Kidnapped (Spanien/Frankreich 2010)
Inhalt: Jaime und Marta ziehen mit ihrer 16 jährigen Tochter Isa in ein neues, luxuriöses Haus ein. Die Eltern wollen bei dem Abendessen den Einzug mit Champagner begießen, aber die Tochter möchte zu einer Teen-Party. Nachdem die Möbelpacker ihre Arbeit erledigt haben, streitet sich Isa mit ihrer Mutter und sie wiederrum mit ihrem Mann über die Erziehung der Tochter, bis der Streit abrupt durch drei Einbrecher beendet wird. Die brutalen Geiselnehmer terrorisieren die Familie gnadenlos …
Das Subgenre Torture Porn hat sich in den letzten 20 Jahren im Bereich Horror etabliert. Hierbei geht es um die Übertragung des seelischen Schmerzes auf die Zuschauer infolge eines dargestellten physischen Schmerzes (Präsentation der Verletzung). Man kann den Zuschauern eines Torture Porns, sadistische oder masochistische Gelüste vorwerfen, Fakt bleibt, daß viele Menschen dieses intensive Seherlebnis, das ihre Aufmerksamkeit voll beansprucht und ihr Herz höher schlagen läßt, nicht widerstehen können. Vielleicht ist es auch einfacher, sich an dem Leid der anderen Menschen teilhaben lassen, als an dem Glück! Denn hierbei die Gefühle wie Neid und Eifersucht nicht hinderlich wirken. Vielleicht ist auch Angst ein ansteckendes Gefühl, das den Menschen bei der Arterhaltung mehr Dienste erwiesen hat als Freude. Umgekehrt in der realen Welt ist auch die Bereitschaft der Menschen bei dem Überlebenskampf hilfesuchend ihr Leid mit den anderen zu teilen höher als ihr Glück im Normalfall. Das ist wahrscheinlich nicht alles angeboren, sondern vieles kulturell und sozial bedingt anerzogen. Im Bezug auf die Filmwelt könnte man den Schluß ziehen, daß das Publikum mit einem Torture Porn schneller und einfacher zu beeindrucken wäre als mit einer Liebeskomödie.
Daß es nicht so einfach funktioniert, merkt man bei den mißlungenen Genre-Vertretern wie „Mother's Day". Denn vor allem bei einem Torture Porn ist die Glaubwürdigkeit der Handlung extrem wichtig, damit die Identifikation des Zuschauers mit dem Opfer oder dem Täter auf der Leinwand gelingen kann. Diese Glaubwürdigkeit setzt handwerkliches Können der Filmemacher (Schnitt, Ton, Erzähltempo, Kamera,…) voraus. Bei einer Liebeskomödie fallen Schnittfehler i.d.R. kaum auf, bei einem Horrorfilm aber sofort! (Denn die Zuschauer hier aufgeregter/aufmerksamer sind und solche Störungen weniger verzeihen!).
Es gibt auch viele Autorenfilmer, die die Elemente von Torture Porn in ihren Meisterwerken einbauen, um die Wirkung des Geschehens und somit die Eindringlichkeit ihrer Botschaft zu intensivieren. Beispiele: "Die 120 Tage von Sodom", "Antichrist", "A Serbian Film" oder "Funny Games".
Das darf aber nicht die Funktionalität von Torture Porn in Frage stellen! Die Aufgabe eines Torture Porns , in seiner "reinen" Form, ist nicht sich mit einem relevanten Thema auseinanderzusetzen, sondern nur zu schocken! Daher auch einem Terrorfilm wie "Kidnapped" vorzuwerfen, daß er anspruchslos oder gar minderwertig sei, weil er bloß auf Gewaltdarstellung setzt und die Hitergründe der menschlichen Beziehungen nicht aufleuchtet oder die Charaktere nicht präzise analysiert, halte ich für genauso absurd, wie das Rügen eines Pornofilmes nur weil die Akteure vor dem Sex nicht kirchlich heiraten! Entweder man lehnt die Filme mit Gewalt prinzipiell ab, oder man macht sich bewußt, daß sowohl ein Film wie "Kidnapped" als auch ein Film wie "Funny Games" 100%ig gelungen sind, jeweils in ihrer eigenen Anspruchswelt!
Zum Film: Dem Regisseur Miguel Ángel Vivas ist mit seinem zweiten Spielfilm "Kidnapped" ein sehr effektiver und eindrucksvoller Terrorfilm gelungen. Der Film revolutioniert das Genre Terrorfilm genauso wenig, wie jeder Pornofilm, die Porno-Welt, aber er kann seine Schock-Wirkung voll entfalten. Es ist nicht zu übersehen, daß der Regisseur viele Genre-Highlights als Vorbilder genommen hat, er schafft aber gekonnt aus diesen Vorbildern, gewürzt mit einigen technischen Raffinessen (geile Splitscreen-Zusammenfügung), so zu zitieren, daß selbst die Genre-Kenner sich keine Sekunde langweilen. Vivas wurde zu Recht beim Austin Fantastic Fest als bester Regisseur ausgezeichnet.
Vivas drehte den Streifen innerhalb von zwölf Tagen und Nächten mit genauso vielen Szenen. Jede Szene kommt angeblich ohne Schnitt aus, was dem Zuschauer den Eindruck vermittelt dem Geschehen in Realzeit beizuwohnen. Die fundierte Kameraführung (immer nah an den und schnell reagierend auf die Bewegungen der Akteure) trägt zur Effizient des Horrors bei.
Die Schauspieler sind keinesfalls so gefordert oder überragend wie die Schauspieler in "Funny Games", aber sie machen ihre Arbeit mehr als solide. Man könnte es zwar bemängeln, daß die Tochter nicht immer logisch handelt oder mit ihrem Geschrei an den Nerven sägt, ich halte dies jedoch nicht für einen Kritikpunkt, denn in so einer Extremsituation, wenn es ums nackte Überleben geht, erwarte ich von einem 16 jährigen Teen-Mädchen nicht, ständig abgeklärt und logisch zu agieren. Authentisch heißt hier verständlich, nachvollziehbar und realitätsnah und nicht logisch oder vernünftig!
Obwohl das Ende des Films besonders hart den Zuschauer in die Magengrube schlägt und das Drehbuch sehr stimmig ist, gibt es von mir wegen mangelnder Innovation in der Story einen Punktabzug. Es ist zu hoffen, daß Vivas nach diesem Erfolg nicht wie sein Kollege Alexandre Aja (nach dem High Tension) von Film zu Film abbaut, sondern sein hohes Horror-Niveau beibehält.
Fazit: Perfekter Terrorfilm mit dichter Atmosphäre und maximaler Schockwirkung. Die Mischung aus "Funny Games (1997)", "Irreversibel (2002)" und "The Collector (2009)" hat genug eigene Einfälle um bei den Horrorfans zu einem Kultfilm zu avancieren. 9/10 Punkte
Frankreich Spanien Miguel Ángel Vivas 2010
Inhalt: Jaime und Marta ziehen mit ihrer 16 jährigen Tochter Isa in ein neues, luxuriöses Haus ein. Die Eltern wollen bei dem Abendessen den Einzug mit Champagner begießen, aber die Tochter möchte zu einer Teen-Party. Nachdem die Möbelpacker ihre Arbeit erledigt haben, streitet sich Isa mit ihrer Mutter und sie wiederrum mit ihrem Mann über die Erziehung der Tochter, bis der Streit abrupt durch drei Einbrecher beendet wird. Die brutalen Geiselnehmer terrorisieren die Familie gnadenlos …
Das Subgenre Torture Porn hat sich in den letzten 20 Jahren im Bereich Horror etabliert. Hierbei geht es um die Übertragung des seelischen Schmerzes auf die Zuschauer infolge eines dargestellten physischen Schmerzes (Präsentation der Verletzung). Man kann den Zuschauern eines Torture Porns, sadistische oder masochistische Gelüste vorwerfen, Fakt bleibt, daß viele Menschen dieses intensive Seherlebnis, das ihre Aufmerksamkeit voll beansprucht und ihr Herz höher schlagen läßt, nicht widerstehen können. Vielleicht ist es auch einfacher, sich an dem Leid der anderen Menschen teilhaben lassen, als an dem Glück! Denn hierbei die Gefühle wie Neid und Eifersucht nicht hinderlich wirken. Vielleicht ist auch Angst ein ansteckendes Gefühl, das den Menschen bei der Arterhaltung mehr Dienste erwiesen hat als Freude. Umgekehrt in der realen Welt ist auch die Bereitschaft der Menschen bei dem Überlebenskampf hilfesuchend ihr Leid mit den anderen zu teilen höher als ihr Glück im Normalfall. Das ist wahrscheinlich nicht alles angeboren, sondern vieles kulturell und sozial bedingt anerzogen. Im Bezug auf die Filmwelt könnte man den Schluß ziehen, daß das Publikum mit einem Torture Porn schneller und einfacher zu beeindrucken wäre als mit einer Liebeskomödie.
Daß es nicht so einfach funktioniert, merkt man bei den mißlungenen Genre-Vertretern wie „Mother's Day". Denn vor allem bei einem Torture Porn ist die Glaubwürdigkeit der Handlung extrem wichtig, damit die Identifikation des Zuschauers mit dem Opfer oder dem Täter auf der Leinwand gelingen kann. Diese Glaubwürdigkeit setzt handwerkliches Können der Filmemacher (Schnitt, Ton, Erzähltempo, Kamera,…) voraus. Bei einer Liebeskomödie fallen Schnittfehler i.d.R. kaum auf, bei einem Horrorfilm aber sofort! (Denn die Zuschauer hier aufgeregter/aufmerksamer sind und solche Störungen weniger verzeihen!).
Es gibt auch viele Autorenfilmer, die die Elemente von Torture Porn in ihren Meisterwerken einbauen, um die Wirkung des Geschehens und somit die Eindringlichkeit ihrer Botschaft zu intensivieren. Beispiele: "Die 120 Tage von Sodom", "Antichrist", "A Serbian Film" oder "Funny Games".
Das darf aber nicht die Funktionalität von Torture Porn in Frage stellen! Die Aufgabe eines Torture Porns , in seiner "reinen" Form, ist nicht sich mit einem relevanten Thema auseinanderzusetzen, sondern nur zu schocken! Daher auch einem Terrorfilm wie "Kidnapped" vorzuwerfen, daß er anspruchslos oder gar minderwertig sei, weil er bloß auf Gewaltdarstellung setzt und die Hitergründe der menschlichen Beziehungen nicht aufleuchtet oder die Charaktere nicht präzise analysiert, halte ich für genauso absurd, wie das Rügen eines Pornofilmes nur weil die Akteure vor dem Sex nicht kirchlich heiraten! Entweder man lehnt die Filme mit Gewalt prinzipiell ab, oder man macht sich bewußt, daß sowohl ein Film wie "Kidnapped" als auch ein Film wie "Funny Games" 100%ig gelungen sind, jeweils in ihrer eigenen Anspruchswelt!
Zum Film: Dem Regisseur Miguel Ángel Vivas ist mit seinem zweiten Spielfilm "Kidnapped" ein sehr effektiver und eindrucksvoller Terrorfilm gelungen. Der Film revolutioniert das Genre Terrorfilm genauso wenig, wie jeder Pornofilm, die Porno-Welt, aber er kann seine Schock-Wirkung voll entfalten. Es ist nicht zu übersehen, daß der Regisseur viele Genre-Highlights als Vorbilder genommen hat, er schafft aber gekonnt aus diesen Vorbildern, gewürzt mit einigen technischen Raffinessen (geile Splitscreen-Zusammenfügung), so zu zitieren, daß selbst die Genre-Kenner sich keine Sekunde langweilen. Vivas wurde zu Recht beim Austin Fantastic Fest als bester Regisseur ausgezeichnet.
Vivas drehte den Streifen innerhalb von zwölf Tagen und Nächten mit genauso vielen Szenen. Jede Szene kommt angeblich ohne Schnitt aus, was dem Zuschauer den Eindruck vermittelt dem Geschehen in Realzeit beizuwohnen. Die fundierte Kameraführung (immer nah an den und schnell reagierend auf die Bewegungen der Akteure) trägt zur Effizient des Horrors bei.
Die Schauspieler sind keinesfalls so gefordert oder überragend wie die Schauspieler in "Funny Games", aber sie machen ihre Arbeit mehr als solide. Man könnte es zwar bemängeln, daß die Tochter nicht immer logisch handelt oder mit ihrem Geschrei an den Nerven sägt, ich halte dies jedoch nicht für einen Kritikpunkt, denn in so einer Extremsituation, wenn es ums nackte Überleben geht, erwarte ich von einem 16 jährigen Teen-Mädchen nicht, ständig abgeklärt und logisch zu agieren. Authentisch heißt hier verständlich, nachvollziehbar und realitätsnah und nicht logisch oder vernünftig!
Obwohl das Ende des Films besonders hart den Zuschauer in die Magengrube schlägt und das Drehbuch sehr stimmig ist, gibt es von mir wegen mangelnder Innovation in der Story einen Punktabzug. Es ist zu hoffen, daß Vivas nach diesem Erfolg nicht wie sein Kollege Alexandre Aja (nach dem High Tension) von Film zu Film abbaut, sondern sein hohes Horror-Niveau beibehält.
Fazit: Perfekter Terrorfilm mit dichter Atmosphäre und maximaler Schockwirkung. Die Mischung aus "Funny Games (1997)", "Irreversibel (2002)" und "The Collector (2009)" hat genug eigene Einfälle um bei den Horrorfans zu einem Kultfilm zu avancieren. 9/10 Punkte
Frankreich Spanien Miguel Ángel Vivas 2010