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Albanisch-kosovarische Filmtage
von Gerngucker ·
18 September 2011
Kategorie:
Festivals
Aufrufe: 1.052
Medeni Mesec (Goran Paskaljevic)
Kukumi (Isa Qosja)
Amnistia (Bujar Alimani)
Lindje, Perëndim, Lindje (Gjergj Xhuvani)
Die kurze albanisch-kosovarische Filmreihe wurde mit dem Albanien-Beitrag der Doku-Serie "Balkan Express" eröffnet, der auf das Leben im Umbruch vor allem in der aufstrebenden Metropole Tirana verweist, auf das auch einige Filme der Reihe Bezug nahmen. Vom alten traditionsgeprägten Albanien, wo der Alltag im Hochland vom streng regelnden Kanun beherrscht wird, war kaum noch etwas zu spüren.
Mag es nur am anderen Blickwinkel auf das Land liegen, oder hat sich hier tatsächlich bereits ein Generationswechsel vollzogen?
"Medeni Mesec" ("Flitterwochen") ist die erste Koproduktion zwischen Serbien und Albanien und vereint zwei parallel erzählte Geschichten über jeweils ein junges Paar, in deren Familien sich alte und moderne Lebensweisen und Ansichten vermischen und Konflikte nähren. Beide Paare brechen aus ihrem Land auf, um in ein anderes europäisches (westlicheres) Land zu gehen. Beide Handlungsstränge sind nahezu spiegelbildlich angeordnet und verdeutlichen so, dass das Leben, seine Herausforderungen und Probleme in beiden Ländern die gleichen sind. Das zwischen den Nationen liegende politisch umstrittene Kosovo wird auf absurde Weise beiden Paaren bei der Einreise in die anderen Länder zum Verhängnis. Somit ist "Medeni Mesec" um Neutralität und Entspannung bemüht und politisch sehr korrekt, zurück bleibt jedoch eine für meinen Geschmack zu offensichtlich konstruierte Geschichte.
"Kukumi" ist eine stille weil dialogarme Geschichte, die im Kosovo des Jahres 1999 spielt, als die UN-Truppen die Kontrolle im Land übernehmen. Trotz des ernsten Hintergrundes ist es ein sehr schöner und eigentümlich betörender kleiner Film, nicht zuletzt durch seine tollen Bilder, seine eindringliche Musik und eine sehr stimmige Inszenierung. In einer Art kreisförmiges Roadmovie entdecken drei Psychiatrie-Insassen auf unverhofftem Freigang ihre Heimat im Umbruch. Sie stolpern als gewitzte Glücksritter durch ein karges, verlassenes Land und entdecken (mehrsinnig) ihre neue Freiheit. Um sie herum flüchten Menschen oder nähren die Hoffnung auf Demokratie oder versuchen ihr Kapital aus der neuen Situation zu schlagen, während KFOR-Panzer durchs Land rollen. In gewissem Sinn könnte man das Abenteuer Freiheit der drei Figuren als eigenwillige Menage-a-trois beschreiben.
"Amnistia" ("Amnestie") erzählt zunächst parallel von einer Frau und einem Mann, die ihre jeweiligen Ehepartner im Gefängnis von Tirana besuchen, bis sich beide begegnen und ihre Geschichten sich zu einer verzahnen. Wie bei "In the mood for love" lernen sich hier eine Frau und ein Mann äußerst zag- und schamhaft kennen, während die abwesenden (inhaftierten) Ehepartner gesichtslos bleiben. Beiläufig klagt der Film die Zustände im Land an, wie zum Beispiel in jener ausdrucksstarken Szene, in der die Frau an einer endlos langen Besucherschlange am Gefängnis vorbei geht. Stärker bezieht er den Konflikt zwischen Tradition und Moderne ein, indem er dem sich heimlich findenden Paar einen sittenstrengen Schwiegervater der Frau gegenüberstellt, der sie aus ihrem Dorf in die Stadt fliehen lässt. Sie alle sind in ihrer Weise Gefangene und eine Amnestie gebiert und zerstört Hoffnungen gleichermaßen. "Amnistia" ist ein gut gespieltes, leises und formal konzentriertes Drama, das mir sehr gefallen hat.
"Lindje, Perëndim, Lindje" ("Der letzte Sprint") beschwört den albanischen Nationalstolz in Form eines tragikomischen Roadmovies. Albanien erhält nach Jahren endlich wieder eine Einladung zu einem internationalen Radrennen. Während sich ein Team von Amateuren, offensichtlich zum Verlieren verdammt, per Schiff auf den Weg macht, stürtzt in der Heimat das politische System zusammen. Der Umbruch macht sie zu Vergessenen und das Rennen rückt in weite Ferne. Per Rad machen sie sich auf den Weg in die Heimat die es so nicht mehr gibt. Der Film gibt sich gewitzt und lokalpatriotisch, sympathisiert mit seinen Figuren, schwächelt ein wenig beim Erzählen durch Weglassen von Hintergrund. Ganz nett, mehr nicht.
Kukumi (Isa Qosja)
Amnistia (Bujar Alimani)
Lindje, Perëndim, Lindje (Gjergj Xhuvani)
Die kurze albanisch-kosovarische Filmreihe wurde mit dem Albanien-Beitrag der Doku-Serie "Balkan Express" eröffnet, der auf das Leben im Umbruch vor allem in der aufstrebenden Metropole Tirana verweist, auf das auch einige Filme der Reihe Bezug nahmen. Vom alten traditionsgeprägten Albanien, wo der Alltag im Hochland vom streng regelnden Kanun beherrscht wird, war kaum noch etwas zu spüren.
Mag es nur am anderen Blickwinkel auf das Land liegen, oder hat sich hier tatsächlich bereits ein Generationswechsel vollzogen?
"Medeni Mesec" ("Flitterwochen") ist die erste Koproduktion zwischen Serbien und Albanien und vereint zwei parallel erzählte Geschichten über jeweils ein junges Paar, in deren Familien sich alte und moderne Lebensweisen und Ansichten vermischen und Konflikte nähren. Beide Paare brechen aus ihrem Land auf, um in ein anderes europäisches (westlicheres) Land zu gehen. Beide Handlungsstränge sind nahezu spiegelbildlich angeordnet und verdeutlichen so, dass das Leben, seine Herausforderungen und Probleme in beiden Ländern die gleichen sind. Das zwischen den Nationen liegende politisch umstrittene Kosovo wird auf absurde Weise beiden Paaren bei der Einreise in die anderen Länder zum Verhängnis. Somit ist "Medeni Mesec" um Neutralität und Entspannung bemüht und politisch sehr korrekt, zurück bleibt jedoch eine für meinen Geschmack zu offensichtlich konstruierte Geschichte.
"Kukumi" ist eine stille weil dialogarme Geschichte, die im Kosovo des Jahres 1999 spielt, als die UN-Truppen die Kontrolle im Land übernehmen. Trotz des ernsten Hintergrundes ist es ein sehr schöner und eigentümlich betörender kleiner Film, nicht zuletzt durch seine tollen Bilder, seine eindringliche Musik und eine sehr stimmige Inszenierung. In einer Art kreisförmiges Roadmovie entdecken drei Psychiatrie-Insassen auf unverhofftem Freigang ihre Heimat im Umbruch. Sie stolpern als gewitzte Glücksritter durch ein karges, verlassenes Land und entdecken (mehrsinnig) ihre neue Freiheit. Um sie herum flüchten Menschen oder nähren die Hoffnung auf Demokratie oder versuchen ihr Kapital aus der neuen Situation zu schlagen, während KFOR-Panzer durchs Land rollen. In gewissem Sinn könnte man das Abenteuer Freiheit der drei Figuren als eigenwillige Menage-a-trois beschreiben.
"Amnistia" ("Amnestie") erzählt zunächst parallel von einer Frau und einem Mann, die ihre jeweiligen Ehepartner im Gefängnis von Tirana besuchen, bis sich beide begegnen und ihre Geschichten sich zu einer verzahnen. Wie bei "In the mood for love" lernen sich hier eine Frau und ein Mann äußerst zag- und schamhaft kennen, während die abwesenden (inhaftierten) Ehepartner gesichtslos bleiben. Beiläufig klagt der Film die Zustände im Land an, wie zum Beispiel in jener ausdrucksstarken Szene, in der die Frau an einer endlos langen Besucherschlange am Gefängnis vorbei geht. Stärker bezieht er den Konflikt zwischen Tradition und Moderne ein, indem er dem sich heimlich findenden Paar einen sittenstrengen Schwiegervater der Frau gegenüberstellt, der sie aus ihrem Dorf in die Stadt fliehen lässt. Sie alle sind in ihrer Weise Gefangene und eine Amnestie gebiert und zerstört Hoffnungen gleichermaßen. "Amnistia" ist ein gut gespieltes, leises und formal konzentriertes Drama, das mir sehr gefallen hat.
"Lindje, Perëndim, Lindje" ("Der letzte Sprint") beschwört den albanischen Nationalstolz in Form eines tragikomischen Roadmovies. Albanien erhält nach Jahren endlich wieder eine Einladung zu einem internationalen Radrennen. Während sich ein Team von Amateuren, offensichtlich zum Verlieren verdammt, per Schiff auf den Weg macht, stürtzt in der Heimat das politische System zusammen. Der Umbruch macht sie zu Vergessenen und das Rennen rückt in weite Ferne. Per Rad machen sie sich auf den Weg in die Heimat die es so nicht mehr gibt. Der Film gibt sich gewitzt und lokalpatriotisch, sympathisiert mit seinen Figuren, schwächelt ein wenig beim Erzählen durch Weglassen von Hintergrund. Ganz nett, mehr nicht.