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Gernguckers Filmtagebuch





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Kurosawa: Engel der Verlorenen und Rashomon



Engel der Verlorenen
Yoidore Tenshi (Akira Kurosawa, 1948)

Das Nachkriegsjapan dieses Filmes ist ein trister und trüber namensloser Ort, an dem ordnendes Recht und Gesetz abwesend und die Menschen auf sich selbst gestellt sind. Ein guter Nährboden für Gangster, die sich auf Kosten der Armen bereichern und als Herren des Ortes betrachten. Der alkoholsüchtige Arzt Sanada, der trotz Laster inmitten der vorherrschenden sozialen Not ein hohes Ansehen genießt, ist der Engel der Verlorenen, der die Not seiner Mitmenschen lindert. So wie auch des geschwächten Yakuza Matsunaga. Zwischen Arzt und Gangster, der sich in Rivalitäten mit einem Mächtigeren verstrickt, entsteht eine zaghafte, sich respektierende Freundschaft. Die beiden tollen Stammschauspieler Kurosawas, Takashi Shimura und Toshiro Mifune, verkörpern die gebrochenen Antihelden sehr gut in einem ungeschminkten Alltag eines gefallenen Landes, in den Kurosawa kleine Gesten von aufopfernder Humanität einflechtet und damit die Trostlosigkeit vorsichtig aufbricht. "Engel der Verlorenen" hat mir gut gefallen.


Rashomon - Das Lustwäldchen
Rashomon (Akira Kurosawa, 1950)

Ein filmisches Meisterwerk, das am Vertrauen in die Menschheit rüttelt, das die gleiche Geschichte aus unterschiedlichen, sich widersprechenden Perspektiven neu erzählt und damit am Wahrheitsgehalt der Worte zweifeln lässt. Jeder der Erzähler findet eine neue Variation des Geschehens, in der er seine eigene Position positiv herauszustellen versucht. Die Motivationen der drei Menschen, die sich im Wald begegnen und einen Toten zurücklassen, wechseln dabei nicht nur leicht, sondern grundlegend, als hätte jeder der Beteiligten etwas völlig anderes erlebt. Häufig sitzen die Figuren frontal zur Kamera gewandt und sprechen zu einem unsichtbaren Gericht, dessen Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden, uns als Zuschauer übertragen wird und wir damit ausweglos scheitern müssen. Die Kamera arbeitet in diesen Gesprächsszenen mit großer Tiefenschärfe über mehrere Bildebenen hinweg, bleibt statisch auf sein Gegenüber gerichtet. In den Szenen im Wald jedoch wird die Kamera unglaublich agil und beweglich, um seinen Figuren und ihren Auseinandersetzungen zu folgen. Von den darstellerischen Leistungen muss unbedingt die von Toshiro Mifune als energiegeladener, aufbrausender Räuber herausgestellt werden. "Rashomon" ist ein Film, der seinen Schauspiel-Ruhm begründete.




Aha, Du hast also wirklich damit begonnen, Dir mal wieder Kurosawa vorzunehmen. Die Idee sollte ich vielleicht auch aufgreifen. "Engel der Verlorenen" schätze ich natürlich auch, wobei ich den Film aber vielleicht doch nur als (sehr) gut und noch nicht als Meisterwerk bezeichnen würde, während "Rashomon" natürlich zu den größten Filmen überhaupt gehört. Ein Film, der zum einen tief ins menschliche Herz hineinschaut, der aber auch lehrt, dem Filmbild zu mißtrauen.
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Ja. Die Zeit für eine Wiederbegegnung mit Kurosawa, einem meiner Lieblingsregisseure, war reif. Meine erste große Werkschau liegt nun schon mehr als 5 Jahre zurück. Und schon damals schrieb ich, dass ich alle Filme gern bald wiedersehen würde. Mal schauen, wie umfangreich meine diesjährige Reihe ausfallen wird. Genügend seiner Filme habe ich als DVD zuhause. Aber meine bisherigen Blindstellen in seiner Filmographie (vor allem im Frühwerk) werden weiterhin bestehen bleiben.
Das Filmmuseum in München startet übrigens im September ebenfalls eine Kurosawa-Reihe, die offensichtlich vollständig scheint und sogar Filme enthält, die auf Drehbüchern von Kurosawa basieren. Unter diesen habe ich sogar einen bekannten Titel entdeckt: ich wusste gar nicht, dass Kontschalowskis "Runaway Train" auf einem Buch von Kurosawa beruht.
Leider ist die Filmreihe in München für mich aber nicht erreichbar. Die wäre eine gute Gelegenheit, die mir noch unbekannten Filme zu entdecken.

Die Wertschätzungseinstufung von "Engel der Verlorenen" und "Rashomon" sehe ich genau so.
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Gerngucker
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