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Restekiste

Mediale Prokrastination




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Mystery Train (Jim Jarmusch, 1989)



Ende 2003 hat mich ein Mitglied dieses Forums in einen Jarmusch-Wahn getrieben, der vielleicht noch hätte beispiellos werden können. Mit reichlich DVDs ausgestattet begann die Reise durch das Jarmusch-Werk fulminant-euphorisch mit DOWN BY LAW, um danach mit STRANGER THAN PARADISE einen kleinen Dämpfer zu erleiden (der Film selbst ist mittlerweile längst wieder rehabilitiert) und eine gelungene Rettung durch DEAD MAN und GHOST DOG zu erfahren. Durststrecken konnten mithilfe der ersten drei COFFEE&CIGARETTES-Episoden und dem zumindest artverwandten FISHING WITH JOHN erfolgreich überwunden werden. MYSTERY TRAIN stand als nächstes auf dem Programm, doch kam da leider Werner Herzog mit seiner unglaublichen Filmographie im Gepäck vorbei und veränderte meine Filmwahrnehmung für immer. Abstellgleis also für MYSTERY TRAIN. Ganz knapp. Zurück zu Jarmusch kam ich erst 2008 wieder, nachdem ich feststellte, dass MY BLUEBERRY NIGHTS eigentlich genauso gut von Jarmusch hätte stammen können und Herzog mir im Audiokommentar von STROSZEK erklärte, weshalb er mit diesem Film STRANGER THAN PARADISE bereits vorweggenommen hätte (habe ich ihm natürlich geglaubt, den Jarmusch nochmal gesehen und doch noch verstanden; siehe oben erwähnte Rehabilitierung). Schon drei Jahre später habe ich nun den letzten in meinem Besitz befindlichen Jarmusch-Film gesehen. Hiermit sei dieses für Außenstehende beispiellos langweilige Geschwafel auch beendet. Ich habe mich lediglich über ein neues 'Warum' gefreut, das von "Was gibt's sonst so im Action-Genre?" und "Meine Freundin will, dass ich das gucke, ich wollte aber nicht" angenehm abweicht. Mea culpa!

MYSTERY TRAIN konnte kaum ein besseres Kontrastprogramm zum hektischen TRANSPORTER 3 von gestern darstellen. Schön lange, langsame Einstellungen und Kamerafahrten, zuweilen entfleuchen die Figuren dem Bild, was die Kamera nicht zu scheren scheint, melancholische Stadtbilder im Dämmerlicht, ein entspannter John Lurie-Soundtrack. Diese fantastische Jarmusch-Ruhe eben, der ich mich in den letzten Jahren viel zu selten ausgesetzt habe.

Ohne Zweifel also ein Jarmusch-Lehrfilm. Kaum ein anderer Film legt die Methodik dieses Kerls besser offen und erfreut sich an ihr. Irgendwann muss ich noch rausfinden, was Jarmusch nach GHOST DOG verbrochen hat. Aber da komme ich ja doch nicht zu.

Ein Lehrfilm also. Aber auch ein Film über falsche/enttäuschte Mythen Amerikas (das darf hier keinesfalls in die Klischee- oder Vorurteilskiste fallen, die mithilfe eines Clash of Cultures gegenseitig abgetastet werden, um sie dann im Film komödiantisch in Szene zu setzen; hier geht es um Mythen, exzemplifiziert an Elvis Presley und der Stadt Memphis), der Stadt und dem Menschen an sich.

Sollte ich ihn jemals wiedersehen, wandert MYSTERY TRAIN in die Liste meiner Lieblingsfilme.




:cheers:

Ich bin immer für Jarmusch! Habe aber seine Filmografie nur über einen guten Freund vermittelt bekommen. Bisher noch keinen Film unabhängig von diesem gesehen...
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Unter meinen diversen Reihen- und Werks-Blaupausen findet sich selbstredend auch eine schon längst überfällige Jarmusch-Gesamt-Retro. Die hat dein "Mystery-Train"-Eintrag ein gutes Stück nach oben geholt in der Planungshierarchie. Dafür ein dreifach HALALI! :)
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@bekay:
Welche Folgen hat das durch dritte vermittelte Filmerlebnis? Ist die Filmsichtung dann getrieben von dem Wunsch, quasi aus Höflichkeit, möglichst die Meinung des vermittelnden zu teilen o.ä.? Ich frage nur nach, weil ich mich bisher einzig in der Position des (ergebnislos) Vermittelnden wiedergefunden habe und gern wüsste, was in meinen "Opfern" vorgeht. ;)

@Funxton:
Mein erstes HALALI! Vielen Dank dafür. Aber ich helfe ja immer gern. Dem Jim seit gestern sowieso. :cheers:
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