Mittwochsfeuer (Iran, 2006)

Inhalt: Am Vorabend des letzten Mittwochs des Jahres (nach persischem Kalender), an dem Mittwochsfeuerfest gefeiert wird, kurz vor Frühlingsbeginn, widmen sich die Menschen im Iran dem Frühjahrputz. Zu diesem Zweck engagiert Morteza, ein Mann aus der oberen Mittelschicht, eine junge, hilfsbereite, aus armen Verhältnissen stammende Putzfrau namens Rouhi (Taraneh Alidousti). Rouhi ist ein lebensfrohes jedoch naives Mädchen um die 20 Jahre, das in Kürze seinen Verlobten heiraten will. Als Rouhi am Arbeitsplatz erscheint, entdeckt sie sofort, daß in dieser unaufgeräumten Wohnung keine intakte Familie lebt. Mortezas Ehefrau, Mojdeh leidet unter akuter Eifersucht. Sie beschäftigt sich nur noch mit dem Gedanken, ob ihr Ehemann sie mit der Nachbarin (eine geschiedene Friseurin) betrügt. Dabei vernachläßigt sie sogar den gemeinsamen Sohn und ist während des ganzen Tages hysterisch. Ihre Eifersucht weist nahezu krankhafte Züge auf: sie instrumentalisiert Rouhi um den beiden angeblichen Ehebrechern auf die Schliche zu kommen …
"Mittwochsfeuer" ist der dritte Spielfilm des iranischen Regisseurs und Drehbuchautors Asghar Farhadi. Während im "Westen" meist ein pauschalisiertes, simplifiziertes Bild vom Iran vorherrscht, zeichnet Farhadi in seinen Filmen mit einer differenzierten Sicht ein höchst komplexes, in seiner Dissonanz verstörendes und doch spannendes Bildnis der iranischen Gesellschaft auf.
In "Mittwochsfeuer" kämpfen vier Personen ums individuelle Glück oder was sie subjektiv dafür halten. Da ist eine Friseuse, die seit einem Jahr geschieden ist und in ihrer Wohnung die Kunden empfängt. ("Schwarzarbeit", die im Iran nicht geahndet wird, solange sich niemand beschwert). Sie möchte ihre neu gewonnene finanzielle und private Unabhängigkeit bewahren. Dann ist der Ehemann, der sich zwischen seinen Pflichten als Vater, Ehemann und Geschäftsführer einer Media-Produktionsfirma eingeengt fühlt und sich nach Freiheit oder zumindest einer stressfreien Nische im Leben sehnt. Die Ehefrau dagegen ist absolut auf Sicherheit bedacht. Die Angst, daß ihr Mann sie nicht mehr liebt und trotz seinen Treueschwuren fremdgeht, hat sie psychisch krank gemacht. Ihr Mann schreit sie mal bei einem Streit an: "Du bist nicht mehr normal, du musst zu einem Psychiater gehen!".
Die Hauptrolle in diesem Drama spielt jedoch die Putzfrau Rouhi, die zwischen allen Stühlen sitzt. Sie ist in ihrer der Jugend (und Armut?) geschuldeten Naivität, der Überzeugung, daß man alle diese Wünsche nach Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit im Einklang bringen kann, nämlich wenn man wirklich liebt. Sie versucht zwischen den Streitenden zu schlichten, denn sie glaubt an die Unkompliziertheit und Wahrhaftigkeit der Liebe und dem zufolge, daß alle eheliche Konflikte auf Missverständnisse basieren, bei deren Beseitigung sie sich bemüht.
Da es sich aber bei diesem Film nicht um eine Komödie aus Hollywood, sondern um eine Tragödie aus dem Iran handelt, ist nicht Rouhi diejenige, die nach diesem Arbeitstag das Eheleben ihrer Arbeitsgeber rettet, sondern sie ist am Ende die Frau, die eine gehörige Portion reifer und erwachsener, nicht mehr ganz unbekümmert in die Dunkelheit der Nacht entlassen wird.
Es gibt einen weiteren sozialkritischen Aspekt, der hier wie auch sonst in den Filmen von Farhadi angerissen wird: Die Ausnutzung der Armen durch die Reichen. Obwohl Rouhi nur als Putzfrau eingestellt wurde, wird sie rücksichtlos von der Bourgeoisie in ihren Plänen und Intrigen hineingezogen und instrumentalisiert.
Für die Kenner der iranischen Gesellschaft ist auch eine grenzwertige (im Sinne der Zensur) Kritik an den unsinnigen religiösen Vorschriften im Iran wahrnehmbar: Vor der Revolution trugen die meisten Frauen (zumindest in Teheran) keinen Hidschab (oder Hijab: islamisch vorgeschriebene Körperbedeckung für Frauen). Nach der Revolution wurde Hidschab den Frauen aufgezwungen und gesetzlich angeordnet. Seit dem gibt es grob unterteilt drei Arten wie die Frauen im Iran mit der Bedeckung umgehen: 1. Junge Frauen aus der Mittel- und Oberschicht, die Männerbekanntschaft machen möchten: die tragen das Kopftuch max. bis zur Kopfmitte, so daß ihre gesamten Haare gegen islamischen Vorschriften beinahe unbedeckt bleiben, dazu sind sie extrem geschminkt und gestylt. (so sind sie ja fast erotischer als halbnackte Mädchen in Europa) 2. Normale Frauen, die das Kopftuch bis zum vorderen Kopfbereich tragen, wo man zwar die Haare gut sehen kann aber sie sind nicht auffällig und provozierend. 3. Die Frauen, die Tschador (langes schwarzes Tuch zur Ganzkörperbedeckung) tragen und je nachdem zeigen sie höchstens das Gesicht bis zu der Nase oder bis unter den Lippen und somit entsprechen sie 100%ig den islamischen Vorschriften! Aber mittlerweile in Teheran tragen nur noch Prostituierte solche Tschadors, damit sie unbehelligt und "vermummt" ihre "Arbeit" nachgehen können! Also islamsicher Hidschab als Arbeitskleidung für die Huren und nicht Beachtung der islamischen Vorschriften für die "anständigen" Frauen! Im Film "Mittwochsfeuer" trägt die Ehefrau Mojdeh bei der heimlichen Verfolgung ihres vermeintlich untreuen Mannes Tschador, damit sie von ihrem Mann unerkannt bleibt. Als der Mann sie dennoch entdeckt, schlägt er sie im Reflex. Nicht nur weil die Eifersucht der Ehefrau ihm unerträglich wurde, er sagt sinngemäß im Film: "Sie ist selbst schuld, daß ich sie geschlagen habe, schlimm genug, daß sie mich mit ihrem Mißtrauen um den Verstand bringt, sie trägt auch noch einen Tschador wie eine Hure!".

Trotz der hervorragenden Schauspieler und der einwandfreien cleveren Regie (die Frage nach der Treue des Ehemannes bzw. dem Wahnsinn der Ehefrau wird wie ein Krimi inszeniert) sieht man dem Film das geringe Budget leider an.
Fazit: kleine spannende Filmperle, die das universale Thema nämlich die Unvollkommenheit des Menschen und dadurch sein Scheitern in der Institution Ehe genauso raffiniert behandelt wie das spezifische Thema, das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie zwischen arm und reich im Iran. Für die aufgeschlossenen, interessierten Zuschauer sehr empfehlenswert: 8/10 Punkte
PS: "Taraneh Alidousti's einziger Bruder Pouyan starb im März 2005 im Alter von 16 Jahren beim jährlichen persischen Feuerfestival Chaharshanbe Suri (Fireworks Wednesday) an den Folgen einer Explosion; ironischerweise arbeitete sie zu der Zeit gerade an den Film Fireworks Wednesday, der vor dem Hintergrund eben dieses Festivals spielt." Quelle Wikipedia
Asghar Farhadi Iran 2006 Taraneh Alidousti

Inhalt: Am Vorabend des letzten Mittwochs des Jahres (nach persischem Kalender), an dem Mittwochsfeuerfest gefeiert wird, kurz vor Frühlingsbeginn, widmen sich die Menschen im Iran dem Frühjahrputz. Zu diesem Zweck engagiert Morteza, ein Mann aus der oberen Mittelschicht, eine junge, hilfsbereite, aus armen Verhältnissen stammende Putzfrau namens Rouhi (Taraneh Alidousti). Rouhi ist ein lebensfrohes jedoch naives Mädchen um die 20 Jahre, das in Kürze seinen Verlobten heiraten will. Als Rouhi am Arbeitsplatz erscheint, entdeckt sie sofort, daß in dieser unaufgeräumten Wohnung keine intakte Familie lebt. Mortezas Ehefrau, Mojdeh leidet unter akuter Eifersucht. Sie beschäftigt sich nur noch mit dem Gedanken, ob ihr Ehemann sie mit der Nachbarin (eine geschiedene Friseurin) betrügt. Dabei vernachläßigt sie sogar den gemeinsamen Sohn und ist während des ganzen Tages hysterisch. Ihre Eifersucht weist nahezu krankhafte Züge auf: sie instrumentalisiert Rouhi um den beiden angeblichen Ehebrechern auf die Schliche zu kommen …
"Mittwochsfeuer" ist der dritte Spielfilm des iranischen Regisseurs und Drehbuchautors Asghar Farhadi. Während im "Westen" meist ein pauschalisiertes, simplifiziertes Bild vom Iran vorherrscht, zeichnet Farhadi in seinen Filmen mit einer differenzierten Sicht ein höchst komplexes, in seiner Dissonanz verstörendes und doch spannendes Bildnis der iranischen Gesellschaft auf.
In "Mittwochsfeuer" kämpfen vier Personen ums individuelle Glück oder was sie subjektiv dafür halten. Da ist eine Friseuse, die seit einem Jahr geschieden ist und in ihrer Wohnung die Kunden empfängt. ("Schwarzarbeit", die im Iran nicht geahndet wird, solange sich niemand beschwert). Sie möchte ihre neu gewonnene finanzielle und private Unabhängigkeit bewahren. Dann ist der Ehemann, der sich zwischen seinen Pflichten als Vater, Ehemann und Geschäftsführer einer Media-Produktionsfirma eingeengt fühlt und sich nach Freiheit oder zumindest einer stressfreien Nische im Leben sehnt. Die Ehefrau dagegen ist absolut auf Sicherheit bedacht. Die Angst, daß ihr Mann sie nicht mehr liebt und trotz seinen Treueschwuren fremdgeht, hat sie psychisch krank gemacht. Ihr Mann schreit sie mal bei einem Streit an: "Du bist nicht mehr normal, du musst zu einem Psychiater gehen!".
Die Hauptrolle in diesem Drama spielt jedoch die Putzfrau Rouhi, die zwischen allen Stühlen sitzt. Sie ist in ihrer der Jugend (und Armut?) geschuldeten Naivität, der Überzeugung, daß man alle diese Wünsche nach Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit im Einklang bringen kann, nämlich wenn man wirklich liebt. Sie versucht zwischen den Streitenden zu schlichten, denn sie glaubt an die Unkompliziertheit und Wahrhaftigkeit der Liebe und dem zufolge, daß alle eheliche Konflikte auf Missverständnisse basieren, bei deren Beseitigung sie sich bemüht.
Da es sich aber bei diesem Film nicht um eine Komödie aus Hollywood, sondern um eine Tragödie aus dem Iran handelt, ist nicht Rouhi diejenige, die nach diesem Arbeitstag das Eheleben ihrer Arbeitsgeber rettet, sondern sie ist am Ende die Frau, die eine gehörige Portion reifer und erwachsener, nicht mehr ganz unbekümmert in die Dunkelheit der Nacht entlassen wird.
Es gibt einen weiteren sozialkritischen Aspekt, der hier wie auch sonst in den Filmen von Farhadi angerissen wird: Die Ausnutzung der Armen durch die Reichen. Obwohl Rouhi nur als Putzfrau eingestellt wurde, wird sie rücksichtlos von der Bourgeoisie in ihren Plänen und Intrigen hineingezogen und instrumentalisiert.
Für die Kenner der iranischen Gesellschaft ist auch eine grenzwertige (im Sinne der Zensur) Kritik an den unsinnigen religiösen Vorschriften im Iran wahrnehmbar: Vor der Revolution trugen die meisten Frauen (zumindest in Teheran) keinen Hidschab (oder Hijab: islamisch vorgeschriebene Körperbedeckung für Frauen). Nach der Revolution wurde Hidschab den Frauen aufgezwungen und gesetzlich angeordnet. Seit dem gibt es grob unterteilt drei Arten wie die Frauen im Iran mit der Bedeckung umgehen: 1. Junge Frauen aus der Mittel- und Oberschicht, die Männerbekanntschaft machen möchten: die tragen das Kopftuch max. bis zur Kopfmitte, so daß ihre gesamten Haare gegen islamischen Vorschriften beinahe unbedeckt bleiben, dazu sind sie extrem geschminkt und gestylt. (so sind sie ja fast erotischer als halbnackte Mädchen in Europa) 2. Normale Frauen, die das Kopftuch bis zum vorderen Kopfbereich tragen, wo man zwar die Haare gut sehen kann aber sie sind nicht auffällig und provozierend. 3. Die Frauen, die Tschador (langes schwarzes Tuch zur Ganzkörperbedeckung) tragen und je nachdem zeigen sie höchstens das Gesicht bis zu der Nase oder bis unter den Lippen und somit entsprechen sie 100%ig den islamischen Vorschriften! Aber mittlerweile in Teheran tragen nur noch Prostituierte solche Tschadors, damit sie unbehelligt und "vermummt" ihre "Arbeit" nachgehen können! Also islamsicher Hidschab als Arbeitskleidung für die Huren und nicht Beachtung der islamischen Vorschriften für die "anständigen" Frauen! Im Film "Mittwochsfeuer" trägt die Ehefrau Mojdeh bei der heimlichen Verfolgung ihres vermeintlich untreuen Mannes Tschador, damit sie von ihrem Mann unerkannt bleibt. Als der Mann sie dennoch entdeckt, schlägt er sie im Reflex. Nicht nur weil die Eifersucht der Ehefrau ihm unerträglich wurde, er sagt sinngemäß im Film: "Sie ist selbst schuld, daß ich sie geschlagen habe, schlimm genug, daß sie mich mit ihrem Mißtrauen um den Verstand bringt, sie trägt auch noch einen Tschador wie eine Hure!".

Trotz der hervorragenden Schauspieler und der einwandfreien cleveren Regie (die Frage nach der Treue des Ehemannes bzw. dem Wahnsinn der Ehefrau wird wie ein Krimi inszeniert) sieht man dem Film das geringe Budget leider an.
Fazit: kleine spannende Filmperle, die das universale Thema nämlich die Unvollkommenheit des Menschen und dadurch sein Scheitern in der Institution Ehe genauso raffiniert behandelt wie das spezifische Thema, das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie zwischen arm und reich im Iran. Für die aufgeschlossenen, interessierten Zuschauer sehr empfehlenswert: 8/10 Punkte
PS: "Taraneh Alidousti's einziger Bruder Pouyan starb im März 2005 im Alter von 16 Jahren beim jährlichen persischen Feuerfestival Chaharshanbe Suri (Fireworks Wednesday) an den Folgen einer Explosion; ironischerweise arbeitete sie zu der Zeit gerade an den Film Fireworks Wednesday, der vor dem Hintergrund eben dieses Festivals spielt." Quelle Wikipedia
Asghar Farhadi Iran 2006 Taraneh Alidousti