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Gernguckers Filmtagebuch


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Barbara und mehr


Hugo Cabret
(Martin Scorsese)

Am hier allgemein vorherrschenden Tenor des Lobs über "Hugo Cabret" kann ich mich leider nicht beteiligen. Mein Eindruck vom Film ist gänzlich anders. Für mich hat der Film auf keiner der beiden Ebenen funktioniert. Die primäre Kindergeschichte fand ich erschreckend dünn, emotional kalt und uninteressant, der Versuch einer weiteren dickens'schen Waisenknaben-Geschichte. Weder die beiden Kinderfiguren (die ich auch noch schlecht gespielt, bzw. schlecht inszeniert empfand) und ihre schweren "Schicksale" konnten mich überzeugen, noch die marionettenartigen Nebenfiguren des Bahnhofs, die allesamt wieder fallengelassen und damit überflüssig wurden. Einzig interessant war die von Ben Kingsley wie gewohnt sehr gut verkörperte Figur des Melies. Aber da stößt der Film in die Tiefen jenseits des Familienfilmes vor, in die nur cinephile Zuschauer Scorsese folgen können. "Hugo Cabret" sitzt als Kinderfilm einerseits und Kinohommage andererseits irgendwie zwischen den Stühlen. Das Ansinnen, die Anfänge des Kinos mit seinem Jahrmarktcharakter wieder aufleben zu lassen, fand ich gut und teilweise erzählerisch auch recht nachvollziehbar im Film umgesetzt. Jedoch die Mittel, mit denen Scorsese in der audiovisuellen Gestaltung das tat, wollten mir nicht gefallen. In meinen Augen verriet Scorsese sich selbst, indem er dazu auf übertrieben-unecht wirkende Kulissenbauten zurückgriff, sich in Ausstattungsdetails und Effekten und (in meinen Augen) plumper Überwältigung erging. Er will dem Gestern des Zelluloids Ehrung erbringen, vergeht sich jedoch zu häufig am digitalen Overkill von Heute. Zeitlose Magie im Kino funktioniert für mich anders. Ich hab den Film (natürlich) in 2D gesehen und wurde vielleicht auch deshalb von der optischen Ebene nicht beeindruckt. Dennoch ist für mich "The Artist" bedeutend ehrlicher und fühlt sich "richtiger" an, der wirklich durch Reduktion auf Schwarzweiß, stummes mimisches Schauspielern, Normalbildformat dem Wechsel von der Stumm- auf die Tonfilmära eine kleine (natürlich nicht kritikfreie) Hommage widmet.


Vivan Las Antipodas
(Victor Kossakowsky)

Anfangs sehr interessantes und bildtechnisch beeindruckendes Porträt von Antipoden der Erde, das sich jedoch zunehmend erzählerisch wie optisch selbst erschöpft und mittels bald unnachvollziehbaren Ortswechseln mehr verwirrt als aufklärt.


Once upon a time in Anatolia
Biz zamanlar Anadolu'da
(Nuri Bilge Ceylan)

Noch während des Sehens zu später Nachtstunde hatte ich mich sehr gequält. Zäh, langsam und nebensächlich wurde hier ein Kriminalfall aufgeklärt. Ich war froh, als ich nach zweieinhalb Stunden den auf Dauer zu weichen Kinositzen entkam. Doch dann am nächsten Morgen, erinnerte ich mich plötzlich an einen ganz anderen Film, der sich auf eine stille, eindringliche Art den Menschen einer Provinz annäherte, ihr Innerstes langsam enthüllte und sie in ihre Heimat einbettete. Hat mir im Nachgang doch sehr gut gefallen.


Barbara
(Christian Petzold)

Erneut spielt eine großartige Nina Hoss in einem überzeugenden Film von Christian Petzold, der erstmals in der Zeit zurückgeht und seine Geschichte in der DDR von 1980 ansiedelt, wo eine Berliner Ärztin nach ihrem Ausreiseantrag an ein Provinzkrankenhaus versetzt wird. Wie in Petzolds anderen Filmen bleibt auch hier die Protagonistin ungreifbar, flüchtig, gespenstig. Sie sucht nach ihrem Weg, schottet sich ab, lässt andere Menschen nicht an sich heran, bis das Berufsethos ihre Haltung aufbricht und sie zwingt Stellung zu beziehen. Ihre Unnahbarkeit offenbart sich als Schutz statt Charakter. Über einen leeren Landstrich, an dem selbst das nahe Meer unsichtbar bleibt, weht ein Wind, von dem man glauben könnte, dass er das kommende "Turiner Pferd" ankündigen will. Auch gegen ihn "tritt" die Frau an, der ihrer nahezu geisterhaften Erscheinung die Physis zurückgibt und sie zu einer Getriebenen zwischen möglichen Lebensentwürfen macht.


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Berlinale 2012


Berlinale 2012


Den WETTBWERB empfand ich dieses Jahr als recht ansprechend, zumindest kann ich das übermeine Auswahl an gesehenen Filmen sagen. Über den Gewinner des Goldenen Bären bin ich ein wenig überrascht, denn den Film der Taviani-Brüder hatte ich als einen der ersten aussortiert.
"Czak a szel - Just the Wind" (Bence Fliegauf; Ungarn) ist aufreibendes, atmosphärisch dichtes Kino, das die Roma-Morde und den unterschwelligem Rassismus im Ungarn 2008 thematisiert. Tolle Kamera, die sich an die Fersen seiner Figuren heftet und dabei unglaublichen Suspense erzeugt und auf hohem Niveau hält.
"Tabu" (Miguel Gomes; Portugal) ist formal außergewöhnliche Schwarzweiß-Kunst, besonders in der zweiten Hälfte nah dran am (kommentierten) Stummfilm. Hat mir sehr imponiert. Murnaus gleichnamigen Klassiker kenne ich leider nicht. Um den werde ich mich demnächst bemühen. Achja - die Kinoszenen mit Pilar waren natürlich ganz wunderbar.
"Meteora" (Spiros Stathoulopoulos; Griechenland) hat mir ebenfalls gefallen, eine universelle Liebesgeschichte, die sich trotz Verbot ans Licht bricht. Sehr gelungen waren die ikonenartigen Animationen, weniger gut war die digitale Kamera, die besonders die Totalen recht kontrastlos und verschwommen einfing und damit der großartig archaischen Landschaft nicht gerecht wurde (was vermutlich an den fehlenden finanziellen Mitteln lag).
"Captive" (Brillante Mendoza; Frankreich/Philippinnen) zeigt in rastlosen 120 Minuten eine Entführungsgeschichte aus dem Jahr 2001, fängt das wilde Durcheinander, die ständig hereinbrechenden Kampfsituationen und Hinterhalte, die Gefahren des Dschungels, willkürlichen Tod und eine unberechenbare Symbiose zwischen Rebellen und Opfern in packenden Szenen, Bildern und Geräuschen ein.
"Kebun binatang - Postcards from the Zoo" (Edwin; Indonesien) erinnert in der ersten Hälfte an eine Art "Amelie" in Indonesien, schafft poetisches und magisches Kino. Mit der zweiten Hälfte verliert er sich ein wenig, der Zauber der Inszenierung hält leider nicht bis zum Ende. Er lässt seine Protagonistin zwar am Ende heimkehren, aber narrativ war mir die Handlung ein wenig dürftig, vor allem da die Magie der Bilder zwischenzeitlich nachließ.
Außer Konkurrenz lief "Jin lin Shi San Chai - The Flowers of War" (Zhang Yimou; China) - ein allzu pathetisches Nationalepos, das sich einer bewegenden historischen Geschichte annimmt, aber diese arg rührselig aufbereitet. Zhang Yimou rührt und rührt ohne Unterlass. Zwischendurch blitzten immer wieder starke Bilder (einfallendes Licht in die Kirche) und damit das große Plus des Filmes auf. Leider überinszeniert er aber die Bilder von Krieg, Tod und übersteigertem Heldentum. Zum Glück endet der Film rechtzeitig und ersparte mir ein womöglich unerträgliches Finale. Hatte Zhang Yimou mit "Riding alone a Thousand of Miles" noch den chinesischen-japanischen Schulterschluss gesucht, so zeichnet er hier ein arg eindimensionales Bild der Kriegsparteien. Schade.

Meine Auswahl aus dem PANORAMA-Programm erwies sich als ausgesprochen durchwachsen.
"Parada" (Srdjan Dragojevic; Serbien etc.) ist ein wunderbarer Publikumsfilm trotz, bzw. gerade wegen seines queeren Themas und seinem humorvollen Umgang mit bestehenden Vorurteilen und Klischees. Habe mich sehr amüsiert und unterhalten gefühlt. Sehr schön war auch die symbolische Wiedervereinigung der ex-jugoslawischen Staaten - ein Abbild des auch gesellschaftlich aktuell einsetzenden Dialoges. Außerdem: schon allein, wie der Film solche Klassiker wie "Ben Hur" und "Die glorreichen Sieben" entzaubert, ist das Ansehen wert.
"Highway" (Deepak Rauniyar; Nepal/USA) vollbringt einen Brückenschlag zwischen ländlich-einfachem Leben und (einer so von mir nicht erwarteten) Moderne der Großstadt. Unvermittelt wird aus dem gewitzten Roadmovie eine Art "Short Cuts" in Nepal, das die Insassen eines Überland-Busses mit den Menschen in der Metropole und viele wieder untereinander in Verbindung setzt. Leider hab ich in der so nicht erwarteten Komplexität den Überblick über die Figuren verloren und hab den Film und seine Teilstücke zuletzt nicht ganz zusammen bekommen.
"The Woman who brushed off her Tears" (Teona Strugar Mitevska; Mazedonien) erzählt von zwei sehr unterschiedlichen Frauen, die in ihrer Not auf sich allein gestellt werden. Nur beschwerlich findet die Kamera einen direkten Blick auf die Figuren. Eine kann den Tod des Sohnes und die mögliche Schuld ihres Mannes nicht verwinden, die andere versucht aus dem Gefängnis eines rückständigen muslimischen Landlebens auszubrechen. Am Schluss führt die Erzählung beide Frauen zusammen und sorgt überraschend für eine "gemeinsame" Lösung ihrer Probleme.
"Kuma" (Umut Dag; Österreich) führt eine junge türkische Frau aus ihrer Heimat fort und bettet sie in eine Familie in Österreich ein, in welcher der Schein mehrfach trügt. "Kuma" erzählt vom Weg der jungen Frau bei der Integration in ein schwieriges Umfeld und über ihre Sehnsucht einer Selbstverwirklichung, die gegen die Traditionen verstößt und den Zorn der anderen auf sie lenkt. Am Ende fehlte mir eine deutlichere Aussage des Filmes. Das Plädoyer für Toleranz fiel etwas halbherzig aus.
"Die Wand" (Julian Roman Pölsler; Österreich) ist für Liebhaber des Romanes sicher genau der Film, den sie erwarten mögen: Eine Bebilderung von geschriebenen Worten. Sicher gibt es nicht viele Möglichkeiten, die sciencefiction-artige Geschichte einer unfreiwilligen Eremitin auf die Leinwand zu übertragen. Die Gedanken der Frau sind ein unablässiger Monolog als Offstimme, der den Film leider zu einer Art angestrengtem Vorlesekino macht, welches seine schönen Bilder dann doch immer der Literatur und seinen philosophischen Gedanken unterordnet. Zu wenig für Kino.
"Xingu" (Cao Hamburger; Brasilien) lässt schon durch seine mit Förderern überfüllten Vorcredits erahnen: hier folgt pompöses, wichtiges, aufklärerisches "National Geographic"-Kino. Drei Brüder, die im brasilianischen Urwald auf Indios treffen, deren Lebensweise studieren und fortan bei ihnen leben, werden zu Gutmenschen und Helden stilisiert, die bald den Kampf um den Erhalt des Lebensraumes der Indios führen. Schade um den interessanten, aber sehr simpel heruntergebrochenen Stoff, der sicher ein Publikum verdient. Die Inszenierung war zudem unangemessen pathetisch. Die Bilder und die Musik sind gut aber permanent zu groß für einen Film, der eigentlich selbstloses Engagement zeigen wollte.

Die vier Filme aus dem FORUM luden allesamt zu intensiver Auseinandersetzung ein.
"Tepenin Ardi - Beyond the Hill" (Emin Alper; Türkei/Griechenland) inszeniert einen Mikrokosmos an Figuren in einer kargen Gebirgslandschaft, eingefangen in tollen Cinemascope-Bildern. Zwischen die Menschen bricht sich bald Gewalt ihre Bahn, drohend werden die Blicke auf den unsichtbaren Feind, jene Nomaden auf der anderen Seite des Berges, geworfen und bald mobil gegen sie gemacht. Das stille eindringliche Drama spielt mit seinen Figuren, ihren Ansichten und Vorurteilen, vollendet sich zu einer sehr schönen Parabel, die dem Film dennoch seine Geheimnisse belässt. Hat mir sehr gefallen.
"Avalon" (Axel Petersen; Schweden) zeigt in seinem stimmungsvollen Film drei Menschen, für die die Zeit stehen geblieben ist und die sich als altgewordene Junggesellen in ihrem verantwortungslosen Partyleben feiern und dies zu ihrer Bestimmung gemacht haben. "Avalon" zeigt, wie sie mit ihrem realen Umfeld überfordert sind und sich stattdessen in ihre Wunschwelt ohne Sorgen zurückziehen, um selbstvergessen abzufeiern. Vor allem die Partyszenen sind sehr stimmig und schön inszeniert, die Bilder und Musik sind überzeugend genug, um selbst in diese andere Welt hinübergleiten zu wollen.
"Paziraie Sadeh - Modest Reception" (Mani Haghighi; Iran) lässt uns mit seinen quälenden Protagonisten durch einen rückständigen Landstrich reisen. Ein Mann und eine Frau verteilen wahllos an einfache Menschen Geld und werden zugleich zu moralischen Verbrechern. Sie spielen "Funny Games" mit ihren "Beschenkten", die das blanke Zuschauen schier unerträglich machen. Erst mit etwas Abstand zur soeben erlebten filmischen Tortur tritt die Kritik an der bestehenden Kluft zwischen Arm und Reich hervor. Der Film ist eine echte Belastungsprobe, die jedoch zur Auseinandersetzung mit seinen Figuren zwingt.
"Toata lumea din familia noastra - Everybody in our family" (Radu Jude; Rumänien) schließt sich ein wenig an den zuvor genannten Film an. Hier ist es ein Mann, der bei der Familie seiner Ex auftaucht, um die gemeinsame Tochter zu einem Ausflug abzuholen, sich dort aber in ein gewalttätiges Familiendrama verrennt, das bald keinen Ausweg für den Protagonisten mehr offen lässt. Der Alltag einer Patchworkfamilie wird zur bitterbösen Farce, ein Kleinkrieg in den vier Wänden. Die Intensität der Handlung steigt mit dem Adrenalinspiegel seiner Figuren. Leider ermüdet der keine Grenzen kennende Film dann doch auf Dauer ein wenig, der Blick auf die Figuren weitet sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr.

Außerdem habe ich einen jener Filme aus Kambodscha der 1960er Jahre gesehen, von denen nur wenige während des Krieges erhalten geblieben sind. "Peov Chouk Sor" ist ein farbenprächtiges, simples Märchen, das eine Himmelstochter und einen einfachen Erdenmenschen zusammenführt. Eine sehr schöne Entdeckung, allerdings mit einem arg unökonomischen Ende, das mich im wahrsten Sinne des Wortes leiden ließ. Der recht gute Film "Das Haus am Fluss" (Ein Wiedersehen mit Katrin Sass, Corinna Harfouch und anderen in jüngeren Jahren) lief in der Reihe zu Ehren des Filmstudios Babelsberg, "Magyarorszag 2011" eine Sammlung von 11 Kurzfilmen, die ungarische Filmemacher ohne Geld gedreht haben, um auf die aktuelle missliche (politische wie kulturelle) Lage ihrer Heimat hinzuweisen. Die gelungenste Idee zeigte einen Kurzfilm, der nur aus Vorspann und Abspann besteht, zwischen denen nur schwarze Leinwand herrscht, und Altmeister Miklos Jancso bringt es in seinem Beitrag auf den Punkt: "Hier kann man keine Filme drehen, hier kann man nur schreien". Im Anschluss an die Kurzfilme gab es ein ganz interessantes Podiumsgespräch mit Produzent Bela Tarr und Bence Fliegauf, der einen der Kurzfilme beisteuerte. Zu meinem emotionalen Höhepunkt der diesjährigen Berlinale wurde erwartungsgemäß die Sondervorstellung von "Trilogie: Die Erde weint" zu Ehren des verstorbenen Theo Angelopoulos. Dieter Kosslick, aber vor allem Angelopoulos' langjähriger Co-Autor und Freund, Petros Markaris, berichteten bewegend über den Verstorbenen. Der Film selbst, den ich natürlich schon kannte, ist ein eindrucksvolles Zeugnis, was sowohl Angelopoulos Verankerung seiner Filme in die Historie des eigenen Landes und der Mythologie der Griechen angeht als auch die Inszenierung in langen Einstellungen und Kamerafahrten, in der sich mitunter ohne Schnitt verschiedene Zeiten in einem Bild vereinen.


Einen Überflieger wie in den vergangenen Jahren ("La Teta Asustada", "Winter's Bone" oder "The Turin Horse") hatte ich dieses Mal nicht, ich bin aber ganz zufrieden mit den von mir gesehenen Filmen. Am meisten möchte ich da "Tepenin Ardi", "Czak a szel" und "Tabu" hervorheben.


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Zhang Yimou


Zhang Yimou

Zhang Yimou ist einer jener Filmemacher der sogenannten 5. Generation, der es erstmals gelang, nach der Ära von Mao Zedong neue filmische Stile, erzählerische Formen und Freiheiten zu wagen und finden, um die nach wie vor bestehenden strengen Reglementierungen zu unterwandern und mit bestehenden Verboten und Fesseln so zu jonglieren, dass deren Filme vor dem Hintergrund der politischen Situation Chinas im 20. Jahrhundert als gesellschaftskritisch gelesen werden können. Als ein solcher systemkritischer Filmemacher wurde Zhang Yimou gleich mit seinem sehr guten Erstling "Rotes Kornfeld" international bekannt. Zunächst musste er seine Botschaften noch versteckt formulieren (welche ein wachsames internationales Publikum intensiv dechiffrierte), erst mit "Leben!" wagte er offene Kritik und bekam gleich wieder Schwierigkeiten mit den Zensoren des Landes und der Film wurde in China verboten. Der Regisseur ist gelernter Kameramann, was man seinen bildbewussten Filmen stets ansieht. Gern spielt er auch mit Farben, so wurde die Farbe Rot zum Auszeichnungsmerkmal seiner frühen Filme, so wie auch seine mit ihm bekannt gewordene Hauptdarstellerin Gong Li. Aber Zhang Yimou will als Filmemacher nicht auf bestimmte Filme bzw. Themen festgelegt werden und sucht die Abwechslung. So entstanden neben den großartigen gesellschaftskritischen bzw. historischen Dramen auch kleine intime Filme wie "Heimweg", Genreanlehnungen wie "Shanghai Serenade", formvollendete, weit in die chinesische Geschichte zurückverweisende Kampfkunstfilme wie "Hero", alberner Klamauk wie "A Woman, a Gun and a Noodleshop" oder auch ein Brückenschlag zur chinesisch-japanischen Annäherung "Riding Alone for Thousands of Miles". Häufig stellt er eine Frau in den Mittelpunkt seiner Filme und lässt sie zu einer emanzipatierten Protagonistin reifen, die sich von den Fesseln der Tradition und Fremdbestimmung befreit. Mehrmals greift er das Thema der Stadt/Land-Gegensätze auf, oder er verankert die jahrhundertealte chinesische Kultur (chinesische Oper, Schattenspiel, Kampfkunst, Tanz, Kaligraphie) in seine Filme.
Viele mögen seine späteren Filme weniger als die früheren, oder auch gar nicht. Ich selbst mag fast alle seine Filme und freue mich über seine Ambitionen zur Vielfalt, wobei mir seine gesellschaftskritischen Filme aber auch am besten gefallen. Dass er zu den Themen seiner international geschätzten frühen Filme zurückzufinden mag, hat er zuletzt mit "Under the Hawthorn Tree" bewiesen.
Von seinen Filmen kenne ich derzeit nur "Deckname Puma", "Keep Cool" und "Happy Times" nicht. Und man darf gespannt sein, wie das Wagnis seines großen nationalen Kriegsdramas ("The Flowers of War") ausfallen wird, welchem ich selbst mit einiger Skepsis entgegensehe.

(01) Leben! - Huozhe (1994)
(02) Hero - Ying xiong (2002)
(03) Rote Laterne - Da hong deng long gao gao gua (1991)
(04) Rotes Kornfeld - Hong gao liang (1987)
(05) Heimweg - Wo de fu qin mu qin (2000)
(06) Die Geschichte der Qiu Ju - Qiu Ju da guan si (1992)
(07) Keiner weniger - Yi ge dou bu neng shao (1999)
(08) Ju Dou - Ju Dou (1990)
(09) Under the Hawtorn Tree - Shan zha shu zhi lian (2010)
(10) House of Flying Daggers - Shi mian mai fu (2004)
(11) Der Fluch der goldenen Blume - Man cheng jin dai huang jin jia (2006)
(12) Riding Alone for Thousands of Miles - Qian li zou dan qi (2005)
(13) Shanghai Serenade - Yao a yao yao dao weipo qiao (1995)
(14) A Woman, a Gun and a Noodle Shop - San qiang pai an jing qi (2009)

An der Spitze stehen eigentlich "Leben!", "Hero" und "Rote Laterne" gemeinsam. Da mag ich nur schwerlich eine Reihenfolge zu finden, sie sind alle drei sehr meisterhaft. Ohnehin: Kaum ein Film rechtfertigt es, ihn erst in der zweiten Hälfte der Liste aufzuführen. Nur die letzten beiden Plätze stehen da mit großer Sicherheit. "Shanghai Serenade" ist formal sehr gelungen, aber dramaturgisch weniger ausgefeilt. Und das grelle "Blood Simple"-Remake ist zwar visuell und effektös außergewöhnlich, aber war dann wirklich recht deutlich nicht mein Fall. Und ist damit bislang die Ausnahme im Werk von Zhang Yimou.


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The Artist, Drive und mehr


Auf die Schnelle noch ein paar Kurzkommentare zu meinen letzten Filmen:


Tage, die bleiben
(Pia Strietmann)

Groteskes Drama über Trauerverarbeitung und Kittung einer zersplitterten Familie. Letzteres funktioniert nur sehr bemüht und lehrbuchhaft. Jedoch gegen Ende am Grab war ich sehr berührt, vor allem durch die unkomplizierten Integrationen der familiären "Nebenbuhler". Insgesamt eher mäßig.


The Artist
(Michel Hazanavicus)

Eine wunderschöne Offenbarung im 3D-Zeitalter. Eine mit den Mitteln des Stummfilmes spielende Ode an das Stummfilmzeitalter und seinen Niedergang durch den Tonfilm, verkörpert durch zwei tolle Darsteller. Für einen wirklichen "klassischen Stummfilm" ist er mir eine Idee zu lang geraten, zu abschweifend. Eine leichte Straffung besonders in der zweiten Hälfte hätte dem Film gut getan. Dennoch hat Hazanavicus toll inszeniert und mit Uggy eine verzaubernde Trumpfkarte draufgepackt. "The Artist" ist eine Erinnerung an eine gute alte Zeit, genau zum rechten Augenblick, denn erneut stehen wir vor einem möglichen technischen Wandel, der mehr verblendet als überzeugt. Ja, gebt ihm den Oscar!


Drive
(Nicolas Winding Refn)

"Drive" ist ein so moderner wie altmodischer Actionthriller, ein Retrofilm, der an große Erfolgsformeln vergangener Zeiten erinnert und sich dabei angenehm vom aktuellen Mainstream abhebt. Als maskuliner Fetischfilm spielt er mit röhrenden Motoren, schmiegsamen Leder, Geschwindigkeit, aufblitzender Gewalt und kühler Besonnenheit, einem einsamen Helden, einer schönen wie beschützenswerten Frau (wunderbar: Carey Mulligan!!!) und der stimmungsvollen Nacht. "Drive" empfand ich als sehr stimmig inszeniert, bebildert und musikalisch unterlegt. Ein Film vom Gestern im Heute, der trotz seiner stellenweise extremen Brutalität sehr zu gefallen wusste.


Dame, König, As, Spion
Tinker, Tailor, Soldier, Spy
(Tomas Alfredson)

Ein spannender, formal sehr gut gestalteter und aufmerksamkeit-fordernder Agententhriller über die Suche nach einem Maulwurf an der Spitze des britischen Geheimdienstes in den 1970igern. Die Atmosphäre ist aufgeladen, das Setting angenehm altmodisch, die Kamera nüchtern-kühl, das Ensemble, geführt von Gary Oldman, erstklassig. In kleineren Details kam ich beim Verstehen des Plots und seines Figurenkosmos nicht ganz mit. Dafür hatte ich die Identität des Maulwurfes schon sehr früh richtig vermutet.


The Descendants
(Alexander Payne)

Das Familienvehikel von Alexander Payne (an dessen "Sideways" ich sehr gern zurückdenke) mit Georg Clooney empfand ich insgesamt als eher enttäuschend und überschätzt. Die Geschichte ähnelt ein wenig jener von "Tage die bleiben": eine Familie bereitet sich auf den Tod der Frau/Mutter vor und muss sich dabei selbst neu finden. Gerade in der Figurenzeichnung schwächelt der Film. Zu schnell wandelt sich die große Schwester, zu dämlich wird deren Freund charakterisiert und unnachvollziehbar entwickelt, ganz abgesehen von ganz anderen schrecklichen Nebenfiguren. Der Film streift viele schwelende Konflikte in und im Umfeld der Familie und lässt sie wieder fallen oder formuliert sie nur halbherzig zu Ende. Da hätte ich mich über eine stärkere Fokussierung und Vertiefung mehr gefreut. Gerade die Parallelerzählung um die Zukunft des Landbesitzes kam mir viel zu kurz.


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Faust


Faust
(Alexander Sokurow)

Alexander Sokurows Interpretation ist zwar ein unverkennbarer Faust aber doch recht frei nach Goethes Vorlage entstanden. Puristen werden die abweichenden Elemente sicher bemängeln. Darüber zu urteilen, ob Sokurows Version neben dem Klassiker Bestand haben darf, ob seine Auslegung sich würdig erweist oder nicht, ob seine Veränderungen am Stoff tolerierbar sind oder nicht, vermag ich mir nicht anzumaßen. Dazu bin ich zu weit von Goehtes "Faust" entfernt, den ich das erste und einzige Mal während der Schulzeit las. Es ist sicher nicht Sokurows Ansinnen gewesen, mit Goethe verglichen zu werden, sondern er hat sich sehr bewusst von seiner Vorlage distanziert. Rein für diesen Film funktioniert diese etwas verändert erzählte Fassung in meinen Augen recht gut, nur diese sonderbare Frauenfigur, von Hannah Schygulla gespielt, blieb mir ein Rätsel, aus dem auch der Film keinen Gewinn ziehen konnte. Im Gegenteil: sie störte und lenkte ab. Sie schwebt wie eine Störstelle durch das düstere Setting, umkreist die Paktierenden und dennoch fügt sie sich in die Schizophrenie des Bildes ein. Also doch auch wieder beabsichtigt. Aber irritierend. Absolut beeindruckend ist jedoch die handwerkliche Gestaltung: Kamera, Lichtsetzung, Ausstattung, optische und akkustische Verfremdungen, die Nachgestaltung bzw. die Wahl der Drehorte. Das hat mir schon sehr imponiert. Ich wurde zum Staunen angeregt, nur mit dem Herzen war ich nicht dabei.


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Kriegerin // Ziemlich beste Freunde


Kriegerin
(David Wnendt)

Thematisch gut gemeintes, in der Ausführung leider arg angestrengtes und überdeutlich gezeichnetes Drama im rechten Millieu, in dem eine gewaltbereite junge Frau sich selbst neu überdenkt. Weil eine solche Figur ein Gegengewicht braucht, greift der Film auf eine Überkreuzerzählung zurück und stellt der "Kriegerin" ein jüngeres Mädchen gegenüber, das von der Faszination des Rechtsextremismus erfasst wird. Der Film will politisch wachrütteln und aufklären, kommt auch zu einer richtigen Zeit ins Kino, ist aber meines Erachtens für einen halbwegs aufgeklärten Zuschauer ohne Belang. Der größte Fauxpas ist eine aufgesetzte, politisch-schulmeisterhaft-vorbildliche "Demokratie"-Klammer, die über den Film gestülpt wurde und ihn fragwürdiger macht, als er es ohnehin ist.


Ziemlich beste Freunde
Intouchables
(Eric Toledano, Olivier Nakache)

Auch diese Buddy-Komödie ist an sich sehr klischeehaft überzeichnet. Dennoch gewinnen ihre beiden Hauptfiguren, ein gelähmter Wohlstands-Mann und sein unverfrorener bodenständiger Pfleger, in ihrem Spiel mit Gegensätzen, Ängsten und Vorurteilen an Fahrt, Witz und Sympathie. So wurden die knapp 2 Stunden Laufzeit nach etwas zähem Start zu einem immer besser funktionierenden, recht gut unterhaltenden Film, der mich letztlich für seine Protagonisten eingenommen hat. Warum jedoch "Intouchables" diesen großen Zuschaueransturm erst in Frankreich und jetzt bei uns ausgelöst hat, ist mir nicht ganz nachvollziehbar. Aber es ist schön, mal wieder so volle Kinosäle zu erleben.


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Huhn mit Pflaumen


Huhn mit Pflaumen
Poulet Aux Prunes
(Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud)

Der zweite Film des iranisch-französischen Regieduos war mir ein sehr angenehmer Einstieg in das neue Kinojahr. "Huhn mit Pflaumen" ist nach "Persepolis" erneut eine sehr schöne, bezaubernd illustrierte Verfilmung eines Comics von Satrapi, dem diesmal leider die persönliche Note fehlt. In dem als Realfilm mit animierten Ausschmückungen inszenierten Liebesmärchen verfällt ein Künstler einer schönen Frau, die ihm jedoch nicht gehören darf. In seinem Liebeskummer vollendet er seine Musik zur wahren Kunst - eine Behauptung, deren Überzeugung mir das Werk leider schuldig blieb. Der Film spielt mit seinen Figuren, dringt jedoch nicht tiefer in sie vor als nötig. Sie bleiben funktionelle Schablonen, was aber für einen Comic auf der Leinwand auch vollkommen ausreichen mag. Zumindest ich habe mich nicht daran gestört. Meine Faszination galt ohnehin viel mehr dem wunderbaren visuellen Zauber, der die Leinwand vereinnahmte - feines Kino zum Schauen und Staunen. Da sah ich gern über einige schwächelnde Momente hinweg, wie auch über den blassen Protagonisten, der zwischen den beiden Frauen an seiner Seite verblasste.


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Jahresrückblick 2011


Jahresrückblick 2011

Mein diesjähriger großer Favorit "A Torinoi Lo - The Turin Horse" von Bela Tarr war bislang leider nur auf Festivals zu entdecken, doch man darf zur Zeit auf einen baldigen Kinostart hoffen.
"A Torinoi Lo" ist ein Meisterwerk! Ein ästhetisches Kunstwerk in empfindlichem Schwarzweiß, sparsam in Dialog und Handlung, ganz dicht am Stummfilm dran. Ein Bela Tarr eben und so konsequent und stilvollendet wie kaum zuvor. Er beschreibt eine zeit- und raumlose Apokalypse, in der das Leben erstirbt. Der zweieinhalbstündige Film besteht aus lediglich 30 Sequenzen, jede für sich eine Meisterleistung an Kamerabewegung und Lichttechnik, viele von ihnen mit der immergleichen melancholischen Musik untermalt. Das verlangt zugegebenermaßen sehr viel Geduld vom Zuschauer ab, die man dem ungarischen Autorenfilmer einfach zugestehen muss. Bela Tarr durchquert, erforscht und öffnet seinen Raum, so dass ich mich bald mitten in der Bauernhütte wähnte und dem voranschleichenden Niedergang machtlos beiwohnte. Mit großen, staunenden Augen (fest auf die Leinwand gerichtet, um keine Sekunde zu verpassen) wurde ich Zeuge, wie der Alltag der Bauern mit ihren banalen, sich stoisch wiederholenden Ritualen, sich immer weiter verdichtete. Und besonders die mit der Musik unterlegten Szenen, die mitunter oft minutenlang das immergleiche zeigen, gehören zu den großartigsten des Filmes. Szenen, die keine Worte der Beschreibung finden und mich einmal mehr sprachlos machten.
Leider ist das vermutlich Bela Tarrs letzter Film, der selbst bekundete, mit diesem Niedergang der Welt ein standesgemäßes Ende seiner Regisseurslaufbahn geschaffen zu haben. Und leider muss ich ihm da auch noch zustimmen, denn "A Torinoi Lo" ist in der Tat eine Art kompromissloser Endpunkt.



K I N O F I L M E


01. Perfect Sense (David Mackenzie, UK)
02. Halt auf freier Strecke (Andreas Dresen, Deutschland)
03. Winter's Bone (Debra Granik, USA)
04. Melancholia (Lars von Trier, Dänemark)
05. Pina - Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren 2D (Wim Wenders, Deutschland)
06. Tyrannosaur (Paddy Considine, UK)
07. Nader und Simin (Ashgar Farhadi, Iran)
08. Midnight in Paris (Woody Allen, USA)
09. Brownian Movement (Nanouk Leopold, Niederlande)
10. Le Havre (Aki Kaurismäki, Finnland)

Runners up: Und dann der Regen, Schlafkrankheit, Der Gott des Gemetzels, Cirkus Columbia, Der Name der Leute, Another Year, Angele und Tony, Die Haut in der ich wohne, Incendies

Dazu seien noch 5 Filme erwähnt, die sich in diesem Jahr auf die ein oder andere Art besonders herausgestellt und zumindest teilweise meine Achtung gewonnen haben.

I Killed My Mother (Xavier Dolan, Kanada)
Mad Circus (Alex de la Iglesia, Spanien)
Die Mühle und das Kreuz (Lech Majewski, Polen)
The Tree of Life (Terrence Malick, USA)
Vier Leben (Michaelangelo Frammartino, Italien)


In stillem Gedenken an unseren einstigen Community-Preis von kino.de gibt es noch einige Listen für die mir wichtigsten unserer üblichen Kategorien. Kürzer gefasst als sonst, vielleicht etwas weniger gut überlegt.

Beste Regie:
1. David Mackenzie ("Perfect Sense")
2. Andreas Dresen ("Halt auf freier Strecke")
3. Wim Wenders ("Pina")
4. Lars von Trier ("Melancholia")
5. Nanouk Leopold ("Brownian Movement")

Bestes Drehbuch:
1. Kim Fupz Aakeson ("Perfect Sense")
2. Woody Allen ("Midnight in Paris")
3. Asghar Farhadi ("Nader und Simin")
4. Ulrich Köhler ("Schlafkrankheit")
5. Debra Granik/Anne Rosellini/Daniel Woodrell ("Winter's Bone")

Beste Kamera:
1. Emmanuel Lubezki ("The Tree of Life")
2. Lech Majewski/Adam Sikora ("Die Mühle und das Kreuz")
3. Manuel Alberto Claro ("Melancholia")
4. Kiko de la Rica ("Mad Circus")
5. Matthew Libatique ("Black Swan")

Bester Darsteller:
1. Peter Mullan ("Tyrannosaur")
2. Sean Penn ("Cheyenne")
3. Christopher Plummer ("Beginners")
4. Pierre Bokma ("Schlafkrankheit")
5. Colin Firth ("The King's Speech")

Beste Darstellerin:
1. Sandra Hüller ("Brownian Movement" und "Über uns das All")
2. Clotilde Hesme ("Angele und Tony")
3. Kirsten Dunst ("Melancholia")
4. Jennifer Lawrence ("Winter's Bone")
5. Olivia Colman ("Tyrannosaur")

Bestes Darstellerensemble:
1. Another Year
2. Halt auf freier Strecke
3. Nader und Simin
4. Der Gott des Gemetzels
5. Le Havre

Größte Enttäuschung:
1. Bibliotheque Pascal
2. Biutiful
3. Poll
4. The Tree of Life
5. Der Albaner

Zelluloidverschwender:
1. The Tree
2. An einem Samstag
3. Auf brennender Erde
4. Mr. Nice
5. Four Lions




F E S T I V A L F I L M E


01. A Torinoi Lo - The Turin Horse (Bela Tarr, Ungarn)
02. Neprijatelj - Der Feind (Dejan Zecevic, Serbien/Montenegro)
03. Amnistia - Amnesty (Bujar Alimani, Albanien)
04. El Premio - The Prize (Paula Markovitch, Mexico)
05. Medianeras (Gustavo Taretto, Argeninien)
06. Obcansky Prukaz - Personalausweis (Ondrej Trojan, Tschechien/Slowakei)
07. Elena - Jelena (Andrej Tswjagintsev, Russland)
08. Daca Bobul Nu Moare - Wenn das Samenkorn nicht stirbt (Sinisa Dragin, Rumänien)
09. Ki - Ich heiße Ki (Leszek Dawid, Polen)
10. Shanzha shu zhi Lian - Under the Hawthorn Tree (Zhang Yimou, China)


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Und dann der Regen // Ich reise allein


Ich muss meinen letzten FTB-Eintrag in doppelter Hinsicht revidieren. Der Rest von 2011 und auch der letzte Höhepunkt des Jahres 2011 folgen erst an dieser Stelle:


Und dann der Regen (Iclair Bollain)

Respekt! Iclair Bollain verflechtet gleich drei Geschichten zu ineinander fließenden Ebenen eines Filmes. Sie lässt Kolumbus' Entdeckung und Unterwerfung der neuen Welt nachstellen, berichtet vom verzweifelten Kampf der Bolivianer gegen die Privatisierung der Wassversorgung im Jahr 2000 und erzählt vom Scheitern eines ambitionierten Filmprojektes, dass aufgrund äußerer und innerer Spannungen plötzlich bedeutungslos wird. Es ist der jahrhunderte alte Konflikt zwischen indigener und weißer Bevölkerung, die universelle Geschichte von Unterdrückung und Aufbegehren. Außerdem erzählt Bollain von zwei Männern, die sich anfangs voller Vorurteile konträr gegenüberstehen und am Ende bereit sind, füreinander einzustehen. Einen ganz kurzen Augenblick drohte der Film am Ende zu straucheln, was meinem großartigen Filmeindruck jedoch keinen Abbruch tat. Hat mir sehr gefallen.


Ich reise allein (Stian Kristiansen)

Ein ewiger Lotterleben-Student wird über Nacht Vater einer siebenjährigen Tochter, die sein Leben auf den Kopf stellt und sein Verantwortungsbewusstsein weckt. Die Geschichte verläuft relativ erwartungsgemäß und spannungsfrei, ist aber sehr humorvoll und sympathisch erzählt und war mir ein sehr angenehmer Kinojahresausklangsfilm.


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Mad Circus (und etwas mehr)


Mad Circus (Alex de la Iglesia)

Ein letzter Höhepunkt im Kinojahr 2011, der aber definitiv kein Lieblingsfilm von mir ist. Alex de la Iglesia hat eine furiose Mischung aus Horrorfantasie und Spaniens Geschichte unter Franco geschaffen, in der zwei tragische, entfesselte Clowns um eine Zirkusartistin buhlen. Über die Deutungstiefe und politische Symbolisierung der Figuren mag man streiten können, ebenso wie über die Notwendigkeit der vielen gezeigten Gewalt. Aber die Inszenierung des Midnight-Movies ist wirklich toll, dem spanischen Genreregisseur gelingen ein ums andere Mal so großartige wie grausame Szenen - atemberaubend, düster und beeindruckend bebildert. Eigentlich überhaupt nicht meine Art Film, aber ich fand ihn wirklich sehr beachtenswert.



Der recht solide Rest von 2011:

Bessere Zeiten (Pernilla August)
Gutes Familiendrama, in dem sich ein jahrelang ausgeschwiegener Mutter-Tochter-Konflikt auflöst.

Die verlorene Zeit (Anna Justice)
Eine zum Ende immer besser werdende Geschichte über zwei Menschen, die sich im Krieg aus den Augen verloren haben. Toll: Dagmar Manzel.

Cheyenne (Paul Sorrentino)
One-Man-Show von Sean Peann in einem grotesken Roadmovie, das mehr Augenmerk auf seinen außergewöhnlichen Protagonisten als auf eine dramaturgisch verdichtete Handlung legt. Herrlich köstlich in Nebensächlichkeiten.

Atmen (Karl Markovics)
Eine gute, stille und letztlich auch überraschende Geschichte über einen Jugendlichen vor einem Neubeginn, den er nicht betreten kann, ohne sich mit seiner Vergangenheit zu arrangieren.

The Help (Tate Taylor)
Ein vorzügliches Darstellerinnen-Ensemble und eine kluge wie unterhaltsame Geschichte gegen schwarz-weiße Rassenvorurteile in den 1960ern.





Filmtagebuch von...

Gerngucker
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