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Restekiste

Mediale Prokrastination

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The Bourne Supremacy (Paul Greengrass, 2004)


Angesichts dieser Fortsetzung muss ich hinsichtlich meines Eintrags zum ersten Teil dahingehend zurückrudern, alsdass Bourne gegen Ende des Films gar keine komplette Lebenserinnerung erfährt, sondern einzig das beschriebene Häppchen zum versemmelten Auftragsmord serviert bekommt. Diese häppchenweise Rekonstruktion der Vergangenheit wird nun im zweiten Teil fortgesetzt, an deren Ende sogar eine unbehagliche Confessio der Hauptfigur steht, die, ganz ähnlich dem Abtreten Clive Owens im ersten Teil, ziemlich gelungen in Szene gesetzt wird. Wo Howard Hawks seinen weitgehend ernsten Plots am Ende einen launig warmen Moment anhängt, tritt die Bourne-Reihe bisher in ihrem düsteren Unwohlsein einfach nochmal ein bisschen kräftiger nach. (Man frage mich nicht, woher die Assoziation kommt.)

Ein paar ungeordnete Fetzen: Dem deutschen Titel des Films (Die Bourne VERSCHWÖRUNG) entsprechend kommt mir die Handlung gelegentlich unheimlich verwirrend vor. Oder rührt diese Verwirrung nur von ihrer (beabsichtigten?) filmischen Präsentation her? Falls ja, muss über eine Filmpoetik der absichtlich herbeigeführten Zuschauerverwirrung, die nicht auf filmisches Unkönnen der Macher zurückgeführt werden kann, nachgedacht werden. Am Ende, da liegt nämlich ales offen dar und fügt sich ineinander. Aber das (das Nachdenken) wurde sicherlich schon getan. Vermutlich habe ich ohnehin einfach nicht gut genug aufgepasst. Noch was zur Verwirrung: So durcheinander und sprunghaft, aber trotzdem stimmig, mir die Handlung zuweilen erscheint, so räumlich unnachvollziehbar, aber trotzdem ziemlich packend, gerät die Verfolgungsjagd durch die Straßen und Tunnel Moskaus.

Ich muss mehr geschmäcklerische Behauptungen von mir geben: Der erste Teil gefällt mir einen Tacken besser, weil er trotz des Bombasts, den er durchaus auffährt, der wesentlich intimere Film ist, näher an seiner Hauptfigur bleibt und handlungstechnisch noch nicht so seltsam verstrickt ist; er erzählt die bessere Geschichte besser.


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Lifeforce (Tobe Hooper, 1985)


Lässt sich der Auftakt der Credits noch als gepaarte Anspielung auf 2001 (Musik) und ALIEN (Schrift) werten, bietet der Film natürlich keines von beidem (von strukturellen Ähnlichkeiten im Aufspüren der Außerirdischen mal abgesehen (Dan O'Bannon hatte auch hier seine Finger im Spiel)), sondern eine höchst verwirrende Alienzombiehatz (und wenn sie tausendmal als Vampire bezeichnet werden!), die gern irgendeine religiöse Ikonographie entwickelt hätte, aber kläglich daran scheitert. Am besten ausgearbeitet ist noch das Schneewittchen-Motiv der schlafenden Schönen im gläsernen Sarg. Und das ist schon flach.

Einst angeschafft, weil ich mich, im hiesigen Karstadt auf die DVD des Films stoßend, daran erinnerte, diesen Mal Jahre vorher im Nachtprogramm von Sat1 teilweise gesehen zu haben. Gekauft, geguckt, vor Langeweile eingeschlafen, zwei Jahre später (gestern) zu Ende geguckt, bereut.


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The Transporter (Louis Leterrier / Corey Yuen, 2002)


Hatte ich schonmal gesehen und fand ihn blöd. Nun im gleichen Schwung wie die Bourne-Filme angeschafft, um den Geistern der Vergangenheit nochmal auf den Zahn zu fühlen. Damals war der Film geliehen, mein eigenes Exemplar gilt daher als ungesehen und damit zur Restekiste zugelassen. (Dies ist nicht der einzige Titel, für den das gilt.)

Bestens gefallen hat mir die unaufgeregte Entspanntheit der Inszenierung, die ihre Geschwindigkeit, wenn sie denn mal hochgefahren wird, aus der Aktion im Bild erhält und nicht aus einer verwirrend zügigen Schnittfolge (letztes Wochenende CRANK gesehen). Ein Ausdruck südfranzösischer Lebensfreude? Falls ja: Bitte mehr davon.

Während des Schauens hatte ich immer mal wieder Bedenken, ob ich die beschriebene Entspanntheit nicht eventuell mit Trägheit, Lahmarschigkeit und Langeweile verwechsle, denn spätestens dem Mehrpersonenschmackes im Bus hätte ein etws rascherer Schnitt durchaus gut getan, damit insbesondere Statham nicht so roboterartig in seinen Bewegungen erscheint.

Doch ich lasse mir den Film durch diese Mini-Bedenken nicht vergrätzen, sehe wohlwollend über besagte Sequenz hinweg und freue mich über einen gelassen hingefläzten und fröhlichen Film, für den mir bei der Erstsichtung ein plakatives "Unrealistischer James Bond-Scheiß!" gereicht hatte.


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The Most Dangerous Game (Irving Pichel / Ernest B. Schoedsack, 1932)


Jawohl, da ist es: Das erste echte (P)fundstück meiner Reise durch die zweite Wahl. Spannender als der Film selbst erscheint mir ja beinahe schon seine Entstehungsgeschichte zu sein, die doch stark an die spanischsprachige Version des ersten DRACULA mit Lugosi erinnert. Zudem sieht das Interieur von Zaroffs Festung dem Empfangssaal des ungarischen Grafen gar nicht mal unähnlich. Und selbst wenn mir da die Erinnerung einen Strich durch die Rechnung machen sollte: Die Innensets sehen so oder so wirklich klasse aus! Aber tolle Bilder hat der Film ohnehin zu Hauf auf Lager, auch und vor allem in den von KING KONG ausgeliehenen Set-Pieces. Auch das Schlussbild mit dem von der Fensterbank Richtung Jagdhundrotte stürzenden Grafen ist schön überstilisiert und der Maßnahme, einen Film durch eine sich öffnende bzw. schließende Tür zu rahmen, bin ich spätestens seit meiner Zweitsichtung von THE SEARCHERS hoffnungslos verfallen. Wo ich grad von einer einsamen Insel in die Westernwüste stolpere: Joel McCrea aus meinem Lieblings-Peckinpah RIDE THE HIGH COUNTRY ist auch dabei. Der Film hat also null Chance, hier auch nur annähernd auf irgendeiner Ebene zu versagen. Ok, THE MOST DANGEROUS GAME kommt, trotz seiner Kürze, übermäßig lahm daher und ist vom Hetzjagdschnitt her äußerst schlecht gealtert. Die tollen Bilder und fröhlich aufgelegten Darsteller entschädigen dafür aber allemal! Und das stärker angezogene Pacing besorgen dann eben die vielen Adaptionen des Stoffs, die offenbar bis heute noch (PREDATORS) ins Kino huschen. Viele dieser Adaptionen oder Inspirationsumsetzer kenne ich sogar, doch war mir ihr (filmischer) Urgroßvater bis heute Nachmittag absolut kein Begriff. Und deshalb ist es extrem wichtig, dass ich diesen Film jetzt zu Anfang meiner eigenen Hetzjagd durch den Dschungel meines Regals gesehen habe, bevor mich möglicher Weise wieder die Lust verlässt und das arme Ding noch weiter zwischen zurückgewiesenem Schmuddel wie Höhenkamm dahinverrotten hätte müssen!


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Get Christie Love! (William A. Graham, 1974)


Ohne je irgendeinen Film, der sich grob unter die Marke 'Blaxploitation' packen lässt, gesehen zu haben (oder war da nicht doch irgendwann mal irgendein SHAFT?), bin ich von der relativen Bodenständigkeit der Hauptfigur Christie Love überrascht. Stillschweigend bin ich davon ausgegangen, dass Figuren wie Shaft, Cleopatra Jones, Foxy Brown oder eben jene Christie Love als hoffnungslos überzeichnete Charaktere daherkommen, die der irdischen Sphäre irgendwie entrückt zu sein haben (also so wie James Bond zumeist). Man mag es kaum glauben, aber ein tatsächliches Sichten der besagten Filme könnte da Abhilfe schaffen und mich von eventuell unzutreffenden Mutmaßungen befreien.

Insgesamt seichtet der Film recht unspektakulär vor sich hin, dabei unsicher, ob das teils etwas wirre Voranschreiten des Plots durch eine unglaubwürdige Häufung an Zufällen oder Christies Funktion als wandelndem Übernetzwerk zustande kommt. Völlig unabhängig davon wird aber der Bösewicht in Einnerung bleiben, der Drogen in Filmrollen schmuggeln möchte, die, eingelegt in einen Projektor, Bilder von tatkräftigen Asiaten zeigen, die sich, ausgestattet mit Davy Crockett-Gedächtnismütze, in einer bewaldeten Schneelandschaft gegenseitig die Fresse polieren. Besagter Bösewicht wertet dies als 'Samuraifilm aus China'.


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D.O.A. (Rudolph Maté, 1950)


War Bestandteil eines Dreiersets zum Film Noir. Nachdem ich die ersten beiden Filme des Sets (und das Genre an sich) eklatant missverstanden hatte, verging mir die Lust, mich mit Film Nummer drei (diesem) weiter zum Horst zu machen. Doch dies ist lange her.

Ich bin ja bis zuletzt davon ausgegangen, dass es sich bei dem Film insgesamt um eine Wahnvorstellung oder einen Traum Frank Bigelows handelt, der seinen trotz der guten Vorsätze irgendwie drögen Kurztrip nach San Francisco retrospektiv ein wenig aufpeppen will. Verleitet haben mich dazu die furiosen Nahaufnahmen der sich bis in orgiastische Rauschzustände hinein verausgabenden Musiker in der Bar, in der Bigelow letztlich vergiftet wird. Ihre Ekstase scheint auch auf die Zuhörer überzugehen, die teils völlig enthemmt durch den Raum taumeln. Vorbereitet wird dies bereits im Hotel, in dem Bigelow sich, zunächst noch widerwillig, einer ebenso rauschhaft feiernden Gesellschaft anschließt. Beide Rauschräume sind nach der Vergiftung natürlich verschwunden, haben ihre Funktion als surreale Übergangsmomente in andere Wahrnehmungswelten also erfüllt. Auch wenn es vielleicht kein Übergang in eine Traumwelt war. Wäre Bigelow am Schluss nicht tatsächlich dahingeschieden, würde ich meine Eingangsthese energischer verteidigen, so bleibt sie jedoch eher Randnotiz, die bei einer nächsten Sichtung des Films auf den Seziertisch gepackt werden kann.

Gell, emme? Bei der nächsten zügigen Sichtung eines Films, der satte siebeneinhalb Jahre gebraucht hat, um überhaupt den ersten Weg in deinen DVD-Player gefunden zu haben.


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The Bourne Identity (Doug Liman, 2002)


Mit dem im Geleit dieses Filmtagebuchs angekündigten 'Warum?' mache ich es mir bei diesem Auftakt natürlich noch recht leicht, denn der Erwerb der Bourne-Filme liegt erst kurze Zeit zurück und ergab sich direkt aus den Vergleichen der Craig-Bonds mit eben dieser Filmreihe, auf die ich nach dem kürzlichen Abschluss einer Bond-Retrospektive beim fröhlichen Blog- und Forenrausch gestoßen bin. Klar, ich will wissen, was dahinter steckt. In neurotische Gefilde meiner Psyche abzudriften ist hier also noch nicht notwendig. Bei Knallern wie THE GIRLIE BAR oder ROBIN HOOD - DER ROTE RÄCHER, die unter anderem noch auf meiner Liste stehen, werde ich mich diesem Drift wohl stellen müssen.

Doch nun zu Bourne. Jason Bourne. Wobei ich mich hier eher "some serious spider man shit" gegenübersah, scheint mir der Film doch zumindest in der ersten Hälfte stärker an die Formalia des Superhelden- statt Agentenfilms angelegt. Der amnestische CIA-Auftragsmörder, dessen Erinnerung in erster Linie in Form des Entdeckens der eigenen und mehr als überdurchschnittlichen körperlichen wie kognitiven Fähigkeiten zurückkehrt, erinnert phasenweise doch stark an einen unkontrolliert Netze um sich schleudernden Peter Parker, der weder weiß, was er mit den neuentdeckten Kräften anfangen noch wo er seinen Platz in der Gesellschaftsordnung finden soll.

Diesen Platz sucht Bourne dann auch in der zweiten Hälfte des Films, muss sich seiner Reduktion auf wandelnde Mordwaffe mit klemmendem Abzug aber nur allzu bewusst werden. Eigentlich unglaublich, wie charakterlos die Figur im Film bleibt, aber dennoch bestens funktioniert. Selbst im Moment der (vermutlich) totalen Erinnerung kehrt nichts in diese Figur zurück; einzig Erinnerungen an den versemmelten Auftrag erfüllen den Geist Bournes. Den Platz hat er zwar am Ende gefunden ("my own side"), doch vermag ich mir nicht einmal entfernt auszumalen, wie dieser Platz in Zukunft gestaltet sein soll.

Aus dem Zusammenhang gerissen möchte ich darauf hinweisen, dass das Gespräch zwischen Bourne und Clive Owen kurz vor dessen Filmtod mich furchtbar gepackt hat. Unmittelbar vor dem eigenen Ende hat diese Figur endlich die Freiheit, mal ein Gespräch auf "Und? Wie war dein Tag?"-Niveau zu führen, nur um dann unumstößlich die offenbar einzige Funktion seines Lebens unwiderruflich abzulegen.

Kann was.


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Die 80 aus dem Hinterstübchen


Mit viel Murren, aber doch einem Gefühl von Befreiung (und einer Top10-Liste!), habe ich vor einem Jahr mein altes Filmtagebuch geschlossen. Der selbstauferlegte Vollständigkeitszwang, dem ja doch nicht entsprochen werden kann, hat mich (zum dritten Mal) besiegt.

Lösung: Ein zeitlich begrenztes Projekt als ausgleichende Beschäftigung zu meiner fordernden wie eiernden Abschlussarbeit. Angefangen habe ich hier damals als 15 Tage alter Abiturient. Daher ab bald (also jetzt) in diesem Theater 80 Filme (und nur die!), die ich zwischen Februar 2003 und heute gekauft, geschenkt bekommen, aber doch niemals angeschaut habe. Auch der Frage nach dem Warum werde ich nicht ausweichen.

Ich freue mich.