang offenbart, der mir überhaupt das Funktionieren dieses Films für ein Publikum erklärbar macht. Ziemlich interessant ist tatsächlich die Raumstruktur, die diesen eben gerade nicht als Kammerspiel inszenierten Film dann doch, unter Überwindung der Einheit von Raum und Zeit, zu einem solchen macht. Die Narration springt wild zwischen Außen- und Rückblenden umher, verknüpft dann aber doch alle (in identischer Düsternis in Szene gesetzte) Innenräume des Films zu einem einzigen, labyrinthischen Komplex. Somit wird SAW im Grunde zu einer Art topographisch und chronologisch entfesseltem Home-Invasion-Thriller. Aller Holprigkeit und unfreiwilligen Komik zum Trotz: das kann ich nun zumindest respektieren.

SAW 2

Im Bezug auf die hyperaffektive Inszenierung mindestens eine Klasse besser als der erste SAW, und zudem eine kluge Variation auf dessen chronologische Struktur. Wo James Wan die zeitliche und räumliche Einheit des oberflächlich als Kammerspiel gestalteten Stoffes offen zerschlug, um so eine neue (im Kern paradoxe) filmische Raumordnung zu gestalten, da erzählt Darren Lynn Bousman hier mit starker Betonung auf Frist, Countdown und die Annäherung von erzählter Zeit und Erzählzeit vorgeblich äußerst stringent, um als effektive finale Pointe das chronologische Auseinanderklaffen der filmisch verdichteten Geschehnisse zu offenbaren. Dieser Kniff ist aber nicht nur Selbstzweck, sondern dient auch der politischen Allegorie, die Bousman mit seinem ersten von drei Beiträgen in die SAW-Reihe einführt und die diese fortan prägen wird, als eine Art von Closure: Die Frage nach der Angemessenheit von Gewaltausübung durch die staatliche Macht ist das Grundproblem von SAW 2, welches in der zentralen Verhörsituation deutlich zum Ausdruck kommt und den Film in das Post-9/11-Splatterkino einordnet. Abu Ghraib, Folterverhöre, Waterboarding - die eigentlichen Themen von Bousmans Film, und ebendiese erhalten in der Schlusspointe einen bitterbösen Dreh. Somit entwickelt Bousman hier sogar eine recht komplexe Schuldstruktur und führt sein Thema, allen Vorwürfen von Plakativität zum Trotz, im Grunde mustergültig durch.

SAW 3

Als eigenständiger Film vermutlich der stärkste der SAW-Reihe, und zudem auch derjenige, der mit der Reflexion seiner eigenen Philosophie und seiner Mechanismen beginnt. Die chronologisch-räumlichen Verwirrspiele der ersten beiden Filme sind hier passé und treten zurück hinter einem sehr geradlinigen Prüfungs-Parcours und einer klaren Rückblendenstruktur. Inhaltlich spielt Darren Lynn Bousman hier unterschiedlich motivierte Formen der Selbstjustiz gegeneinander aus: Töten aus Rache, aus Liebe, aus Sadismus treffen auf den Schwarzmoralismus des "Jigsaw" John Kramer, der hier in doppelter Hinsicht endgültig ins Jenseitige entrückt wird. Am Ende des Filmes stirbt Kramer, und mit dem ersten Scheitern von Nachfolgekandidatin Amanda schafft SAW 3 im Grunde die Philosophie, die die ersten beiden Filme noch halbwegs unkritisch mit aufgebaut haben, ab. Eigentlich hätte hier auch Schluss sein können mit der Reihe, die sich zu diesem Zeitpunkt (auch in dem barocken Schwelgen in den Folterszenarien, die freilich - und hier wird die Schaulust des Zuschauers selbst mit ins Spiel geholt - der Philosophie Kramers entsprechend "falsch" gebaut sind) zu einem Monument aufgeschwungen hat.


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UNIVERSAL SOLDIER: THE RETURN (USA 1999, Mic Rodgers)


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UNIVERSAL SOLDIER war der vielleicht einzige intelligente Film von Roland Emmerich. Und Mic Rodgers' erstes Sequel stellt im Grunde Hochverrat an dessen Ideen dar. Wie er das tut, ist zwar sehr dilettantisch, aber nicht völlig uninteressant: Nach dem Vorbild von John Rambos Wandlung zwischen FIRST BLOOD und RAMBO: FIRST BLOOD - PART 2 wechselt Van Damme die Seiten und findet sich statt als Opfer, hier freilich völlig kontextbefreit, plötzlich auf der Seite der Betreiber des UniSol-Projekts wieder. Das gerät natürlich erneut außer Kontrolle, und der Aufstand der untoten Soldaten muss in finsteren Fluren und Lagerhallen ausgefochten werden. - Bestürzend ist an diesem Sequel weniger der Umstand, dass es für höchstens ein Zehntel des Budgets der Vorlage entstanden sein mag, man dies an allen Ecken und Enden spürt, auch nicht, dass das Skript (von William Malone) nicht eben ein Hauptposten im Budget gewesen sein mag. Eher der Umstand, dass sich hier zwei Jahre vor 9/11 und der Bush-Administration bereits überdeutlich die Remilitarisierung der US-Politik einschreibt, was dazu führt, dass hier das Universal-Soldier-Militärzombieprogramm nicht mehr auf einer ethischen Ebene diskutiert wird, sondern nur noch dessen pragmatische Handhabung als Problemstellung übrigbleibt. So gesehen ein klassischer Übergangsfilm, in dem sich auf geradezu prophetische Weise bereits die Diskurse ankündigen, die das Actionkino der 00er Jahre bestimmen sollten.


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IRON MAN 2 (USA 2010, Jon Favreau)


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Der erste war schon weiß Gott nicht gut, dieser geradezu ein Desaster. Dabei könnte die narrative und stilistische Zerschossenheit, als Gegensatz zur sterilen Glätte des Vorgängers, konzeptuell gar interessant sein, und zuerst deutet sich sogar ein leichtes Verständnis jener interessanten Interpretation Tony Starks als faschistoidem Hyperkapitalisten an, die Mark Millar so brillant im Marveluniversum ausgearbeitet hat. Das geht schnell verloren. Auch der High-Concept-Campstil geht leider zwischen uninteressantem Plotgeplänkel, blassen Figuren und unspektakulären Actionsequenzen unter. Den Soundtrack hat man dann passenderweise noch von den schrottreifen Altmetallern AC/DC besorgen lassen. Na danke. Ein weiterer in einer Reihe zunehmend uninteressanter Adaptionen, die so eklatant an Niveau eigentlich erst eingebüßt hat, seit Marvel seine Helden selbst auf die Leinwand bringt. Die kurze Blüte des Superheldenkinos ist wohl unwiederbringlich vorbei ... schade.


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MY DARLING CLEMENTINE (USA 1946, John Ford)


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Der weite Himmel hängt voller schwarzer Wolken: Die noch nahen Eindrücke von Weltkrieg und Auschwitz prägen sich tief ein in diesen unfassbar dunklen, in Gegenlichtaufnahmen getauchten Western, eins der Meisterwerke von John Ford. Sein reichlich linkischer, zutiefst ambivalenter Wyatt Earp ist kein strahlender Held, sondern ein Loner, der das Marshallsamt verwendet, um eine blutige Familienfehde auszutragen. Und im Ergebnis kommt zwar ein kleiner Hoffnungsschimmer auf eine bessere Welt dabei heraus, doch eher zufällig und unter größten persönlichen Verlusten für alle Beteiligten. Am Ende bleiben alle einsam, die Zukunft aber bleibt zumindest offen. Das musste für 1946 wohl als Happy End genügen. MY DARLING CLEMENTINE ist ein merkwürdiger Film, ein Film des Wartens, Retardierens, des Stillstands, dessen Showdown bereits in den ersten Minuten angelegt ist und dann über den langen Mittelteil des Films in seltsam poetischen Stimmungsbildern hinausgezögert wird. Der Mann der Tat ist hier auch melancholischer Poet in einer Welt, die allzu selten Raum für Poesie lässt. Für Shakespeare ist kein Platz im Saloon. John Ford sah das, zum Glück, anders.


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A NIGHTMARE ON ELM STREET (USA 2010, Samuel Bayer)


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Mittelmäßiges Remake von Wes Cravens Klassiker - einem der besten Filme der 1980er Jahre. Die Neukonzeption der Freddy-Figur sowie das Einflechten des Missbrauchsdiskurses stellen dabei schlüssige und interessante Fortschreibungen der Vorlage dar, leider funktioniert Samuel Bayers Werk aber filmisch eher wenig. Das liegt daran, dass er im Gegensatz zu Craven keinerlei Gespür für Topographie hat. Das alte Stahlwerk, die Häuser der Elm Street, die zu Gefängnissen werden, die surrealen Traumwelten Freddys - all das blieb unauslöschlich im Gedächtnis haften und wird hier hergeschenkt für eine zügige und damit angeblich zeitgemäße Montage, die aber eher verhindert, dass der Film seinen eigenen Rhythmus findet. Erst gegen Ende gibt es ein paar eindrückliche Bilder, die Schocks sitzen sowieso - und dankenswerterweise findet der Film, nach einem Auftakt à la A NIGHTMARE AT MELROSE PLACE, zu einem hübschen Außenseiterheldenpaar. Geht insgesamt schon in Ordnung, das alles, und reiht sich qualitativ in die Reihe der Sequels zum Originalfilm etwa zwischen Teil 4 und 5 ein.


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UNIVERSAL SOLDIER (USA 1992, Roland Emmerich)


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Immer wieder verblüffend, wie ganz & gar offensichtlich Emmerich inszeniert: Jede Einstellung, jeder Schnitt wirkt wie aus dem Handbuch für Filmregie, wie frisch von der Filmschule. Insofern ist er vielleicht der konsequenteste und makelloseste Handwerker des Gegenwartskinos - und demonstriert gleichzeitig, wie eine solch reibungslose Inszenierung dem Kino tendenziell die Poesie austreibt. Andererseits aber die Lücken, die UNIVERSAL SOLDIER reißt, um sich selbst als Ideenfilm auf Kosten der eigenen Geschlossenheit zu inszenieren. Die Unbekümmertheit, jenseits aller Glaubwürdigkeit ein Vierteljahrhundert vom Vietnamprolog bis in die Neunziger zu überbrücken, ausschließlich um sein Konzept zu etablieren. Die flammend-düster-matschige Schlammwelt (in Prolog und Hauptteil!), in der er seine Antagonisten aufeinandertreffen lässt. Die genialische Sequenz, in der er den noch immer Krieg halluzinierenden Lundgren einen Supermarkt aufmischen lässt, und die grausige Komik, die aus dieser Wahrnehmungsdifferenz wächst. Die manische Brando-Performance von Lundgren, und dem gegenüber das Hölzern-Jungenhafte des jungen Van Damme. Dazu wäre noch viel zu sagen: vielleicht der beste Zombiefilm der 90er Jahre?


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SURVIVAL OF THE DEAD (USA/Kanada 2009, George A. Romero)


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Ich verstehe nicht so recht, warum Romeros neuen Untotenfilm keiner mag: Mit unbeirrt sozialkritischem Impetus fügt er seiner Erzählung von den lebenden Toten und den tötenden Lebenden ein weiteres Kapitel hinzu, nach dem faux-dokumentarischen (und herausragenden) DIARY OF THE DEAD eher wieder an den politischen Gestus von LAND OF THE DEAD anknüpfend. Um zwei grundlegend konträre Umgangsformen mit den "Anderen" geht es hier: um das Zusammenleben, die Koexistenz, Domestizierung und/oder Unterwerfung auf der einen Seite - und die skrupellose Ausrottung auf der anderen Seite, sowie die moralischen Problematiken, die dies mit sich bringt. Als Form wählt Romero hier den Neowestern, was zu diesem Zerrbild auf die amerikanische Gründerzeit auch ganz gut passt. Mit ein paar eher comichaft-parodistischen Special Effects macht Romero kleinere Zugeständnisse an das Fanboytum, und diese Momente markieren dann auch die Punkte, an denen SURVIVAL OF THE DEAD am ehesten scheitert - wenn er denn scheitert. Ich finde nicht, dass er im Gänze scheitert und halte Romeros späte Zombiefilme noch immer für das überaus notwendige intellektuelle Gegengewicht zu Zack Snyders erschreckend dummem Remake von DAWN OF THE DEAD und all den Folgeerscheinungen, die dieses nach sich zog.


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BOOGEYMAN (USA/NZ/D 2005, Stephen Kay)


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In der ersten Stunde baut Stephen Kays BOOGEYMAN das Potenzial zu einem kleinen, brillanten Horrorfilm auf, der sich ziemlich geschickt speist aus der Urangst vor der Dunkelheit und dem infantilen Schrecken vor dem, was im Schrank und unter dem Bett lauern mag. Familiäre Gewalt, daraus resultierende Traumatisierungen und das Abrutschen in den Wahnsinn scheinen die Fluchtlinien des klassisch gehaltenen, aber effektiv und dicht umgesetzten Plots zu bilden. Leider aber lässt Kay diese in sich schlüssige Herangehensweise an das Genre nach einer guten Stunde fallen, und das überstürzt wirkende und im Gegensatz zum Rest des Films gänzlich ungruselige CGI-Geisterbahnfinale fällt dann doch sehr stark ab. So bleibt BOOGEYMAN zwar im Vergleich zu den jüngeren B-Horrorfilmen mit ähnlichen Ansätzen - K.C. Bascombes FEAR OF THE DARK oder Jonathan Liebesmans DARKNESS FALLS - der mit Abstand interessanteste Film. Ein wenig unbefriedigt lässt er gleichwohl leider zurück.


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THE GHOST WRITER (F/D/UK 2010, Roman Polanski)


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Die erste ganz schlimme Gurke des Jahres. Polanski könnte man zugute halten, dass es ihm im ersten Drittel gelingt, Atmosphäre zu schaffen aus buchstäblich Nichts. Der Stoff ist leider ein aufgeblasener, alberner Verschwörungsunsinn, wie man ihn auch von Dan Brown oder Tom Clancy serviert bekommt. Nicht mal im Rahmen seiner kleinen Ambitionen ist das Ganze dann auch nur halbwegs schlüssig, der kuhäugig-naiv herumstolpernde Protagonist torpediert jede Glaubwürdigkeit schon im Ansatz. Schlimmer noch, dass der Film sich mit all seinem IrakkriegsCIAguantanamowaterboardingblödsinn vermutlich sogar noch für politisch hält. Unfreiwillig komisch und in der zweiten Hälfte dann auch zunehmend langweilig.