Zum Inhalt wechseln


Nummer 37

oder auch: der dritte Versuch.

Foto

Gesammeltes Conscience-Appeasement I


Und schon bin ich soweit, mit einer Sammlung unsortierter Kurznotizen statt vollwertiger Einträge. Allerdings ist das auch gewisser Ideenlosigkeit geschuldet, und man soll ja nichts übers Knie brechen.

BARRY LYNDON
Während ich die schön barocke Ästhetik, die sich ja nicht nur mit der Nachbildung ebenjener Kostüme und Kulissen begnügt, sondern diese sogar in einer Bildsprache präsentiert, die entsprechend altertümlich wirkt - ohne, dass ich diesen Eindruck jetzt konkret belegen könnte -, zwar durchaus ein bisschen genoss, ließ mich der Film als Ganzes bemerkenswert kalt, um nicht zu sagen: gelangweilt, zurück. Lediglich Kubricks Humor, über den meines Erachtens nach ohnehin viel zu wenig geredet wurde, obwohl er doch in all seinen Filmen so präsent ist, hat mich einigermaßen über die Zeit gerettet, aber im Großen und Ganzen schaue ich lieber zum fünften Mal Viscontis LEOPARD als noch einmal BARRY. Ryan O'Neil hat übrigens kürzlich verkündet, dass er ab Sommer die Moderation von "Wetten, dass..." abgeben will.

CENTURION
Ziemlich beliebiges Schwertgefuchtel, hinter dessen karg-gelangweilten Waldkulissen man ständig vor allem mangelndes Budget vermutet. Grundsätzlich wundere ich mich eigentlich immer wieder über den außerordentlich guten Ruf, den Neil Marshall bei Genrefans genießt - außer vielleicht DESCENT (und vor allem dessen Fortsetzung) fand ich das eigentlich alles bemerkenswert egal und belanglos. Hier reißt übrigens auch McNulty a.k.a. Dominic West nicht mehr viel raus, wenn er auch wenigstens nicht so unaushaltbar nervt wie...

PUNISHER: WAR ZONE
...hier. Mein Gott, was ein peinlich-pubertäres Miststück von einem Film. Wir haben einen Protagonisten, der dauerhaft grimmig schaut, und ein Budget, von dem rund 80 Prozent für extrem käsige Makeup-Spezialeffekte verplant sind. Ich hatte ja gehofft, dass der neue PUNISHER dank seines Gematsches wenigstens kurzweilig sein könnte, und vielleicht sogar auf ideologiekritischer Ebene dermaßen in die Vollen geht, dass ich dafür einen ähnlichen Katastrophentourismus wie bei "24" entwickeln könnte, aber nicht einmal dafür hat es gereicht.

TRUE BLOOD, Season 3
Naja. Das hat sich irgendwie recht schnell überlebt. Zwei Staffeln hatte ich ja noch wirklich Spaß mit dieser ultra-campy Fantasy-Soap, aber in Staffel drei muss sich irgendwer mal wieder ein wenig verschätzt haben, was den Reiz der Serie ausgemacht hat. TRUE BLOOD war schon von Beginn an recht schwach auf der Brust, wenn es sich nur auf rein narrative Spannung verlassen hat. Das lebte alles von der abseitigen Atmosphäre und den ins surreale verzerrten Subtexten. Naja, und Staffel drei versucht jetzt plötzlich ganz unverhohlen, seine Handlungsebene in eine Superlativ-Struktur zu pressen. Statt nur Vampiren, einer bissl komischen Hauptfigur und dem gelegentlichen Shapeshifting des Dackel-Wirtes wimmelt es auf einmal vor Fantasy-Trara, Werwölfe, Feen, Werpanther (sic!) und was da sonst noch so alles unterwegs ist. Dabei hatte die Staffel mit dem größenwahnsinnigen Vampirkönig einen tollen Antagonisten, dessen Fernsehansprache den vielleicht stärksten Punkt der ganzen Serie markierte - und ein tolles Staffel-Finale versprach - aber anstatt sich darauf zu verlassen und wenigstens minimales Understatement zu üben (angesichts der grundsätzlichen Ästhetik von TRUE BLOOD mag der Begriff vielleicht sowieso nicht sehr glücklich gewählt sein), muss jetzt alles ganz furchtbar mysteriös und rasant und "24"esque werden. Kann ich auch darauf verzichten, das ruhige, gothische, was bis dahin so nett mit den Mississippi-Hillbillies kollidierte, hat mir deutlich besser gefallen.

NETWORK
Damit es aber nicht heißt, ich hätte nur zu meckern: Hat mich schlichtweg umgehauen. Seit Jahren ungesehen im Schrank, und ich frage mich, was da noch für Schätze ähnlicher Qualität schlummern. Highlight ist natürlich die Ansprache von Ned Beatty, und die ständige Selbstanalyse der Filmhandlung durch William Holden, und...

Sammlung


Foto

E=mo²


TRUE BLOOD, Seasons 1 und 2

Ich bin auch nach zwei Staffeln noch etwas unschlüssig, was ich von der Serie halten soll. Da ist zum einen auf inhaltlicher Seite das herrliche Konzept eines ultrapromiskuitiven TWILIGHT-Gegenentwurfs, den ich ja schon aus Prinzip super finden muss. Überhaupt, die Überspitzung der Sinnlichkeit des Vampirmythos hin zu völlig hypersexualisierten Lustobjekten, um die eine komplette Kultur von "Fangbangern" entsteht, funktioniert ganz ausgezeichnet.

Und auch ästhetisch kann ich TRUE BLOOD einiges abgewinnen: Die romantisch verkitschten Südstaaten-Settings samt Pfannkuchen-Vollmond, verträumter Nebel zwischen den sorgsam arrangierten Ästen des "Walds", offensichtlich studiobeleuchtete Outdoor-Settings, die gerade so nicht nach Pappmachée riechen, ein Friedhof als (geografisch) seltsam zentraler Ort zwischen den Häusern zweier Protagonisten, der obendrein so aussieht, als müsste hier jeden Moment Vincent Price hinüberwandeln... TRUE BLOOD verortet sich visuell in der Tradition des American Gothic, wirkt in seinen Settings daher um ein Vielfaches klassischer als die glitzernden Konkurrenzshows und -filme, und strahlt ohnehin in seinen besten Momenten den Charme einer Roger-Corman-Produktion aus.

Dies und überhaupt der unübersehbare und allgegenwärtige Camp setzt sich auch in die Plots fort - hier aber nicht mehr nur zum Vorteil. Denn so exaltiert sich TRUE BLOOD ästhetisch zu jedem Zeitpunkt präsentiert - und dies auch ganz offensichtlich als Teil des künstlerischen Konzepts zu erkennen gibt - so verhalten sich auch die Figuren der Serie. Kleine Gesten oder Zwischentöne haben hier keinen Platz, ein paar Tropfen Blut sind nie genug, und auf einen unschuldigen Kuss muss folgerichtig die leidenschaftliche Sexszene folgen, bevor das dann natürlich in überhöhte Liebesgeständnisse und große Dramen mündet. Wenn sich im Bon Temps der Serie zwei Figuren streiten - auch um Nichtigkeiten - dann sind das sofort existenzielle Probleme, eine unbedachte Äußerung wird zur tödlichen Beleidigung, und sämtliche Schauspieler unterstreichen das mit einem mimischen Repertoire, für das der Begriff "Overacting" schon recht wohlwollend wäre.

TRUE BLOOD ist eine Show der gewaltigen Gesten, alles hier muss existenziell und universell sein, und rein inhaltlich gelingt der Serie sogar das Kunststück, diese Hysterie in das Hinterwäldler-Setting einzubinden und Bon Temps zum ganz persönlichen Mittelpunkt der Welt zu machen. Es ist aber auch diese Egozentrik, die TRUE BLOOD bisweilen zur Tortur macht: Wenn Sookie zum 18. Mal ihren Vampirbill mit wütenden Kulleraugen und provokant hervorgestreckter Zahnlücke wegen der nächsten nachvollziehbaren Nichtigkeit die große Szene macht (oder umgekehrt, das funktioniert in beide Richtungen, nur dass Bill statt einer Zahnlücke eher LOST-Sawyers permanent gruffy face zur Schau stellt), dann zuckt die Hand schon auch mal entnervt in Richtung Fernbedienung.

Als Parodie auf exaltierte Emo-Ästhetik mag TRUE BLOOD durchaus funktionieren, aber wenn eine Parodie glücken soll, dann muss sie eben vielleicht auch ein wenig wehtun. Dem konsistenten Konzept schadet all das natürlich nicht, im Gegenteil ist dies alles nur konsequent. Und auch wenn diese Fremdschäm-Emotionalität bisweilen auf die Nerven geht: Eine Serie, die mir in den ersten 60 Sekunden Bill Maher und ein Ann-Coulter-Vampir-Lookalike zeigt und Maher auch noch den Satz "Doesn't your race have a rather sordid history of exploiting and feeding off innocent people?" in den Mund legt, die hat mich eh schon auf ihrer Seite.

Gothic Camp Anna Paquin Vampire Serie Emo


Foto

Böse Gene


DEXTER, Season 5

Nach der ohnehin schon tollen vierten Staffel noch ein kleiner Schritt nach vorne. Endlich ist die Serie da angekommen, wo sie von Anfang an hätte sein können, hätte man sich nicht zwei-drei Staffeln nur auf das Gimmick des Serienmörders als Protagonisten verlassen. Inzwischen aber hat sich DEXTER mit einer ganzen Liste von Subtexten aufgeladen, die aus der etwas kalaurigen Serien-Idee tatsächlich eine interessante Geschichte formen.

Besonders schön aber finde ich, dass die Serie inzwischen ironisch mit dem Gen-und-Genesis-Murks ihrer eigenen Anfänge umgehen kann. Dexters Sorge, ob sein Sohn Harrison vielleicht in seine Fußstapfen treten wird, als in der Krabbelgruppe ein Kind einen Gesichtskratzer an Dexter-typischer Stelle davonträgt, ist großartig. Auch der fatalistischen Determinismus, der gerade am Anfang die Serie und ihre Hauptfigur prägte, ist inzwischen einer sehr viel individuelleren und klüger strukturierten Einstellung gewichen.

Aber ich habe mich auch sehr gefreut, wie die Serie sich im Plot zwei gefährliche Fallstricke auslegt, letztlich aber beide geschickt vermeidet und sowohl die Plots um Quinn als auch um Lumen zu einem Ende bringt, das die Show tatsächlich weiterentwickelt, anstatt nur eine Variation bereits bekannter Themen zu zeigen. Überhaupt, die Beziehung zu Lumen ist komplettes Neuland, sie zeigt Dexter endlich nicht mehr als den emotionsunfähigen Soziopathen, sondern räumt ihm die Hoffnung auf eine - wenn auch deutlich verspätete - Entwicklung ein, als sie ihn - zB als er Lumen die Handschuhe schenkt - ein wenig als einen Heranwachsenden zeichnet, der gerade erste Gehversuche unternimmt.

Im Gegensatz zu anderen Shows in ihrer vierten, fünften, sechsten oder gar siebten Staffel - HOUSE, I'm looking at you! - ist hier tatsächlich noch viel Unerzähltes denkbar, weil sich die Serie graduell neuen Themen geöffnet und so ihren Horizont erweitert hat. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die sechste Runde.

Dexter Serienmörder Serie Vigilante


Foto

Dem Publikum eine Idee einpflanzen


INCEPTION
Christopher Nolan, 2010

Da sieht man einmal, was die Beinahe-Abwesenheit von den filmforen mit mir anstellt. Vielleicht ist es auch schon das erste Anzeichen von Altersmilde, aber ich kann mich den hier im Forum vorherrschenden Vorwürfen gegen Nolan und den Film jedenfalls nicht anschließen. Und dabei reagiere ich selbst besonders empfindlich auf das Gefühl, von einem Film für dumm verkauft zu werden, wenn mir dieser Komplexität für Deppen andrehen will.

Nur: Ich kann diesen Vorwurf gegen INCEPTION einfach nicht unterschreiben. Obwohl ich ihn sogar nachvollziehen kann. Der mickrige Realitäts-Diskurs ist für den hohlen Zahn und natürlich in keiner Weise neu, und schon in tausend Filmen gesehen und überhaupt und unsubtil und sowieso. Moment, unsubtil? Wirklich? Ja, jeder Idiot bemerkt, spätestens beim nur vielleicht umfallenden Kreisel, dass man sich hier nicht ganz sicher sein kann und soll. Aber bloß, weil er unmissverständlich klarstellt, worum es hier geht, ist das doch nicht gleich fehlende Subtilität, jedenfalls nicht nach meinem Verständnis. Nolan begeht - und genau das unterscheidet ihn von Bulldozern wie Michael Bay, Roland Emmerich oder Zack Snyder - nie den Fehler, seinen Diskurs in die narrative Ebene hinüberzuziehen. Natürlich spannt er sich aus dieser auf, aber er bleibt - wenn auch im Falle von INCEPTION nur haarfein - von ihr getrennt, ist immer noch das Resultat einer - ja, ja: meinetwegen viel zu naheliegenden - Interpretation. Nur einmal, als erklärt wird, welchen Zweck das Totem erfüllt, formuliert sich der "philosophische Überbau" kurz.

In Ordnung, besagter Diskurs - was ist real und was nicht - ist bei Licht betrachtet natürlich keiner, oder er wird wenigstens nicht durch diesen Film befeuert. Diesem Vorwurf kann ich mich schon auch uneingeschränkt anschließen. Aber ist das - neben der Erzählung - wirklich die einzige Ebene, auf der INCEPTION funktioniert? Spricht er nicht - mal so ein Schnellschuss ins Blaue - auch über Ideen und ihre Entstehung, über Sozialisation und Individualität, über die Subjektivität von Zeit und Zeitempfinden, über - da schließt sich der Kreis ein wenig - die Realität von Beziehungen? Das sind natürlich alles ebenso hohle Stichworte, die ich hier grade in den Raum werfe, das ist mir schon klar. Aber warum sich alle kritischen Rezensenten ausgerechnet an dem einen Thema abarbeiten, das INCEPTION schon direkt in der Narration erwähnt, aber jede andere mögliche Interpretationsidee völlig unter den Tisch fallen lassen, weil Nolan sie eben nicht explizit vorschlägt, das ist mir ein Rätsel. Hochgradig seltsam finde ich dann, wenn die gleichen kritischen Zuschauer es dem Film einerseits anlasten, den billigen Monodiskurs seinem Publikum gleich aufzuzwängen, sich aber gleichzeitig von genau dieser Expliziertheit das verschleiern lassen, was sie bei anderen Filmen allzu gerne aus den Tiefen des Subtextes heraustauchen.

Ich mein, bitte: Ist ausgerechnet INCEPTION, dem man in diversen Kritiken mit Freud kommen musste - mal positiv, mal negativ, ganz wie es dem jeweiligen Autoren gerade in den Kram gepasst hat - jetzt wirklich so arm an Subtexten, wie man sich hier einig zu sein scheint? Ich weiß nicht, ob man die Vorwürfe, die man an Nolans Film richtet, nicht eher auf die Kritiker zurückspiegeln kann, denn genug Stoff und Komplexität, um auch sie wenigstens theoretisch zufrieden stellen zu können, bietet INCEPTION durchaus.

Mal ein Vorschlag, ein Beispiel: Da geht es um die Einpflanzung von Ideen, und schon der Filmtitel bezeichnet dieses Konzept, und dann pflanzt der Film (Ist ein Film, speziell dieser Film, eigentlich von seiner Konstruktion etwas anderes als genau die Träume, wie er selbst sie beschreibt? Voll von Projektionen, verschachtelten Ebenen, Suggestion, geschaffen von einem Eindringling und Architekten, sorgsam aufgebaut, als "maze", als Irrgarten, in dem sich sein Opfer verlaufen soll? Einmal beschreibt diCaprio ja sogar, dass man sich in Träumen oft in einer Situation wiederfindet, ohne sich an den Weg dahin erinnern zu können - ganz wie im Film, in diesem wie in anderen, Schnitttechnik und -stil sei dank...) offenbar sämtlichen Zuschauern die Idee ein, dass es in ihm selbst nur um dieses eine Thema gehen soll? Bin ich der einzige, der das Funktionieren dieses kleinen Meta-Kniffs für einen mittleren Geniestreich hält?

Wenn ich INCEPTION etwas vorwerfen will, dann höchstens, dass er zu vielen gefallen will, und man ihm diese Krampfhaftigkeit auch anmerkt. Einige Kanten mehr hätte der Film durchaus vertragen können, und auch das etwas unentschlossene Oszillieren zwischen Schauwerten und Inhalt, ohne diese beiden Ebenen so richtig unverzichtbar miteinander zu verknüpfen, ist nicht gerade seine Stärke. Und, natürlich: INCEPTION ist schon auch Anspruch für Deppen, da will ich gar nicht widersprechen. Aber dass all die Nicht-Deppen da draußen nicht bemerken, dass auch sie zu seinem Publikum gehören könnten, wenn sie nur über diese erste Stufe hinaussehen könnten, das kann man Nolan und seinem Film nicht anlasten.

"Wenn ich INCEPTION etwas vorwerfen will, dann höchstens, dass er zu vielen gefallen will." Aber genau dieser Vorwurf ist auch seine größte Stärke. Denn Nolan schafft mit all seinen Filmen - vielleicht nehmen wir FOLLOWING aus - genau das: Sie sind der perfekte Brückenschlag zwischen Blockbuster und Arthaus, zwischen Multiplex und Programmkino. Nimm INCEPTION das gewaltige Budget und Marketing, und lass ihn OmU auf den Filmfesten dieser Welt laufen, und ich wette, dass einige der gleichen Autoren, die ihn jetzt hassen, plötzlich mindestens mögen, wenn nicht gar feiern würden. Nolans Filme können allen gefallen, funktionieren eben sowohl auf narrativer Hirn-aus-Action-geil-Ebene, als auch als intellektuelle Inspiration. INCEPTION ist vielleicht nicht das allerbeste Beispiel in seinem Werk - dafür würde ich PRESTIGE halten -, aber stellt auch keine negative Ausnahme dar.

Christopher Nolan Traum Trotz


Foto

Drei light


LET THE RIGHT ONE IN
Tomas Alfredson, 2008

Dritte Sichtung.

Das war mir bislang noch nicht klargeworden, aber: der ganze Film trägt alle Anzeichen einer Traumgeschichte. Da ist schon der eigentümliche Beginn, Oskar mit der sehnsuchtsvollen Hand an der Fensterscheibe, der später im Film vielleicht in den Kontext eines narrativen Zeitsprungs gerückt wird - oder aber auch nur die Einleitung für das ist, wonach sich Oskar eben sehnt, bzw. wie er sich in seiner kindlichen Fantasie seine eskapistische Strategie ausmalt. Auch die ganzen kleinen Surrealitäten, die ich dem Film bislang immer ein wenig als unnötige Albernheiten vorgeworfen habe (Elis Geknurre, die ganzen Kaurismäki-Randfiguren, und vor allem die Katzen, die Katzen, die Katzen), erscheinen so in einem ganz anderen Licht. Der Kreis schließt sich dann zum Schluss, als Oskars unvermittelte Rettung sowie die noch unvermitteltere Abfahrt so gar nicht mehr in den ruhigen Naturalismus der Umgebung passen wollen, auch wenn Alfredson auf diesen Höhepunkt behutsam und gekonnt hingesteuert hat.

Eigentlich war das alles sogar so offensichtlich, dass ich mich ein wenig wundere, dass mir dieser Gedanke bei den bisherigen Sichtungen noch nicht kam. Sei's drum, der tollen Geschichte tut das keinen Abbruch.

Schweden Vampire Tomas Alfredson Traum


Foto

Das T-Shirt hat nicht überlebt


MACHETE
Robert Rodriguez, 2010

Das war es also, dieses neue Grindhouse-Ding, von dem die pubertierenden Jungs auf dem Schulhof reden, was wieder mal beharrlich zitiert werden wird und überhaupt ganz schnell und ganz fix mit dem Attribut "Kult" beschriftet wird.

Naja. Da fällt es mir schon schwer, nicht sofort in dieselbe Trotzreaktion zu verfallen, die mir auch PLANET TERROR, Guy Ritchie und die diversen Kettensägen-Nerdjerker beim jährlichen Fantasy Film Fest so beharrlich vermiesen kann.

Überraschenderweise gelang das bei MACHETE überraschend einfach. Rodriguez scheint hier der erste Film seit seinem FROM DUSK TILL DAWN geglückt zu sein, dem es gelingt, auf den Wellen der Albernheit sämtliche Klippen der Peinlichkeit zu umschiffen. Und das ist gar nicht mal so einfach. Immerhin schreibt das selbsterfundene Genre quasi vor, jeden Mist, den man mal irgendwo aufgeschnappt hat, nachzuahmen und dabei auf die Spitze zu treiben, ständig und überall Augenzwinkern zu platzieren, und überhaupt kategorisch die eigene Coolness zu zelebrieren.

Dabei ist es gar nicht mal so, dass MACHETE das irgendwo anders macht. Aber er erreicht eine gewisse Skurrilität, und diese ist es schließlich, die dem Film seinen Charme verleiht. Wenn Danny Trejo seine wirklich unsagbar unschöne Fresse (die selbst Mickey Rourkes WRESTLER vor Neid erblassen lässt) mal wieder in die Kamera hält und sich ihm trotzdem alle Frauen zu Füßen werfen... Wenn Michelle Rodriguez von den Toten aufersteht und dabei lediglich ein Auge und ihr T-Shirt einbüßt... Wenn Tom Savini als nerdjerkende Referenz erst auftaucht, um dann vom Drehbuch ganz einfach vergessen zu werden... Wenn der Showdown sehenden Auges zur Nummernrevue absurder Stunts degradiert wird...

Wenn... ja, was dann eigentlich? Vielleicht ist es das, was ich MACHETE trotzdem vorwerfen kann: Er baut mühsam und liebevoll über 110 Minuten einen gewaltigen Abenteuerpark voller Spielsachen auf - und verliert immer wieder das Interesse daran. Die ganzen großartigen Ideen sind natürlich keine, das ist mir auch klar. Aber sie lassen dieses naive Spektakel dennoch sehr gemütlich erscheinen, sehr niedlich in seinem Bemühen, allen zu gefallen und mit den ganzen behaupteten Tabubrüchen bloß nicht anzuecken. Und der Film bleibt genau diese Ecken ständig schuldig. So klug und fein die Idee ist, mal einen quasi linksreaktionären Plot zu erzählen und sich damit radikal gegen die übliche Stoßrichtung des persiflierten Kinos zu wenden - Rodriguez ist ein bisschen das Kind mit ADS. Sobald ein Grundstein gelegt ist, verliert er das Interesse, bleibt die Folgen und Konsequenzen regelmäßig schuldig. Während ich Savinis Verschwinden in seiner Subtilität Absicht unterstellen kann, gelingt mir dies beim leeren Gefühl, das MACHETE hinterlässt, nicht mehr.

Naive Albernheit statt pubertärer Peinlichkeit - immerhin. Pubertär ist der Film natürlich trotzdem, aber wenigstens nicht schlimmer, als es bspw. auch ein SUPERBAD ist. Am Ende bleibt aber, bei all der lobenswerten Mühe, nur der Kalauer übrig. Denn diese Emanzipation von den Vorlagen, die gelingt MACHETE eben nicht. MACHETE wird der Film bleiben, "in dem Danny Trejo so einen Macheten-Cop gespielt hat und voll viele umgebracht hat und das war so quasi wie amerikanische Trashfilme der 70er, verstehst du?"

Magic Moment: Jessica Albas grandios gescheiterte pathetisch-schmalzige Rede auf dem Autodach, in einer Untersicht gefilmt, dass die Spitzen der dahinter liegenden Wolkenkratzer noch ins Breitbild gepasst haben. Das, genau das, ist der Kern, von dem ich gerne mehr gesehen hätte.

Robert Rodriguez Grindhouse Danny Trejo Michelle Rodriguez Jessica Alba Tom Savini


Foto

Facebook, Blogs, und warum das alles irgendwie doch nicht das Wahre ist


Da saß ich also vorhin: Ich wollte eine kaum als solche zu bezeichnende Tradition pflegen. Die letzten drei oder vier Filme habe ich mit schnoddrigen Dreizeilern im Facebook kommentiert. Und hatte mir natürlich, zum wasweißich wievielten Male vorgenommen, das jetzt immer so zu machen. Ein paar Updates standen an - MACHETE, LET THE RIGHT ONE IN, INCEPTION und TRUE BLOOD Season 1 - und der erstgenannte hatte bereits einen Link und besagten schnoddrigen Dreizeiler spendiert bekommen, als ich durch eine Unachtsamkeit statt auf Absenden zu klicken das Geschriebene wieder gelöscht habe.

So richtig wohl habe ich mich damit aber ohnehin nicht gefühlt. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich habe ganz schön diverse Leute in meinem Freundeskreis - und noch diversere in dem, was Facebook für meinen Freundeskreis hält. Neben den Leuten, mit denen ich tatsächlich im altmodischen Sinn freundschaftlich verbunden bin, gibt es auch einige Randerscheinungen. Da sind ein paar Arbeitskollegen, die mich gut und viele die mich kaum kennen. Da sind Leute, denen ich einmal begegnet bin, woraufhin ich am nächsten Tag oder im nächsten Monat eine Freundschaftsanfrage erhielt. Da ist der halbe Freundeskreis meiner Freundin. Da sind sogar ein paar Interviewpartner und -kontakte, die ich damit ja auch belästigen würde. Und dann sind da noch eine Handvoll Versprengter, die ich - jawohl - hierher von den filmforen kenne. Und eigentlich ist das, was ich da schreiben würde, über Filme, Serien, was mir eben so einfällt, auch nur so richtig für die letztgenannten bestimmt, und interessant außerdem höchstens für seltene Ausnahmen aus den anderen Gruppen.

Und dann ausgerechnet so ein Film wie MACHETE, oder eine Serie wie TRUE BLOOD: Will ich jetzt wirklich im Facebook so ausführlich schreiben, dass ich mich gegen Missverständnisse absichere? Wer will denn das auf der anderen Seite noch lesen? Und will ich überhaupt immer die Verpflichtung eingehen, durch diese krude Mischung völlig ungefragt belästigter potentieller Leser jedes guilty pleasure rechtfertigen oder relativieren zu müssen - und obendrein furchtbar viel Zeit in diese Formulierungen zu stecken?

Nein, niemand, und nochmal nein.

Die Folge: Ich habe hier endlich mal auf "Filmtagebuch eröffnen" geklickt (als 37ster, um mal den Titel zu erklären - eine sehr schöne, sehr echte und unkünstlich zufällige Zahl). Wie häufig, regelmäßig und zuverlässig ich das hier pflegen werde, das steht in den Sternen. Natürlich habe ich nur die besten Vorsätze, aber die haben mich schon in zwei vorherigen Versuchen - damals noch in Form eines Threads - im Stich gelassen, also will ich da den Mund nicht zu voll nehmen.

Genausowenig möchte ich mich festlegen, was hier erscheinen wird und was nicht; wie die Einträge aussehen und wie lang sie sein werden; und..., ja, und was eigentlich?

So oder so: Hier lesen wenigstens theoretisch die richtigen Leute mit, hier kann ich mir erlauben, auch ein sehr ausschnitthaftes Bild abzuliefern, und ja, doof, aber weit mehr ich selbst sein, als ich das im Facebook könnte. Und dann hoffe ich natürlich insgeheim, vielleicht den einen oder anderen, der nicht zur filmforen-Facebook-Schnittmenge gehört, zum gelegentlichen Klick hier in die filmforen verleiten zu können. Aber der fleißigste Werber war ich noch nie. Warten wir's ab und gehen wir's an.

Facebook Filmtagebuch Schreiben guilty pleasure Leser