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Nummer 37

oder auch: der dritte Versuch.




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E=mo²



TRUE BLOOD, Seasons 1 und 2

Ich bin auch nach zwei Staffeln noch etwas unschlüssig, was ich von der Serie halten soll. Da ist zum einen auf inhaltlicher Seite das herrliche Konzept eines ultrapromiskuitiven TWILIGHT-Gegenentwurfs, den ich ja schon aus Prinzip super finden muss. Überhaupt, die Überspitzung der Sinnlichkeit des Vampirmythos hin zu völlig hypersexualisierten Lustobjekten, um die eine komplette Kultur von "Fangbangern" entsteht, funktioniert ganz ausgezeichnet.

Und auch ästhetisch kann ich TRUE BLOOD einiges abgewinnen: Die romantisch verkitschten Südstaaten-Settings samt Pfannkuchen-Vollmond, verträumter Nebel zwischen den sorgsam arrangierten Ästen des "Walds", offensichtlich studiobeleuchtete Outdoor-Settings, die gerade so nicht nach Pappmachée riechen, ein Friedhof als (geografisch) seltsam zentraler Ort zwischen den Häusern zweier Protagonisten, der obendrein so aussieht, als müsste hier jeden Moment Vincent Price hinüberwandeln... TRUE BLOOD verortet sich visuell in der Tradition des American Gothic, wirkt in seinen Settings daher um ein Vielfaches klassischer als die glitzernden Konkurrenzshows und -filme, und strahlt ohnehin in seinen besten Momenten den Charme einer Roger-Corman-Produktion aus.

Dies und überhaupt der unübersehbare und allgegenwärtige Camp setzt sich auch in die Plots fort - hier aber nicht mehr nur zum Vorteil. Denn so exaltiert sich TRUE BLOOD ästhetisch zu jedem Zeitpunkt präsentiert - und dies auch ganz offensichtlich als Teil des künstlerischen Konzepts zu erkennen gibt - so verhalten sich auch die Figuren der Serie. Kleine Gesten oder Zwischentöne haben hier keinen Platz, ein paar Tropfen Blut sind nie genug, und auf einen unschuldigen Kuss muss folgerichtig die leidenschaftliche Sexszene folgen, bevor das dann natürlich in überhöhte Liebesgeständnisse und große Dramen mündet. Wenn sich im Bon Temps der Serie zwei Figuren streiten - auch um Nichtigkeiten - dann sind das sofort existenzielle Probleme, eine unbedachte Äußerung wird zur tödlichen Beleidigung, und sämtliche Schauspieler unterstreichen das mit einem mimischen Repertoire, für das der Begriff "Overacting" schon recht wohlwollend wäre.

TRUE BLOOD ist eine Show der gewaltigen Gesten, alles hier muss existenziell und universell sein, und rein inhaltlich gelingt der Serie sogar das Kunststück, diese Hysterie in das Hinterwäldler-Setting einzubinden und Bon Temps zum ganz persönlichen Mittelpunkt der Welt zu machen. Es ist aber auch diese Egozentrik, die TRUE BLOOD bisweilen zur Tortur macht: Wenn Sookie zum 18. Mal ihren Vampirbill mit wütenden Kulleraugen und provokant hervorgestreckter Zahnlücke wegen der nächsten nachvollziehbaren Nichtigkeit die große Szene macht (oder umgekehrt, das funktioniert in beide Richtungen, nur dass Bill statt einer Zahnlücke eher LOST-Sawyers permanent gruffy face zur Schau stellt), dann zuckt die Hand schon auch mal entnervt in Richtung Fernbedienung.

Als Parodie auf exaltierte Emo-Ästhetik mag TRUE BLOOD durchaus funktionieren, aber wenn eine Parodie glücken soll, dann muss sie eben vielleicht auch ein wenig wehtun. Dem konsistenten Konzept schadet all das natürlich nicht, im Gegenteil ist dies alles nur konsequent. Und auch wenn diese Fremdschäm-Emotionalität bisweilen auf die Nerven geht: Eine Serie, die mir in den ersten 60 Sekunden Bill Maher und ein Ann-Coulter-Vampir-Lookalike zeigt und Maher auch noch den Satz "Doesn't your race have a rather sordid history of exploiting and feeding off innocent people?" in den Mund legt, die hat mich eh schon auf ihrer Seite.

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